Nr. 289Dienstag, 11. Dezember 19341Seite 5Friedens-Nobelpreise:Arthur HendersonRalph Norman AngellDie Friedenspreise der Nobelstiftung für1933 und 1934 wurden an Arthur Henderson, den Vorsitzenden der Abrüstungskonferenz und langjährigen Führer der englischen Arbeiterpartei, und anden anglo-amerikanischen Pazifisten Sir RalfNorman Angell verliehen.Norman Angell hat sich vor allem schriftstellerisch betätigt. 1910 veröffentlichte er das in25 fremde Sprachen übersetzte Buch„What pricethe war?"(deutsch unter dem Titel„Diefalsche R e ch nu« n g" erschienen), in demer überzeugend nachwieS, daß ein Krieg zwischenmodernen kapitalistischen Staaten niemandemnützen könne, sondern auch die Sieger ruinierenmüffe. Er besprach darin vor allem die Gefahreines deutsch-englischen Kriegesund sagte voraus, daß der Ruin Deutschlandsauch England treffen werde. In diesem Sinn hatAngell dann auch den Wahnsinn der Reparationen bekämpft, die zu einer schweren Schädigungder Sieger selbst führen mußten. In der Unionfür demokratische Kontrolle hat Rorman A n-gell nach dem Kriege gemeinsam mit E. D.Morel für eine vernünftige Organisation desWeltfriedens gekämpft.Pertec als diplomatischerBerater UngarnsBelgrad.(Avala.) Die„Politika" setzt ihreEnthüllungen über den Aufenthalt des Terroristen Percec in Ungarn fort. In den früheren Artikeln waren Einzelheiten über seinen Aufenthaltin Oedcnburg und vorher in Steinamanger angeführt. Nunmehr teilt das Blatt mit, daß sichPertec von Oedenburg in Begleitungder Unterpräfekten von Steinamanger nach Budapest begab. Dort wohnte Per-Lec in der Vatsi-Gasse Nr. 56, wurde aber biszum 2. Dezember nicht bemerkt. Am 2. Dezember fand in der Wohnung Perkecs eine Beratungstatt, an der der hohe ungarische BeamteD r. D a r a n y, ein höherer Offizieraus dem Kriegsministeriüm, ferner der Budapester Polizeipräfekt und der Chefder Fremdenabteilung bei der Präfektur, teilnahmen. Als der höhere Offizier in einem Autosdas das militärische Kennzeichen trug, in derVatsi-Gasse eintraf, standen bereits zwei andereAutomobile vor dem Haus, in dem Perkec wohnt,während einige Geheimpolizisten in der Nähe desHauses Wache hielten. Die Beratung begann um15 Uhr. Nach zwei Stunden trat der Cchef derFremdenabteilung bei der Präfektur aus demHaus und schickte einen der wachestehenden Polizisten zum Zeitungskiosk am St.-Georgs-Platzum jugoslawische Zeitungen, in denen das jugoslawische Memorandum an den Völkerbundrat veröffentlicht war. Der Name des Polizisten, derdiesen Gang besorgte, ist I m r o K a s. Alsder Polizist mit den verlangten Zeitungen zurückkam, traf auch der offizielle ungarische Dolmetsch für slawische Sprachen namens Bella Molo v a n ein. Dieser blieb etwa eine Stunde imHause Vatsi-Gasse Nr. 56, worauf er in dasAußenministerium zurückkehrte, während die Beratung in Percecs Wohnung bis 20 Uhr abendsfortdauerte.Es ist wahrscheinlich, schreibt die„Politika",daß bei dieser Beratung die Daten betreffend dieungarische Antwort auf das jugoslawische Memorandum gesammelt wurden. Wenn diese Vermutung richtig ist, wäre dies eine große Sensation,schreibt das Blatt, da die ungarische RegierungPerkec ersuchen muß, ihr bei der Redigierung derungarischen Antwort auf das jugoslawische Memorandum behilflich zu sein, jenen TerroristenPerkec, dessen Beteiligung an dem Marseillerverbrechen unwiderlegbar bewiesen ist.5000 Mann für die SaarRach Meldungen aus Genf wird die internationale Truppe für das Saargebiet wahrscheinlich 5000 Mann zählen, die in dreiBataillons gegliedert werden, und zwarein englisches, em italienisches und ein gemischtes.Dieses sollte zuerst aus Schweizer und holländischen Truppen zusammengesetzt sein.Nun hat die Schweiz neuerlich abgelehnt, Polizei in die Saar zu entsenden und der Bundesrat Motta hat dies der englischen Regierung mitgeteilt. Statt der Schweizer dürften daherschwedische Truppe» herangrzogen werden.Die schwedische Regierung hat sich zur Entsendung eines Kontingents bereit erklärt.Für maßvolle PropagandaSaarbrücken.