Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Unser Blatt

erscheint Sonntag, den 9. Dezember nicht.

Die Feiertagsnummer vom Samstag, den 8. Dezember wird somit

3 Tage aufliegen

Nützen Sie diese im Hinblick auf die nahenden Weihnachten besonders vorteilhafte Propaganda- Gelegenheit

aus.

Die Verwaltung.

Einschreiten

Mittwoch, 5. Dezember 1934

Die Stimme aus dem Grabe:

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Portol

Nr. 285

SA- Führer Ernst

gesteht die Reichstagsbrandstiftung

Am 27. Feber 1933, sechs Tage vor der[ horcht auf. Branting ist nicht irgendwer. Branting   Leben wolle. Seine Mitwisserschaft am Reichs­Reichstagswahl brannte der deutsche Reichstag  . hat einen Ruf zu verlieren. Er wird nicht bluffen, Zweierlei wurde damit bewirkt: die Regierung er wird Beweise bringen. Hitler- Goering- Hugenberg hatte nun eine Hand­habe zu st är f stem Terror gegen die Oppo­fition. Sie fette sofort mit diesem Terror ein und nahm der Opposition jede Möglichkeit, in den ent scheidenden fünf Tagen noch in den Wahlkampf einzugreifen, ja auch nur sich zu wehren. Zugleich entstand eine Massenpanik, denn ohne daß man im Inland widersprechen durfte, konnte die

unserer Partei offizielle Propaganda behaupten, kommuniſten

beim Innenminister und beim Landespräsidenten

Prag  . Die von uns bereits gemeldeten Vorgänge in der Heimatfrontversammlung in Saaz   haben weit über die Kreise der arbeitenden Bevölkerung hinaus eine große Erbitterung her­borgerufen. Es ist offenkundig geworden, daß die Polizei sich einseitig zum Werkzeug der Heimat­front gemacht hat. Es wurde auch festgestellt, daß einige ehemalige Nationalsozialisten die Gelegen= heit benützten, um an den verhaften Sozialdemo­fraten ihr Mütchen zu kühlen.

Unsere Partei wird diese unerhörte Provo­fation selbstverständlich nicht ruhig hinnehmen. Deshalb haben in Vertretung der Partei die Ge­noffen Dr. Heller, Kaufmann, Krem= ser und Taub am Dienstag beim Minister des Innern Dr. Černý und beim Landesprä­sidenten Dr. Sobotka vorgesprochen, um gegen die unerhörten Vorfälle in Saaz   und gegen das Vorgehen der Polizei schärfsten Einspruch zu erheben.

Der Minister des Innern hat eine gründ­

Aussicht gestellt.

und Marristen hätten den Reichstag   angezündet. Eine Reihe verdächtiger Umstände machten jebem objektiven Betrachter vom ersten Angen­blick an die Tatsache deutlich, daß der Brand nicht von den Kommunisten und nicht von dem verhafteten Holländer van der Lubbe gelegt worden sein konnte. Die Linke und das Aus­land bezeichneten die Nazi als die Täter.

Im Herbst 1933 findet der große Reichs­tagsbrand- Prozeß statt. Am Vorabend des Pro­zeffes erscheint das Braunbuch, in dem der Bersuch unternommen wird, auf Grund von Zen­genaussagen, Indizien und Wahrscheinlichkeitsbe weisen die Anklage gegen Torgler   und die Bulga­ ren   zu widerlegen und die Nazi der Brandstiftung zu überführen. Das Getvissen der Welt wird wach. Die deutsche Justiz ist bloßgestellt. Van der Lubbe macht den Eindruck eines Irren oder Vergifteten. Jeder Tag kann eines furchtbare Ueberraschungen für die Inszenatoren bringen. Goering   verliert als Zeuge die Ner­ben und hat im Gerichtssaal einen Tobsuchtsan­

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In wenigen Tagen soll das Weißbuch Brantings erscheinen. Die Pariser Presse druckt Teile davon ab. Le Journal" veröffentlicht als erstes Blatt das Dokument über die Brandstiftung. Von Kleinigkeiten abgesehen

hat sich alles genau so abgespielt, wie die so­zialistische Presse und das Braunbuch es auf Grund der Indizien längst behauptet haben. Ernst, der an einer Verschwörung gegen Goering   mitarbeitete, fürchtete, daß man ihm ans

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tagsbrand erschien ihm als das sicherste Mittel, fein Leben zu retten. Er wollte sich durch eine Er­pressung das Leben retten. Er deponierte die Do fumente im Ausland und rechnete damit, daß Goe­ ring   nicht wagen werde, ihn zu töten, wenn er mit der Veröffentlichung der Dokumente drohe. Ernst hatte sich getäuscht. Er wurde erschossen. Aber nun hatte der Treuhänder freie Bahn. Die Doku Versuche Goerings, ihrer habhaft zu werden, schei­mente warenin Sicherheit. Alle terten an der Umsicht und Ehrlichkeit Dr. Bran= tings. Der Tote spricht aus dem Grabe. Man er­fährt nun, wie es war.

