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Freitag, 30. November 1934

Nr. 281

Dreistigkeit eines tschechoslovakischen Generals

Brorektor und oppositioneller Bolitiker, zugestehen reden von dem Pergament, auf dem sie verbucht wirklich nicht. Sie sind nicht ganz auf der Gegen den antifascistischen mußte, daß er ein ehrenhafter Ausweg war. sind! Eine Demonstration wie die der Nicoló- Höhe der Zeit. Sie erfinden allenfalls Giftgase Die tschechische Deffentlichkeit hat sich durch ihre Trabanten würde in Deutschland damit erledigt, und Bomber, aber wenn die Flieger über dem Aufruf der Schriftsteller politischen und kulturellen Sprecher vernünftig, daß ein SA- Sturm den Sizungssaal räumen und Carolinum erscheinen sollten, werden sie ihnen einsichtsvoll, versöhnlich geäußert. Regierung und die Insignienträger ins Konzentrationslager ab- mit erhobenem Zeigefinger drohen und sie auffor­Behörden haben der randalierenden Gasse Halt ge- führen würde. So liegen die Dinge dern, unter Respektierung des ata= boten. Der tschechische Rektor hat sich deutlich von heute, Magnifizenz und Specta demischen Bodens" die Bomben aus­Domín distanziert und in umsichtiger Weise die 6ilitäten! Aber sie wissen es wahrscheinlich schließlich auf die Straße zu werfen... nationalistische Flut in seinem Wirkungsbereich einzudämmen versucht. Man sollte glauben, daß die deutschen Herren inzwischen eingesehen hätten, was sie angerichtet haben, was sie noch hätten anrichten können, wenn es nicht gelungen wäre, der entfesselten Elemente Herr zu werden, daß sie

ruhig in sich gehen und Schweigen bewahren. Weit gefehlt! Nun erst recht, immer feste druff wie Blücher !

Es ist leider nicht ausgeschlossen, daß die Herrschaften sich dabei von den unrühm­lichen Vorfällen in Wien , Ber­Iin, Köln und anderen deutschen Städten be eindrucken ließen. Statt zu erkennen, daß ihre Prestigepolitik zu schwersten Schäden für das ganze deutsche Wolf im Staate, zur Stärkung des tschechischen Fascismus und nun auch noch zu einem gefährlichen Echo aus der barbarischen Um­welt der Republik geführt hat, und zu größeren Uebeln führen könnte, sind sie wahrscheinlich über den Sukkurs erfreut und glauben, mit der Rük­fendeckung der Tausbuben, die da und dort im fascistischen Ausland für die Rechte der Alma mater antiquissima" handgreiflich demonstriert haben, ohne vermutlich von Prag , der Tschechoslo­ wakei und den slawischen Völkern mehr zu wissen, als man aus Mein Kampf" eben erlernen kann, hier in Prag Staat machen zu können.

Es muß den Herren mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß sie mit einem Feuer spielen, an dem sich vorläufig leider immer die Unbetei­ligten die Finger verbrannt haben, das aber ein­mal auf ihr eigenes Dach übergreifen könnte! Sie haben es nicht für nötig befunden, mit den deutschen Parteien über ihre neue De­monstration zu verhandeln. Sie sind ja auto= nom, beinahe souverän. Sie machen sich ihren

Dreck alleene... Der San Nicolo, von Gottes Gnaden Rektor auf Lebenszeit und durch Gottes Wunder ein deutscher" Nationalheld, fauft sich eine Kanone und führt Krieg. Wenn dabei ein Unglück geschieht, dann sind ja die Parteien da, es wieder gutzumachen, und im besonderen die deutschen Sozialdemokraten, die Sache einzurenten und zum Dank den Ehrentitel von nationalen Ver­ratern zu beziehen. So ist's doch Magnifizena

Nicoló?

