Freitag, 21. Dezember 1934
Nr. 298
14. Jahrgang
XENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung mag xtt., fochova«r. telefon aon. Administration Telefon 53076. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  > WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, DR. EMIL STRAUSS, FRAG.
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37*5 Millionen für die Ernährungsaktion Davon 8 Millionen Weihnachtsaushilfe für Arbeitslosen-Kinder Nach der Zuteilung von Brot, Kartoffeln und Kohle, wovon etwa 10.000 Waggons ver- teilt wurden, hat das Ministerium für soziale Fürsorge von der Regierung die Zustimmung zu neuen Zuteilungen für die staatliche Ernährungsaktion bekommen. Für die Zeit vom 17. Dezember 1934 bis zum 20. Jänner 1935 hat das Ministerium für soziale Für­sorge weitere 26,428.000 KL für die E r n ä h r« n g von Arbeitslosen zugeteilt. Da­von entfallen auf Böhmen   14,641.000, auf Mähren  -Schlesien   7,654.000, auf die Slowakei  3,942.000 und auf Karpathorußland 191.000 KL. Die Zuteilungen erfolgen an die einzelnen Bezirke nach der Zahl der Arbeitslosen und die Bezirke teilen die Zuwendungen den Gemeinden zu, wobei die Bezirks- und Gemeinde-Sozialko mmiffionen entscheiden. Gleichzeitig wurden drei Millionen KL für eine Milchaktion bewilligt, die für die Kinder der Arbeitslosen und der Kurzarbeiter bestimmt ist. Davon entfalle» auf Böhmen  1,788.300 KL. auf Mähren  -Schlesien   756.000 KL, auf die Slowakei   195.000 KL und auf Karpathorusiland 48.200 KL. Der Rest wird je nach Bedürfnis verteilt. Dazu kommen noch acht Millionen KL an WeihnachtSaushilfen für die Kinder Arbeitsloser. Zu­sammen machen die Zuteilungen für die Ernthrungsaktion und für die Kinderaushilfen 37.5 Millionen KL für die Zeit von ungefähr einen Monat aus. Wie man sieht, sind die Regierung and das Ministerium für soziale Fürsorge bemüht, mit allen Kräften z« verhindern, daß Weihnachten jemand hungere.
JcvtlC erster versuch gescheitert Statt Konzentration^Kabinett: Regierung der Genossenschaften?
Abg. Beran im Rundfunk: Wir beharren bedingungslos auf der Demokratie! Prag  . Der amtierende Bizevorsitzende der Republikanischen Partei, Abgeordneter Rudolf Beran  , sprach Donnerstag um 20.30 Uhr zum Ab­schluß des politischen Jahres im tschechoslowaki­schen Rundfunk. Er führte z« Beginn seiner Rede aus, daß das Jahr, welches in den nächsten Ta­gen zu Ende gehe, in verschiedenen Staaten der Welt viele Wirren brachte, denn auf allem Staa­ten der Welt lastet die Wirtschaftskrise. Daher werden verschiedene Wege gesucht, welche die Staatsbürger zu einer Besserung der schwierigen Wirtschaftsverhältnisse führen sollen. In zahlrei­chen Staaten entstand deshalb ein Kampf um die Form des Staates, der Kampf zwischen Diktatur «nd Demokratie. Wir aber beharren be­dingungslos auf der Demokra­tie«nd bleiben ihr stets treu, denn wir sind überzeugt, daß nur die Demokratie bei uns gute und gesunde Staatseinrichtuugen zu sichern vermag. Wir find offene Gegner jeder Diktatur«nd jeder Gewalt. Unser Parlament war das einzig« in Europa  , daS ohne Erschüt­terungen arbeitet««nd trotz der Berschiedenartig- keit der Parteien viel mehr leistete, als die Par­lamente anderer Länder, in denen die Berhält- «isse weit einfacher liege».
