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die Streifbrecherdienste verrichteten. M3 die Sache bekannt wurde, war unter den Arbeitsdienstlern große Empörung. Am zweiten Tag wurden die alten Leute zu dem festgesetzten Saß eingestellt.

Ein anderes Lager: Das Lager liegt mitten im Luch( Fluß und Ort beim Rhein ) und ent­hält Baraden für schäßungsweise 200 bis 300 Leute. Anscheinend voll besetzt. Militärischer Um­gangston ist hier üblich. Es wird fast garnicht gearbeitet, sondern hauptsächlich gedrillt. Die Führer" sind durchwegs junge, gutaussehende Burschen, denen keine Not anzumerken ist.

hausen in Baracken, die völlig verlauft sind, da die

Dienstag, 25. Dezember 1934

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Ein Hilfswerk für die Jugend

Erwerbslosenhilfe in Aussig und Bodenbach

Die Arbeitsgemeinschaft für jugendliche Er-| gab es eine halbe Stunde Vortrag; die Vortra-[ das Kino besuchen, Wanderungen und Exkursionen werbslose, die unter der Führung des Ministe- genden stellten der Stadtbildungsausschuß und die unternehmen und außerdem kostenlos das Stadt­riums für soziale Fürsorge im Sommer d. J. Fachorganisationen bei. Es gab für die Jugend- bad benüßen. Lager bei Torgan: Die Straßenarbeiter für soziale Fürsorge im Sommer dieses Jahres lichen auch alle Möglichkeiten sportlicher Betäti- Für den schlechten Ernährungsstand mancher in Theresienstadt errichtet und im September zum gung und unbeschränkte Benüßung der Büchereien. Jugendlicher ist ein Fall charakterisch: ein Mit­Arbeiter wochenlang dieselbe dreckige Kleidung tragen, weil sie nichts zum Wechseln haben. großen Bedauern der Insassen zu Ende geführt Jeder Insasse des Lagers bekam ein Taschengeld glied der Aussiger Arbeitsgemeinschaft hat elf Stilo wurde, war für einige sudetendeutsche Gemeinder von wöchentlich 25, außerdem Verpflegung Gewichtszunahme. Der junge Eriverbslose hat in Nicht viel besser sieht es in der an dein Beispiel für die Ausgestaltung ihrer eigenen und Wohnung, einen Arbeitsanzug, Arbeitsschuhe den ersten Tagen mit wahrem Heißhunger ge­hilfe" aue. Außer der freien Verpflegung gibt Fürsorge für jugendliche Arbeitslose. Es ist be- und Reparaturen. Innerhalb der Arbeitsgemein- gessen. Als er die Körperkräfte wiederhergestellt es eine Summe in bar, die von 20 auf 10 Mark zeichnend, daß die zwei sudetendeutschen Städte, schaft übten die Jugendlichen ihre Berufe aus: hatte, war er ein normaler Effer". Das war im Auguſt gesunken ist. Die Bauern entlassen des- die zuerst und am erfolgreichsten dem Beispiel des Schuster, Friseure, Schneider arbeiteten für die nach vier Wochen der Fall. Es ist ein Ju­halb ihre Knechte und stellen Landhelfer ein. Zivi- Fürsorgeministerium folgten, unter sozial- Kameraden. gendlicher, der fein Heim hat. Vier seiner Kame schen den Knechten und der neuen Konkurrenz Wie dringend diese Hilfsaktion für die raden sind in der gleichen Lage. Ihnen war die tommt es häufig zu Zusammenstößen. Gelegent= Jugend war und ist, geht aus den Arbeitslosen- Arbeitsgemeinschaft Rettung vor dem Untergang. lich allerdings wehren sich auch sogar die Bauern ziffern des Bezirkes Tetschen hervor. Von den Die bürgerliche Oeffentlichkeit nimmt an gegen die städtischen Landhelfer, die für sie eine 5103 Arbeitslosen, die der Bezirk im Oktober diesem schönen Fürsorgewerk keinen Anteil. Eine unbequeme und lästige Zwangseinquartierung hatte, waren 2276 Ledige. Die meisten dieser Besichtigungs- Einladung des um die Arbeits­darstellen. Dabei ist das Leben der Landhelfer Ledigen sind Jugendliche ohne jegliche gemeinschaft ungemein verdienten Bürgermeisters denkbar aufreibend, die Arbeit beginnt morgens Unterstüßung. Und wenn die Stadtgemeinde der Stadt Aufsig, den Genossen öl 3 l, an die um 4 Uhr, spätestens um 5 Uhr, man füttert das Vieh, mistet ab, wäscht sich, trinkt Kaffee, geht aufs Bodenbach 97 von ihnen geholfen hat, so wird da- Presse wurde nur von der sozialdemokratischen Feld. Mittags wird das Vieh besorgt, dann das durch nur bewiesen, was noch zu tun Ortszeitung und einem tschechischen Blatte befolgt. bleibt. Die Heimstätten attion er Essen heruntergeschlungen und wieder gehts aufs Feld. Um 7 oder halb 8 Uhr abends kommt man faßt nur einen Bruchteil der arbeitslosen Jugend, auf den Hof, füttert das Vieh und erst um 9 Uhr aus der Ernährungsaktion werden die ist man mit der Arbeit fertig. Auch Sonntags muß Jugendlichen von beschränkten, jugendfremden der Landhelfer das Vieh besorgen, so daß er fei­Bürokraten hinausgeworfen. Nur ein Drittel der nen Tag für sich übrig hat. ledigen Erwerbslosen im Bezirk Tetschen bezieht die Ernährungstarten; im Genter System stehen wenige Hundert.

