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ZE NTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHQS1OWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH, Redaktion und Verwaltung präg»i, fochova a. telefon sm. Administration telefon sw«. HERAUSGEBER« SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  « WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHE REDAKTEUR« DR. EMIL STRAUSS  , PRAG  .
14. Jahrgang
Freitag, 3V. November 1934
Nr. 281
* Im Motivenbcricht wird erklärt, daß die Maß­nahmen, die seinerzeit di« Voraussetzung für die Dienstzeitverkürzung auf 14 Monate bildeten, nicht in hinreichendem Umfang Lurch-
Bestimmnngen über das beschleunigte Verfahren znr Anwendung gelangen wer­den, da man annimmt» daß keine Delegation die Verantwortung für einen Aufschub der Erledigung der Beschwerde auf stch nehmen wird. Bei der Be­handlung der jugoslawischen Beschwerde vor dem Rat wird voraussichtlich der portugiesische Dele­gierte den Ratsvorsitz führen. Berichterstatter wird voraussichtlich einer der Diplomaten der sogenann­ten neutralen Staaten sein. Man nennt hiebei insbesondere den spanischen Botschafter Mada- r i a g a, doch ist ein endgültiger Beschluß in dieser Angelegenheit noch nicht gefaßt.
Prag  . Im Abgeordnetenhaus wurde Don­nerstag nachmittags die seit längerer Zeit ange- ! kündigte Regierungsvorlage über die Wnge der Präsenzdienstzeit vorgelegt. , Nach 8 L beträgt die normale Präsenzdienst­zeit zwei Jähre. Das gilt mit den§ 4, Absatz 5, angeführten Ausnahmen auch von jenen, die v o r der Wirksamkeit dieses Gesetzes assen­tiert wurden, die aber bisher ihrer Verpflichtung zum aktiven Dienst nicht nachgekommen sind. In§ 2 wird die Länge der militärischen Ausbildung der Angehörigen der Ersatz- r e s e r v e, die bisher 12 Wochen betrug, auf fünfMonate erhöht. 8 3 setzt fest, daß Absolventen von Mittelschu­len mit Matura, die noch nicht im assentpflichtigen Mer sind, der freiwillige Mntritt in die Wehr­macht(bei Tauglichkeit) so bewilligt werden mutz, daß sie den Präsenzdienst gleich nach Ab­solvierung der betreffenden Schule am nächsten Einrü'-kungstermin antreten können. In den Uebergangsbestimungen des§ 4 wird festgesetzt, daß die Angehörigen der Pioniertrup­pen, wel im Oktober 1933 den Präsenzdienst an­traten und nach Beendigung der vierzehnmonati­gen Dienstzeit(mit 1. Dezember d. I.) in die Reserve übersetzt wurden, zu einer weiteren Aktivdienstzeit in der Dauer von zehn Monaten verpflichtet sind. Diesen Dienst haben sie am 3. Januar 1938 anzutreten. Die Angehörigen der übrigen Waffengat­tungen, welche den Präsenzdienst im November 1933 angetreten haben, werden mit 1. Januar 1938(zu welchem Termin sie nach Hause gehen sollten) auf dauernden Urlaub geschickt, sind aber verpflichtet, den Präsenzdienst ab 4. Februar 1938 fortzusetzen. Diejenigen jedoch, welche nicht auf Urlaub gehen wollen, sind im Mtivdienst zu belasten, da­mit sie sofort im weiteren Präsenzdienst nach§ 4 fortfahren können. Die Militärverwaltung ist berechtigt, diese in 8 4 genannten Soldaten schon vor Be­endigung der weiteren aktiven Dienstzeit auf dauernden Urlaub zu schicken. Die Verpflichtung zur Fortsetzung der Prä- senzdienstzeit bis zur Erreichung von 24 Monaten gilt jedoch nicht für Aerzte und Magister der Pharmazie, welche zwischen dem 17. Juli 1933 und dem 18. Juli 1934 den Präsenzdienst an­traten. § 8 setzt fest, daß der höhere Aufwand vor allem durch Ersparungen in den Ausgabe der 1. Gruppe des Staatsbudgets(die eigentliche Staatsverwaltung) gedeckt werden soll. Insoweit diese Bedeckung nicht ausreicht, wird der Finanz­minister zu K r e d i t o p e r a t i o n e n er­mächtigt.
