Mittwoch, IS. Dezember 193414. JahrgangE'mzelprets 70 Kelter(emschlieWich S IMlar AmM1ENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xh., fochova«2. telefon sm. Administration telefon sxoi.HERAUSGEBER 1 SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR> WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR» DR. EMIL STRAUSS, FRAG.Französische Rüstungskredite angenommenParis. Die Deputiertenkammer genehmigtemit 460 gegen 130 Stimmen die Regierungsvorlage, durch welche die Regierung ermächtigt wird,800 Millionen Francs für außerordentliche Erfordernisse des Kriegsministeriums auszugeben.Ministerpräsident Flandin griff hauptsächlichdeshalb in die Debatte ein, um den Vorschlag derSozialisten zurückzuweisen, die verlangten, daßdie Behandlung dieses Gesetzes verschoben werde.Er erklärte, Frankreich sei zu diesen neuen finanziellen Opfern, gezwungen, um im Hinblickauf die deutschen Rüstungen seine Sicherheit zuschützen, daß es aber fest und unerschütterlich andem in Genf eingenommenen Standpunkte festhalte, daß die Rüstungen beschränkt undunter Kontrolle gestellt weiten.Frankreich hat RekrutenmanselParis.(Havas.) Die Pariser Blätter befassen sich eingehend mit der Senatsdebatte überdie Kammer und weisen auf den Unterschied imHeeresstand zwischen der normalen Zeit und denjetzt kommenden Jahren 1835 bis 1940 hin. Während dieser Zeitperiode kommen die während desKrieges geborenen Jahrgänge zur Assentierung,die geringe Lisjeru ausn»e,,'en. Jederumfaßt, wie das.Petit Journal" schreM nur115.000 an Stelle von 230.000 WehrpflichtigenDer zweijährige Dienst, schreibt das Blatt weiter,erweist sich dccher als technisch notwendig, dochkönne man sich ihn aus inneren und äußerenGründen nicht wünschen. Es sei auch eine Frage,ob ein französisch-deutsches Uebereinkommen miteiner Beschränkung und Kontrolle der Rüstungendie Befürchtungen des französischen Generalstabs,zu besestigen vermag.Leiter der SaarpolizeizurückgetretenSaarbrücken. Der Leiter der saarländischenPolizei, Ministerialrat H e m s l e y, hat demPräsidenten der Regierungskommission sein Rücktrittsgesuch eingereicht.Ein 25-Jahresplan in USA?London. Nach Blättermeldungen aus Wa«fhington hat das Amt für nationale Hilfsquellendem Präsidenten Roosevelt einen 25-Jahresplanunterbreitet, der eine Gesamtausgabe von 105Milliarden Dollar(zirka 2500 Millionen KL)für öffentliche Arbeiten vorsieht. Die Annahme desPlanes wird abhängen: 1. von der Bereitwilligkeit des Präsidenten, die Vorschläge ganz oder teilweise anzünehmen, 2. von der Haltung des Kongresses und 3. von der Art der Finanzierung desPlanes.Die Geldaufwendungen sollen in vier Richtungen erfolgen. Die Pläne des Ausschusses, dessenVorsitzender der Innenminister Ickes ist und demfünf weitere Kabinettsmitglieder angehören, beziehen sich auf Wasser, Mineralschätze und Organisation. U. a. wird darin vorgeschlagen: JedesJahr sollen 5 Millionen Acres(etwa 8 MillionenMorgen) verhältnismäßig wenig ergiebigen Landes unausgenutzt gelassen werden. Neue landwirtschaftliche Gebiete sollen erschlossen werden. EineBundeskontrolle über Weideland soll eingerichtetwerden. Die Gebiete, der staatlichen Forste und dernationalen Parks sollen erweitert werden. DieWasserkräfte des Landes sollen intensiver ausgenutzt werden. Die Ueberschwemmuygsgefahr sollbeseitigt werden. Die Gewinnung der BodenschätzefÄll unter öffentliche Aufsicht gestellt werden.Schließlich sollen noch ständige