Die Vorbereitung des Reichstagsbrandes lag in den Händen von Goering  , Goeb­ bels  , Graf Helldorf   und Ernst. Zuerst war auch das haben wir n. zw. unmittelbar nach dem Brande gemeldet ein Schein Attentat auf Hitler   geplant. Dann eine Brandstiftung im Schloß. Beide Pläne wurden aufgegeben. Goebbels   beantragte den Reichstagsbrand.

Heines, Helldorf   und Ernst organisierten die Brandstiftung. Die Durchführung besorgte Ernst mit seinen Rumpanen Fiedler und Mohrenschild, die beide den 30. Juni nicht überlebt haben. Röhm, Killinger und Sanders wußten ebenfalls von der Sache.

Goering   stellte den unterirdischen Gang zur Verfügung Van der Lubbe wurde engagiert, um die Spur auf die Kommunisten zu lenken

Durch den Gang gelangte Ernst in den Sibungssaal, in dem alles Brenubare mit Betroleum begoffen und mit einem Phosphat präparat- das man bereits aus dem Gutach­ten der Professoren im Prozeß kennt imprägniert. Van der Lubbe wurde von Sanders durch ein Fenster eingelassen und arbeitete selbständig.

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liche Untersuchung der ganzen Angelegenheit in fall. Man wagt nicht, die völlig Unschuldigen dem Ernst selbst unbekannt. Er vermutet, daß der Das ist vier Wochen später eingetreten. Nun Senter auszuliefern. Torgler   und die Bulgaren  werden freigesprochen. Nur der irre van der Lubbe wird zum Tode verurteilt und enthauptet.

Interpellation im Senat

Die Genossen Dr. Heller, Dr. Holit­scher und Palme haben im Namen unserer Se­natsfraktion in derselben Sache eine Interpel lation an den Innenmin ist er gerich tet, in der u. a. festgestellt wird, daß, obwohl es sich; um eine öffentliche Versammlung handelte, die Wahl eines Präsidiums von den Einberufern abge= Lehnt wurde. Daß die SHF in ihrer antidemotra­tischen Einstellung solche Versuche macht, die anwe­jenden in der Mehrzahl befindlichen Gegner der Re­defreiheit zu berauben, ist nicht weiter verwunder­lich. Daß sie aber dabei von den öffentli chenOrganen unterstützt wird, muß be­denklich stimmen.

Nach der Auflösung wurden die abmarschieren­den Arbeiter von den Anhängern der SHF be=

Ob Hitler   von dem Plan gewußt hat, ist, außer, daß sie eines gewaltsamen Todes stürben. Reichsfangler erst nach der Tat informiert wurde. tommt, zu guter Stunde, da Goering   und Hitler  Die Niederschrift Ernsts trägt das Datum vom eben wieder die Welt ihrer Friedfertigkeit, Bieder­3. Juni 1934. Nur er, Fiedler und Mohrenschild feit und Unschuld versichern, die Wahrheit sollten über die Veröffentlichung entscheiden, an 3 Licht.

Die Gerüchte über die Brandstiftung durch die Nazi wollen nicht erlöschen. Immer wieder verdichten sie sich, immer wieder tauchen neue Zeugen auf. Die Freunde der Wahrheit geben Wieder eine Säule der NSDAP   geborsten! die Hoffnung nicht auf, daß eines Tages einer der Täter sprechen werde. Da läßt Goering   am 30. Juni 1934 mit Hun­derten anderen Gegnern der kapitalistisch- reak­tionären Naziführung auch alle Männer ermorden, die vermutlich an der Brandstiftung beteiligt waren. Die Hoffnung scheint begraben, daß ein Tatzeuge sprechen werde.

Oberpräsident Brückner aller Aemter enthoben!

Berlin.  ( DNB.) Der preußische Mini-| die näheren Ursachen des plötzlichen Sturzes nichts sterpräsident General Goering   hat den Ober- zu erfahren und man geht nicht fehl, wenn man Da teilt im Spätsommer 1934 der Stockhol- präsidenten von Schlefien und preußi- annimmt, daß zunächst nur den leitenden Mäns Ich im p ff, wodurch es zu Zuſammenſtößen tam. mer Rechtsanwalt Senator Georg Branchen Staatsrat Brückner feiner nern der Partei die eigentlichen Verfehlungen Anstatt dag nun die Polizeiwache gegen die Ruhe ting mit, daß wichtige Dokumente in seine Hände fämtlichen staatlichen Aemter und Brückners bekannt find. Brückner galt bisher als gangen wäre, stürzten sich einige Polizisten wie Ber  - gelangt seien, Dokumente aus dem Besiz des er Funktionen enthoben, nachdem der einer der Paladine der Partei und ihm wurde serker auf die den Saal verlassenden Arbeiter schlu- mordeten SA  - Führers Ernst, Dokumente, in Gauleiter Brückner seitens des Führers wegen noch gestern das Verdienst zugeschrieben, die Proa störer, das ist gegen die Anhänger der SHF, vorge nen, darunter die meisten von rückwärts. Ein Be- Brandstiftung im Reichstag schildert. Die Welt Barteiämter verlustig erklärt und aus der sozialismus gemacht zu haben. Ob Brückner gen auf sie ein und verlebten 15 wehrlofe Perso- denen einer, der dabei war und mittat, die parteischädigenden Verhaltens seiner fämtlichen vinz Schlesien   zu einem Bollivert des National­

weis, daß die Polizei auf die schon abmar­fchierenden Arbeiter losschlug.

