9t. 2WFreitag, 16. November 1934Seite 5M MM Ukl M Men SW"Gin USA-Plan befestigter Stützpunkte und FlughäfenWie lange reichendie Kohlenlager ans?Die wahrscheinlichen, respektive verbürgtenund bis zu einer Tiefe von 2000 Meter festge-stellten Kohlen-Weltvorräte betragenbei Steinkohle 4,039.014 und 321.243 MillionenTonnen, bei Braunkohle 2,937.137 und, 416.749- Millionen Tonnen. Die größten, verläßlich sicher»gestellten Borräte an Steinkohle hat England(138.183 Millionen Tonnen), an BraunkohlenKanada(384.968 Millionen Tonnen). DieTschechoslowakei steht mit ihren verläßlich sichergestellten Vorräten an Steinkohle ansechster, mit den wahrscheinlichen Steinkohlenvorräten an fünfter Stelle, mit ihren verläßlich sichergestellten Braunkohlenvorräten an dritter undihren wahrscheinlichen Braunkohlenvorräten anvierter Stelle. Bei einer gleichbleibenden gegenwärtigen Förderung, die im Borjahre 980 Millio-nen Tonnen Steinkohle und 177 Millionen Tonnen Braunkohle betrug, würden die verläßlichsichergestellten Steinkohlenweltvorräte für 320Jahre, die wahrscheinlichen für 4000 Jahre, dieverläßlich sichergestellten Braunkohlenvorräte für2300 Jahre und die wahrscheinlichen für 16.000Jähre ausreichen.Zahlungsbilanz und Handelsbilanz. Inunserem Mittwoch-Aufsatz über die tschechoslowakische Zahlungsbilanz von 1927 bis 1933 ist imersten Absatz ein sinnstörender Druckfehler unterlaufen. An zwei Stellen wird nämlich derHandelsbilanz, nicht wie eS richtig heißen sollte,die Zahlungsbilanz, sondern die Jahresbilanz gegenübergestellt.Gutes Schrifttum.„Haupt-Heyde-marck: Soldatendeutsch. Mit 450 Abb. vonDöbrich, Eggers und Thomas. Berlin: Freiheitsverlag. 201 S. Lw. 4.80. Eine Fülle von kräftigderben Ausdrücken, die dem deutschen Borkriegsheer eigentümlich waren, werden in ebenso sachlicher wie lustiger Weise vorgeführt. DrolligeHandzeichnungen veranschaulichen den Text. Wirlernen das alte Soldatentum nicht gerade von seiner tiefsten, abtt gewiß nicht von seiner unsympathischsten Seite kennen, wenn wir hören, daß einschlechter Reiter wie ein«Aff auf der Eichel" sitzt,daß das Johanniterkreuz»adelige Hundemarke",das Feuer der Artillerie„Abendsegen" genanntwurde und daß ein Maschinengewehr„Dünnpfiffkanone" hieß, so werden diese Beispiele manchenzur gründlichen Lektüre anreizen."— Diese Anzeige ist einer reichsdeutschen Bücherliste entnommen, die unter dem Rameu„GutesSchrift-t u m" erscheint.Führende Belgrader Intellektuelle habeneinen Aufruf erlassen, in welchem sie u. a. erklären, die E i n i g u irr a l l e rJugoslawensei ein dringendes Gebot der Stünde,' denn„der;Marseiller Anschlag sei eine Tat deräußeren Feinde JugoflawienS, die auch gegen dieIntegrität unseres Staates gewesen sei".TituleScu nach Paris. Bukarester Meldungenzufolge wird TituleScu eine Reife nachParis unternehmen, wo er Unterredungenmit dem Ministerpräsidenten Flandin, mit demAußenminister Laval und mit einigen anderenpolitischen Persönlichkeiten haben wird.Oesterreichs Wirtschaft schrumpft. Nachprovisorischen Schätzungen sind die Einnahmen derBundesbahnen auch im Monat September geringer gewesen als im gleichen Monate des Vorjahres, u. zw. im Personenverkehr um 6 Prozent, imGüterverkehr um 1.2 Prozent und insgesamt um4.5 Prozent.Wahrscheinliches Wetter Frettag. Unbeständig,strichweise Regen, zeitweise geringe Besserung, späteretwas kühler, im allgemeinen Temperatur über normal.London. Berichten aus den BereinigtenStaaten zufolge wird Ende dieses Monats ein Geschwader amerikanischer Amphibienflugzeuge einenMassenflug über den Stillen Ozean nach den Philippinen unternehmen. Von St. Francisco soll dieReise nach H a w a i gehen(3200 Kilometer), vonHawai