amtliche Stellen für öffentliche Arbeiten für das Land, für dasWasser und für die Mineralschätze gebildet werden.Die„New Dork Herald Tribüne" sägt, der ganzePlan ziele darauf ab, dem amerikanischen Volkeeine unabänderliche Wohlfahrt zu geben.Plötzlicher Rücktritt desJugoslawischen KabinettsAns Inncrpolltlsdicn GründenBelgrad. Minister des Aeußeren I e v t i L und Landwirtschaftsminister K 0 j i Lüberreichten Dienstag mittags dem Ministerpräsidenten UzunoviL ihre Entlaffungsgesuche. AlsUrsache der Demission gaben die beiden Minister Meinungsverschiedenheiten mit einzelnen Mi-nisterkollegcn in Fragen der inneren Politik an.Daraufhin unterbreitete der Ministerpräsident mittags dem königlichen.Regentschaftsratedie Demission der gesamten Regierung. Diesewurde angenommen. Die Regierung UzunoviLwurde mit der Leitung der Staatsgeschäfte bis zurBildung der neuen Regierung beauftragt.Wie in parlamentarischen Kreisen erklärt wird, wird es als s i ch e r erachtet, daß Minister IeftiL auch weiterhin das Reffort des Acutzern veibehalten wird, selbst für de« Fall,daß ihm die Bildmrg der neuen Regierung an vertraut werden würde.Das zurückgetretene Kabinett hatte bekanntlich nach dem Attentat von Marseille seineDemiffion gegeben, doch wurde sie damals vom RegentschastSrat nicht angenommen, da sie alseine bloße Formalität infolge des Thronwechsels angesehen worden war.Außer dem Präsidenten des Senates Dr. T 0 m a s i 6 und dem Präsidenten derSkupschtina Dr. Kumanudi wurden DienStag nachmittags auch der Führer der altradikalenPartei Aca StanojeviL, der ehemalige Führer der flowenischen Volkspartei Dr.. K 0 r» s k Lsowie Außenminister Dr. Jestic vom Prinzregente» Paul empfangen.Der Rücktritt der beiden Minister wird auchim Auslande als ein vorwiegend innerpoli-t t l sv e O Ereignis angesehen. Dabei ist freilichnicht ganz klar, welche innerpolitischen Differenzen es zwischen den beiden Ministern und demübrigen Kabinett UzunoviL gegeben hat. Vielleicht rührt die Spannung noch aus den Tagennach dem Thronwechsel her, in denen I e v t i k alsernster Anwärter auf die Führung des Kabinettsgenannt wurde. Jevtiö steht an der Spitze einergroßen Bauernbe we g n n g, die genoffen-schasts-sozialistische Tendenzsst verfolgt und in dentesten Jahren grwatrrg nngewachfe»' ist. Das Bildde» notwendigen Entwicklung Serbiens zu einerkollektwistischen Bauernrepublik, das diese Bewegung entwirft, fügt sich schwer in die gegenwärtige Politik der Regentschaft. Es ist Wohl denkbar,daß hier die entscheidenden Ursachen des Konfliktzu suchen sind.kür ein sozialistisches England IMassenkundgebung in LondonAm vergangenen Sonntag veranstaltete dieLabour-Party in der Albert-Hall, dem größtenBersammlungssaal Londons, ein Massen-Meetingzur Feier der Wahlsiege bei den Gemeindewahlenund den Nachwahlen zum Parlament. Die Versammlung, die von 9000 Personen besucht war,wurde mit dem Gesang des Liedes„Die RoteFahne" eingeleitet. Der neugewählte Parteisekretär Middleton betonte in seiner Eröffnungsansprache, daß für die Labour-Partyjetzt die Vorbereitung zu den Parlamentswahlenbeginne, die in einem Jahre staüfinden werden.George L a n s b u r y, der Oppositionsführer imUnterhaus, erklärte: Diese Versammlung ist einGelöbnis, uns der großen Aufgabe zu widmen,unser Land für den Sozialismus zu gewinnen.Nach einer Kritik an der Politik der„nationalen"Regierung bezeichnete er es als das Ziel derLabour-Party, den