(DNB.) Die Abstimmungskommission veröffentlicht eine Verordnung, diejedes öffentliche Anbringen von Auffchristen, Abbildungen und Plakaten, die sich auf die Volksabstimmung beziehen, während des Zeitabschnittes der Abstimmung verbietet und unter Strafestellt. Nur auf Antrag bei den zuständigen dreiAbstimmungsbüros darf jede der drei Abstim-mungsparteien gleich große AnschlagStafelN errichten, deren Plakate sich auf di« Volksabstimmungbeziehen. Bereits vorhandene Aufschriften müssenbis zgm 10. Dezember entfernt werden.Strafverschärfung Im HunnenreichBerlin. Ein weiteres Zeichen für die strengeVerschärfung des Strafvollzuges in Deutschlandist ein jetzt veröffentlichter Hinweis der Justizpressestelle, wonach die Versendung von Lebensmitteln und Weihnachtspaketen an Strafgefangeneund andere Häftlinge nicht mehr gestattet ist. Einlaufende Pakete sollen den Absendern zurückgeschickt werden.Blutjustiz in BulgarienSofia.(Havas.) Sechs K o m m u n i-st e n, die wegen der Beschuldigung, in den Provinzgarnisonrn kommunistische Zellen orgamsirrtzu haben, zum Tode verurteilt worden waren,wurden durch den Strang hingerichtet.Revisionsfront in GenfDie Debatte im Völkerbundrat hat für dirVertreter der jugoslawischen Anklage unangenehme Ueberraschungen gebracht. Nur Lavalhat sich wirklich für Jugoslawien eingesetzt. Deritalienische Vertreter Baron A l o i s i nahmmehr minder für Ungarn Partei und kam aufdie notwendige Revision der Verträge zu sprechen.Lord Eden hielt eine schläfrige Rede, in der erden Fall bagatellisierte, den Streit als rein juristisch bezeichnete und politische Folgerungen ablehnte. Der polnische Vertreter polemisiertegegen beide Streitparteien, benützte aber den Anlaß vor allem, um gegen dieTschecho-slowakei einige Giftpfeile abzuschießen.Ein Teil der französischen Presse ist heftigerregt. Die Rede Edens wird scharf kritisiert. Erhabe, schreibt ein Blatt, so gesprochen, als ob essich um einen Käsehandel drehe. UeberItalien schreibt die französische Presse nunmehr offen, es stehe ebenfalls mit den Terroristenin Verbindung. Die jugoslawische Regierunghabe Beweise für die Rolle Ita-Der Korrespondent des belgischen Blattes„Le Soir" hat mit dem rechtmäßigen Bürgermeister Wiens, dem Genossen Karl Seitz, eine Unterredung in dessen Wohnung gehabt. Der Besucherfolgte kurz nach derFreilassung Seihens aus demGefängnis. Der Korrespondent erzählt darüber:Bor der Wohnung des ehemaligen Bürgermeisters stehen zwei Agenten, die den Zugangbewachen. Sie lassen niemanden passieren. Ichsage, daß ich erwartet werde und bekomme die Zustimmung, hineinzugehen. Ich gehe in den zweitenStock, wo Seitz wohnt. Auf der Wohnungstür istkein Name vermeldet. Auf mein Klopfen öffnet sichein Türspalt und ich gewahre ein Auge, das michmustert. Die Tür wird geöffnet und ich werde voneinem Polizeibeamten in Zivilkleidung empfangen. Ich sage, daß ich Seitz sprechen möchte. Ersagt, daß er meine Frage nicht beantworten kann.Aber ich dringe so in ihm, daß er zum Schluß dochin den angrenzenden Raum geht. Nach halbstündi-l i e n s, die nicht anders als die Ungarns sei, inLondon und Paris unterbreiten lassen.Ungarn hat sein Memorandum unterbreitet das sich fast wörtlich mit der Rede Tibor Eckhardt- deckt und in der Fordernng nach Revisiondes Vertrages von Trianon gipfelt.Grundsätzliche Einigung UberResolutionsantrag erzieltParis. 