Die Mädchen haben es nicht besser als die männlichen Landhelfer. Vor allem werden sie auch zu sinnlosen Marschübungen herangezogen, Stu­dentinnen, die sich in einem Lager bei Schneide­mühle befanden, mußten ständig Nachtmärsche machen und am Tage 30 bis 40 kilometer mar­schieren. Ein 14jähriges Mädchen berichtete, daß es drei Tage hintereinander täglich 30 Kilometer marschieren mußte.

Dieser materiellen Notlage der Jugend entspricht ihre ideelle lnfrei heit. Soweit die Jugendlichen nicht der Hitler­jugend beigetreten sind und anderweitig organi­siert waren, haben sie auf alles Eigenleben ver­zichten müssen. Alle Jugendorganisationen wurden gleichgeschaltet, die bündische" Jugend( Wander­folgebünde u. a.) wurden ebenso der Reichsjugend führung unterstellt, wie die fonfessionellen Ju­gendorganisationen, denen obendrein das Tragen ihrer Tracht und das Zeigen ihrer Wimpel unter­sagt wurde.

Die Aussiger Arbeitsgemeinschaft am Werk

d e mokratischer Führung stehen: es sind die Städte Bodenbach und Aussig , deren verantwortliche Männer und Frauen nicht müde werden, ihrer Sorge um die erwerbslose Jugend tätigen Ausdruck zu verleihen.

Die Arbeitsgemeinschaft für jugendliche Ar­beitslose in Bodenbach verdankt ihre Ent­beitslose in Bodenbach verdankt ihre Ent­stehung vor allem dem Eingreifen des Bodenbacher Bürgermeisters, des Genossen Friz e le r, der, bertrauend auf die Mitwirkung aller Freunde der Jugend und auf die Jugend selbst trotz den größ­ten Schwierigkeiten die Eröffnung der Arbeits­gemeinschaft am 15. Mai 1934 erreichte.

Als die erforderlichen Geldmittel beschafft waren, mußten die vierzig jungen Menschen ein Obdach bekommen. Die alte Kaserne hinter dem Bahnhof wurde wohnlich gemacht. Drei graue, Die lebergriffe gegenüber der studierußige Räume waren bald von arbeitsfreudigen renden Jugend haben bereits zu einem fol­chen Maß von Unwillen geführt, daß beispiels weise bei der Abstimmung über die Reichsführer­schaft Hitlers im vergangenen August die Studen­tenstadt Bonn eine unverhältnismäßig große Zahl von Neinstimmen aufwvies. Man ist zwar von dem ursprünglichen Plan, die Studenten in Ka­meradschaftshäusern zu fasernieren wieder abge­kommen. Aber der Zwang zur Teilnahme an mili­tärischen Leibesübungen, die Einreihung in Refe­rendarlager"," Theologenlager" u. a. haben, nachdem das militärische Leben dort den ersten Reiz der Neuheit verloren hat, gleichfalls be­trächtlichen Unwillen erregt.

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jungen Händen in helle, freundliche Zimmer ver­wandelt, in denen die Angehörigen der Arbeits­gemeinschaft wohnten; im Nebengebäude ließen si die jungen Tischler, Schlosser und Schuster nie­der, die für ihre Kameraden arbeiteten. Im Na­fernenhof war bald eine schöne Gartenanlage ent­standen, die den Gärtnerlehrlingen Schulungs­stätte sein wird. Aber nicht nur ihr Heim und dessen Umgebung haben die jungen Menschen aus­gestaltet: sie bauten Wege auf dem Pfaffenberg und auf der Schäferwand, richteten den verfal Tenen Wolfsteig und eine Friedhofsanlage her. Die Fertigstellung der im Rohbau vollendeten Ju= gendherberge, die von der Arbeitsgemein­schaft gebaut wird, ist nur durch das ungünstige Wetter unterbrochen worden. Die Arbeits­gemeinschaft wurde nach fünfmonatiger Dauer aufgelöst und wird im nächsten Jahr neu gebildet werden. Dann wird der Umbau der Kaserne in eine Gewerbeschule durchgeführt und ein Sport­plak vergrößert.

