Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

Ungarns   Mitschuld an Marseille  

Freitag, 16. November 1934

Sechs peinliche Fragen an Gömbös  

Vorstoß des offiziösen Belgrader   Blattes ,, Vreme  "

rungen

Belgrad.( Avala.) Die ,, V rem e" be- Bubanj, übergeben sollte. Dieses Paket explodierte schäftigt sich ausführlich mit den jüngsten Erklä- auf dem Bahnhofs- Kommissariat in Kroprivnice, des ungarischen Ministerpräsidenten wobei ein Polizist getötet und ein Polizeikommis­Gömböz und stellt ihm folgende Fragen: sär, sowie einige Polizisten verlegt wurden. Das 1. Ist es wahr, daß seit dem Jahre Ersuchen um Verhaftung der beiden erwähnten 1931 Janta Puszta der Siterroristen wurde am 2. August wiederholt. Am von Verbrechern war, deren Auf- 7. August bot die königlich jugoslawische Gesandt­gabe die Durchführung von Attentaten in Ju- schaft den ungarischen Behörden Einzelheiten über goslawien gewesen ist? Ist es wahr, daß Janka den Wohnsit Mijo Kralj an, der sich damals in Puszta   tatsächlich ein Militärlager war, in dem einer Spritbrennerei, etwa sieben Kilometer vom Bahnhofe Ghékeihes entfernt versteckt aufhielt. Auf Tag und Nacht terroristische Revolver­fchießübungen auf eine den König dieſe Note erhielt die königlich jugoslawische Ge­Alexander darstellende Silhouette stattfanden? fandtschaft keine Antwort. Ist es wahr, daß Janka Puszta ein tatsächliches Sie unternahm daher am 12. November 1933 Arsenal   von Waffen, Muni- eine neuerliche Demarche, auf welche die ungari­tion und Explosivstoffen sche Regierung am 14. Dezember des gleichen darstellte, das ausschließlich aus den ungari- Jahres antwortete und konstatierte, daß nach An­schen Militärlagern beliefert werden konnte? ficht des ungarischen Justizministers die Ver­Am 26. April 1934 mußte die ungarische Regie- 6 aftung des Mijo Kralj auf rung die Existenz dieses terroristischen Lagers durch eine Note folgenden Wortlautes amtlich anerkennen: Die ungarische Regierung hat Maßnahmen getroffen, damit die jugoslawischen bolitischen Emigranten Janka Puszta, das sie vor einiger Zeit mieteten, verlassen."

2. Ist es wahr, daß aktive Offi ziere der ungarischen Armee, deren General   der ungarische Ministerpräsident ist, den Terroristen Sprengmittel und Waffen zur Verfügung stellten, und die Ausbil= dung der Terroristen im Bom­benwerfen, in der Erzeugung von Höllenmaschi­nen, Errichtung von Schüßengräben, illegalen Grenzübertritten und im Umgang mit Geweh­ren und Revolvern überwachten.

,, Vreme  " führt zehn Namen aktiver ngarischer Offiziere aus dem Generalstab und dem Kundschafterdienst an, die mit der Ausbildung| der Terroristen besonders beauftragt waren.

Ist es richtig, so fragt ,, Vreme  " weiter, daß die Königsmörder Cernozemsth. Pospi šil, Rajič und Kralj   durch den Kapitän der ungarischen Armee B u da, den Obersten| Kis und durch die Kapitäne Bros y und Lahovský besonders ausgebildet wurden?

3. Das Blatt veröffentlicht ein Verzeichnis von zehn Anschlägen, die in der Zeit vom 17. Juli 1932 bis zum 9. Dezember 1933 auf jugoslawischem Gebiete verübt wurden und deren Urheber Terroristen aus dem Lager Janta Puszta waren und richtet die Frage an

ungarischem Gebiet unmöglich sei, daß Mijo Kralj vom Jänner bis zum Feber 1933 in Ungarn   weilte und den ungarischen Be­hörden seit dieser Zeit der Aufenthalt Mijo Kralis unbekannt sei. Im übrigen ist bekannt, baß die ungarischen Behörden auch den Aufent haltsort Servazzis nicht kannten, der in Budapest  , Attila- Straße Nr. 81, öffentlich wohnte, desglei­chen auch nicht die Adresse von Gustav Perčec, der in Janka Puszta und vorher in Budapest  , zu= erst im vierten Bezirk( Besci utca 5) und später in der Josef ter. 12 wohnte.