Sehr wohltätig von diesem brutalen Vorgehen der städtischen Polizei stach das Verhalten der Gen­darmerie ab, welche die Polizei am Schlagen zu hindern bersuchte. Wie parteiisch die Polizei vorging, geht auch daraus hervor, daß sie die Arbeiter, als sie in den Saal gingen, nach Waf­fen durchsuchte, während sie die Anhänger der SHF nbehelligt ließ. Die Polizei ging sogar so­weit, den Abgeordneten Kaufmann, obwohl er sich

Furtwängler geht!

Spätes Erwachen aus dem deutschen  Wahn.

Berlin.  ( Tich. P.-B.) Staatsrat Dr. Wil­ helm Furtwängler   hat den Reichsminister Dr. Goebbels   um Entlassung aus seinen Aemtern als

Partei ausgeschlossen worden ist.

auch noch vor das Parteigericht zitiert werden Aus Berlin   wird dem Tich. P.-B. gemeldet: boren und war Redakteur der Reitstimme" und wird, ist noch nicht bekannt. Er wurde 1896 ge= Die sensationelle Maßregelung des Oberprä- einer der Neubegründer der Nationalsozialistischen  sidenten von Schlesien   und Gauleiters Hellmuth Partei im Jahre 1925. Nach dem Umsturz des Brückner ist ein Blikstrahl aus heite 30. Jänner tourde er zum Gauleiter und zum rem Himmel. An amtlichen Stellen ist über Oberpräsidenten von Schlesien   ernannt.

ei- Polen   will vermitteln?

Da während dieſer Vorgänge sowohl der Be- Bizepräsident der Reichsmusikkammer und als zirkshauptmann, als auch Beamte der Bezirksbe- ter des Berliner   Philharmonischen Orchesters er­

Warschau. Einige Warschauer Blätter ver­

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Genf   weicht der Entscheidung aus Genf.( Tsch. P. B.) Zur Gesamtlage mel

hörde anwesend waren, wäre es Sache dieser Besucht. Gleichzeitig bat er den preußischen Mini- zeichneten ein Gerücht, wonach die polnische Re­amten gewesen, dem Vorgehen der Polizei Einhait sterpräsidenten, ihn von seinem Amie als Opern gierung, die mit Jugoslawien   und Ungarn   be- det der Berichterstatter der Agence Havas": direktor der Berliner Staatsoper zu entbinden. freundet ist, bereit wäre, in dem Konflikte zwi Ueber das jugoslawische Memorandum wird im zu tun. Das geschah leider nicht. Beide Reichsminister haben die an sie ergangenen schen diesen beiden Staaten die Ver mitt Völkerbundrat nicht vor Freitag verhandelt Die Interpellanten stellen an den Innenmini­fter schließlich die Fragen: Ierrolle zu übernehmen. In Verbindung Wahrscheinlich ist, daß der Völkerbundrat eine 1. Ift er bereit, dafür zu sorgen, daß auch Gesuche bewilligt. Bekanntlich hat sich Furtwängler sehr warm mit diesen Gerüchten wird von polnischer Seite den Marseiller   Mord, seine Vorbereitung und Sudetendeutschen   Heimatfront bie Anhänger einberufenen öffentlichen Berfamm. für Si n'b emit eingefelt, ber megen, nicht darauf hingewiesen, daß der polnische Gesandte den Terrorismus verurteilende Resolution lungen die Borschriften des Vereinsgefeßes un arischer Versippung" und bolſchewiſtiſcher Gesin- in Belgrad  . Schwarzburg- Günther mit dem jugo­die demokratischen Gepflogenheiten einhalten? Das Kesseltreiben, das darauf an demselben Tage Außenminister Beck den jugo- meine Sanktion, die auf der Tagesord= nister des Innern treffen, um diese Uebergriffe feindet wurde. Abfägung geführt. rević empfangen und mit ihm konferiert hat. wird jedoch vertagt werden.

2. Welche Vorkehrungen wird der Herr Mi- nung von den Nazis in letzter Zeit heftig ange- slawischen Außenminister Jevtić konferierte und beschließen wird. Die Debatte über die allge der städtischen Bolizei in Saaz   zu ahnden und in gegen Furtwängler   einfeßte, hat nun zu seiner slawischen Gesandten in Warschau   Minister Laza nung der Verhandlungen eingetragen sein wird,

Zukunft folchen Uebergriffen vorzubeugen?

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