10. Dezember. Die Agentur Havasmeldet abends aus Genf, daß bei der Beratungdes französischen Delegierten Laval, des britischenDelegierten Eden, des italienischen DelegiertenAloisi und des ungarischen Ministers für Auswärtige Angelegenheiten. Kanya eine grundsätzlicheEinigung über einen Resolutionsantrag erzieltwurde, der infolgedessen im Bölkerbundrat eineeinstimmige Aufnahme wird finden können. Es erübrige nur noch eine Einigung über Einzelheitendieses Resolutionsantrages.(Anmerkung: Ungarn tritt, wie es heißt, indieser Resolution einer neuerlichen genauen Un-terfuchung über die Verantwortlichkeit seiner Beamten bei.)gem Warten werde ich ungeduldig. Ich klopfe^ndie Tür des Raumes und gehe hinein. Mir gegenüber an seinem Arbeitstisch fitzt in der Tat Seitz.Es ist der erste Tag seiner„Freiheit". Er trägtseine schwarze Kleidung von früher. Ueber demArbeitstisch, der früher mit Papieren und offiziellen Akten belegt war, steht nun ein Teller Suppe.— Neben Seitz steht ein ganz in Schwarz gekleideter Herr, der sich nicht bemüht, zu verbergen, daßer Polizeimann ist, beauftragt mit der Beaufsichtigung des fteigelassenen Gefangenen. Seitzsteht auf und geht einige Schritte auf mich zu.Sein Wächter ebenfalls. Der Alt-Bürgermeisterbegrüßt mich auf seine bekannte herzliche Weise,die ihn in Wien so populär gemacht hat. SeinAntlitz ist ziemlich blaß, nur seine Augen, umgebenvon schwarzen Schatten, sind so strahlend blau wieehedem.— Ich stelle mich vor und sage, daß ichkeine Erklärungen wünsche, sondern lediglich wissen wolle, wie sein Gesundheitszustand ist, da überihn allerhand Gerüchte umlaufen.„Sehen Sie mich nur gut an," antwortetSeitz,„und erzählen Die den Menschen dann,wie Sie mich angetroften haben. Sie mögensagen, daß Die einen alten Mann gesehenhaben, aber einen, der aufrecht stehtund ungebeugt geblieben ist. MeinGesicht ist blaß, aber man soll begreifen, daßdas nicht anders sein kann, wenn man die Verhältnisse in den letzten Monaten berücksichtigt."Wie er dies sagt, kommen Seitz Tränen indie Augen.Ich erkläre, nicht gekommen zu sein, umdem Politiker einen Besuch zu machen, sondern dem Privatmann Seitz. Seitz lächeltund sagt:„Seit 40 Jahren bin ichkein Privatmann mehr."Ich nehme Abschied und Seitz begleitet michin den ersten Raum. Sein Wächter bleibt bei derTür stehen und behält uns von dort aus im Auge.Bei dem Ausgang stehen einige Polizisten, dieHaltung einnehmen, als sie Seitz sehen. Sie habenihre alte Gewohnheit noch nicht verloren.Auch Frank II abgesetzt IBerlin.(AP.) Nach Feder, Brückner undv. d. Gold ist eine neue nationalsozialistischeSäule geborsten: Reichsjustizkommif-s a r Dr. Frankl! ist ab gesetzt wordenund bleibt nur noch Präsident der Akademie fürdeutsches Recht.berliner Disharmonisches OrchesterPle Musiker gehen— die Musikanten bleiben I««Ich hin alt« aber aufrecht und ungebeugt**Eine Unterredung mit dem populärsten Mann WiensTagcsnculglicitcnGenosse Ferry LöwIn Brünn ist einer der treuesten und unermüdlichsten Parteigenossen Samstag plötzlich im53. Lebensjahre gestorben. Er war einer der bekanntesten Funktionäre der Partei, ein geachteterAnwalt der Armen in der Gemeindevertretungder Stadt. Brünn, Gründer der Organisation derBrünner sozialdemokratischen Gewerbetreibenden,hervorragenden Funktionär der Freidenker und derKinderfreunde. Sein Tod reißt eine unausfüllbareLücke in die Reihen der sozialdemokratischen