geführt werden konnten. Daher habe sich die Regierung entschlosten, den Antrag auf Einführung der zweijährigen Dienstzeit zu stellen. Zur zweijährigen Dienstzeit sind nicht nur die heuer oder später Assentierten verpflichtet, sondern überhaupt alle/ die die vierzehmnonatige Dienstzeit «ach dem Gesetz 6&IS& noch nicht absolviert habkn. Das gilt auch für den Jahrgang 1933, der mit Ende Dezember d. I. abrüste» sollte. Die einzige Ausnahme, daß nämlich jene Aerzte und Apothker, die zwischen dem 17. Juli 1933 und dem 15. Juli 1934 eingerückt sind, nicht weiter- zu dienen brauchen, ist daraus zu erklären, daß kür sie seinerzeit spätere Einrückungstermine festgesetzt waren. Ihre sonstigen Alterskollegen aus den Reihen der Mittelschulabsolventen wurden früher ein­berufen und haben daher schon im September d. I. abgerüstet, so daß sich die Verpflichtung zum Nach­dienen für sie nicht mehr bezieht. Deshalb Hai man auch die Aerzte und Apotheker dieses Jahr­ganges von der Dienzeiwerlängerung ausgenommen, um sie gegenüber ihren gleichaltrigen Studienkollegen nicht zu stark zu benachteiligen. Die finanzielle Seite Hinsichtlich der finanziellen Seite bemerkt der Motivenbericht, daß die Auslagen für die zweijährige Dienstpflicht gegenüber der 14monatigen um rund 1.18 Millionen höher sind, während die Dienstzeit­verlängerung für die Ersatzreserve weitere vier Millionen erfordert. Andererseits müssen ent­sprechende Summen für die sonst notwendige Ar­beitslosenunterstützung der abgerüsteten Soldaten in Abzug gebracht werden. Für 1935 muß man mit Rücksicht auf den durchschnittlichen Mannschastsstand in dieser Uebergangszeit mit Mehraus­gaben von 164,5 Millionen rechnen, die durch Er­sparnisse in den anderen Refforts, bzw. durch Kredit- operattonen aufgebracht werden sollen.
Steinwurf gegen unsere Berliner   Gesandschaft Vom Münchener   Konsulat das Staatswap­pen heruntergerissen Berlin  . In der Nacht auf Donnerstag wurde im Gebäude der tschechoslowakischen Gesandtschaft in Berlin   durch einen Steinwurf ein Fenster ein­geschlagen. Der Täter blieb unbekannt. Im Verlaufe der Demonstrationen, die am Mittwoch in München   von Hochschülern vor dem dortigen tschechoslowakischen Generalkonsulat ver­anstaltet wurden, ist das tschechofiowafische Staatswappen herabgerissen worden. Protest und Bedauern Berlin.  (Tsch. P.-B.) Der tschechoslowaki­sche Gesandte in Berlin   Dr. Mastny sprach Donner.' ag vormittags im reichsdeutschen Außen­amte vor und protestierte energisch gegen die Demonstrationen, die gegen die tschechoslowakische Gesandtschaft und einige tschechoflowakische Kon­sulate in Deutschland   unternommen wurden. Gesandter Dr. Mastny protesfierte auch gegen die Art und Weise,»wie über diese Ereignisse in der reichsdeutschen Presse geschrieben wurde. Der Vertreter des reichsdeutschen Außen­amtes sprach dem Gesandten Dr. Mastny das leb­hafte Bedauern über diese Ereignisse aus.
Die Einheitsfront in Frankreich  Das kommunistische Programm zu wenig sozialistisch** I Paris.(Tsch. P.-B.) Die BerwalttmgS- kommission der sozialistischen   Partei genehmigte Dienstag abends die Antwort auf das Anzrbot der kommunistischen   Partei nach Erneuerung des politischen Zusammenschlusses der Arbeiterklasse in Frankreich  . Die Sozialisten erklären in ihrer Antwort, sie seien gleich den Kommunisten diesem Gedanken ergeben und haben in diesem Geiste das gemeinsame Vorgehen der Sozialisten und der Kommunisten gegen den Fascismus und die Reak­tion akzeptiert. Die Sozialisten find aber der Ansicht, daßdas kommunistische Pro­gramm auch nicht eineeinzige Maß- nahmesozialistischenGeisteö enthält und demnach auch nicht als Programm der Ar­beiterklasse bezeichnet werden könne". Die So­zialisten schlagen deshalb den Kommunisten vor, die Erweiterung des gemeinsamen Vorgehens auch auf die offensive Aktion gegen das wirtschaftliche Regime unverzüglich auszndehnen, und unterbreiten der kommunisti­ schen   Partei gleichzeitig ein gemeinsames Pro­gramm sozialistischer Gedanken zur Bekämpfung der Krise, zur Verstaatlichung der Wafienproduk- tion und des Waffenhandels, ferner verschiedene Vorschläge sozialen Charakters u. dgl. Auf die­ser Grundlage sind die Sozialisten bereit, mit den Kommunisten behufs Erneuerung der Einheit der Arbeiterklasse in Frankreich   unter Zugrundelegung des Paktes vom Jahre 1905 zu verhandeln.