Hot und Terror an der Grenze In dar Debatte zum Rachteagstradit das. Fürsorgeministeriums betonte Genosse Dr. Hel- l e r im Senat, daß mehr als die Hälfte des än- geforderten Betrages auf die Verschärfung der Krise und ihrer Folgeerscheinungen in dem eben ablaufenden Jahre zurückzuführen sei. Zu den Gebieten, in denen sich die Verhältnisse noch ver­schlechtern, rechnet Genosse Dr. Heller vor allem auch das mittlere Erzgebirge   mit den Eerichtsbezirken Katharinaberg, Preßnitz, Wei- pert und Sebastiansberg  , deren wirtschaftliche Situation auch im Hinblick auf die Nähe der Grenze Redner einer eingehenden Analyse unterzog. Er schilderte namentlich auch den schwe­ren politischen Terror, der von den Arbeitgebern diesseits wie jenseits der Grenze auf die Grenz­bevölkerung ausgeübt wird, und der in der aller­letzten Zeit auch noch durch die Sudetendeutsche Volkshilfe sejne besondere Rote bekommt, und ver­langte unparteiische und strenge Anwendung, wenn nötig Verschärfung des Terrorgesetzes gegen unsere Unternehmer. Wir kommen morgen auf diese wirkungsvolle Rede des Genossen Dr. Heller noch ausführlicher zurück.
Neurath  erzählt Schauermärchen Eine freie Saarbedroht den Frieden**! Rom.(Tsch. P. B.) In einem Interview, das der Reichsaussenminister Neurath einem Ver­treter desMessaggero" gegeben hat, antwortete er auf die Frage, ob das durch den Versailler Ver­trag vorgesehene Äbstimmungssystem irgendwelche unangenehme Ueberraschungen für Deutschland  bringen könne: Das sei nicht wahrscheinlich. Höch­stens wäre es möglich, dass die eine oder andere Gemeinde für den status quo optieren würde. Dian stünde dann einer ebenso lächerlichen wie gefähr­lichen Tatsache gegenüber, eben einem Staat von ein paar tausend Einwohnern. Mit der Anerken­nung eines solchen Staates würde der Völkerbund als dessen gerechter Souverän keine gute Figur machen. Man müsste, ihn finanzieren, also eine Art Pensionat aus ihm machen; denn lebensfähig wäre er nicht. Zugleich würde dieser Liliput- Staat.sehr gefährlich sein, weil er die Zuflüchtstatte des ganzen Emigrantentums nicht nur aus Deutschland   sein würde. Sein Wahlspruch würde lauten: Gegen das Dritte Reich; zugleich aber: Für die Dritte Internatio­ nale  . So würde sich unter der Souveränität des Völkerbundes eine wahre Zentrale derUn- zufriedenheit entwickeln, ein ewiger Anlass z u R eibungen zwischen zwei be­nachbarten grossen Ländern, und daher eine Be­droh üngfürdeneuropäi sch enFrie- d en. Weiter sprach sich Neurath   gegen den O st P a k t aus.
Belgrad.(Tsch. P.-B.) Die Bildung des neuen Kabinetts JevtiL war bis Donnerstag mit­tags nahezu beendet. In die neue Regierung sollten auher Mitgliedern des gegenwärtigen Par­laments auch Bertreter der altparlamentarischrn Opposition, darunter der serbischen Radi­kalen, der slowenischen Kolkspartei «nd der bosnischen Mohammedaner eintraten. Mit Vertretern der kroatische« Bauern­partei, deren Führer Dr. M a L e k sich noch zur Abbüßung seiner dreijährigen Arreststrafe im Jnqmfitionsspital in Agram befindet, wurden Ber- handlungen geführt. Die Ernennung der neuen Regierung sollte abends erfolgen. In die neue Regierung, in welcher Ministerpräsident JevtiL das Reffort des Aeußern beibehalten wollte, sollten von der Opposition der Führer der flowenischen BolkS- partei Dr. K o r o i 1c, von den Radikalen der ehemalige radikale Minister Dr. S t o j a d in»- v i L, Westers der ehemalige radikale Minister M i l e t i r als Bertreter der altparlamentarischen Opposition eintreten.