Aehnlich sind die sozialen Verhältnisse in Aussig - Stadt und Land. Darum hat die Aussiger Arbeitsgemeinschaft, nach dem Boden­bacher Muster errichtet und erhalten von der Stadtgemeinde und betreut von einem Stadtrats­ausschuß( die Genossen tre han und Brosche und Herr Nowat), in den Kreisen der Jugend ebenfalls freudige Zustimmung gefunden. und Herr Nowak), in den Kreisen der Jugend

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sofort

Die Voraussetzungen waren hier etwas bes ser als in Bodenbach . Aussig ist im Besiz einer prächtigen Jugendherberge, in der die Arbeits­gemeinschaft zuletzt 54 Jugendliche untergebracht werden konnte. Die jungen Men­schen schlafen hier in schönen, hellen Sälen und werden durch die Herbergsküche verpflegt. Es meldeten sich selbstverständlich viel mehr als unter­gebracht werden konnten; aus der großen Zahl der Bewerber werden die sozial Schlechtestgestellten ausgesucht. Ein Versuch, die Auswahl nach poli­

Morgengymnastik der Aussiger

Arbeitsgemeinschaft

So muß man also feststellen, daß die Lage ber Jugend im Dritten Reich sich nicht gebessert, sondern ganz außerordentlich verschlechtert hat. Alles Eigenleben hat aufgehört, die Jugendverbände einschließlich der Sportorga­nisationen sind gleichgeschaltet", überall regiert der militärische Drill. Die Löhne der jugend­lichen Arbeiter sind beim Fehlen jeglichen wirk­lichen Lohnschutzes und der gewerkschaftlichen Ge­genkräfte beitslosigkeit der Jugend ist in Wahrheit zufriedenstellend war, ist auch deren soziales Ergendlichen waren schon zwei bis

gestiegen und wird durch die nunmehr eintre­tende Umschichtung ums millionenfache wachsen. Erschütternd ist die Tatsache, daß laut einer Ar­beitszeitverordnung des Reichsarbeitsministers vom 26. Juli in Anlagen, die mit ununterbro­chenem Feuer betrieben werden, die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit für Kinder 36 Stun­den, für jugendliche Arbeiter bis zu 16 Jah­ren 60 Stunden, für Arbeiterinnen 58 Stun­

den nicht überschreiten darf".

Was für Deutschland gilt, gilt auch für an­dere fascistische Länder, wie etwa Italien , wo die Jugendlichen bereits 41.5 Prozent der Ar­beitslosen und somit außer in Ungarn , den höchsten Anteil an der Erwerbslosengiffer haben. Auf der anderen Seite muß, wie im Hitlerreich, jeder italienische Jugendliche im Alter von 8 bis 12 Jahren an dem militärischen Vorbereitungs­dienst teilnehmen.

Troßalledem wäre es verfehlt zu glauben, daß abgesehen von Einzelfällen, heute schon eine Rebellion der Jugend gegen den fascistischen Staat eingesetzt hätte. Seine äußeren Anziehungsmittel wirken zu start auf das jugendliche Gemüt, der Ueberblick über die wirkliche Sachlage ist bei der Unterdrückung jeder Meinungsfreiheit den breiten Schichten verschlossen und ein aktiver Widerstand febt eine Resistenzfähigkeit voraus, die bei Ju­gendlichen nur selten anzutreffen ist. Immerhin ist es symptomatisch wichtig, festzustellen, das die illegale Arbeit in Deutschland vorzugsweise von Jugendlichen, im Alter zwischen 29 und 30 Jahren, geleistet wird. Durch ihre oft heldenmütige Tätigkeit gibt diese kämpferische Elite auf die Frage, ob der Fascismus einen Staat der Jugend errichtet habe, die klare Antwort: Nein 1

So arbeitet die Jugend für die Jugend. Und so wie die Arbeitsleistung der Arbeitsgemeinschaft gebnis äußerst erfreulich.

