Rr. 1 Seite 9 Dienstag, 1. Jänner 1935 Doppelraubrnord in Budapest Zwei Bankbeamte ermordet, drei verletzt Amerikas Seerüstunsen Washington. Der Haushaltsentwurf, der dem Kongreß Ende der Woche zugehen wird, enthält neue Rüstungsausgaben, so sind 700 neue Flugzeuge für die Armee vorgesehen. Außerdem ist geplant, die Flotte bis zur vollen im Washingtoner Vertrag vorgesehenen Stärke auszubauen. Bei den 24 in Ansatz gebrachten neuen Bauten befinden sich zwei 8000 Tonnen-Kreuzer, drei Großzerstörer, sechs Tauchboote und ein Flugzeugmutterschiff von 15.000 Tonnen. Dazu kommen noch 270 Flugzeuge. Der Mannschaftsbestand soll um 5500, der Offiziersbestand um 1513 erhöht werden, so daß der gesamte Bestand auf 7012 Offiziere und 88.000 Mann betragen soll. Wie wenig ernst die Beteuerungen der Staatsmänner zu nehmen sind» die von einer Besserung der Stimmung, einer Beseitigung der Kriegsgefahr und dem allgemeinen Friedenswillen sprechen, zeigt das Echo, das die Kündigung des Washingtoner Vertrags durch Japan gefunden hat. Richt nur in Japan selbst wird es bejubelt. Auch die öffentliche Meinung Amerikas nimmt es eher mit Genugtuung auf. Die amerikanischen Zeitungen schreiben, den USA liege wenig an einer Erneuerung, sie würden jedenfalls keine weiteren Verhandlungen Vorschlägen und könnten dem Wettrüsten ruhig entgegenfehen. Die französischePresse legt geradezu Freude an den Tag und erklärt fast einmütig, das Washingtoner Abkommen habe Frank reich benachteiligt und ein neuer Vertrag werde die Forderung Frankreichs nach einem höheren Koeffizienten berücksichtigen müssen. lBisher galt das Verhältnis England und USA je 5.25, Japan 3.15, Frankreich 1.75.) Der Malissoren-Aufstand beendet Aus Tirana wird gemeldet: Albanische Regierungstruppen nahmen in der Nähe von Skutari in Nordalbanien den ehemaligen Adjutanten des Königs Mnhamar Bajraktar an der Spitze von ungefähr 200 Mann aus dem Stamme der Malissoren gefangen» der eine Erhebung gegen die albanische Regierung entfacht hatte und auf dessen Erreifung eine Prämie von 45.000 Gold franken ausgesetzt war. Im Augenblicke der Ueberraschung durch das Militär war Bajraktar von ungefähr 20 seiner Anhänger umgeben. Bei dem Zusammenstösse mit dem Militär wurden vier Mann getötet und Muha- mar Bajraktar unter starker Bedeckung nach Tirana transportiert. Schuschnigg verleiht sich Befehlsgewalt über die Armee Wien . Das Bundesgesetzblatt veröffentlicht die Wehrgesetznovelle, die außer den bereits bekannten Bestimmungen über die Entpolitisierung der Wehrmacht und die Schaffung einer Kameradschaft der Angehörigen der bewaffneten Macht noch folgende bemerkenswerte Bestimmungen enthält: Den Oberbefehl über die bewaffnete Macht führt der Bundespräsident. Unter dem Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber übt der Bundesminister für Landesverteidigung— das ist augenblicklich Bundeskanzler Dr. Sch u s ch n i g g >— die Befehlsgewalt aus und verfügt über die bewaffnete Macht. Budapest . Gegen die im 5. Bezirk befindliche Filiale der Pester Ungarischen Kom- merzialbank wurde Montag vormittags ein dreister Raubüberfall verübt, der zwei Todesopfer forderte. Drei Räuber, die in einem Automobil vorfuhren, drangen in den Kaffenraum der Bankfiliale ein und eröffneten ein Revolverfeuer, das die Bankbeamten erwiderten. Der Kassier und ein-zweiter Angestellter der Bank, der 29jährige Bote B e n y a k, der unmittelbar vor. TagcsnaHgkcHcii 25 Todesopfer einer Schiffskatastrophe Tampico (Mexiko ). Ein auf dem Flusse Panuco fahrendes Schiff stieß auf einen Felsen und strandete. Bei dieser Katastrophe kamen mindestens 25FrauenundKinder ums Leben. Die Männer konnten sich meistens durch Schwimmen retten. Seattle . Der Dampfer„Victoria", der