Ob im Gefolge solch turbulenter Nicolo­Feiern die Früchte jahrelanger Verständigungs­politik in Trümmer gehen, ob der Gabensack des biederen Nicolo sich als eine Ladung fauler Aepfel entpuppt und aus den Insignien, die der we I sch e Krampus drohend schwingt, wirklich Zucht ruten werden, mit denen die Aermiten der Na­tion gestäupt werden, all das kümmert einen hohen Akademischen Senat ja nicht. Wir sind Wir und schreiben uns Uns! Das ist der Standpunkt, um den die akademische Politik freist. Und wenn die in Rothau Baumrinde fressen, die Herren von der Hohen Schule haben andere Sorgen! Und wenn in den deutschen Bezirken nur noch rachitische Kinder aufwachsen, wenn die Tuberkulose wieder wütet wie im Frühkapitalismus das Weltall freist um Belange, Insignien und Urkunden!

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Die Herren könnten wissen, daß sich die 3eiten ändern, daß in Deutschland die akademischen Freiheiten nicht das Zeitungspapier wert sind, auf dem sie beschrieben werden, nicht zu

Labiola

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Roman von Olga Scheinpflugová

Copyright by Pressedienst E. Prager- Verlag, Wien

Unsere Forderungen zur Sozialpolitik

Genossin Blatny setzt sich dann dafür ein, daß auch der berufstätigen Frau das Recht auf Ar beit gewahrt und gesichert werde.

Aus der. Rede der Genossin Blatny in der Budgetdebatte Prag . Der zweite Tag der Budgetdebatte den nicht ruhen noch raften, bis endlich diese wichtige brachte vor allem die Erörterung wirtschaftlicher Forderung auch bei uns durchgesetzt ist! und sozialpolitischer, aber auch kultureller Fragen. Von besonderem Interesse war die Darstellung eines Autonomieprogrammes für die Slowakei durch Dr. Navasz von der flowakischen Volkspartei. Am Nachmittag wurde die erwartete Dienst­seitverlängerung aufgelegt, während die beiden anderen Militärvorlagen nach der grundsätzlichen Genehmigung durch den Ministerrat noch der letz­ten Feile der Juristen bedürfen. In Linkstreifen wurde der Brief des General Medek sehr ab­fällig kritisiert. Es ist nicht ausgeschloffen, daß auch von der Rednertribüne aus diesem Mißfallen noch entsprechend Ausdruck gegeben wird.