Im Laufe der fünf Monate waren 97 Ju gendliche im Lager, von denen 33 aus Orten aus der Umgebung Bodenbachs waren. Diese 97 Menschen, die vor dem sozialen Nichts standen, er lebten einige Wochen hindurch den bildenden Wert der Arbeit und der Gemeinschaft, hatten ein schö­nes Heim und bekamen ausreichend zu essen. Die Stadtgemeinde Bodenbach wendete für Investitio­nen, Werkzeuge und Material 12.120.30 auf, für Verpflegung, Bekleidung und soziale Lasten monatlich 15.770. Die Jugendlichen arbei­teten täglich fünfeinhalb Stunden. Jeden Tag

Projekt der Bodenbacher Jugendherberge.

tischen Gesichtspunkten zu treffen siehe den famosen Erlaß der Landeskommission für Kin derschutz und Jugendfürsorge über die Heimstät­ten!, wurde von den Sozialisten abgewehrt. Die meisten der eingestellten Ju­

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Trotzdem wächst das Werk weiter- in Aujjig wie in Bodenbach. Hier wie dort haben Jugend= lichen die einstweilige Auflassung des Lagers mit dem größten Bedauern zur Kenntnis genommen. Es liegen rührende Aeußerungen der Dankbarkeit

Essenausgabe in der Bodenbacher Arbeitsgemeinschaft

vor, die die jungen Erwerbslosen zu den wackeren Männern hegen, die ihnen in selbstloser Weise und gestützt auf ihre Partei und den jugendfreund­lichen Teil der Oeffentlichkeit halfen. Genosse Keßler, den wir um seine Meinung über das Ergebnis der Arbeitsgemeinschaft befragten, äußerte sich in begeisterten Worten. Die Boden­bacher und die Aussiger Genossen haben den festen Willen, die Aktion auszugestalten. Aber sie geben sich nicht dem Glauben hin, daß damit die Vers pflichtungen, die die Gesellschaft gegenüber den jugendlichen Opfern der Wirtschaftsfrise hat, er füllt sind. Der Aussiger Genosse rehan for= muliert diese Meinung sehr richtig so:

Ich kann mit voller Ueberzeugung ausspre chen, daß Arbeitsgemeinschaften im Sinne der Bos denbacher und Aussiger Lager als Fürsorge attion für jugendliche Arbeitslose zu bea jaben sind. Diese Lager unterscheiden sich wesentlich, von dem in Theresienstadt im Som­mer bestandenen Arbeitsdienstlager. Schon die Unterbringung in ehemaligen Russenbaracken, die Unterstellung unter militärische Leiter zeigen, daß es besser ist, wenn die Durchführung dieser Füra forgeaktionen nicht vom Staate, sondern durch die Bezirke oder Städte übernommen wird. Der Staat hätte Subventionen beizustellen. Die ar­beitslose Jugend braucht Hilfe. Ständige Arbeit fönnen wir ihnen leider nicht verschaffen. Sport­und Spielplätze sind überall notwendig, auch an­dere zusätzliche Arbeit gibt es genügend."

So wurde auch in Aussig und Bodenbach be=

drei Jahre arbeitslo 31 gwei ältere Jugendliche denen besondere Anerkennung ge­bührt- leiten die Arbeitsgemeinschaft. Sie wur­den von der Stadtgemeinde ernannt und genießen bei den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft un begrenztes Vertrauen. Je zehn Mann haben einen Vertrauensmann; von diesen fünf Ver­trauensmännern wird einer zu den Beratungen des Stadtratsausschusses beigezogen. Jede Woche wiesen, daß überall dort, wo Sozialdemokraten gibt es mindestens eine Betriebsversammlung. Die Jugendlichen bekommen von der Stadtgemeinde Arbeitskleider, -Kappe. Das Waschen der Arbeitskleider läßt die Stadtgemeinde besorgen. I e der Jugendliche erhält wöchentlich 30 Taschen­geld, die Arbeitszeit beträgt täglich fünf Stunden. Selbstverständlich sind alle Insassen der Arbeitsgemeinschaft eben­falls in der Kranken- und Unfallvers sicherung.

-Schuhe und

Auch hier hat die Arbeitsgemein­schaft wichtige zusäßliche" Arbeit d. i. solche, die unter normalen Ver­hältnissen und mit den üblichen Mit­teln nicht ausgeführt worden wäre geleistet: es wurde ein Sportplatz in Schönpriesen gebaut, zuletzt wurden die Vorarbeiten zur Errichtung eines Bades beim Stadion durchgeführt.

Bau der Jugendherberge in Bodenbach In der Freizeit gibt es Vorträge, entsprechende Wirkungsmöglichkeit haben, die Ein­deren bunte Reihe die Jugendlichen auf sicht in die entsetzliche Lage der Erwerbslosen und wichtige Wissensgebiete führt; die Vor- besonders der erwerbslosen Jugend, von der hel­tragenden, vom Stadtbildungsausschuß fenden Tat begleitet ist. Ohne große Worte and den Geirfschaften vermittelt, ar- wurden hier Werke geschaffen, an denen sich die beiten umsonst mit. Die Jugendlichen gesamte Deffentlichkeit ein Beispiel nehmen fonnten wie die in Bodenbach tann Karl Kern.