«r. 272 Dienstag, 20. November 1934. Seite 5 M Der M per M zu rwMklu NeW Gangsterstück eines ehemaligen Beamten Siebzehn Zahre schweren Kerkers für zwei Banditen Prag . Montag wurde bei dem Prager Kreis­gericht die fünfte und letzte Schwurgerichtsperiode d. I. eröffnet, die bis Mitte Dezember währen dürfte. Auf dem Programm dieser Session stehen mehrere aufsehenerregende Prozesse. Eingeleitet wurde di« Schwurgerichtsperiode mit einer Anklage wegen Verbrechens des Raubes. Angeklagt waren der 32jährige ehe­malige Beamte Miloslav Kittl und der 31jährige ehemalige Schuhmachergehilfe Emanuel Spivak, die in der Nacht auf den 4. September d. I. im Dorf« Hospozin in daS Häuschen deS 78jähri- gen Pensionisten und HäuSlerS Wenzel K e j t ein­drangen und den wehrlosen Breis beraubten. Den Vorsitz der Verhandlung führte OBR. Dr. Ma­re i e k, di« Anklage vertrat Staatsanwalt Dr. Sima. Der erste Angeklagte, Miloslav Kittl, war einmal Privaibeamter und es ist Wohl nicht die Stellenlosigkeit allein, die diesen jungen Menschen in die Kriminalität getrieben hat. Er ist offenkundig eine völlig haltlose Natur. Seine Strafkarte weist acht, z. T. sehr schwere Bor straf en aus. Die Montag verhandelte Banditentat stellt den Gip­felpunkt seiner kriminellen Tätigkeit dar. Sein Komplize, der zweite Angeklagte, Emanuel SPi­tz a k, ist n e u,n mal vorbestraft. Im Komplott war noch ein dritter Kumpan, ein gewisser Franz D r a- b e k, ein polizeibekannter Vagabund, der bisher nicht dingfest gemacht werden konnte. Bezeichnend ist, daß der Plan zu dem heim­tückischen Raub in einer Prager Bar ausgeheckt wurde. Man beschloß,sich auf dem Lande Geld z,i holen" und einer der Komplizen riet zu einem Anschlag auf den ihm bekannten alten Kejk, in dessen Häuschen man einen Geldbetrag von etwa 18.000 Kd vermutete. Die Gelegenheit war schonaus­baldowert" und der verbrecherische Plan wurde so­fort in die Tat umgesetzt. Spivak mietete ein T a j i, vereinbart« mit dem Chauffeur ein« Entlohnung von 160 KL für die Fahrt nach Hospozin und um 2 Uhr nachts waren die drei an Ort urch Stelle. Das Auto liehen die Räuber auf dem, Dorfplatz stehen und Spivak blieb im Wagen, mn den Chauffeur zu überwachen, während Kittl und Drabek mit schwarzen Masken vor dem Gestcht sich auf den Weg zum Häuschen des alten Kejk machten. Nachdem sie in den Garten vingestiegen waren, versuchten st« die Haustür aufzubrechen, was ihnen aber nicht ge­lang, worauf sie zu einer List griffen. Sie klopften den Kejk aus dem Schlaf und taten so, als ob st« V e r w a n d t« wären, waS Kejk glaubte, weil am Tage vorher Kirchweih gewesen war. Als der Greis die Tür geöffnet hatte, zwangen sie ihn, die Schlüs­sel zum Schrank herauszugeben und entwendeten aus diesem 1500 KL in bar und eine goldene Uhr. Dann fuhren sie nach Prag zurück. Die Ausforschung der Täter wurde durch einen Zufall erleichtert. Einem Gendarmen war das auf dem Dorfplatz wartende Auto aufgefallen und er hatte zur Sicherheit den Chauffeur, wie auch den diesen bewachenden S p k v a k sichergestellt, ohne aber zunächst Verdacht zu schöpfen, weil ihm SpL- vak di« Anwesenheit des Wagens mit einer Aus­rede plausibel zu machen wußte. Als am nächsten Morgen der Ueberfallene Anzeige erstattete, hielt sich die Gendarmerie natürlich an diese Spur. Auf dem Umweg Aber die BarDuterfly", wo die räu­berische Expedition ihren Ausgang genommen hatte, führten die Nachforschungen schließlich zur Verhaf­tung Spivaks und Kittls. Drabek aber ist vorläufig unauffindbar. Er führt ein unstetes Vagabundenleben und ist daher schwer zu packen. Kittl war im ganzen geständig, behaup­tet aber, dem alten Kejk