eine

In den ,, Národní Listy" richtet der Drama­tiker Rudolf Medet ein offenes Schreiben an den Schriftsteller Karel Capet, welcher der führende Funktionär der tschechischen Schriftstel­Tergemeinde ist, die den bekannten Aufruf gegen den Fascismus und die Prager Straßentrawalle herausgegeben hat. Schon der Ton, in dem Me­det seine Antwort vorträgt, ist verleßend. Medek sagt zu Beginn der Antwort, die Kundgebung der Schriftsteller hätte bei ihm ein Lächeln hervorge rufen und auch im weiteren Verlauf seiner Dar­legungen meint Medek, daß die Schriftsteller mit der jungen Generation nicht fühlen und alle lange Bärte haben. In dem offenen Brief wird Wir brauchen zur Sicherung gegen den Unter- ferner behauptet, daß es in der Tschechoslowakei nehmerterror die obligatorische Arbeit 3- feine fascistische Gefahr gebe und Medek selbst er mittlung, wir brauchen zur Sicherung betont sein demokratisches Bekenntnis. Das Auf­gegen die im Gefolge der Rationalisierung ganz vertreten der Schriftsteller helfe den deutschen Stu­hängnisvoll angewachsenen unserer Gewerbe denten und nähre ihren Haß gegen die tschecho­Ausgestaltung inspektion. In die Fabriken müssen auch Aerzte, slowakischen Studenten. Am verlegendsten ist der auch Arbeiter und Arbeiterinnen im Rahmen einer Schluß des offenen Briefes, in welchem gesagt ausgebauten Gewerbeinspektion Eintritt haben! wird: Wahrhaftig, ich möchte nicht das Bild Durch die Sozialversicherungsnovelle ist im sehen, da Karel Čapek , S. K. Neuman und A. M. § 126 ein großes Unrecht an den proviſionierten Tilschová zusammen mit Jindřich Vodák und Vi­Bergarbeitern verübt worden, die im Bezug einer tezlav Nezval Gelentsübungen in irgendeinem Von unserer Fraktion sprach zum Kapitel Sozialversicherungsrente stehen. Sie erhalten jest nicht mehr die ganze So- onzentrationslager machen. Ich will es nicht " Soziale Fürsorge" Genoffin Blatny, deren von tiefstem Mitgefühl für die notleidenden Be- zialversicherungsrente, sondern nur die gering- sehen! Ich will nicht! Aber Kameraden, wenn völkerungsschichten getragene Rede beifällig auf- fügigen Steigerungsbeträge. Wenn wir in Betracht Ihr so die tschechoslowakische kulturelle Deffent­ziehen, daß die Rente der Bergarbeiter nur sehr lichkeit hebt, die Geistesarbeiter in linke und rechte niedrig ist und nur 95 bis allerhöchstens 300 scheidet, während es uns allen um die große Kul­Sozialversicherungsrente von etwa 120 doch eine Guch die Schuld zu, wenn Ihr bemerken werdet, monatlich beträgt, so haben diese Leute durch die turarbeit für die ganze Nation geht, dann rechnet kleine Beihilfe gehabt, die ihnen jetzt zum großen daß Euch die Nation nicht braucht." Teil genommen wird. Wir erwarten bestimmt, daß wenigstens bezüglich jener Rentner, die schon vor dem Inkrafttreten der Novelle im Bezug der ganzen So­zialversicherungsrente standen, dieses Unrecht wieder gut gemacht wird!

genommen wurde.

Am Abend sprach Genosse Müller über Gesundheitswesen und Sport und legte dessen Be­deutung für die Volksgesundheit ausführlich dar. wir werden seine Rede im Auszug nachtragen.

Genossin Blatný unterstrich die ganz beson­dere Bedeutung des Kapitels Soziale Fürsorge" angesichts des sechsten Krisenwinters, der uns be­

vorsteht.

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Der Brief Medeks muß um so mehr Auf fehen erregen, als es sich hier nicht nur um einen dramatischen Schriftsteller handelt, dessen real­tionäre Gesinnung seit langem bekannt ist, son Genossin Blatny seßt sich dann für die von der dern auch um einen aktiven tschechoslowakischen furchtbaren Bergkrankheit bedrohten Joachim 3-

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Die slowakischen Autonomiepläne skizzierte

