Donnerstag, 20. Dezember 1934
14. Jahrgang
Einzelpreis 70 H»n«r (einschließlich 5 Heller Porto)
1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA«2. TELEFON 53077. ADAMNISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS. PRAG.
! Pas Geebbels-Manöver der SVH Hyänen tragen Herz Wohltätigkeit- die große Mode des Vor-Wahl- kampfes Unternehmerterror, Antimarxismus und Volksgemeinschaft Hodäcs Brotgeber als Retter der Sudetendeutschen
Goerins Reichswehrminister 7 Paris. Der Berliner   Korrespon­dent desJournal" verzeichnet sich ver­dichtende Gerüchte, daß General Goe- ring zum Nachfolger des General Blom­berg und zum Neichskriegsmiuister er­nannt werden soll, und zwar ungeachtet der Opposition zahlreicher aktiver Ge­neräle. Der Zweck dieser Ernennung Goerings würde sein, das Problem der SA und SS gegenüber der Reichswehr  einer Lösung zuzuführen.
DiätenabzUse unverändert Senat entscheidet für Status quo Prag  . Wie wir bereits gestern angedeutet haben, stieß die mit einer Milderung ver­bundene Staffelung der Abzüge von den Diäten der Parlamentarier, wie sie im Abgeordnetenhaus etwas. übereilt angenommen worden war, im Senat auf entschiedenen Widerspruch. Dort wurde Mittwoch früh im Budgetausschuß beschloffen, den Beschluß des Abgeordnetenhauses abzuändern und die Abzüge in der bisherigen Höhe auch für 1938 zu belassen. Jin Plenum i>eo Senuie» erklärte nach­mittags K r o i h e r als Referent, daß der Aus­schuß zwar anerkenne, daß für die Parlamentarier aus der Provinz und namentlich aus der Slo­ wakei   und Karpathorußland mit der Ausübung des Mandates viel höhere Ausgaben verknüpft sind; bei einer Neuregelung fiele das sicher in die Wag-! schale. Der Senat habe aber erst am Vormittag das Budget für 1935 angenommen, das dem 14prozenttgen Abstrich bei allen Parlamenta­riern rechnet, und könne daher am Nachmittag nicht etwas anderes beschließen. Jeder Antrag, der das Budget belaste, müsie mit einem Bedeckungsvor­schlag versehen sein; der fehle in diesem Falle. Daher beantrage er eine Aenderung des Beschlusses des Abgeordnetenhauses im Sinne des ursprüng­lichen Initiativantrages, das heißt die Beibe­haltung der jetzigen Abzüge. Dieser Antrag wurde denn auch mit 95 gegen sieben Stimmen der slowakischen Volkspar­tei angenommen und die Vorlage an das Ab- geordnetenhaus zurückgeleitet,, das sofort die neu­erliche Zuweisung an den Budgetausschuß vor­nahm. Dieser erklärte sich am Abend dem Senatsbeschluß einverstanden, so daß am Donnerstag die Vorlage glatt verabschiedet wer­den dürste. Es bleibt also bei den bisherigen Brutto- bezügen von 4300 Kronen monatlich. Davon sind allerdings die Einkommensteuer, ferner 2000 Kro­nen jährlich für die Eisenbahnfahrkarte und vor. allem die sehr beträchtlichen Klub- und Partei­abzüge in Abzug zu bringen, die bei unseren Par­lamentariern diese Diäten auf die Hälfte und noch weniger reduzieren. Bei den meisten Klubs ist ja eine Staffelung je nach dem Wohnort in Form differenzierter Klubabzüge bereits seit langem durchgeführt.