nach Guam(der größten der amerikanischen Mariannen-Jnseln, südlich von Japan,4800 Kilometer) und von Guam nach Ma-n.i l a(1600 Kilometer). Der ganze Flug wirdin Formationen unternommen. Nach englischerDarstellung wird in Amerika ganz ofsetr erklärt,daß dieser Flug den Teil eines Planes bildet,„eine Luftbrücke übtt den Stillen Ozean zubauen". Man nimmt an, daß im Falle des Fehlschlagens der Flottenkonferenz befestigteStützpunkte und Flughäfen aufGuam, der Waki-Jnsel und der Midway-Jnselgeschaffen werden sollen. Hierin wird eine Antwort auf den gemeldeten Bau von Flughäfen aufden japanischen Mandatsinseln der Mariannen-54. Kongreß desAmerikanischen GewerkschaftsbundesDer große Umschwung zum Jndustriever-verband: Wenn W. Green, der Vorsitzende desAmerikanischen Gewerkschaftsbundes(A. F. ofL.), kurz vor der Beendigung der in San Fran-zisko abgehaltenen 54. ordentlichen Tagung deramerikanischen Landeszentrale sagte, daß dieserhistorische Kongreß bedeutungsvollere Arbeit lei«stete, als irgendein« der bis jetzt abgehaltenenTagungen, so gilt diese Feststellung ohne Zweifelin erster Linie für die Beschlüsse auf orgqnisato-rischem Gebiete.Die A. F. of L. war bis jetzt vorwiegend eineFöderation von Berufsverbänden, d. h. von horizontal aufgebauten Organisationen. Dem standsolange nichts im Wege, als die Bereinigten Staaten das Paradies des Individualismus waren/Diese Zeiten sind seit der.Einleftpng des,mmtsmoostvelts endgültig Korbes. Mk die CooH:zur Festsetzung von Mindestlöhnen sowie einheitlicherer Arbeitsbedingungen und vernünftigerenKonkurrenzformen für ganze Industrien geltenund in vielen dieser Industrien die Unternehmerbereits straff organisiert sind, mußte die Industrieorganisation notwendigerweise in den Vordergrund treten. Diese Tendenz äußerte sich innerhalb der A. F. of L. in vielen Fällen so, daß sichdie Arbeiter überhaupt nicht mehr den reine» Berufsorganisationen anschließcn wollten, sondern esvorzogen, sich innerhalb sogenannter„FederalUnions" direkt der A. F. of L. anzuschlietzen oderüberhaupt von jeglicher Organisation Abstand zunehmen. Der Kongreß der A. F. of L. löste diesesheikle Problem, indem er sich nach langen Jahrendes inneren Widerstandes gegen Neuerungen inder Organisationsform den durch die NRA geschaffenen Verhältnissen anpaßte und die vertikaleOrganisativnsform, d. h. den Jndustrieverbandanerkannte. Damit gibt er jedoch die beruflichegruppe erblickt, von denen der eine auf der InselSaipan nur eine Flugstunde von Guam entferntist: In Sachverständigenkreisen glaubt man, daßdie Vereinigten Staaten, falls sie die in Aussichtgenommenen Flugstützpunkte ausbauen, in verhältnismäßig kurzer Zeit 1000 Bomben- undTorpedoflugzeuge in Reichweite der japanischenInseln zusammenziehen können.800«e«e Flugzeuge?■x Washington. Das Heeresfliegerkorps fordertin einem Gesuch an den Haushaltsausschuß 800neue Flugzeuge, durch die die amerikanische Luststreitmacht zur größten und modernsten Luftflotteder Well gemacht werden soll. 500 von den Maschinen sollen veraltete Flugzeuge ersetzen, so daßdie tatsächliche Erhöhung 300 Flugzeuge beträgt.Es wird vorgeschlagen, den Bau der neuen Maschinen über drei Jahre zu verteilen, nach deren Ablauf die Vereinigten Staaten 2400 Militärflugzeuge besitzen würden.Vertretung nicht auf. Er wird dort Jndustriever-bände schaffen und fördern, wo sie die gegebeneOrganisationsform sind(Automobil-, Zement-und Aluminiumindustrie usw.); im übrigen werden die 109 bestehenden reinen Berufsorganisationen, deren Vertretung der beruflichen Interessenauch weiterhin gesichert bleibt, von dem Beschlüssenicht einschneidend betroffen.A. F. of L. und NJRA: Die A. F. of