Glaubt der ungarische Ministerpräsident, daß diefe öffentliche Mitschuld der ungarischen Behör den am Schuße von Mördern und die offizielle Hilfe bei der Erleichterung der verbrecherischen Arbeit dieser gleichfalls zum Asylrecht gehört?

6. Ist es bekannt, daß alle Mit= des fch u I dig en Marseiller Verbrechens Personen sind, die vielel

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( einschließlich 5 Heller Boriol

Nr. 269

Regiert der Fey ganz Mitteleuropa  ?

Grundsätzliches zum Fall Kreisler

Die österreichische Regierung hat an die Bes hörden der Tschechoslowakischen Republik ein ab surdes Verlangen gestellt: sie sollen ihr den Dr. Frizz Kreisler ausliefern, gegen den das Sondergericht Wien   I. die Anklage wegen Ver­leumdung erhebt. Wann, wo, womit hat Dr. Fris

Jahre hindurch nicht allein Preisler das Delikt der Verleumdung begangen? das ungarische Asylrecht ge- In der in Bodenbach   gedruckten und verlegten nießen, sondern auch materielle Broschüre Wer hat Dollfuß   ermordet?" Frik Unterstützung seitens der Vertreter Kreisler behauptet, daß seine Broschüre keine Ver­ungarischer amtlicher Stellen erhalten, die der leumdungen enthalte, sondern Tatsachen interpre= Meinung waren, daß diese Personen eine revi- tiere und dort, wo sie Tatsachen anführe, sich auf sionistische Tätigkeit betreiben? Ist es bekannt, amtliche Berichte, auf Zeugenaussagen und daß alle Schuldigen des Marseiller Attentats, Sachverständigen- Gutachten stüße. Hier steht also mit Ausnahme der Rädels Aussage gegen Aussage. Wer hat führer, die aus einem ungarn   darüber zu entscheiden, welche richtig ist, wer ent­befreundeten Staate kamen, direkt scheidet, ob Verleumdung oder ob eine politische aus Ungarn   kamen? Ist es dem ungarischen Kampagne vorliegt? Darüber hat nur das zu= Ministerpräsidenten bekannt, daß die Mörständige Gericht zu entscheiden. Das zu­der inmitten der Stadt Großständige Gericht für ein in Bodenbach   begangenes Kanicza ganz ungestört im Hause Delift ist, solange nicht der Friedensvertrag von Nr. 23 in der M. Horthy St. Germain geändert ist und insoferne man sich Straße durch Los die Personen 3 ur an die bestehende europäische   Rechtsordnung hält, Durchführung des schrecklichen das Kreisgericht in Leitmerib. Attentats bestimmen konn= Mag sein, daß der Emil Fey  , der ja zu den ten und diese ausgeloften Personen von Getreuen des Kaisers und Königs Ofto gehört Groß- Kanicz mit dem Zuge und sogar in Be-( oder zur Abwechslung wieder einmal zu denen gleitung ungarischer amtlicher Personen ab Hitlers  ?) Bodenbach für einen laut pragmatischer reisten? Ist es dem ungarischen Ministerpräst Sanktion vom Jahre 1713 von den österr.- böhm, denten bekannt, daß Ante Pavel i č, Gustav Erblanden des Hauses Habsburg inseparablen" Berčeč und Servazzi vollkommen nicht zu trennenden Bestandteil der Mon­mittellos waren und daß ihr einziger Beruf archie hält. Aber es ist schon ein starkes Stück, darin bestand, terroristische Banden und die sich mit dieser Rechtsauffassung und eine an­Vorbereitung von Anschlägen zu organisieren, dere macht das Auslieferungsbegehren vollends deren Gipfelpunkt die Ermordung des Königs lächerlich ins Licht zu stellen und der tschecho­Alexander war? Wer hat nach Ansicht des slowakischen Regierung zuzumuten, daß sie sich die ungarischen Ministerpräsidenten eigentlich die völkerrechtlichen Grundsätze des Feh zu eigen. ganzen Jahre hindurch die gesamte Bande mache. finanziell unterstützt? Ist es dem ungarischen Das Anfinnen muß umso größeres Erstaus Ministerpräsidenten bekannt, daß die Königs- nen hervorrufen, als doch Oesterreich eben mörder bedeutende Geldbeträge durch Vermitt- jest in dem Fall Perčevič eine ganz lung der irredentistischen Organisationen ,, Tes" andere Auffassung des Asyl­und ,, Möwe" erhalten haben? Gehört vielleicht rechts verraten hat. In Desterreich leben so schließt das Blatt seine Fragen- auch der Generaloberst Sarto tič und der Kroaten die finanzielle Unterstützung der Mörder des führer Perčevič, die mindestens Gesinnungs­Herrschers eines Nachbarstaates zum Asylrecht? genossen und Helfer, der eine aber vermutlich so­gar der Anstifter der Attentäter von Marseille  sind. Die österreichische Regierung hat sich bisher schüßend vor diese Helden gestellt. Während also einem mit der Tschechoslowakei   verbündeten Staat, dessen König das Opfer einer großange= legten Verschivörung wurde, die Verfolgung der geistigen und faktischen Urheber des Mordkom­plotts durch die strenge Auffassung, die Schuschnigg  

