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Mussolini lizitiert

Dienstag, 1. Jänner 1935

Immer neue Schwierigkeiten bei der Bereinigung der franco- italienischen Konflikte

Die Reise Lavals nach Rom scheint tet sich vor allem gegen eine brauch­neuerlich verschoben zu sein und die bare Garantie der österrei französische Presse gibt jetzt sehr offen- ch ischen Unabhängigkeit. herzig die wahren Gründe der dauern- Wogegen sich Italien in erster Linie den Vertagungen zu. Es ist bisher nicht stemmt, ist die Anerkennung der Klei­gelungen, eine Einigung zwischen nen Entente als einer politischen Ein­Frankreich und Italien in den Fragen heit. Italien , das den Krieg geführt hat, zu erzielen, die Laval als wesentlich für um die Großmacht an seiner Nordost­ein besseres Verhältnis der beiden grenze zu zerstören und an der Adria lateinischen Großmächte bezeichnet hat. und im Donauraum ein Kolonialgebiet Das sind nach dem ,, Excelsior" fol- zu erhalten, das seinen Raubzügen gende Fragen: schutzlos preisgegeben ist, sieht mit Er= 1. Die Erhaltung der Lebensinter- fchrecken, daß gerade die dauernden effen Frankreichs und seiner Kolo- italienischen Provokationen dazu füh­nien in Afrika , ren, daß sich die kleinen Staaten wieder 2. die Erhaltung der Einheit der zusammenschließen. Es hat nun ver Kleinen Entente bei den der Unab- sucht, durch die römischen Proto= hängigkeit Desterreichs geleisteten kolle, die Abmachungen von Ric: Garantien, cione und die Niederwerfung 3. Achtung und Erhaltung der Ver- der österreichischen Demo= träge und der Gleichberechtigung der kratie, einen gefährlichen Reil nach Staaten im Rahmen des Völker- Mitteleuropa vorzutreiben. Dadurch bundes, aber, daß die Kleine Entente als Gan= 4. Die Beibehaltung der Sicherheit zes und nicht nur die Tschechoslowakei im Abrüstungsproblem unter Be- und Jugoslawien , wie Italien gern dachtnahme auf den gegenwärtigen möchte, die Unabhängigkeit Defter­Rüstungsstand Deutschlands und reichs garantieren soll, entsteht für Sta­einen gründlichen Meinungsaus- lien eine gefährliche Situation. Es hat tausch über die durch die Kündigung es dann doch wieder mit einer Ma ch t des Washingtoner Marinevertrages von 48 Milionen Einwohnern, geschaffene Lage. also nahezu von der Größe des alten

Die Misshandlungen Brückners

Laval soll zu Zugeständnissen im Desterreich- Ungarn zu tun. einzelnen, aber nicht zur Preisgabe In Frankreich wird man jetzt be­eines dieser Hauptpunkte bereit sein. reits nervös. Man hat allzu gutgläubig Der Widerstand Italiens rich. die italienischen Beteuerungen hinge­nommen, Italien wolle die Unabhän­gigkeit Defterreichs" verteidigen, daß man jetzt sehr enttäuscht darüber ist, daß Italien in Wahrheit an eine Lösung nicht herantvill, die den römischen Pro­Berlin.( AP.) Ueber die Miß- tokollen Eintrag tun könnte. Vermut­handlungen Brückners liegen jetzt Ein- lich fürchtet Mussolini bei der Schwäche zelheiten vor. Danach wurde er fünf der autoritären Regierung Desterreichs Tage lang ,, verhört", d. h. Folterun- auch einen Aufstand, der zur Demokra­gen unterzogen. Man wollte von ihm tisierung Desterreichs führen könnte. Geständnisse über oppositionelle Ver- Ein demokratisches Oester. bindungen in der NSDAP erpressen. r e ich würde sich selbstver Bei zwei Berhören wurde er bewußtlos ständlich der Kleinen En= fortgeschleppt. 2. a. erlitt er schwere tente anschließen. Das soll aber Nierenverlegungen. Sein Zu- um jeden Preis verhindert werden und stand ist so, daß er seine Frau, die ihn darum soll jeder an Oesterreich gren­im Krankenhaus besuchen durfte, nicht zende Gliedstaat der Kleinen Entente erkannte. In der deutschen Presse da- einzeln verpflichtet und gebunden wer­gegen spricht man lakonisch von einem den. ,, Nervenzusammenbruch".- Denkbar ist auch, daß Mussolini den Die Ernennung von Udo v. Woyrsch Besuch Lavals absichtlich verzögert, da zum SS- Obergruppenführer wird als mit er erst nach der Saarab stim­Demonstration bezeichnet, da er der Ge- mung stattfinde und im Fall eines genspieler Brückners und der Ver- Sieges Hitlers- Italien noch bessere trauensmann der schlesischen Grundbe- Chancen für seine Lizitationsgeschäfte sitzer war. mit Frankreich habe.