nach Aljaska unterwegs war, strandete an der Küste von Britisch Columbien. Opfer der Autoraserei Prag . Montag gegen 6 Uhr abends fuhr in Smichov der Taxichauffeur Anton S l ä d e k mit seinem Wagen so heftig gegen den Autobus P 11.610, daß 5 Insassen des Autobusses zum Teil sehr schwer verletzt wurden und das Taxi Feuer fing. Vorher hatte S l ä d e k auf der Straße von Chuchle nach Prag den Mediziner V. HouZ- v i c k a aus Zizkov überfahren und getötet. SI ä d e k wurde verhaftet. Personenzng und Lastauto Mährisch-Ostrau . Zwischen den Stationen Näbsi u Jablunkova und Bystkice nad Olzou wurde am Samstag auf der Bahnübersetzung von einem Personenzuge ein Lastauto erfaßt, wobei eine Person getötet und zwei Personenverletzt wurden. Die Ursache des Unglücks wird untersucht. Prosit! Wir wollen uns daran erinnern, was dieses Wort eigentlich bedeutet:„Möge es heilsym fejjiV' Njcht also bloß beim Zusammey- klang der Gläser stumpfsinniger Zecher kann es gebraucht werden und nicht bloß im üblichen Sinne des„Wohl bckomm's!"— auch wer die- silvesterlichen Trinksitten verabscheut, kann zur Jahreswende glückwünschend sagen:„Prosit!" Möge das kommende Jahr heilsam sein! Möge es heilsam sein denen, die in den fascisüschen Staatenkerkern sich nach der Freiheit sehnen und denen, die zum Schutze noch nicht verlorener Freiheit Wache halten! 1934 war ein dunkles Jahr, das Jahr eines neuen Sieges der fascisti - schen Gegenrevolution. Aber es war doch auch einFahr langsam fortschreitender Zersetzung jenes Fascismus, der ein Jahr friiher gesiegt. Möge 1935 ein Jahr weiterer Zersetzung der gegen- revolutionären Mächte, möge es ein Jahr erfolgreichster Vorbereitung der kommenden Revolution dem Ueberfall Geld an der Kassa abgeliefert hatte, wurden getötet. Der Kassier, der 45jährige Geza I o l j a k, wurde bei dem Ueberfall in den Kopf getroffen und war sofort tot. Außerdem erlitten noch drei Ange st eilte der Bankfiliale Verletzungen, u. zw. zwei Oberschenkelschüsse und einer einen Steckschuß in der Wirbelsäule. Alle drei verletzte Beamte mußten ins Krankenhaus überführt werden. Die Räuber entkamen, allerdings ohne etwas erbeutet zu haben. gegen den Fascismus sein! Möge es heilsam sein! Heilsam all denen, die in demokratischen Staaten leben, heilsam im Sinne des Erkennens der Werte, die sie zu verteidigen haben! Denen, die auch hier nach dem Geführtwerden, nach dem Gehorchendürfen, nach der Entpersönlichung sich sehnen, möge die Weisheit Walt Whitmans auf- dämmern:„Einmal unbesehens gehorcht heißt einmal völlig versklavt!" Den anderen aber, den Brüdern und Schwestern, die die Freiheit verloren haben, möge Trost und Verheißung und Gebot des gleichen Dichters Wort sein:„O heimliches Recht der Empörung! O unauslöschliches und unentbehrliches Feuer!" Brennt dieses Feuer in viel tausend Herzen und springen seine Funken über von. Herz zu Herz, dann wird das Jahr 1935 heilsam sein! Auto und Reiter. Auf dem Militärübungsplatz in Ctyri Dvory bei Böhm.-Budweis ritt der Soldat P i ch a vom Artillerie-Regiment 105 mit einem Paar Pferden. Diese scheuten plötzlich und liefen mit dem reitenden Soldaten in größter Geschwindigkeit aus dem Uebungsplatz heraus. Als die scheugewordenen Pferde an der Kreuzungsstelle der Staatsstraße angelängt waren, fuhr gerade ein Personenautomobil vorbei. Dieses erfaßte eines der beiden Pferde mit dem Reiter, die beide heftig zu Boden geschleudert wurden. Der Soldat Picha, der aus Trhove Sviny stammt, wurde schwer verletzt. Er erlitt einen Bruch des rechten Unter- und Oberschenkels. Auch der Lenker des Automobils, Viktoria C i b u l k a, Besitzer eines elektrotechnischen Geschäfts, erlitt schwereinnereVerletzungen. Sein Mitfahrer wurde leicht