Arbeiteibewegung und immer wird man sich dankbarseiner erinnern.Die Geliebte erschaffen* Mord und Selbstmordversuch in Leitmeritz.In Leitmeritz lebte die 57 Jahre alte Besitzerin einer Gastwirtschaft, Schuster, mit dem36jährigen Jugoslawen Josef Kvcdr in gemeinsamem Haushalt. Kvrdr führte mit dem Geld«seiner Geliebten ein beschauliches Leben und tut«ternahm wiederholt mit anderen Frauen Autoausflüge. Do verbrachte er die ganze Nacht ineinem anderen Leitmeritzer Gasthaus und zechtedort in lustiger Gesellschaft bis in die frühen Morgenstunden. In Begleitung einer Kellnerin suchteer noch ein anderes Gasthaus auf und kehrte erstgegen Mittag zu seiner Geliebten Schuster zurück.Als diese ihm KL 100.— gegeben hatte, fuhr erin Gesellschaft eines Mechanikers nach Raudnitz,trank dort weiter und kehrte nach Leitmeritz indie(Gastwirtschaft zurück, in der die Kellnerin beschäftigt ist, dir ihm vorher Gesellschaft leistete.Als Kvedr dort erfuhr, daß die Schuster dort gewesen und der Kellnerin Vorwürfe gemacht habe,packte ihn die Wut, er rüste in seine Wohnnng,nahm auS dem Nachttisch einen Trommrlrevolverund schoß die Schuster in die linke Schläfe, alssie die weitere Hergabe von Geld ablehnte. DirSchuster war sofort tot. Dann richtete Kvedr dieWaffe gegen sich selbst, verletzte sich aber nur leicht.Bluttat aus RacheIn Karbitz wurde am Samstag mittags dieArbeiter- und Angestelltenschaft der Stahlgutzhüttealarmiert durch die Mitteilung, daß die Gattindes Werkmeisters Stingl im Werkshof überfallenwurde. Tatsächlich fand man in der Wohnung dieFrau mit mehreren Kopfwunden und verletztenHänden vor. Sie konnte noch mitteilen/ daß sieüberfallen worden sej. Die GendkMerie stellte folgenden Sachverhalt fest: Tin in"bet Stahlgutzhütte beschäftigter Lehrling lockte die Frau aufden Hof mit der Angabe, unten liege eine toteHenne. Als die Frau hinter den Glühofen ging,spürte sie Hiebe auf dem Kopfe. In ihrer Geistesgegenwart legte sie die. Hände über den Kopf unddie weiteren Schläge trafen die Hände. Der Täter,der seinem Opfer eine Anzahl offener Hiebwundenam Kopfe beigebracht hatte,— apßer den Verletzungen an den Händen,— warf sein Werkzeug,ein Eisenstück, fort und flüchtete. Gegen 5 Uhrabends wurde der Junge in einem Versteck entdeckt und abgeführt. Bei seiner Vernehmung gaber nach längerem Leugnen zu, die Tat aus Racheorangen zu haben, weil der Mann der Frau ihngegen schlechter Arbeit getadelt habe.Falschmeldungenüber Richard SttaußEr bleibt Hitler-Latei!Berlin.(D. N.-B.) Der Präsident' derReichsmusikkammer Dr. Richard Strauß, der soeben seine Konzertreise durch Holland beendet hat,sandte, da er an der Veranstaltung im Sportpalast anläßlich des einjährigen Bestehens derReichskulturkammer nicht anwesend sein konnte,an Reichsminister Dr. Goebbels folgendes Telegramm:„Zur großartigen Kulturrede sende herzlichen Glückwunsch und b e g e i st e r t e Z u st i m-mung. In treuer Verehrung Heil HitlerlGez. Dr. Richard Strauß".Wieder Taifun in LuzonTausende vermißt.Manila. Die Insel Luzon wurde zum siebentenmal im Verlaufe der letzten Wochen voneinem Taifun heimgesucht. Bei der letzten Elementarkatastrophe sind 16 Personen ums Lebengekommen. Wie gemeldet wird, sind zahlreiche Menschen obdachtlos, mehreretausend Personen werden noch vermißt.Elf Todesopfer des AlkoholsNew Nork. In den Logierhäufern des Hafenviertels von Portland(Oregon) sind inder vergangenen Nacht elf Männer nach dem Genuß von denaturiertem Alkoholgestorben, mehrere liegen noch schwererkrankt darnieder. Der Alkohol stammte angeblich aus einer am Platze befindlichen Drogenhandlung