Zusammenlegung der Wahlen

vom Innenminister angekündigt

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vielfach die Gerüchte registriert, daß die tschechi  - nicht entschieden. Der Entwurf wird im Innen- dert dieselbe Regierung Schuschnigg- Fey von der Prag  . Ernste Blätter hatten in letzter Zeit Rechtsverhältnisses wurde bisher in der Regierung und Fay vom Asylrecht haben, erschwert wird, for­schen Agrarier zur Durchsetzung ihrer Wünsche be- ministerium vorbereitet. tschechost. Regierung eine flagrante Verlet züglich der landwirtschaftlichen Entschuldungs­Die Frage der Verlängerung des Parteiengesetzung des Asylrechtes. Und dies wegen eines Herrn war bisher noch nicht Gegenstand der offiziellen Ver- Ehre intakt halten will, den gesetzmäßigen Weg

den ungarischen Ministerpräsidenten, ob ihm aktion gesonnen seien, die von der Koalition in ses, sei es unverändert oder in veränderter Form, Fet, der wie jeder andere Sterbliche, wenn er seine diese Tatsachen bekannt sind und ob auch die Aussicht genommene Zusammenlegung der im handlungen der Regierung. Jedenfalls aber ende der Klage vor dem zuständigen Gericht zu gehen Ermordung unschuldiger Reisender durch Höl- Frühjahr 1935 fälligen Wahlen in die Landes- die Geltung des Gesetzes mit dem Jahre 1934.

und Bezirksvertretungen mit den erst im Herbst

lenmaschinen zum Asylrecht gehöre. 4. Das Blatt erinnert an das Vorgehen fälligen Barlamentswahlen zu jabotieren, um da­der ungarischen Behörden in Ungarn   und im Auslande, die den Terroristen ungarische Päffe auf falschen Namen bindend erklärte, daß die Nationalversammlung  ausstellten, und fragt, ob auch dieses Vorgehen noch in diesem Jahre Gelegenheit haben unter die Gewährung des Asylrechtes falle. 5. In Budapest   ist bekannt, daß einer der wird, sich mit der Frage der Zusammenlegung Königsmörder der Terrorist Mijo Kralj dieser Wahltermin zu beschäftigen. war. Dieser Name ist nicht unbekannt. Wenn

mit die Linksparteien zu schrecken". Donnerstag hat nun der agrarische Innenminister Dr. C er ny diesen Gerüchten den Boden entzogen, indem er

Als aktuellstes Problem der in Vorbereitung

der ungarische Ministerpräsident das im Monat stehenden legislativen Arbeiten seines Ressorts be­Mai des heurigen Jahres dem Völkerbundsrate zeichnete der Innenminister die Sanierung der übergebene und auch der Deffentlichkeit bereits Selbstverwaltung und die Regelung der vorliegende Memorandum der jugoslawischen fich empfehle, die Durchführung der Sanierungsmaß­Regierung durchsicht, wird er darin eine Zunahmen in der Selbstverwaltung eingearbei­sammenstellung jener Verbrechen finden, in teten Vertretungskörperschaften welche der Name Mijo Kralj bereits über ein- anzubertrauen, einhalb Jahre verwickelt ist.