keinerlei Gewalt angetan zu haben; Spivak erklärte, er habe nicht ge- wußt, daß ein räuberischer Anschlag geplant war. Er schob die ganze Schuld auf Kittl und Drabek. Nach Bejahung der Schuldfragen durch die Ge­schworenen fällte der Schwurgerichtshof das Urteil, durch welches Miloslav Kittl zu zehn Fahr« und Emanuel Spivak zu sieben Fahren schweren und verschärften Kerkers verurteilt wurden. rb. I« Matuschka- Prozeß wurde am Montag das Beweisverfahren geschlossen und es begannen die Plädoyers. Der Staatsanwalt ließ in seiner eineinhalbstündigen Anklagerede das ganze Leben Matuschkas Revue passieren. Das Hauptmotiv, das Matuschka zu dem Verbrechen verleitet habe, sei seine grenzenlose Eitelkeit. Der Staatsanwalt steht keine mildernden Umstände; sogar das Ge­ständnis und die bekundete Reue könnten nicht als solche gelten. Erschwerend dagegen seien die Kum- mulierung der Verbrechen, die Planmäßigkeit und der durch die Attentate verursachte Material­schaden. Der Staatsamoalt,' der Matuschka der vorsätzlichen Tötung in 22 Fällen und der ver­suchten Tätung in 14 Fällen beschuldigt, verlangt mit Berufung auf den 8 278 des Strafgesetz­buches die strengste Bestrafung des Angeklagten. Dieser Paragraph sieht für das Verbrechen der vorsätzlichen Tötung die T o d e s st r a f e vor. Matuschka hörte die Anklagerede scheinbar zusam­mengebrochen, die Hände ringend und manchmal unverständlich vor sich hinmurmelnd an. Räuber in Palästina. Wie aus Jerusalem gemeldet wird, haben am Samstag abend sechs bewaffnete Räuber auf der Straße JerusalemHaifa in der Nähe des Dothan-Tales fünf Kraft wagen angehalten und 3 0 Personen'ihres Geldes und ihrer Kleider beraubt. Drei Reisende» die den Befeh­len der Räuber nicht sofort nachkamen, wurden niedergeschossen, aber nicht lebensge­fährlich verletzt. Religion und Raffe. Anläßlich der 100. Stif­tungsfeier der Universität Bern hielt der neugewählte Rektor Prof. Haller einen bemerkens­werten Vortrag über das aktuelle Thema«Religion und Raffe", wobei er u. a. ausführte, daß die Reli­gion nicht allein von der Raffe bedingt sei. Wohl können raffische Einflüsse mitgespielt haben, aber nur im Zusammenhang mit solchen der Familie, der Sippe_und der wirtschaftlichen LebenSbedin- gungen. Dabei sei nicht vergeffen, daß.Raffe" ein dynamischer Begriff ist, der einem ständigen Wechsel unterliegt. Früher machte die Wissenschaft den Fehler, Sprachgruppen, wie Semiten oder Indo­germanen, mit Raffen zu identifizieren. Der Ethno­graphie und der Archäologie gelang es aber, primi­tive Regeln und Kulte bei allen Religionen in über­einstimmender Gemeinsamkeit festzustellen al» etwas, was quer durch sie hindurchgeht ohne Geschränkung auf Sprache oder Raffe. Mit dem Auto in eine Arbeiterkolomie. In der westfälischen Stadt Lüdenscheid fuhr der Sohn des Fabrikanten Koch mit seinem Auto In eine Kolonne des Freiwilligen Arbeitsdienstes hinein mid verletzte 20 Mann zum Teil schwer. Erdbeben in Australien . Das Observatorium von Sydney verzeichnete ein ziemlich starke» Erd­beben, dessen Zentrum etwa 140 Meilen südwestlich von der Stadt gelegen war. Es folgten zehn Erd­stöße aufeinander, von denen der erste um 7 Uhr 59 Minuten Ortszeit registriert wurde. Bisher sind keine Verluste an Menschenleben ge­weidet worden.'' Ein Reger im Repräsentantenhau». Jetzt hat auch das amerikanische Parlament in der Person des demokratischen Abgeordneten Arthur Mitchell gleich dem französischen Parlament seinen Negerabgeord- uetcn. Daß gerade die demokratisch« Partei einen Neger entsandte, also«ine Partei, die früher, unge­achtet ihre» Namens, die Interessen der schroff neger. feindlichen