L.hat sich erneut für Roosevelt und sein Gesetz fürden wirtschaftlichen Wiederaufbau(NJRA) ausgesprochen. Gleichzeitig hat sie jedoch auch scharfeKritik geübt, d. h. deutlich zum Ausdruck gebracht,daß die Verwaltung der NJRA nicht nur auf demPapier, sondern auch in der Praxis wirklich Wirtschafts demokratisch sein und nicht von Persönlichkeiten getragen werden soll, die die NJRA-Politik ausschließlich mitmachen, um die Geschäftedes Kapitals zu betreiben. In diesem Sinne sprachsich der Kongreß insbesondere gegen die Ernennung von S. Clay Williams zum Leiter desneuen Amtes zur Festlegung der Politik undArAttntckr ÄtJWA ttus: Im Vorstüud. her A-, F jof L^wrrrde' von'^grausamen Enttäuschungen" Mlbezug auf die Handhabung des die Gewerkschaftsfreiheit garantierenden Artikels 7a der NJRAgesprochen und die Exekutive beauftragt, sich fürsolche Abänderungen und Interpretierungen derNJRA, speziell des Artikels 7a einzusetzen, die dieoffizielle Vergewaltigung des Gesetzes unmöglich machen. In diesem Zusammenhang mag auch auf die die Währungspolitik betreffenden Stellen des vom Kongreß gutgeheißenenBerichtes der Exekutive hingewiesen werden:„Dieorganisierte Arbeiterschaft ist grundsätzlich gegendie Inflation. Keine Bevölkerungschicht leidetmehr unter der Inflation als die Lohnarbeiterund keine Bevölkerungsschicht hat triftigereGründe, gegen die fortlaufende und unregulierte Inflation aufzutreten, die dieKaufkraft der Arbeiter gründlicher zerstört als esdie Depression gemacht hat." In der Lohnfragesprach sich der Kongreß aufs neue dafür aus, daßgleicher Lähn für gleiche Arbeit bezahlt wird, ohneUnterschied desGeschlech t s und der R a s s e.Arbeitszeit: Der Kongreß erklärte sich erneut einstimmig für die 30-Stunden-Woche, bzw.den Sechs-Stundentag und die Fünf-Tage-Wocheohne Lohnherabsetzung. Bei der Unterbreitung derdiesbezüglichen Resolution führte Green untergroßem Applaus aus:„Es ist nicht genug, dieArmee der Arbeitslosen um vier Millionen verringert zu haben. Das Problem muß so gelöstwerden, daß jeder Arbeit hat, der arbeiten will.Jene, die gegen die 30-Stunden-Woche sind,schlagen kein anderes Heilmittel vor. Ich rufediesen Elementen aufs neue zu, sie mögen ettvasbesseres Vorschlägen!"...„Die organisierte Arbeiterschaft ist in dieser Frage unnachgiebig undzu keinem Kompromiß bereit. Sie wird lveitcrkämpfen, bis der Sechs-Stunden-Tag und dieFünf-Stunden-Woche in der ganzen Welt anerkannt und durchgeführt ist."Kampf gegen den Fascismus, Fortsetzungdes Boykotts gegen Hitler-Deutschland: DemKampf gegen den Fascismus'wurde auf dem diesjährigen Kongreß der A. F. of L. besondere Bedeutung zuteil durch die Anwesenheit von W. M.CitrinS, Generalsekretär des Brittschen Gcwcrk-schaftsbundes. Citrine hielt eine mit ungeheuremBeifall aufgenommene Rede, in der er die amerikanische Arbeiterschaft aufforderte, den Internationalen Gewerkschaftsbund„in seinem Kampfegegen den Fascismus und für die Sicherung undWiederherstellung der freien Institutionen derVölker der Welt zu unterstützen"...„Die Schlachtder Demokratie", so sagte Citrine,„werde inEuropa ausgesuchten. Er fordert deshalb dieamerikanische Arbeiterbewegung„zur weitestgehenden finanziellen und materiellen Unterstützung auf."