Wir hörten schon im Budgetausschuß, wie die taler Bergarbeiter ein. Im weiteren General wenn auch nur um einen Bürogene­Arbeitslosigkeit in unserem Staate sich auswirkt und Verlauf ihrer Rede verdolmetscht sie unsere weite- tal. Medek iſt nämlich der Leiter des Archivs der daß die deutschen Randbezirke perzentuell an ihr ren Forderungen auf dem Gebiete der Sozialpolitit tschechoslowakischen Befreiung beim Miniſterium am stärksten beteiligt sind. Dadurch ist be= und der sozialen Fürsorge, des Gesundheitswesens, für Nationalberteidigung. stätigt, was wir immer schon des Armenwesens und der Jugendfürsorge, deren wußten, daß nämlich die Arbeitslosigkeit in Ausgestaltung fie als eine der dringendsten Pflichten den deutschen Randgebieten doppelt und dreifach- des Staates bezeichnet. Sie weist u. a. auf die tet. Bei unseren sechs Riesenkundgebungen des 4. No- Landeskommissionen für Kinderschuß und Jugend- in der Budgetdebatte Dr. Ravasz folgender­bember mußte man mit ansehen, wie diese braven fürsorge hin und verlangt deren ausreichende Sub­maßen: Die Slowaken wollen zu feinem anderen opferbereiten Menschen heute schlecht au 3- ventionierung. sehen, wie dünn sie gefleidet Wir fordern Heimstätten für die Kinder Staat, aber sie wollen hier eine bessere wirtschaft­sin d da war kein großer Unterschied mehr der berufstätigen Frauen, Ausgestaltung unserer liche und kulturelle Lage, eine bessere politische zwischen dem Arbeitslosen und dem Kurzarbeiter und Schulhygiene und Schulausspeisun= ienen, die noch in Arbeit stehen. Auch diese sind ja gen. Machtstellung. Sie sind aber nicht gegen den Noch vor Weihnachten soll man der Kinder Staat, den sie gemeinsam mit den Tschechen auf­ständig von Lohnabbau und Betriebsstillegungen bedroht, ja auch noch von wirtschaftlichen Nationa- gedenken, die draußen teine Schuhe, keine Kleider gebaut haben. Die slowakische Landesvertretung lismus, von anonymen tschechisch- nationalistischen und nicht genügend Nahrung haben! Auf der anderen Seite übt der Wir verlangen die Ausgestaltung der Beruf 3- soll zu einem Landtag ausgebaut werden. Störperschaften. de ut fche nationalistische Betriebsterror der beratung, Heimstätten für Jugendliche, Sub- Dieser soll einen Vize- Landespräsidenten wählen, ventionierung der Arbeitslager, Erholungsstätten Henleinfabrikanten und der Henleindirektoren, einen ungeheueren Druck auf die Arbeiterschaft aus. für Jugendliche. der die Landesverwaltung besorgt und dem Land­Die Forderung nach Erhöhung der tag verantwortlich wäre. Der Landespräsident im Interesse der Arbeitslosen, sondern auch im Schulzeit- borderhand um ein weiteres Jahr soll dem Kabinett angehören und mit einem Beto­ist nicht nur aus tulturellen und arbeitsmarkt­Interesse der Arbeitenden nach der Vertür politischen Gründen, sondern auch aus io zi a l- recht gegen die Beschlüsse des Landtages, bezw. die zung der Arbeitszeit rufen. Es hygienischen Gründen dringlich. Die lang- Verfügungen des Vize- Landespräsidenten ausges ist außerordentlich bu bedauern, daß anläßlich der andauernde Arbeitslosigkeit der Jugendlichen ist ja Arbeitskonferenzen in Genf der Antrag auf Ein- in hohem Maße geeignet, die Betroffenen ganz aus stattet sein. Alle slowakischen Personalangelegen­führung der 40ftündigen Arbeitswoche infolge des dem seelischen Gleichgewicht zu bringen. beiten einschließlich der Ernennungen sollen furzsichtigen Egoismus der Unternehmervertreter Daraus erivächst nicht nur der proletarischen gefallen ist. Daß Roosevelt in Amerika, dem Familie, sondern auch für die gesamte Gesellschaft von den zuständigen Ressortministern auf den Land der guten Geschäftsleute, in der Baumwoll- eine große Gefahr. Denn die Zukunft stellt die höch- Landespräsidenten übertragen werden, dem alle und in der Bekleidungsindustrie ab 1. Dezember sten Anforderungen an den Geist, an die Kraft und Staatsangestellten in der Slowakei zu unter­fogar die 36stündige Arbeitszeit einführen kann, vor allem an die hohe sittliche Lebensauffassung stellen wären. Ueber Einzelheiten ließe die und zwar ohne Lohnverkürzung, sollte auch unse- jener Menschen, die berufen sind, ihr den Weg zu ren Herrschaften etwas zu denken geben! Wir wer- bereiten!( BeifaII.)

Demgegenüber muß man heute nicht nur

tete. Und ein Punkt wurde auch hinter das gesezt, was ihr geschehen war. Sie schämte sich nicht, laut auszuschreien und warf sich in den staubigen Stra­Bengraben. An diesem Abende bekam Cloture nichts zu essen.