Das Budget vom Senat angenommen Prag  . Mittwoch vormittags nahm der Senat nach dem Schlußwort des Generalberichterstatters S t o d o l a das Budget für 1935 in beiden Lesungen unverändert an. Stodola betonte in sei­nem Schlußwort, daß bei uns die bewährte innere Zusammenarbeit siegen müsse; wir würden weder Moskau   noch Berlin   nachahmen, die Fortbildung unseres demokratischen Regimes müsse ihre eigenen Wege gehen. Staatsanstalt kür Körpererziehung Der Gesundheitsausschuß des Abgeordneten­hauses genehmigte am Donnerstag unter Vorsitz des Genossen Taub den Antrag Hummel- Hans und Genossen auf Errichtung einer I Staatsanstalt für Körpererziehung. Zum Referen­ten wurde Genosse Hummelhans gewählt. I
Landbündler und Christlichsoziale liegen einander In den Haaren In der Wehrdebatte im Senat trug der Landbündler S t ö h r eine offenbar für die Bud­getdebatte bestimmte Rede über die Not der Land­wirtschaft nach, die mit dem zur Verhandlung ste­henden Thema nicht das geringste zu tun hatte. Interessant wurde die Sache erst, als Stöhr auf die kürzlichen Angriffe Hilgenreiners gegen Spina zu sprechen kam und feststellte, daß diese alles bisherDagewesene über­steigen. Der Bund der Landwirte werde auch wetterhin für die Religion eintreten, sich aber auch gegen jeden Mißbrauch der Religion für parteipo­litische Zwecke wenden. Zwischen Stöhr und einigen streitbaren Chrisüichsozialen kam es dabei zu heftigen Aus­einandersetzungen, in die auch andere Landbündler eingriffen. Besonders Senator L u k s ch erging sich in erregten Zwischenrufen. Als Stöhr die Rednertribüne verließ, wäre es bei einem Haar zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. Nur im allerletzten Moment traten andere Senatoren da- zwisthen und verhüteten Tätlichkeiten.
JevttL hat Mittwoch mittags die Beratungen über die Bildung des neuen Kabinetts ausgenom­men. Es heißt, daß JevtiL eine tleber- gangsregierung bilden will, die die spä­tere entscheidende Entwicklung vorbereüen wird. JevtiL werde neueMän ner aus den parla­mentarischen Kreisen der jugoftawischen Rational­partei, sowie außerhalb des Parlamentes stehende Persönlichkeiten mn ihre Mitarbeit ersuchen. Er hofft nicht, seine Beratung vor Donnerstag be­enden zu können. Seine Bestrebungen werden von dem ehemaligen Ministerpräsidenten General Z i v k o v i L voll unterstützt. Im neuen Kabinett dürste JevttL neben dem Präsidium auch das Aeußere behalten. Die Besetzung der anderen Portefeuilles mit Aus­nahme des Kriegsportefeuillrs, das General  Zivkovik veibehalten wird, hängt von dem Ueberrinkommen ab, welches JevtiL mit den ein­zelnen parlamentarischen«nd altparlamentari­schen Gruppen über das innerpolittsche Arbeits­programm der neuen Regierung erzielen wird. Die äußere Politik Jugoslawiens   wird durch den KaVinettswechsel nicht berührt. # Mit der Betrauung des bisherigen Ministers des Aeußeren JevtiL mit der Mission der Kabi-
Italien war der Angreifer Nene Feststellungen von Seite Abessiniens. Genf  . Die abessinische Regierung hat durch Vermittlung des Völkerbunds-Sekretariats auf die Note der italienischen Regierung betreffend den Zwischenfall in Ualual geantwortet. In ihrer Rote erklärt die abessinische Regierung u. a., daß wäh­rend'der Aussprache der abessinisch-englischen Kommission mit dem Kommandanten der italieni­schen Truppen italienische Flugzeuge die abessi­nisch-englische Kommission gefährdeten. Das Zei-