Fabiola

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Roman von Olga Scheinpflugová

Copyright by Pressedienst E. Prager- Verlag, Wien

Raoul; aber der Name ist doch gleichgültig." Jacques vornehm und elegant; sie wollte

ihn aber nicht nach seiner Kinderstube fragen.

Nach Tisch führte sie ihn wie ein kleines Kind an der Hand zum Schreibtisch, wo die für ihn vor­bereiteten Päckchen lagen:

" Tun Sie mir die Liebe und freuen Sie sich,

wenn Sie sich überhaupt freuen können.'

Das sollen Sie auch nicht. Ich habe auch beim Einkaufen all der Dinge nicht daran gedacht, daß Jacques ein Mann ist." Dann sagte sie sehr Teise: und Sie haben es sich, mein lieber Jacques, gewünscht, mich zu küssen?"

" Ja." " Wann?"

" Heute."

Sie haben recht; heute ist ein Ausnahms: tag." Jm Kamin krachte das Holz. Sie nahmen mit den Resten der Mahlzeit auf dem Fußboden

Er wurde rot und wog jedes Päckchen in der Hand, bevor er es öffnete. Da waren Krawatten. Textes durcheinander. Shawls, Socken und der Stoff für einen Anzug,

Darré beurlaubt

Nr. 1

Zusammenbruch der nazistischen Bauernpolitik

Die seit langem schleichende Darré- Krise ist in ihr letztes Stadium ge­treten. Der Reichsernährungsminister ist, wie der Berliner Korrespondent der ,, Prager Presse" meldet, auf Urlaub gegangen und wird von die­sem Urlaub nicht mehr in das Amt zurückkehren. Mit ihm sind seine eng­ften Mitarbeiter Herbert Back e, Hermann Reischle und Graf Harro Zeppelin beurlaubt worden.

Darrés Politik wurde in der jüngsten Zeit sowohl von kapitalistischer Seite, also vorwiegend von Schacht, angegriffen, als auch von den Opfern dieser Politik, den Bauern selbst. Schacht fand Darrés Politik zu kostspielig und zu sozialistisch. Die Bauern lehnten sich gegen das System der festen landwirtschaftlichen Preise bei steigenden Preisen aller anderen Produkte und steigenden öffentlichen Lasten auf. Es zeigt sich an dem Bei­spiel Darrés nicht nur, daß die Sozialisierungspolitik der Nazieine klägliche Stümperei ist, sondern auch, daß jeder Versuch, die Landwirtschaft zu stabilisieren scheitern muß, solange das Finanzkapital das Steuer der Wirtschaftsführung in der Hand be­hält. Erbhöfe und feste Preise wären ein vielleicht tragbares Experiment bei gleichzeitiger Entmachtung des Finanzkapitals. Im Dritten Reich , in dem die Finanzkapitalisten regieren, wirkt sich jede der scheinsozialistischen Maßnahmen zum Unglück der Massen aus.

Die ,, Prager Presse" berichtet als ein Symptom dafür, wie verhaßt Darré bei den Bauern war, daß bei einer Demonstration in Schleswig­ Holstein ( dem Mutterland der nationalsozialistischen Bauernbewegung) eine Tafel getragen wurde:" Lieber zwei Jahre Dürre als noch ein Jahr Darré".