Kaunas.(Elta.) In dem Hochverratsprozess gegen die memelländischen Nationalsozialisten wird die Verlesung der Anklageschrift fortgesetzt.' In diesem Teile der Anklage wird die Aufgabe be­leuchtet, die dem deutschen   Generalkoü- s u l a t bei der Tätigkeit der SOVOG-Parthi (Sozialistische Volksgemeinschaft) zugefallen war. Das deutsche   Generalkonsulat nahm die Korre­spondenz«nd das Archiv dieser Partei in Ver­wahrung, und zwar war hiemit der Vizekonsul Strack be­traut. Im Winter 1933/34 erhielten die Grup­penführer der SOVOG den BefehL Vorbereitün- gen zum Aufstande zu treffen. Es wurden Terror­gruppen organisiert. Die Verräter der Patei wur­den mit dem Tode bedroht. Am 23. April verschwand der Beamte des Memeler Gerichtshofes Jesutis, Mitglied der christlichsozialistischen Arbeitsgemeinschaft. Sein Leichnahm wurde'päter am Ufer des Jur- Flusses gefunden. Es wurde. sichergestellt, dass Jesutis von Mitgliedern der terroristischen Grup­pen der SOBOG getötet und dann in den Fluß geworfen wurde, weil er den litauischen.Behörden, welche ihn wegen seiner umstürzlerischen Tätigkeit verhaftet hatten, verriet, daß er mit Sass, Ropp und Pries zum Minister H ess nach Berlin   gegan­gen sei.
Ehe es zur Bereidigung der neuen Regierung kam, tauchten Plötzlich neue Schwierigkei­ten auf. Die alten Parlamentarischen   Parteien stellten plötzlich persönliche und sachliche Forde­rungen, die JevtiL nicht erfüllen wollte oder konnte. Sie verlangten mehrSitzr für sich insbesondere die serbischen Radikalen wollten ihre alte Machtstellung im ersten Rennen nehmen und sie forderten sofortige Aufhevnng derZensur. Darauf gab es JevtiL am Abend auf, ein Konzentrattonskabinett z« bilden. Da er vom Regenten ein unbeschränttes Mandat erhalten hat, wird er Freitag die Ber- handlungen fortsetzen, aber nunmehr mit dem Ziel, ein Kabinett außrrparlamen- tarischerPrrsönlich leite» zu bil­den, in das er vor allem Bertreter der bäuerlichen Genossenschaften auf­nehmen will, zu denen er ja enge Beziehungen hat und die unter seinem Einfluß ein Programm der genossenschaftlichen Planwsttschaft entwickelt I haben.
Als Bizekonsul Strack erfuhr, was Jesutis ge­tan habe, rief er ans:Und dieser Mann lebt noch?" Die Anklage führt weiters genau Daten aus den Aussagen aller Angeklagten an, welche von deutschen   Institutionen Gelder erhielten. Lange»nd Goldschalk bekamen 500 Mark,«m den Leichnam Jesutts zu beseitigen. Einer der Mörder, Bannagat, erhielt 3000 Lits. Der nationalsozialistische Kommissär von Tilsit versprach Pang noch weitere 5000 Lits. Eine andere Terroristengruppe überfiel litauische Organssatiotten, s ch o ss in ihren Ver­sammlungen, verübte ein Attentat gegen einen gewissen Leops(einen vermeintlichen Ver­räter), stellte Bomben her und wollte das Polizeigebäude von Silut in die Luft sprengen. Ein Brief, der bei den Haussuchungen gefunden wurde und die Unterschrift von 16 Mitgliedern der ESA trug, bildet einen klaren Beweis da­für, das; diese Organisation der nationalsozia- listtschen Partei unterstand. In dem Briefe heißt es:Wir tragen die Verant­wortung vor allen führenden Persönlichkeiten des Deutschen Reiches  . Unsere Delegation hat der politischen'Sektion in Berlin   Dokumente zukom­men lassen. Wir bitten, daß an Adolf Hstler Be­richt erstattet werde."