Genf.(Tsch. P.-B.) Der amtierende Bor- ! sitzende des Bölkerbundsrates, Dr. Benes, hat ! die außerordentliche Ratssitzung für Mittwoch, den ! 5. Dezember einberufen. Bis zu dieser Zeit wer- !den in Rom   die Vorbereitungen für die Genfer  -Behandlung des Saarproblrms abgeschlossen sein. ! Man erwartet, daß der Rat die Ergebnisse der Verhandlungen des römischen Sonderausschusses für die Saarfrage spätestens in zwei Tagen über­prüft haben wird, so daß die jngoslawifche Be­schwerde bereits am 7. Dezember vor dem Rate werde behandelt werden können. Bereits heute scheint sicher zu sein, daß die
Schon am 7. Dezember Behandlung der jusoslawischen Beschwerde?
Zweijährige Dienstzeit eingebracht Auch für die heute aktiv dienenden Soldaten
Landespräsident Dr.Sobotka in Nordböhmen  Reichender g.(Tsch. P. B.) Der Lan- despräfident Dr. I. Dobctka setzte heute seine Inspektionsreise in Rordböhmen fort und besuchte die polifischen Bezirke Friedland und Reichenderg, wo er sowohl mit den behörd­lichen Faktoren, als auch mit den Vertretern der Städte» der Bezirksvertretungskollegien» der poli­tischen Parteien und der tschechischen Minder- , heile« über die Verhältnisse in diesen Städten und Bezirken, insbesondere mit Rücksicht auf die A r- beitslosen und die möglichst schleunige Durchführung verschiedener Bau- und Was­serprojekte verhandelte, die wenigstens einem Teil der Arbeitslosen' einen Erwerb er­möglichen würden. In Friedland und in Reichen­berg besuchte der Landespräsident die schöne» Rathausgrbände dieser Städe. Im Rathause in Reichenberg begrüßte den LandeSpräsidrnten der Bürgermeister der Stadt Senator Kostka mit den Mitgliedern des Stadtrates.
Schreckenszene auf dem Turner Bahnhof Mailand. Am Bahnhof Porta Susa von Turin   ist Donnerstag nachmittags um 2 Uhr der Schnellzug MailandTurin bei der Einfahrt mti dem Schienenauto der Linie Turin  Aosta  zusammengestoßen, das den Hauptbahnhof von Turin   um 13 Uhr 80 verlassen hatte. Nach dem Zusammenprall fing das vollbesetzte Schienen­auto sofort Feuer und unter den Reisenden brach eine Panik aus. Da die Ausgänge durch Trümmer versperrt waren, konnten de Reisenden nur durch dieFenster den Wagen ver­lassen. Ter Schnellzug Mailand Turin wurde vom Zusammenstoß nicht so stark mitgenommen. Sobald sich die Reisenden vom ersten Schrecken erholt hatten, beteiligten sie sich am Rettungs­werk und suchten, aus dem brennenden Motor­wagen de verletzten Reisenden zu bergen. Nach dem ersten Bericht sind 80 Reisende mehr oder weniger schwer verletzt worden, doch konnten die meisten narb Anleaunn von Verbänden vulassen werden
FUhrer Nicolos kleiner Krieg Knrz vor Redaktionsschluß erreicht uns die Meldung, daß die Würdenträger der deutsche« Universität ihren Rücktritt wider­en f e  « haben. Sie begründen de» Widerruf damit, daß sie jetzt erfahre» hätten, daß man ihnen neue Insignien geben werde, die von deutschen   Künstler» eigens für sie««gefertigt werden. Wir haben leider auch nach dieser Mel­dung keine Ursache, Inhalt und Ton unseres vor ihrem Einlangen geschriebenen Arti­kels zu ändern, oder unsererseits irgendetwas zu widerrufen. Das ganze Komödienspiel mit Rücktritt und Widerruf, zeigt nur, daß die Füh­rer der deutschen   Universität sich nicht von gro­ße« wirklichnationalen" Gesichtspunk­ten, sondern von kleinlichen und»st geradezu primitiven Erwägungen leite« lassen. Auch dar­an, daß die