Seit es in den Randgebieten der Sudeten­länder Industrien und Unternehmer gibt, und das ist seit mehr als hundert Jahren, gibt es dort auch ! hungernde Arbeiter und Arbeitslose. Man hat aber in den mehr als hundert Jahren, auf die von Asch bis Oderberg   die sudetische Not zurückblicken kann, nichts davon gehört, daß sich die Herren der Bergwerke, F a briken und Ban­ken, die in der Konjunktur von der Arbeit der Proleten und in der Krise, indem sie die Arbeüer hinauswerfen und selbst ihr Erspartes verzehren, gewissermaßen von der Arbeitslosigkeit leben, in all den Jahrzehnten Sorgen darüber gemacht hätten, wie der Hunger der Volksgenossen zu stillen wäre. Seit vier Jahren steigt die Not der Arbeitslosen und Kurzarbeiter in den deutschen Randgebieten von Jahr zu Jahr, von Winter zu Winter. Mit den Arbeitslosen werden die Ge­werbetreibenden, die Kaufleute, die Bauern von der Krisennot heimgesucht. Ganze Bezirke, große Gemeinden, im Gebirge weite Landstriche weisen unter 100 Einwohnern keine 20 auf, die von sich sagen könnten, sie hätten noch ein sicheres Einkom-
nettsbildung wird, wie in parlamentarischen Kreisen erklärt wird, vor allem der Absicht des ermordeten Königs Alexander Rechnung getra­gen, welcher nach seiner Rückkehr aus Paris   an einen Abbau des diktatorischen Re­gimes herantreten wollte, welches durch die Verfassung vom 3. September 1931 nur gemil­dert, aber sachlich nicht beseittgt worden war. Dieser Absicht hatte sich Ministerpräsident U z u- noviL durch eine Rede entgegengesetzt, in wel­cher er erklärte, daß an eine Regierungsänderung nicht gedacht werden könne, bevor man mit hundert Prozent feststellen könnte, daß das neue Regime besser sein würde, als das bestehende. Gleichzeitig hatte Uzunovic erklärt, daß die ge- genwärttge Regierungspartei die einzige politi­sche Organisatton im Lande sei, welche die Auf­rechterhaltung der nattonalen und staatlichen Einhett Jugoslawiens   gewährleiste. Diese unversöhnliche Haltung des Minister­präsidenten Uzunovic gegenüber aller anderen polittschen Strömungen im Lande stieß schließlich auch innerhalb der Regierungspartei auf Wider­stand und deshalb zog die Demission der Minister JevttL und KojiL auch^ die Demission der gesam­ten Regierung nach sich.
chen zum Kampfe sei auf italienischer Seite ge­geben worden, und zwar durch Signalpfeifen und Alarm-Befehle, worauf drei italienische Militär- flugzeuge die abessinischen Truppen mit Bomben und Maschinengewehren angegriffen hätten. Im Augenblick des italienischen Angriffes seien die zwei einzigen Maschinengewehre der abessinischen Truppen nicht in Kampfposition und zerlegt ge­wesen. Heute hält man es in Genf   für sicher, daß der Völkerbundsrat gezwungen sein wird, sich wäh­rend seiner Jännertagung' mit dem abessinisch­italienischen Zwischenfall zu beschäftigen.
men und mit ihm ein bequemes Auskommen. Die Menschen leben buchstäblich von der primitiven Sozialisierung der Armut", davon daß ein armer Teufel den andern unterstützt, ein Hungernder beim andern borgt und bettelt. Man hat nicht ge­hört, daß in diesen Krisenjahren die U n t er- nehmer und Bankiers eine laute und übertriebene Sorge für die Opfer ihrer Wirt­schaftskunst an den Tag gelegt hätten. Der Beitrag der deutschen Besitzflasse zur Linderung der Not sind seit Jahren: Lohnab­bau, Entlassungen, Betriebs­sperrungen oder Betriebsverlegungen, G e- sinnungsterror gegen die freigewerk- schastsich Organisierten, maßlose politische Hetze gegen alle Maßnahmen des'Staates und der Ge­meinde- die der Krisenbekämpfung, der Behebung der Rot dienen könnten. Als die Wogen der Wirtschaftskrise zu stei­gen begannen und das Unglück noch nicht