Und nach geraumer Zeit hatte er eine Toch­ter im Hause. Sie tam ohne Hebamme zur Welt, gerade, wie wenn sie vom Himmel gefallen wäre. Die Mutter suchte in ihrem Gesichte eine Aehn­lichkeit mit jemand, den sie nur in der Dunkelheit gekannt hatte. Und der Alte wandte ihr den Rük­ken zu.

An den Haaren zerrte er sie in die dunkle Stube und schlug sie. Kein Laut kam aus ihrem Munde und sie zudte nur wie ein geschlachtetes Sie erhielt den Namen Babiola, weil sie so Tier. Er wußte, daß man Weiber nicht schlagen Klein war und eher einem Spielzeug glich, als dürfe, aber er schlug sie unbarmherzig. Er er- einem Menschenkinde. Eine Frau aus dem Dorfe schrat, als sie mit einem dumpfen Aufschrei zu erbettelte bei den begüterten Familien von Bidar Boden fiel. Er machte Licht. Da sah er, daß sie Wäsche und die Kleine sah in diesen Hüllen son­totenblaß und ohnmächtig war. Er stieß sie mit dem Fuß in den Rücken. Sie sollte wissen, daß er

ihr Herr war.

Am nächsten Morgen nahm er ihr das Bün­del aus der Hand, als sie in ihrer einzigen Bluse, die er gestern an ihr zerrissen hatte, aus dem Hause wollte, und schickte sie um Milch. Das be­deutete, daß sie bleiben durfte, obwohl er sie nicht mehr liebte. Und dann begann er zu trinken, so oft Geld im Hause war, das heißt, so oft er Fische gefangen hatte.

Obwohl er sie zumeist ohne Geld ließ, tochte sie für ihn täglich; er ahnte, daß die blauen Flecke, mit denen er sein Essen bezahlte, mit den Franken des Mannes auf dem Strande gekühlt wurden. Eines Tages aber stand auf dem Tische ein leerer

Teller...

slowakische Voltspartei mit sich diskutieren.

auf den Arm, um das Geschrei los zu werden.[ verhalf der Frau zu mancher Einnahme. Babiola Er spähte aus dem Fenster auf den Weg zum lief mit Vichy- Wasser und Limonade über den Meer und als niemand kommen wollte, wurde ihm Strand. Von jedem Glase erhielt sie von der Frau schwer zu Mut. Jetzt erst bemerkte er, daß ein einen Sou und manchmal vom Gaste einen zwei­Zettel unter dem Wickelband des Kindes stat. Er nahm ihn und zerriß ihn ohne zu lesen.

,, Das ist der Schluß, Kleine", sagte er ,,, ent­weder ist deine Mutter ins Wasser gegangen oder sie ist eine Dirne geworden. Ich will es gar nicht wissen."

Und er warf den zerrissenen Zettel in das erlöschende Feuer des Herdes.

Die Kleine verstummte und riß die Augen auf, als zeige man ihr das Leben wie es wirklich ist. Dann ergriff sie mit ihren winzigen Finger­chen einen Knopf seines Aermels.

derbar genug aus. Eine Hoteliersfrau hob sie aus chelte unter Tränen. Er stützte das Kissen auf sein Du kleines Luder", sagte Cloture und lä­der Taufe. Der alte Cloture stand in der Ecke verkrüppeltes Knie und betrachtete unentwegt das und zog mit der Nase auf. Man hörte ihn viel Stind bis es endlich einschlief. deutlicher als den Pfarrer und seine Frau dachte: wie ekelhaft und alt ist er doch.

Daheim legten sie die Kleine auf den Boden, damit sie nicht hinunterfalle, wenn beide Eltern außer Haus arbeiteten. Und das Kind weinte wenig, als wüßte es, daß es niemand schaukeln und wiegen werde. Die großen Augen waren von unbestimmbarer Farbe und es hielt sie zumeist ängstlich geschlossen, als ob es sich vor dem Schmutz und der Not entsetzte, in die es durch die Liebe zweier törichter Menschen geraten war.