20.000 Personen

auf der schwarzen Liste

Die ,, Säuberungsaktion" im Dritten Reich

Berlin.( Tsch. P.-B.) Wie aus zuverlässiger Quelle bekannt wird, hatte ein fünf­gliedriges Komité, dem seitens der Polizei der Chef der geheimen Staatspolizei Himmler und als Vertreter der Reichswehr General Reichenau angehörte, den Auftrag erhalten, das öffentliche Leben Deutschlands und die Nationalsozialistische Partei insbesondere von ungeeigneten Elementen zu säubern. Der Ausschuß stellte denn auch eine Liste von nicht weniger als 20.000 Personen auf, darunter von 5000 Parteigenossen, die ihrer Aemter ver­lustig erklärt werden sollten. Reichskanzler Hitler hält aber eine solche Maßnahme für untunlich, einmal wegen der von der Reichs regierung geplanten wirtschaftlichen Maßnahmen und ferner mit Rücksicht auf die auswärtige Bolitik. Der ebenfalls hinzugezogene Reichswirt­wirtschaftsminister Dr. S ch a cht hat sich gleichfalls energisch gegen die Durchführung der Aktion ausgesprochen, da durch dieselbe einflußreiche wirtschaftliche Persönlichkeiten in Mit­leidenschaft gezogen werden und überhaupt die wirtschaftliche Situation des Reiches gefährdet werden könnte.

Christlicher Gewerkschaftsführer Imbusch schwer verletzt

Nationalsozialistischer Ueberfall im Saargebiet

Saarbrücken . Sonntag überfielen Nationalsozialisten eine Versammlung, in wel­cher der Führer der christlichen Gewerkschaften, Imbusch, sprach. Der planmäßig vorbereitete Angriff ist ein neues Glied in der langen Kette nationalsozialistischer Terrorakte gegen die An­hänger des Status quo im Saargebiet. Imbusch und einige andere Versammlungsteilnehmer wurden erheblich verletzt. Im Verlaufe der Schlägerei, welche sich entwickelte, feuerten Na­tionalsozialisten auch Revolverschüsse ab. Die Polizei nahm einige Verhaftungen vor.

dröhnte eine Orgel für Wolfen und Rubensengel. Es war Mitternacht.

Weit, weit von hier lag das Gut der Girauds tief im Schnee; der saß wie eine Maße auf dem Dache und auf den Fenstergesimsen

Irgendwo floß die schivarze Seine, an deren Ufern die Gedanken des lächelnden Jacques traurig einhergingen

Hätte er die Gedanken hinter ihren Augen erraten, er wäre entsegt geflohen.

Unten, im ersten Stock, spielte ein Kind un­beholfen und abgehackt Klavier. Ein Weihnachts­lied. Es war süß, den gedämpften Tönen mit müdem Hirn zu lauschen.

Da sagte Babiola:

,, Was glauben Sie, Jacques, liebt mich Felicien eigentlich?" Ihre Frage mordete.

Sie schlossen fröstelnd das Fenster, und Babiola, alte Stinderlieder im Sinn, faßte Jac­ques, dem der heilige Abend das Lächeln aus den male erwähnt. Und just jetzt? Mit gepreßter

harmlosen Mundwinkeln verscheucht hatte, bei bei­den Händen und sagte erstickt:

Feliciens Namen wurde heute zum ersten­

Stimme antwortete Jacques:

,, Auf seine Art; er ist ein Sonderling." Da erzählte sie ihm lang und breit, daß ßer. Wenn sie seine Statuen gesehen habe, delicien ein wirklicher Künſtler ſei, ein ganz gro­fönne sie nicht schlafen, müsse sie ihm alles ver­zeihen. ,, Und dann, Jacques, er iſt krank. Kranke ſtändnis." Ihr Hemd war von der Schulter ge­glitten; die Male seiner Küsse verglühten auf