verletzt. Das vom Automobil erfaßte Pferd wurde an der Seite verletzt, das zweite Pferd' kam unversehrt davon. Todessturz einer jungen Arbeiterin. Montag vormittags arbeitete in der Zuckerfabrik in Tre- b i§ o v im höchsten Stockwerk des Getreidelagers die 20jährige Marie C i n t a Io v ä. Plötzlich fies sie in das Erdgeschoß und erschlug s r ch. Der Vorfall wird untersucht. Hakenkreuz-Kirchenschänder. In der Nacht zum 30. Dezember drangen bisher-unbekannte Täter in die Kreuzkapelle der Kirche in St. Georg bei Zell in Tirol ein und demolierten die Kruzifixe, Leuchter, Betstühle und Bilder sowie auch dgs Kommunionsgitter und beschmierten d:e Wände mit Hakenkreuzen. Das Tabernakel blieb unversehrt. Der durch die Täter Verursachte Schaden ist beträchtlich. Eine Amerikanerin ins Konzentrationslager. Das amerikanische Konsulat in Paris teilte mit, daß die 25jährige amerikanische Staatsangehörige Ella S i d e l l an der Grenze des Saargebietes verhaftet wurde, weil sie beleidigende Ausdrücke über Hit ler geäußert haben soll. Sie wurde in das Konzentrationslager in Waldwell eingeliefert. Meße W de» Rowirmden»»! Die internationale Wanderorganisation des werktätigen Volkes ist der Touristenverein„Die Naturfreunde". Sie ist über die ganze Erde verbreitet und erstrebt die Förderung der Gesundheit und der Kultur der schaffenden Bevölkerung in körperlicher und geistiger Beziehung durch das Wan dern. — Mitglied des Vereines kann jeder werden. Die Mitglieder haben das Recht, die vielen Naturfreundehäuser, Ferienheime, Schutzhütten und Bootshäuser in der Tschechoslowakei , Frankreich , Hol land , Schweiz , Ungarn usw. bei Wanderungen, Ferienfahrten und Urlauben zu bedeutend ermäßigten Preisen zu benützen. An den zu jeder Jahreszeit unter kundiger Führung veranstalteten Wanderungen können die Mitglieder ohne jede Gegenleistung teilnehmen. Außerdem werden alljährlich Ferienreisen und Urlaubsfahrten nach den schönsten Gebieten des In« und Auslandes zu möglichst geringen Kosten geführt. Bahnprris- und Fahrtermäßigungen: a) Ab 16 Kilometer und sechs Personen, Jugend von 10 bis 18 Jahren einbezogen, für Personenzüge oder Schnellzüge ab 31 Kilometer 33 Prozent; b) ab 100 Kilometer und drei Personen, Jugend einbezogen, 33 Prozent für Personen-, Eil- und Schnellzüge; c) ab 200 Kilometer und drei Personen, sonst wie vorher, 50 Prozent, jedoch gebunden an eine Anmeldung(turistickä prihlaska); d) als Einzelfahrer, bei Geltung der Sonntagsrückfahrkarten, Strecke und Länge nach Belieben, für jede Fahrtrichtung, 33 Prozent; bei Benützung von Eil- und Schnellzügen ist der normale Zuschlag zu entrichten; e) als Einzelfahrer auf den CSD-Autobussen bei Geltung der Sonntagsrückfahrkarten, ferner an den übrigen Tagen bei mindestens drei Personen, 25 Prozent; f) Jugendliche oder Kinder 50 Prozent bei jeder Kilometeranzahl; bei Benützung von Schnell- und Eilzügen ab 200 Kilometer.— Ferner auf den elektrischen Bahnen in den Tatra-Orten. Schließlich auf den verschiedenen Straßenbahnen. Bei Ausflügen auf den Elbedampfern. Der Verein hat vorteilhafte Versicherungseinrichtungen. Die Mitglieder sind bei allen touristischen Unternehmungen gegen Unfall versichert. In vielen Ortsgruppen bestehen Unterabteilungen bzw. Sektionen zur Pflege des Jugend- und Kinderwanderns, des Kletterns im Fels, für Winterwurfftik, Wasserwandern, Wandermusik, Natur- und Heimatkunde, Photo- und Lichtbildwesen, Wander-Auskuuf- tei und Urlaubsberatung, Samariterabteilungen, ferner stehen reichhaltige Bibliotheken zur Verfügung. Zwei touristische Zeitschriften, das Verbandsorgan „Bxrg Frei!" mit wissenswerten Mitteilungen aus dem Vereinsleben und„Der Naturfreund" mit guten Aufsätzen und Illustrationen. Die stlegenleiftuug der Mitglieder für die angeführten Einrichtungen besteht in einem geringen Jahresbeiträge. Wer den gesundheitlichen Gefahren der modernen Berufstätigkeit entgegenwirken will, der trete«in in den Touristenverein„Die Naturfreunde" und arbeite mit ihm im Dienste der Menschheitsbefreiung und des kulturellen Aufstieges. Anmeldungen nehmen die Ortsgruppen entgegen.