Sache von Sa» Rieol» arrangiert war, ist nicht zu zweifeln. Rektor und Dekan der Deutschen   Universität haben es für nötig befunden, ihre Würden nieder­zulegen. Sie wollen mit diesem Akt, wie sie erklä­ren, dem bedeutsamen Augenblick Rechnung tra­gen, den die Auslieferung der Insignien in der jahrhundertealten Geschichte der Universität dar­stellt. Der Schritt stellt nicht nur eine über- flüssige und sinnlose Demon­stration dar, er bedeutet n a ch der Beilegung des Jnsignienstreits eine neue Kriegser­klärung an die tschechische Oeffentlichkeit, an die Regierung der Republik   und an die tschechische KarlSuniversität, deren Rektor sich in den letzten Tagen kn anerkennenswerter Weise bemüht hat, eine bessere Atmosphäre zu schaffen und die ganze Angelegenheit in jene Grenzen zurückzuführen, die ihrer Bedeutung im Leben der Nation entsprechen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man den Inszenator des neuen Theatereffekts nicht in dem amtierenden Rektor Grosser erblickt. Er trägt natürlich nach außen die Verantwortung für die Provokationen und wir bedauern das um so mehr, als Professor Grosser zu jenen Persönlichkei­ten gehört, denen man auch als politischer Gegner Achtung und Anerkennung entgegenbringen kann. Hinter dem neuen Vorstoß kann nur einer stel­len, der San Nicolö. Auch wenn man uns darüber nicht informiert hätte, wüßten wir's. Aber es ist ein übriges geschehen: man hat uns über die Rolle San Nikolos in der neuesten Phase des Universitätskonflikts informiert. Signor Mariano war nicht umsonst im Rektorat', als der Kampf seinen Höhepunkt erreicht hatte, als tschechische Fascisten Türen und Tafeln zertrümmerten und deutsche Studenten mitten in Prag  , mitten in einer zu mehr als 90 Prozent tschechischen Stadt! Barrikaden bauten und Wasser aus den Fen­stern gossen. Signor Mariano scheint auch weiter auf der Szene geblieben zu sein. Wie die Intri­ganten in der italienischen Oper steht er in einem Winkel der Bühne und läßt in die versöhnlichen und schmelzenden Tenorarien den grollenden Kontrabaß einfließen, der für den nächsten Auf­tritt kaum daß der Held die Arie zu Ende ge­sungen hat Uebles verheißt. Denn diese Spara- fucile und San Nicolo führen immer den Dolch im Gewände... Da die Alten und Lehrer mit gutem Beispiel vorangehen, dürfen die Jungen und Jünger nicht zurückbleiben. Die bürgerlichen Studentenorganisationen teilen mit, daß die Ver­treter der verschiedenen nationalen, klerikalen und, daß Gott erbarm', auch liberalen. Verbändeso­wie afler nicht organisierten Studen­ten"(wie die zu einer Vertretung kommen, da sie doch nicht organisiert sind, bleibt einigermaßen chleierhast) inausführlichen Beratungen" zu dem Schritt der Würdenträger Stellung genom­men haben. Sie sprechen ihnen Dank und Vertrauen aus und geloben, daß sie während des Semesters von allen festlichen Veranstaltungen Abstand nehmen. Auch würden sie an keinerlei an­deren Veranstaltungen teilnehmen. Die bierehr­lichen Jungens nehmen sich viel vor. Aber schließ­lich endet das Semester Ende Jänner und der Fasching liegt kaum angebrochen noch vor ihnen! Da haben sich also die deutschen   Regierungs­parteien, obwohl Rektor und Senat sich mit ihnen vor dem ersten Protest nicht in Verbindung gesetzt hatten, um die Beilegung des Konflikts bemüht. Man hat einen Mittelweg gefunden, von dem selbst Herr Hilgenreiner, UniversitätZprofessor,