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Das dritte Kapitel Babiola bekam eine Anstellung. Sie ber

dankte sie der Frau, die auch Raoul zum Zei­tungsjungen gemacht hatte.

" Ich helfe nur aus Feigheit. Ich kann die große Not nicht mitansehen", sagte diese Frau und ihre Worte waren härter als ihr Herz.

ten. Die Leute werden am Strand zumeist frei­gebig. Auch schimmerte der bläuliche Körper der Sleinen gar zu armselig durch das zerrissene Kleidchen.

Babiola liebte ihre Gläser. Sie waren die Vermittler zwischen ihr und dem Hunger. Man fannte ihre helle Kinderstimme bald auf dem Strande, die L'orangeade, s'il vous plait" rief. Und wenn sie den buntgekleideten, reichen Kin dern, die im Sande spielten, die Erfrischungen brachte, glich sie einem kleinen, grauen Schmet terling, der von Tulpe zu Tulpe flog und dem die Gefühl. Ihre Augen sahen aber doch nur die eige­Not den Schmelz von den Flügeln gewischt hatte. Gefühl. Ihre Augen sahen aber doch nur die eige­

Die Mütter der reichen Kinder heuchelten

nen Kinder. Sie fragten Babiola:

Und du mußt schon selbst verdienen?" Oder: ,, Hast Du keine Mutter?"

Sie ist gestorben", sagte Babiola. Das war

fürzer.

Die reichen Damen seufzten vor Mitgefühl. Sie, die selbst Mütter waren, konnten sich nicht

vorstellen, wie man ohne sie ausfäme. ,, Und Dein Vater?" ,, Der Vater trinkt". " Armes Kind". Nun, ja

"

Die Flut tam niemals zu den Oliven. Und deshalb ließ die Frau dort einen Verkaufsstand aufstellen. Der lag schön im Schatten und die Das alles rührte Babiola nicht sehr. Mecha­Sonnenstrahlen schütteten durch die Olivenblätter nisch sammelte sie die zackigen Verschlüsse ihrer goldene Funken. leeren Flaschen und lief zum Stand, um frische

Wenn Cloture heimkam, ging er in der Kam­mer auf und ab und stieg mit unsicheren Schritten über das Kissen mit dem Kind. Er sah das kleine Bündel auf der Erde eigentlich nie genauer an. Die Frau hatte dort bisher allein gewirt- zu holen. Sie fühlte, wie die Menschen ihr nach­Ueber die Straße fuhren nun täglich Wagen, Einmal nach einem schlechten Fang schaftet, nun mußte ihr Babiola helfen und sie saben. Seit sie wußten, wie arm Babiola war, hinten und vorn mit Gepäck beladen: der Som- erwartete ihn daheim weder ein Mittagmahl noch befahl dem Kinde ohne Unterlag bald dies und gaben sie ihr manchmal zwei Sous Trinkgeld und mer war vorbei. Der alte Cloture trank und seine eine Frau. Nur das Kind lag auf dem Boden und bald jenes und die farge Entlohnung stand eigent- tranten, auch wenn sie feinen Durst hatten. Die Frau teinte. Eines Tages weinte sie mehr und er hörte es das erstemal vor Hunger schreien. lich gar nicht im Verhältnis zu den vielen Be- Reichen lockt der Geruch der Not, denn in dieser Tauter und starrte einem Wagen nach, der in der Er wartete zuerst und wanderte gewohnheitsmäßig fehlen. nüchternen Welt ist die Not das Einzige, das noch Ferne in einer Staubwolte verschwand und dessen auf und ab. Das Kind schrie unerträglich und die Die Gäste auf dem Strande hatten nach den ein Stück trauriger Romantik birgt gelbes Reisegepäck nur mehr wie ein Punkt Teuch- Mutter kam nicht. Da nahm er das Kind endlich üppigen Mahlzeiten Durst und auch die Sonne

( Fortsetzung folgt.).