Plantagenbesitzer der Südstaaten vertrat, zeigt den Wandel der Zeiten. Sein« Stellung wird nicht leicht sein. Er gilt im Grunde als Sprecher von zehn Millionen Negern. Wie wird er sich Ge­hör verschaffen? Denn noch immer find die Vor­urteile und die gesellschaftlichen Trennungsmauern riesig groß. Die Akte der Lynchjustiz haben keines­wegs aufgehört. Im Gegenteil, in der letzten Zest hat man mehr denn je davon gehört. Der fort­schrittliche Wind, der durch die Vereinigten Staaten weht, vermochte dies« alten Ueberreste nicht hinweg­zufegen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die USA zweifellos durchmachen, tragen eher zur Verschärfung der Gegensätze, ja zur Wiedererweckung solcher Vorurteile, die man schon im Absterben wähnte, bei. ES ist kein Zufall, daß der Ku-Kux- Klan zu neuem Leben erwacht ist. In Perioden der Krise jucht man nach Sündenböcken. Wie beliebt es ist, den AnderSrassigen zur Zielscheibe zu machen, hat man ja gesehen. Dafür braucht man nicht erst den Blick nach den Bereinigten Staaten zu lenken. Der Ku-Klux-Klan bedenkt Juden und Neger in gleicher Weise mit seiner Aggressivität. Schon kom- Men Nachrichten, daß er ein« große Kampagne im Lande entfalten wolle, angesichts der.unerhörten Tatsache", daß ein Neger ins Repräsentantenhaus seinen Einzug hielt. Man darf daher nicht denken, daß die» neuartige Ereignis«inen völligen Bruch wst der Bergangercheit bedeut«. Auch die Geschichte kennt Rückfälle, und sie sind, wie bei jeder Krank­heit, meist besonders schlimm. Kommt es zu einem bankerott der Nira, eine Frage, die noch keineswegs entschieden ist, find in dieser Richtung sogar sehr schwer« Explosionen zu erwarten. Der Abgeordnete Mitchell kämpft als einzelner auf einem vorgescho­benen Posten. Lob der Elefantin In denTimeS" findet sich folgende Plauderei über die Elefanten: Elefanten sinw heutzutage sehr billig, und sie kosten in Affam weniger als Pferde. Allerdings kommt das Porto hinzu. Sie stellen eine Anlage dar, die hinter den besten Aktien keineswegs zurücksteht, denn Elefanten werden sehr, sehr alt, verlieren kei­neswegs an Wert wie zum Beispiel Häuser I selbst in zwanzig und dreißig Jahren nicht! Elefan­ten haben zwar Appetit, sie verbergen ihn auch nicht, ober' sie sind Vegetarier, und ihre Nahrung besteht aus Produkten, die sich jeder ohne weiteres beschaf­fen kann und die nicht zerstört oder kontingentiert werden. Eine Keine Subvention vom Landwirt­schaftsminister an eingetragene Elefantenzüchter eine Subvention, die im Vergleiche zum Umkange des Elefanten wahrlich nur geringfügig zu fein brauchte würde den Markt für Dinge, die so leicht wachsen und die Elefanten so leicht essen, beträcht­lich erweitern. Da gäbe es keinen Abfall und keine Reste. Elefanten sind eine erstklassige Reklame. Man sieht sie schon von weitem und kann in aller Ruhe die Schlagwörter entziffern, die an ihnen angebracht sind. Ihr gutes Gemüt und ihre ungewöhnlichen Ga­ben, die sie zu stets gern gesehenen Spaßmachern und Unterhaltern" machen, haben ihnen di« uneinge­schränkte Bewunderung aller eingebracht, die ihr Ge­schäft mit diesen Geschöpfen zu verbinden wünschen. Die Zeiten sind vorüber, da der Besitz eine? großen Wagens eine ungewöhnliche Angelegenheit war, und alle, denen mehr an Zerstreuung al» an Fortbewe­gung liegt, tun gut daran, sich elefantenwärtS zu orientieren. Man kann nicht behaupten, daß Elefan­ten lawgsym seien, weil alle Fahrzeuge jetzt langsam sind Md noch langsamer werden werden. Und jeder Besitzer eines Elefanten wird ungeheure» Ansehen genießen. DaS Borurteil gegen den Umgang mit Elefanten- falls e- ein solches Vorurteil über- baupt