Wiederaufbauder Gesellschaft und der Industrienicht im Interesse des Privatprofits, sondern desGemeinwohls vorzunehmen. Die Jugend sollenicht den Glauben daran verlieren, daß die Idealeder Partei msi demokratischen Mitteln erzieltwerden können. Der Gewerkschaftsführer Citri n e wies darauf hin, daß es der Partei gelungen sei, jhre schwerste Niederlage nach dreiJahren in einen Sieg zu verwandeln. Der Erfolgbeweise, daß der Gedanke des Sozialismus inallen Volksschichten verbreitet werden könne. DiePartei, erklärte darauf Ernest B e v i n, der Vorsitzende der Transportarbeiter-Gewerkschaft, habeim Jahre 1931 in Wahrheit ihren größten Siegerrungen. Denn sie habe, als MacDonald undSnowden sie verließen, deutlich gezeigt, daß sienicht von einzelnen Männern abhängig sei. ZumSchluß ergriff der Londoner Läbour-FührerM 0 r r i son das Wort und bezeichnete es alsdie Lehre der Londoner Gemeindewahlen, daßauch der englische Mittelstand auf dem Wege zumSozialismus sei. Es gelte, eine vernünftige sozialistische Aufklärung in die Massen zu tragen,damit der nächste, entscheidende Wahlsieg nicht einbloßer Sieg der Unzufriedenheit, sondern ein Siegdes Sozialismus werde.Schimpfkanonade des„AngriffSegen die„Frankfurter Zeitung“Berlin. Der„Angriff" bringt an leitender Stelle einen Artikel seines Cheftrdaktenrs,des sich scharf gegen die„Frankfurter Zeitung"richtet.Die„Frankfurter Zeitung" hatte es beklagt, daß bei vielen Läden die Auffchrift„Deutsches Geschäft" wieder auftaucht. Darüberist der„Angriff" in Zorn geraten und wettert zunächst gegen die„jüdische Zähigkeit", die immerwieder eine geschäftliche Hintertür findet, um nachjeder geschichtlichen Entscheidung oben zu bleiben.Das Verordnungsblatt der nationalsozialistischenPartei und das Reichsgesetzblatt hätten keineaufmerksameren Äffet, als die Juden. Sobaldein Nazi einen Schritt im Sinne der siegreichenBewegung tue, stürzten sich die Juden mit einemNetz von Paragraphen über ihn her. Die„Frankfurter Zeitung" werfe sich feit Monaten geradezu zum Staatsanwalt gegen die nationalfoziali--stifche Partei auf:-sie mache sich zum Kronjuri-sten des Staates gegen die Partei. Das fei einevoreilige Unverschämtheit!Neuer JudenboykottDer Ausfall des„Angriff" gründet sichaller Wahrscheinlichkeit nach aus die Tatsache, daßdie jüdischen Geschäftshäuser in Frankfurt schonseft einigen Wochen boykottiert werden. SA-Männer patrouillieren vor den jüdischen Geschäften undraten den Leuten,'ihre Weihnachtseinkäufe inchristlichen und deutschen Geschäften zu'besorgen.Das gäpze Vorgehen erinnert stark an den großenBoykott der jüdischen Geschäfte'am 1. April 1933im ganzen Reiche. Die antisemitische Bewegunggreift übrigens in den Ortschaften längs desMains weiter und dringt auch nach Hessen hin-I über.Her fascistischeRüstungswahnund die Abwehrmafinahmender DemokratieVon Abgeordneten Rudolf HeegerDie Verlängerung der militärischen Dienstzeit hat in der Oeffentlichkeit die verschiedenstenAuffassungen wachgerufen und dazu geführt, daßmanche politischen Kreise die Sozialdemokraten alsbegeisterte Militaristen hinzustellen versuchen nurdeshalb, weil sie für die Verlängerung der Militärdienstzeit gestimmt haben. Dazu sei folgendesfestgesteflt: Die Sozialdemokraten waren, sind undwerden immer Gegner des Krieges sein. Die Sozialdemokraten vertreten auch heute noch diegrundsätzliche Anschauung, daß die größte Gewährfür den Frieden die allgemeine Abrüstung ist. Diesem