„William Green", so berichtet deroffizielle Pressedienst der A. F. of L.,„versprach,daß CitrineS Appell bei der amerikanischen Arbeiterschaft herzliche Erwiderung finden werde."In diesem Zusammenhang genehmigte derKongreß die Empfehlungen des im vergangenenFahre ernannten Komitees für di« BoykottierungDeutschlands und sprach sich gleichzeitig für„dieweitestgehende Unterstützung aller Opfer desFascismus aus." Es war Präsident Green selber,der diesen Antrag unterstützte und dabei sagte:„Wir können nicht ehrlich sein gegenüber derArbeiterschaft und gegenüber uns selber, wenn wirruhig zuschauen, wie unsere Brüder in anderenLändern gepeinigt werden, weil sie sich für dieFreiheit einsetzen."Neuwahl der Exekutive und Mitglieder-zahlen: Die Zahl der Exekutibmitglieder wurdevon 11 auf 18 erhöht, was insbesondere aucheinem Wunsche der jüngeren Elemente'm derA. F. of L. entspricht. Die Mitgliederzahl der angeschlossenen Verbände wird für August 1934 mit2,824.689 angegeben, was im Vergleich zum ver-aavLr.NL>1.IM^ eins Erhöhung frei?- Ziffer Herzahlenden Mitglieder'' um" 897.893 bedeut«.Wenn man die Mitglieder mitzählt, auf die sichdie Verbände unbedingt verlassen können und dieordentliche Mitglieder werden, sobald sie zurZahlung der Beiträge imstande sind, so kann dieMitgliederzahl auf 5,650.000 angesetzt werden.Geht man noch einen Schritt weiter und rechnetman alle jene Arbeiter zu den Mitgliedern derA. F. of L., die in ihr die angewiesene und anerkannte Verhandlungsinstanz sehen, so kann mansagen, daß heute ungefähr 12 Millionen Arbeiterhinter der A. F. of L. stehen.A. F. of L. und Internationales Arbeitsamt: Im Hinblick auf den Beitritt der Vereinigten Staaten zum Internationalen Arbeitsamthatte sich der Amerikanische Gewerkschaftskongreßu. a. auch mit dem Problem der Teilnahme anden Veranstaltungen des I. A. A. zu befassen.Er sprach sich für eine möglichst umfassende Ver-tretung der Arbeiterschaft an den Konferenzen desI. A. A. aus.ttwirWl M SozialpolitikIm Haus der FreudlosenGefängniserlebnisse von Felix FechenbachDi« Tage im Gefängnis werden mir lang.Aber die Nächte sind fast endlos. Man sollte dieZett im Gefängnis nicht nach Tagen, man müßtesie nach Nächten zählen.Diese qualvollen Nächte ohne Schlaf kenntaußer dem Gefangenen nur noch der Kranke.Am acht Uhr löscht daS Licht aus. BierStunden kann ich schlafen. Dann dehnt sich dieNacht in langen Stunden, und jede Minute schleichtihre sechzig Minuten in quälender Trägheit. Erstum sechs Uhr früh gibts wieder Licht.In die Schlaflosigkeit hinein erinnert michdas Eisengitter am Zellenfenster, wo ich bin.Immerwährend hab ich dies Gitter vor Augen.Auch des Nachts, wenn ich noch nicht oder schonnicht mehr schlafe.Meine Eisenbettstelle ist tagsüber an dieWand hinaufgeklappt. Nachts steht sie mit demFußende gegen die Tür, so daß ich das Fensternicht sehe, wenn ich im Bett liege. Aber im Gar-im vor dem Zellenbau brennt eine elektrischeLaterne, und ein tückisches physikalisches Gesetzwill, daß sie ihr Licht durch das vergitterte Fenster und damit den Schatten des Fenstergittersscharf umrissen auf die gegenüberliegende Zellenwand wirft.So kann ich dem Gitter nicht ausweichen. Ichmuß seinen Schatten sehen» sobald ich nur dieAugen öffne.Einmal,— in der Zelle war's schon dunkel— machte ich mit der auSgespreizten Hand einezufällige Bewegung nach oben. Sofort erscheintan der Wand im Schattenbild des Gitters derscharf gezeichnete Schatten meiner Hand. DasGanze sieht aus, als strecke sich eine Hand vollSehnsucht durchs Gitter ins Freie. Unwillkürlichballen sich meine Finger zur Faust und das Bildan der Wand wird zu drohender Auflage.