gibt geht auf Ztiten und Ort« zurück, da Menschenwerk noch schwach und gebrechlich war. Aber im Zeitalter des StahleS und deS Beton- hat ein solcher Einwand keine Gültigkeit mehr. ES gibt über­haupt keine Einwände gegen den geruhsamen Ein­fluß dieser noblen Kreaturen in unseren hektischen modernen Großstädte«. Man sollte ihnen zu unser aller geistigen Nutzen getrost gestatten, unserem Kom- nien und unserem Gehen das Tempo vorzuschreiben und unseren verwilderten und unglücklichen Straßen eine gewiffe Leichtigkeit und ernste Würde wiederzu­geben." Bigamist aus Zeitmangel Ein stürmischer Greis. Milde Richter. Das Gericht von Oradea Mar« (Rumänien ) hat dieser Tage«inen merkwürdigen Fall von Bigamie zu verhandeln gehabt. Auf der Anklagebank saß nämlich ein Achtzigjähriger na­mens Petru Tomoreanu, der sich dafür zu verant­worten hatte, daß er eine zweite Frau geheiratet hatte, bevor er noch von der ersten geschieden war. Der Angeklagte war in vollem Umfang ge­ständig. Im übrigen gab er eine merkwürdige Darstellung von dem Sachverhalt, daß nicht nur daS anwesend« Publikum wiederholt zur Ruhe er« Satirisches Kabarett irr Aussig Da» politische Kabarett ist schon längst zu einer Form der politischen Agitation geworden und erweist sich als eine besonders wirksame Waffe. Lachen be­freit, Lachen reißt aber auch manche verdeckende Maske vom Gesicht. Das haben die französischen Revolutionäre genau so gewußt wie die deutschen Burschenschafter des Vormärz, di« Verspotter des satten Bürgerideals der neunziger Jahre, wie die scharfen Beobachter des Wiener Wahlkampfes 1927 oder des Befreiten Theater» in Prag , das jetzt die Wut der Stkibrnh-Leute erregt und damit den glän­zendsten Beweis der Notwendigkeit seines Bestehens erbracht hat. Die Wirkung wird tat Gegensatz zum bürgerlichen Kabarett nicht durch derb-erotische Zoten, Unanständigkeiten, Geschmacklosigkeiten oder Plattheiten erreicht, sondern durch politische Wort- und Bildwitze, durch Couplets mit bekannten Melo­dien und unterlegten Texten, durch ernste Sprechchöre und Bewegungschöre. Die Weltgeschichte selbst ist Autor, der Betrieb einer Zeitung, da» Gespräch eine» vielbeschäftigten Diplomaten, ein Tagesereignis, ein karikierter Ausspruch gebest Anlaß zur Stegreif­szene.... mahnt werden mußte, sondern daß sogar der Rich­ter sich daS Schmmizeln nicht verbeißen konnte. Petrn Tomoreanu ist mit seiner ersten Frau Niculina über 50 Jahre glücklich verheiratet ge­wesen. Im vergangenen Frühjahr sah er sich dann seine Niculina einmal etwa» genau an, und dabei stellte er dann fest, daß seine Lebensgefährtin doch eigentlich recht alt geworden war und für ihn nicht mehr in Frage kam. Da mußte wa» Junges her. Noch am gleichen Abend begab er sich daher auf ein Tanzvergnügen und angelte sich dort die 25jährige Anna Rediu. Für Tomoreanu war es eine ausgemachte Sache, daß er die Rediu heira- ten würde. Schon am nächsten Tag reichte er daher einen Antrag auf Scheidung seiner Ehe eün i Statt nun abzuwarten, was au» der Schei­dung würde, setzte der stürmische Greis seiner ju­gendlichen Angebeteten so zu, daß sie sich bereit er­klärte, sich schon in der Zwischenzeit mit ihm zu verehelichen. Die Ehe ist kirchlich getraut worden. Soweit wäre alle» in Ordnung gewesen, wäre nicht Niculina, wohl mit Recht, enttäuscht und erbost gewesen. Sie lief zum Richter, plau­derte alles aus, und so kam den Petru Tomoreanu unter der Anklage wegen Bigamie vor Gericht. «Warum haben Sie denn eigentlich mit Ihrer zweiten Eheschließung nicht gewartet, bis Ihre erste Ehe rechtsgültig geschieden war?" fragte der Richter den Angeklagten. Aber, Herr Rat", meinte der