Grundsatz folgend, sind wir immer für dieEinschränkung der Rüstungen, für die Verkürzungder Dienstzeit, für die Herabsetzung des Präsenzstandes und des Rekrutenkontingentes eingetreten.Daß die Abrüstung nicht erfolgt ist, kann man dochden Sozialdemokraten nicht als Schuld beimessenund am allerwenigsten dürfen, sich die Christlichsozialen erlauben, uns als begeisterte Militaristenhinzustellen. Den Christlichsozialen sei gesagt, daßdas internationale Bild vom Jahre 1928 nicht dasvom Jahre 1934 ist. 1926 hat kein vernünftigerMensch an eine Kriegsgefahr gedacht, 1926 wardas Jahr von Locarno, 1926 hielt Deutschlandfernen.Einzug in den Völkerbund und wurde vomfranzösischen Außenminister Briand mit den Worten begrüßt:„Der Krieg ist aus". Bald darauferfolgte die Rheinlandräumung und viele Konfliktstoffe aus der Nachkriegszeit wurden beseftigt.Diese friedliebenden Bestrebungen ließen damalsdie Hoffnung zu, daß die Abrüstungskonferenznicht erfolglos enden werde, lind in dieser sicherenFriedenszeit haben die Christlichsogialen ohnezwingenden Grund, ohne daß eine Gefahr bestand,für die Verlängerung der militärischen Dienstzeitund für den Rüstungsfonds gestimmt und siehaben angesichts dieser Tatsache am allerwenigsten die moralische Berechtigung, anderen, die ingefahrvollen Zeiten für die Verlängerung derDienstzeit gestimmt haben, Vorwürfe zu machen.Warum kam es nicht zur Abrüstung?Deutschland wurde fascistisch, ist aus dem Böllerbund ausgetreten, um eine unkontrollierbare,wahnsinnige Aufrüstung zu betreiben. Aus diesemGrunde haben alle Staaten die militärischen Vorbereitungen auf die höchste Stufe der Leistungsfähigkeit getrieben mit der Begründung und unterHinweis auf die wahnsinnige Aufrüstung und diebis zum Kriegstaumel betriebene Verherrlichungdes soldatischen Heroismus in Deutschland. GanzDeutschland ist militarisiert, Hit-lerdeutschland eine einzige große WaffenschmiedsAlles steht im Dienste der militaristischen Propa»ganda: Rundfunk, militärische Aufmärsche, Massenherstellung von Militärflugzeugen, Bau vonstrategischen Straßen, Errichtung von Flugplätzen, Hangars unter der Erde, die im Auslandeals Schokoladefabriken bezeichnet werden. Militärischer Arbeitsdienst, militärische Jugenderziehungsind die sichtbaren, im Ausland aber verleugnetenKriegsvorbereitungen. Trotz der großen finanziellen Schwierigkeiten, die Deutschland hat, trotz derUngeheuern Schuldenlast, trotz erheblicher Einschränkungen der sozialen Lasten ist eine ungeheuere Steigerung des Rüstungsetats vorhanden.1933 betrugen die Kosten für die Reichswehr 485Millionen Mark, 1934 658 Millionen, also eineSteigerung um 173 Millionen' Mark, für dieReichsmarine 1933 186 Millionen Mark, 1934236 Millionen, Steigerung um 50 MillionenMark, für das Luftwesen 1933 75 Millionen,1934 210 Millionen Mark, also eine Steigerungum 135 Millionen, für die SA und SS 1933nichts, 1934 250 Millionen Mark. Dabei sind dieBeträge für die SA und SS vorsichtshalber nichtim Militäretat, sondern im Etat des Finanzmini-steriums eingestellt. Aus diesen Ziffern alleingeht hervor, daß seit der Machtergreifung Hitlersdas deutsche Volk eine marschierende Armee geworden ist. Um recht viel Soldaten auszubllden,werden die bei der Reichswehr eingestellten vielfach anstatt der vorgeschriebenen Dienstzeit von12 Jahren nur anderthalb Jahre ausgebildet. DieFormationen der SS und SA, sowie di« StahlHelmleute werden durch die Reichswehr militärisch