Play, ganz dicht am Kamin. Sie erzählte von Bonnetier, von seinem freudlosen Reichtum, vom " Und jetzt geben Sie mir den Kuß, den ich Meer, von sich, von ihrem Buche. Dann sang sie ein Weihnachtslied, das sie von der Dienerschaft mir mit den dummen Socken beinahe verscherzt bei Bonnetier gehört hatte, und eines vom Jesus habe. Ich will wissen, daß Sie mir nicht böse find." find aus Bidar. Jacques sang auch einige Lieder; Er war nicht böse und füßte sie verzehrend. aber er sang falsch und brachte die Worte des Seine ganze, wilde Einsamkeit lag in dieſem von dem er einmal gesagt hatte, daß er sich ihn das Lied wie eine ausgerauchte Zigarette fort: Mädel in die Seine gegangen war. Dann sagte er und es schien, als werfe er tende Dunkelheit auf, um deretwillen wohl das kaufen wolle, bis er Geld haben werde. Er wurde " Ich muß auch etwas beginnen. Ich muß Geld Ich bin so glücklich, weil Sie bei mir sind. ihrem Körper. Sie wollte seine Antwort hören jehr verlegen. Warum haben Sie mir das alles gekauft, berdienen. Wenn ich ein wirklicher Stünſtler wäre, Und Sie müssen oft kommen. Sie werden sehr oft und begriff zugleich, daß er nie antworten Warum haben Sie mir das alles gekauft, fäße ich nicht in Not. Aber was ich kann, ist tommen, nicht wahr? Ich bin so allein. So allein, werde. feinen Schuß Pulver wert. Was soll ich beginnen, Babiola?"

Babiola?"

Sie errötete und räumte die Papiere aus dem Wege.

Bitte, sagen Sie nichts, lieber Jacques. Es würde mich sehr tränken, wenn ich etwas getan hätte, was sich nicht schickt. Ich mußte heute je

mar

eschenken. Wir sind doch Kameraden, es hgültig, wer von beiden Geld hat. Heute kin ia es, zufälligerweise."

ist

"

Denten Sie nicht daran. Wir haben zum Nachdenken später Zeit." Und sie sang weiter, um feine traurige Stimmung auftommen zu laſſen. Plöblich unterbrach sie sich und sagte, daß sie am Weihnachtsabende immer zum Fenster hinaus­schaue. Und sie lehnten sich zusammen aus dem

Fenster.

wie Sie."

-

"

Felicien, Felicien" Tränen flossen ihr Er küßte sie nochmals und preßte sie in über die Wangen und tauften den Namen ihrer sich. Der schlecht befestigte Mistelzweig fiel in Schmerzen. Jacques, ich weiß selbst nicht, warum ihre Saare und sie sah jetzt wie das festlich ge- ich Ihnen das alles erzähle... Jacques stand auf. Er wollte gehen und schmüdte, letzte Geschenk der Weihnacht aus. suchte in peinlicher Verzweiflung seine Schuhe. Sein Kopf brannte, als wüte darin eine Feuers­brunst. Er konnte seinen Kragen nicht finden.

,, Ich werde mit ihm sprechen, wenn er zu= rüdtommt. Diese Qualen müssen ein Ende haben."

Unter Küssen trug er sie in das Schlafzim mer zum offenen Bett. Sehnsüchtig wartete sie auf den Rausch, den sie noch nie gefühlt hatte. " Ich habe Ihnen nichts geschenkt." Aber sie hörte nur, wie ihr Pijama auf seinem " Doch, Blumen. Und das ist mehr, als ich Die Nacht war wie schwarzer Marmor mit Rüden frachte. Jacques schien es, als verzehre Ihnen gab. Papa Bonnetier gab mir zehntausend weißen Adern von Schnee und Licht durchzogen. das Glück der Wonne ihren Körper. Dann aber dachte er daran, daß er seinen Franken, ich gab Ihnen diese Dummheiten und Der Himmel schien der Sturz einer heiligen Als er dann neben ihr lag, überwältigt, besten Kameraden verloren habe, fühlte, daß er Sie schenkten mir Blumen. Ihre Blumen sind Glocke zu sein, der die Erde bedeckte, die jetzt in wertvoller als hunderttausend Franken von Papa Gebete verunten war. Die Straßen waren fest- dankbar und häßlich verändert, ein anderer und seine Seele Babiola verschrieben hatte; was er Bonnetier." ter fiebe Gott durchschritt sie und die er doch er, den sie in ihr Bett gelockt hatte, um der schon lange gefürchtet hatte, war Wirklichkeit ge= londeten Fenster waren fest geschlossen; fein Ton Einsamkeit zu entfliehen ergriff sie schweigend worden und er wußte, daß er sein sesseres Ich " Sehen Sie, ich fönnte Sie nicht einmal Freude tonnte zu den auf der Straße Frie seine Hand, in der sich das Blut langsam be getötet habe. tüssen; es sähe nach bezahlter Arbeit aus." renden gelangen. einer entfernten Stirche ruhigte. ( Fortsetzung folgt.)

Jacques schien trostlos zu sein.

lich