Die Bekämpfung des Friedens Die Bekämpfung des Friedens das ist es, worauf heute in beinahe allen Ländern ein Ueber- maß von Kraftaufwand verschwendet wird. Als wüßten die Menschen schon nicht mehr, dass der Krieg die höchste Steigerung alles Grauenvollen und Entsetzlichen ist, daß er Massenverwüstung von Gütern, Massenmord an Kindern, Frauen und Männern bedeutet, so wird heute von dem näch­sten Krieg als von einer.Selbstverständlichkeit ge­sprochen. DasOb." scheint nicht mehr fraglich nur höchstens noch dasWann". Ja, wenn nur vom nächsten Krieg gespro­chen würde. Aber in Wirklichkeit sehen wir ihn überall vorbereiten. Geistig, wirtschaftlich, finan­ziell und militärisch; mit einem riesigen Einsatz von Menschen und Mitteln. Die Auspeitschung des Nationalismus feiert in vielen Ländern höchste Triumphe. Die eigene Nation stehtüber alles, über alles in ver Welt", Und sie muß wachen, dass sie der böse Nachbar nicht überfällt. Die Völker sollen glauben, dass die umfassenden Rüstungen auf allen Gebieten nur erfolgen zum Schutz des Vaterlandes, zur Sicherung des Friedens.Wenn Du den Frieden willst, so bereite den Krieg vor". Und weil sie alle den Frieden wollen, bereiten sie alle den Krieg vor bis er ausbricht! Die Arbeiterklasse ist den Tatsachen gegenüber nicht blind. Sie sieht, dass das Hochkommen des Fafcismus und die Ausdehnung seines Machtberei- cves dir in den Widersprüchen des kapitalistischen  Wirtschaftssystems wirksamen Ursachen der Kriege verstärkt und vermehrt. Sie muß die Beobachtung machen, wie dieser Fascismus, dem für seine bru­tale Herrschaft die Grenzpfähle ein zu kleines Gebiet abstecken, auch in anderen Völkern Tenden­zen und Strömungen stärker hervortreten lässt, die im betonten Nationalismus, in der Unterdrückung friedenfördernder Bewegungen, in der Anwendung von Gewaltmethodcn gegen Andersdenkende, in der Militarisierung der Jugend, der Wirtschaft und des ganzen öffentlichen Lebens. die einzige erfolgreiche Abwehr eines drohenden Krieges sehen. Die sozialistischen   und fteigewerkschaftlichcn Organisationen des Proletariats wehren sich da­gegen, dass die Völker Opfer dieser Strömungen werden sollen. Sie haben nie zugeben können, dass der wahre Frieden mit den Mitteln des Krieges gesichert wird. In der bisherigen Geschichte ist die­ser geflügelte Satz stets von neuem wieder Lügen gestraft worden. Denn immer folgte den gewalti­gen Rüstungen der Krieg. Es ist der Ausdruck höchster und wahrster Menschlichkeit, die der sozialisttschen Arbeiterbe­wegung der ganzen Welt innewohnt, dass sie in einer Zeit, in der alle anderen ihre Kräfte auf den Krieg und die Kriegsrüstungen konzentrieren, mit der letzten Energie sich einsetzt, die Opfer der schwersten Krise des kapitalistischen   Systems zu retten und zu schützen. Dass sie überall, wo sie von den fascistischen Tyrannen nicht in einem Strom von Blut erstickt worden ist, mit allen demokrati­schen Mitteln kämpft für die Erhaltung und den Ausbau der Sozialgesetzgebung, für Arbeitsbe­schaffung für die Arbeitslosen, deren.es auch nach der leichten Krisenabschwächung noch immer weit über zwei Dutzend Millionen in der Welt gibt, und für die Umgestaltung der Organisation und der Grundlagen der bestehenden'Wirtschaft, da­mit die Ursachen der Krise und der Kriege aus­gerottet werden könne». Dieser Kampf bei uns, in Frankreich  , Eng­land, der Schweiz  , in Belgien  , Holland  , Skandi­ navien  , in den Vereinigtem Staaten, und überall, wo die Sozialdemokratie, und die. freien Gewerk­schaften lebendig sind, zeugt in dieser kriegge- schwängerten Atmosphäre von Heroismus und von der Einsicht, daß mit ihm die Garanten des Frie­dens, die Massen des werktätigen Volkes aktions­fähig.erhalten werden. Solange es Kapitalismus  gibt, wird es Kriege geben und so lange bleibt immer.wahr, dass nur die Arbeiterklasse die frie­denerhaltende Kraft in der Gesellschaft ist. Diese Kraft muß wirksam werden bis in die letzten Zipfel eines jeden Landes, bis in die letzten Winkel jeder Hütte: Enthüllen sich die Bourgeoisie und ihr Anhang als die Bekämpfer des Friedens, treiben sie in den fascistisch regierten Ländern ein unverhüsites Frevlerspiel mit dem Krieg, kennen, sie nur die eine überragende Sorge, neue gefähr-
Fememorde und Terror in Litauen  Verbindung mit Berlin   nachgewiesen!