Rechtsverhältnisse der Landes- Geldanstalten. Da es

Am 1. August 1933 forderte die königlich

iugoslawische Gesandtschaft in Budapest   die Ber haftung Mijo Kraljs und Eduard Premecs. Diese beiden Terroristen übergaben am 29. Juli 1933 auf dem Bahnhofe in Gyekényes eine in Buchform ge­hüllte Höllenmaschine öffentlich dem jugoslawischen Eisenbahnangestellten Slavko Jegar, der dieses Bafet in Jugoslawien   dem Präsidenten des Ge­richtshofes zum Schuße des Staates in Belgrad  , der

wird es notwendig sein, die Funktionspe­riode der gegenwärtigen Be­zirks- und Landesvertretun gen zu verlängern.

Die Wahlen in das Abgeordne tenhaus werden auf Grund der ge­setzlichen und verfassungsmä­ßigen Bestimmungen durchgeführt werden.

hat, weil er weder ein Staatsoberhaupt noch sonst ein Würdenträger ist, dem eine besondere inter­nationale Rechtstellung zuläme.

Mit dem gleichen Recht, mit dem die öfter­reichische Regierung die Auslieferung des Doktor In Sachen der Wahlen in die Bezirks- und Streisler fordert, könnte sie die aller Emigran Landesvertretungen   spricht eine Reihe von Um­ten verlangen, die in Wort oder Schrift die Wahr­ständen dafür, daß sie im zeitlichen Zusammen- heit über Desterreich und das Kronjuwel des Otto hang mit den Parlamentswahlen stattfinden. Ne- Habsburg  , den Theresienritter  " Fey, ausgespro= ben Ersparnisgründen ist auch das Streben maß- chen haben. Mit dem gleichen Recht könnte die gebend, die öffentliche Verwaltung nicht mit Ar- deutsche Regierung die Auslieferung aller beiten zu überlasten, die mit der Durchführung Emigranten in allen europäischen   Staaten verlan von zweierlei Wahlen verbunden sind. Der Na- gen, die sich über den Goering oder irgendeinen tionalversammlung wird noch in diesem Jahre andern preußischen Fey despektierlich, also wahr­Gelegenheit gegeben, über diese Angelegenheit zu heitsgetreu, geäußert haben. Dann könnten a ber Neuwahlen der Gemeindevertre= von Hitler   und Millas fordern, daß sie ganze auch die demokratischen Staaten tungen werden nur in solchen Gemeinden vorge- Stompagnien ihrer Untertanen ausliefern, weil es oder ihre Funktionsperiode abge= nommen, wo die Vertretungen aufgelöst wurden in Deutschland   und Oesterreich, wie sich erst wieder Laufen ist. nach der Mordtat von Marseille   gezeigt hat, an der Tagesordnung ist, daß sich zweifelhafte Sub­

verhandeln.

Die Gesezesnovelle über die Wählerver=

Im Hinblick auf die kommenden Wahlen wird eichnisse ist im Ministerium vorbereitet und jekte jedes Ranges in den ordinärsten Tönen über auch eine gewisse Regelung der Wahl. bringt wesentliche Vereinfachungen des bisherigen die demokratischen Nachbarstaaten und deren vorschriften und der Rechtsstel. Verfahrens. Es wird auch die Forderung erfüllt wer- Staatsmänner auslassen. lung der politischen Parteien den, daß die Wahlen auf Grund von Verzeichnissen Wenn die österreichische Regierung sich auf notwendig sein. stattfinden, die kurz vor der Wahl zusam- das Gebiet völkerrechtlicher Auseinandersetzung mengestellt worden sind. begibt, dann wäre aber auch die Frage aufzut= werfen, worauf sich die Gewalt des

Ueber die Lösung der Frage der Registrierung politischen Parteien und die Regelung ihres

( Schluß auf Seite 2)