Greis treu­herzig,bei meinem Alter muß man sich in solchen Dingen beeilen. Konnte ich wissen, ob ich noch so viel Zeit haben würde, meinen Herzenswunsch er­füllt zu sehen und mit meiner Anna glücklich zu sein?" Diese seltsame Begründung seine» Verhal­tens hat natürlich im Gerichtssaal allgemeine Hei­terkeit erregt, aber von dem Vergehen der Biga­mie konnte der alte Schwerennöter deshalb nicht freigesprochen werden. Trotzdem hatten seine Rich­ter ein Einsehen und haben den Fall milde beur­teilt. Die zweit« Ehe deS Petru Tomoreanu wurde vorläufig für ungültig erklärt, außerdem ist er von dem Richter für«ine Woche ins Gefängnis gesteckt worden. Versteckte Feindschaft In Ländern, in denen der Fascismus eine breite Bewegung geworden ist, hat er bei seinem Aufstieg die tatkräftigste Unterstützung maßgeben­der industrieller Kreise erhalten. Die Geschichte der verbotenen nationalsozialistischen Partei und die Erfahrungen mit der Sudetendeutschen Hei- nratfront geben uns die Lehren, daß auch in der Tschechosloloakischen Republik große Teile des in­dustriellen Unternehmertums trotz aller Schein­bekenntnisse zur Demokratie ideologisch und poli­tisch bei den fascistischen Strömungen der ver­schiedensten Art beheimatet sind. Da die Demo-, kratie bei uns nicht still hält, wenn ihre Feinde sie erledigen wollen, so erwählen diese Kreise zu­nächst di« Vorsicht als den besseren Teil der Tap­ferkeit im Kampf« gegen Demokratie und freiheit­liche Rechte. Das wurde uns wieder klar, als wir die Rede des Präsidenten L i e b i e g von der Handels­und Gewerbekammer in Reichenberg lasen, die er kürzlich in der Plenarsitzung der Berwaltungs- kcmmission der Kammer gehalten hat. Der Kampf gegen den Parlamentarismus, die Anprangerung seiner.Unfähigkeit", das Zu­schieben der Verantwortung für die durch die Wirtschaftskrise verursachte Massennot, alles das waren auch die Hauptbestandteile der national­sozialistischen Agitation in anderen Ländern, und sind es auch heute noch. Nun hören wir Herrn Liebieg, der über di« Wirtschaftslage in Nordböh­ men sprach. Er ist ein Mann, der seine Worte wohl zu,setzen versteht. Er sagte u. a.: .lieber den so dringend geforderten Ausgleich zwischen Landwirtschaft und Industrie hinweg ist man zu einer von parteipolitischen Interessen dik­tierten parlamentarischen Tagesordnung überge­gangen, die anscheinend einseitig orientiert ist. Gesetzgebung und Verwaltung sind von den Dik­taten der Mehrheitsparteien durchsetzt, die trotz allen Appellen an die wirtschaftspolitische Einsicht nicht sehen wollen, daß wir infolge der dauernden Vernachlässigung der Lebensnotwendigkeiten der Industrie und deS Gewerbes in eine Verarmung hineingetrieben werden, aus der wir uns wahr­scheinlich nicht mehr werden emporraffen können. Und die wohl letzten Endes sowohl die gesamte Arbeiterschaft wie di« Landwirtschaft unaufhalt­sam auf einen unzureichenden Lebensstandard her­unterdrücken wird." An einer späteren Stelle seiner Rede beruft er sich völlig zu Unrecht auf den Ministerpräsi­denten, um gegen die Parteien und den.unseli­gen Parteihader" Stimmung zu machen. Ist der Handelskammerpräsident so klug, die Bekräfti­gung fascistischer Tendenzen in der Industrie recht vorsichtig zu formulieren, so ist die Arbeiterschaft zu gut geschult, um nicht ihre ganze Bedeutung zu xynessen^. Es find die. gleichen Tön«, die aus de» Reden der Agitatoren.der Sudetendeutschen Hei», matfront erklingen nur etwas anders nuanciert. Befindet sich der Handels« und Gewerbe­kammer-Präsident im bewußten Irrtum, wenn er das parlamentarische System für die bestehend« wirtschaftliche Not verantwortlich macht, so irrt