^ Auskünfte und Aufklärungen durch unsere Gaüleitnngenf und zwar: Nikolaus Konhäuser, Turn-Teplch, Landstraße 818; Karl Frieser, Warnsdorf, VI/734; Karl Neidl, Eger, Steingaffe 28; Johann KNndelius, Brünn , Bratislavska 39; Robert Mayer , Troppau , Feldgasse 44; Lorenz Jrsigler, Matejovce, Slowakei ; Moric Fenyö, Kaschau , Kobacska 71;. Paul Faczinek, Preßblirg, Weg zum Rötest Kreuz . Werbeschriften durch die Geschäftsstelle des TouristenverrineS„Die Naturfreunde", Aussig a. E., Marktplatz 11, Telephon 3033. DaS Rathaus von Deminole in Oklahoma wurde am Montag durch eine Gasexplosion zerstört. Drei Personen wurden getötet, zwei schwer verletzt. Ein nJallisdi-Denhmal Was eine Frau mitmacht, die zwei Jahrzehnte an der Seite eines sozialistischen Kämpfers steht, mit ihm zwei verlorene Revolutionen, zwei Emigrationen, drei Hetzjagden auf Leben und Tod erlebt und dann in der Armensünderzelle in Sträfliugskleidern von ihm Abschied nimmt, das zu ermessen übersteigt menschliche Vorstellungskraft. Paula Wallisch hat aus diesen Katastrophen noch soviel Kraft und Gesundheit gerettet, um den letzten Willen ihres Mannes und Kameraden zu erfüllen: weiterzukämpfen für die heilige Sache des Sozialismus und die Fahne weiterzutragen, die Koloman Wallisch in besten Mannesjahren durch Henkershand entrissen wurde. Mit ihrem Buche hat sie dem tapfersten Kämpfer und ruhmvollsten Märtyrer des österreichischen Proletariats ein Denkmal gesetzt, wie er es verdient. So ist Uns ein getreues Lebensbild dieses herrlichen Mannes überliefert worden, in dem sich sozialistisches Wollen so rein verkörperte, daß er die Liebe der steirischen Arbeiterschaft und den Haß ihrer Feinde auf sich vereinigte bis zu einem Uebermaß, an denr sein Leben früh zerbrechen mußte. Es gehört zu dem strahlenden Leben dieses Mannes, daß er stolz und froh war, als sich seine Frau beim Ausbruch des Feberaufstandes bereit erklärte, mit ihm in die vorderste Kampffront zu eilen, zu den Brücker Arbeitern, denen er kurz vorher beim Abschied versprochen hatte, in der schwersten Stunde an ihrer Spitze zu stehen. Ruhm und Tragik der oberösterreichischen Schutzbundhelden, die Größe ihrer Opfer und ihrer Niederlage, ihre Flucht in die Berae, hat Paula Wal lisch handelnd miterlitten. Wallisch, der bis zuletzt sie der Kampflinie ausgeharrt, versuchte, sich mit einem Häuflein Getreuer durchzuschlagen, denn eine düstere Ahnung hatte ihn schon auf der Fahrt nach Bruck befallen, daß er eines der ersten Opfer der triumphierenden christlichen Ordnungsbestie sein werde. Tage der furchtbarsten Hetzjagd, des Hungers, der Entbehrung und Enttäuschung, der zwischen kaum überstandenen Gefahren immer wieder aufflackernden Hoffnung haben Koloman und Paula Wallisch gemeinsam ertragen, bis der letzte Ausweg verrammelt war. Elende Verräter,Proletarier, für die Wallisch seit frühester Jugend gekämpft und gelitten, haben noch mitgeholfen, der Meute der Häscher das edle Wild vor die Gewehrläufe zu bringen, so daß es kein Entrinneri gab. Entsetzliche Pein für die Frau eines Rebellen, Augenzeugin sein zu müssen, wie ihr Mann, der nur das Beste für die Menschen gewollt und der edelsten Sache gedient, von den Bestien des Fascismus in Ketten geschlagen, verhöhnt, beschimpft und angespuckt wird. In der Schilderung der Genossin Wallisch lernt man die Kavaliere deö christlichen