-Närrisches Schattenspiel. Und doch, wievielWahrheit liegt in diesem SpieltIst die Nacht sternhell, dann stehe ich ost aufmeinem Schemel vorn beim Fenster und schaue dieMajestät des nächtlichen Himmels.Drüben, jenseits des Gartens, liegt dasHauptgebäude, das ehemalige Kloster. Danebenragt die alte Basilika. Eine wuchtige Silhouette.Wenn ich am Fenster stehe, muß ich michvorsehen, daß der Nachtwächter mich nicht erwischt.Er schleicht zuweilen an den Zellentüren entlangund schaut durch die Gucklöcher. Werde ich gesehen und gemeldet, gibts eine HauSstrafe.Ist Vollmond, dann fällt das bleiche Mondlicht in meine Zelle auf die Nordwand. Ich beobachte das Weiterrücken des LichtstreifenS und zähledaran die Stunden. Ist das Licht hinten in derEcke angelangt, wo die Opferschale steht, dann ist'sfünf Uhr morgens.In einer solchen Mondnacht hatte ich einmalBesuch in der Zelle. Eine Maus war unten beimHeizrohr hereingeschlüpft. Bon meinen Papiertüten war eine auf den Boden gefallen. Darinraschelte die Maus herum, bis ich eine unbedachteBewegung machte. Da huschte das geängstigteTierchen erschrocken davon.Am nächsten Abend legte ich ein paar fleinrReste vom Abendbrot mit einem Stijckchen Papierauf den Bode». Stundenlang wartete ich und!lauschte angestrengt, ob meine nächlliche Besucherinsich nicht einstellen wollte. Um ein Uhr kam sie.Dem Keinen Mahl, das ich ihr bereitet, tat siealle Ehre an. Roch ein paar Nächte konnte ichmich an dem Keinen Tierchen freuen. Dann wurden eines Tages die Zellen ausgebessert und dasLoch unten beim Heizrohr mit Gips verschlossen.Die Rächte waren jetzt wieder einsam, wie vorher.*Die Nacht läßt alle Geräusche deutlicherhören, als es der Lärm des Tages gestattet. JedeViertelstunde höre ich die Turmuhr schlagen. FmZellenbau folgt dann der silbrige Schlag der großen Standuhr.Wenn der Nachtwächter seinen Rundgangmacht, höre ich jeden Schrüt am Gebäude entlang. Zuweilen dringt ein Gespräch herauf, dasunten zwei Beamte führen. Und drüben vomDorfkrug schallt bis zwölf Uhr frohes, ausgelassenes Gelächter herüber, manchmal auch Gesang.Nach seinem Rundgang kommt der Nachtwächter wieder in den Zellenbau. Ich höre jede»einer Bewegungen. Wenn er sich auf den Schemeleht, wenn er die Pfeife anzündet, ja, wenn er',eim Lesen ein Blatt des Buches umwendet, höreich's. Das leute Schnarchen seines auf den Manndressierten Hundes dringt vernehmlich in meineJelle.Im Garten vorm Zellenbau ist ein Bassin.Kqrpfen sind drin. Ich höre sie, wenn sie sich imWasser emporschnellen. Manchmal tut einer einenzu kühnen Sprung und fällt nicht ins Wasser zurück. Dann lixgt er ost die ganze Nacht nebendem Bassin und schlägt mit dem Schlvanz in einePfütze. Das klatschende Geräusch davon konnteich mit lange nicht erklären, bi- ich eines Mor gens einen Karpfen neben dem Bassin liegen sah.Ost hatte ich nachts in halbwachem Zustandettaumhafte Vorstellungen. Am häufigsten kehrtedas drückende Gefühl wieder, als würden Mauernund Decke der Zelle auf mich eindringen, mich zuzermalmen. Und ich war an meinem Platz festgehalten, konnte mich nicht bewegen.Einmal sah ich mich auf einer Wiese inmitten einer Baumgruppe.Von fern kommt ein riesenhafter, ungeschlachteter Mensch auf mich zu. Er ist nackt. Erkommt näher und ich sehe seinen brutalen Gliederlau, seine sehnigen Arme, seine krallenden Hände,die aussehen, als sollten Menschen damit zerdrücktwerden.Auf den Schultern trägt er ein zusammengerolltes Stacheldrahtnetz. Das befestigt er aneinem Baum und ehe ich mich umfchaue, hat erdas Drahtnetz um die ganze Baumgruppe l,:rum-geschlungen und mich mit eingeschlossen, liebermir wächst der Stacheldraht zusammen.Ich frage den cyllopenhaften Riesen entsetzt,tvas er will.Er anwqrtet nicht.Ich frage, wer er sei.Da grinst er zynisch:„Kennst du mich nicht? Ich bin die deutscheJustiz."Jetzt sehe ich auf seinem flobigem Kopf einehohe Krone aus lauter aneinandergereihten l'ärä-graphenzeichen zusammengesetzt.Das Bild verschwindet und ich älze michwieder unruhig auf meinem Lager. Die Minutenlvollen sich nicht zu Stunden formen, und ich habenoch so viele schlaflose Nächte vor mir.Wie viele?