er gleichfalls, wenn er meint, mit derartigen Reden der Wirtschaft und insbesondere der Arbeiterschaft helfen zu können. Die Rezepte, die er und die Unternehmer von gleicher Gesinnung bereit halten, sind in einigen Ländern lang« genug erprobt wor­den und haben den Beweis erbracht, daß sie weder die Wirtschaftskrise mit chren Wirkungen, noch ihre Ursachen beseitigen können. Es scheint uns aber dringend notwendig, daß die Arbeiterschaft nicht nur di« Demagogen der Sudetendeutschen Heimatfront nicht aus den Augen läßt, sondern auch aufmerksam beobachtet, waS im Lager deS industriellen Unternehmertums unseres Landes vor sich geht. Europa so oder so? Wer sich über diese Frage Gedanken maeht, kaufe und lese das Arbeiter-Jahrbuch 1935! gen veranstaltete. Au» verschiedenen Ursachen trat dann ein Stillstand ein. der jetzt durch das Eingrei­fen VaSa HochmannS urck> Ernst Hirsches überwunden ist. Reaktionäre Kunst und reaktionärer Kitsch, die durch ihre Oberflächlichkeit und Lügenhaf­tigkeit im Dienste der Bourgeoisie die Nerven der Arbeiter betäuben, ihr Denken lähmen, ihre Instinkte verfälschen, finden hier ihr wirksames Gegengift. Tucholsky , Brecht, Mühsam, Sladek. Mehring, Wei« nert, Traven, Eisner rsw. und die Komponisten Eis­ler, Weill und vor allem Hirsche selbst warben Sams­tag im Volkshaussaale um die Herzen der Prole­tarier mit künstlerischen Ausdrucksmitteln hoher schicke der Menschen regiert werden. Erschütternd die deutschen Wiegenlieder 1934, der Dong vom Regen, zum Brüllen die Verspottung der charatterlosen Presse mit ihrem Phrasenschatz und ihrer Angst um die lieben Abonnenten, beklemmend und zugleich auf­peitschend die Szene: Sin Mensch sucht Arbeit, auf­wühlend bi» in» Mark der Emigrantenchoral, be­freiend und werbend im besten Sinne der AuSklang. Die Hauptlast ruhte auf Vaöa H o ch m a n n, der fast ununterbrochen drei Standen auf der Bühne mit vollendeter Künstler^chast, echt bis in die Finger­spitzen. spielte und sang, von DSdl Walz wirksamst unterstützt. Für den heiteren Teil sorgte derAuffi- : mit Witz und Unvergeßlich war allen Teilnehmern der Wiener Weltgewissen scheint tot zu sein, aber die Songs der Olympiade das Polittsche Kabarett der sozialistischen weißen Arbeitssklaven in deutscher, tschechischer, fran- Studenten. Es la« nahe, dieses Mittel revolutionärer! zösischer oder englischer Zunge rüttelten ebenso Propaganda für die Idee de» Sozialismus auch heftig daran wie die der Neger oder Baumwoll- anderswo zu probieren. So entstand eine Sozia- Pflücker oder der kleinen Japanerin. Auf der and'eren listische VeranstaltangSgruppe, di« mit starker Wir«! Seite zeigt» sich im Licht der Sattre, etwa bei der kung in A u s s i g und in der Umgebung Aufführun. Macdonald-Szene. mit wie wenig Weisheit die Be ­lohne selbstverständlich die anderen zu schmälern, da e» sich hier um ein Kollekttv und nicht um Star» Mt einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln handelt.) Der ganz besetzte große Saal war von Be- hatte Erich Jungwirth die Kulissen gemalt, die geisterung erfüllt. rf. daS Kabarett»zum Weltgewissen" umrahmten. Da»l Qualität. Die Einstudierung durch Vasa Ho ch-. ger Boskovec" Herr Wtllner t>...~~. v mann, der auch die Auswahl traf, vieles selbst dazu Humor, von der Auffiger Beranstaltungsgruppe sind dichtete und verarbeitete, im Verein mit Kapellmeister! rühmlich zu nennen: A. Liebreich(kn der Szene H i r sch e, dem musikalischen Leiter und Komponisten,! de» arbeitslosen Buchhalters). I. Cerv in ka, der feinfühlig die Aufführung vom musikalischen Jany Loi», Franz Bachmann, Karl Franzl Standpunkte aus betteute, besaß Grotzstadtformat.