abzu­sehen war, hat die zielbewußte Jnittative eines Mannes, der rasche Zugriff eines, der Verant­wortung fühlte und sein Herz nicht mit einem Panzer bürokratischer Bedenken wappnete, jene Einrichtung ins Leben gerufen, die für Hundert­tausende seither Schutzwehr gegen das Aergste,.letz­ter Rückhalt und die dünne Wand wurde, die sie von der nackten Verzweiflung trennt: die Lebens­mittelkarten, die Czech-Karten Aber neun Zehntel der bürgerlichen Poli­tiker und Meinungsmacher haben in eben der Zett, da die Czech-Karten bestehen und für den ausge­steuerten Arbeitslosen letzte Rettung bedeuten, chren antimarxistischen Kampf mit der Hetze gegen die Czechkarten bestritten. Die deutschen Christlichsozialen, deren Hilgenreiner sich jesuitisch-salbungsvoll gegen die mangelnde Nächstenliebe der Sozial­demokraten ausläßt, nicht minder als dieLand- b ü n d l e r, die auf einmal ihr völkisches Ge­meinschaftsgefühl und ihr chrisllichcs Gewissen entdeckt haben, sind gegen die Czech-Karten mit der gleichen Leidenschaft zu Felde gezogen wie ihre Gesinnungsgenossen im tschechischen Lager, die Unternehmergarde des Herrn H o d ä c. Plötzlich im denkwürdigen Winter 1934-35 entdecken die deutschen Kapitalisten ihr Herzl Das Datum muß festgehalten werden, denn es ist ein historischer Termin, der Entdek- kung Amerikas   vergleichbar. Die Arbeiter und Ar­beitslosen wußten nicht, daß es so etwas gibt: das Herz des Kapitalisten, das Gewissen des Unter­nehmers, die christliche Nächstenliebe der Bank­direktoren, daS soziale Verständnis bürgerlicher Polittker! Aber man liest es täglich schwarz auf weiß, daß es das jetzt gellen soll. Man bekommt Zahlen vorgesetzt, man muß es wohl glauben. Oder sollte sich hinter Christentum, Volksgemein­schaft und sozialem Mitgefühl etwas anderes ver­bergen? Denn warum sind die nicht sichtbar ge­worden, als die Gemeinden ihr Hilfswerk ausbau­ten? I Wo waren sie, als die Sozialdemokratie die Schaffung des Krisenfonds förderte, zu dem die Unternehmer beisteueru soll­ten?! Haben wir damals schlecht gehört, hat es uns Fieberbilder vorgegaukelt? Jedenfalls er­innern wir uns, an den gleichen Stellen, wo jetzt die Druckerschwärze vor Rührung wie Schmalz fließt und aus Zeitungen Fabrikantenherzen stöh­nen, nicht nur kühle Ablehnung, sondern l e i- denschaftlichen Protest gegenden Krisenfonds gehört und gelesen zu haben. Es war von einem Prozent Besteuerung die Rede die Unternehmer erklärten, daß die Wirtschaft darüber zugrundegehen müßte. Es war die Rede von einem halben Prozent auch das war uner­träglich. Ein Viertel Prozent nein, dreimal nein! Der Krisenfonds bleibt indiskutabell Aber es scheint, daß der Gott Spinas und Hilgenrei­ners noch Wunder wirkt, daß er sich selbst zu wan­deln vermag aus dem Gott«Nimm" von gestern in einen bisher unbekannten Gort »Gib"! Denn in vorwurfsvollem Ton belehrt
Kabinett Jevtic wahrscheinlich Innerpolitische Kursänderung im Sinne des Abbaues der Diktatur Belgrad.  (Avala.) Amtlich wird bestätigt, daß Außenminister Dok­tor JevtiL mit der Kabinettsbildung betraut wurde. Es wird versichert, daß JevtiL unbeschränkte Vollmacht hat, die Bildung eines Konzen- trationskabinetts auf breitester Grundlage zu ver­suchen. Die Beratungen des designierten Ministerpräsidenten JevtiL mit den Politikern über die Bildung der neuen Regierung nehmen nach den letzten Meldungen einen sehr befriedigenden Verlauf. Die politischen Kreise sind Überzeugt, daß die Regierungskrise beretts am Donnerstag mit der Bildung der neuen Regierung gelöst werden wird.