Heimwehrregimes kennen, die der zivilisierten Welt die Maske des gemütlichen Biedermannes zuwenden, während sie ihren besiegten Feinden Schlimmeres zufügten, als die heidnischen Römer vor zwei Jahrtausenden den ersten Christen angetan haben. Ein Herr Stabsrittmeister Rudolf Sager wird vorgeführt, der mit„schneidiger Umsicht" die Verfolgung Wallischs organisiert hat und dafür mit der gold en en Medaille belohnt wurde. Dieser Sager, ein Prachtexemplar von einem österreichischen Offizier, begrüßte-die Frau eines gefangenen Gegners wie folgt: „Du gemeines Luder, du Bestie, du rote Hure, du jüdische Sau." Und eine Szene hat Frau Wallisch ausgezeichnet, di« den ganzen Abgrund der Verworfenheit der christlichen„Erneuerer" Oesterreichs und die sitt liche Größe des sozialistischen Menschen auch der Nachtoelt überliefert. Wallisch und seine Frau waren gefesselt in der Gendarmeriekaserne in L i e z e n gefangen, da leistete sich Herr Säger noch einen Extraspaß: Der forsche Rittmeister kam und stellte sich plötzlich breitspurig, die Hände in die Hüsten gestemmt, vor Koloman hin und sagte:„Na du Bandit, wo hast du die sechzigtausend S chilling, die du den Arbeitern gestohlenha st?"— Koloman sprang auf, reckte sich in Kampfstellung vor dem gemeinen Menschen auf und antwortete, den Kopf zurückwerfend:„Wenn ich sechzigtausend Schilling gehabt hätte, wären Sie zu blöd gewesen, um mich zu fangen. Sie würden Habt acht stehen vor mir, wenn ich so reich wäre, denn Sie find ein Söldling der Kapitalisten. Bei uns ist es nicht Sitte, Arbeiterkreuzer zu stehlen, wohl aber in ihrem Kreise. Da griff Sager nach seinem Säbel, war aber zu feig, den wehrlos und gefesselt vor ihm stehenden Arbeiterführer anzurühren. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt von der Behandlung, welche die gefangenen Feberkämpfer erdulden mußten. Er gehört zum„christlichen Kurs" in Oesterreich , daß man eine verhaftete Frau zwingt, sich vor Männern splitternackt auszuziehen, daß man sie in die Armensünderzelle sperrt, wo sie von ihrem Mann« Abschied genommen, daß man sie gerade in jenem Hofe und vor dem Galgen spazieren führt, wo ihr Mann hingerichtet wurde; daß man sogar die Todsünde riskiert, der Witwe das Ansinnen zu stellen, sie solle zustimmen, daß die sterblichen Ueberreste des gemordeten Mannes verbrannt werden. Echt österreichische Gemütlichkeit ist es obeydrein, wenn Brücker Bürger vor Freude ganze Fässer Bier zahlen, weil der gehaßt« Arbeiterführer.aus ihrer Stadt zum Tode verurteilt ist und daß der Henker nach getaner Arbeit sagt: „Herr Wallisch, bei Ihnen war es mir ein ganz besonderes Vergnügen." Wir beneiden keinen dieser Schurken, die in dem Buche der Genossin Wallisch auf solche Art porträtiert sind.-Sie dienen einem Regime, das von den Pestbeulen moralischer Fäulnis schon an seiner Geburtsstunde an zerfressen war, und das fein eigenes Todesurteil sprach, als die Todesurteile gegen die roten Feberkämpfer gefällt worden find. Die österreichische Arbeiterschaft wird noch manchen Heimwehrhelden als winselnden Feigling kennen lernen. Denn die Toten des Feber sind ihren Henkern gefährlicher als die lebenden Kameraden. Das Grab Koloman Wallischs auf dem Friedhof der steirischen Industriestadt Leoben schlägt einen gewaltigen Bann über das ganze Land. Tausende und Abertausende sind es, die zu dieser geweihten Stätte des österreichischen Freiheitskampfes pilgern und in ihrem Herzen den Schwur der Vergeltung erneuern. Der Name Wallisch ist ein Symbol geworden für den ungebrochenen Trotz des steirischen und österreichischen Proletariats. Das Buch vom Kampf und Tod Koloman Wallisch' s wird weit über Oesterreich hinaus herrliches Zeugnis ablegen für die gerechte Sache der Arbeiterklasse. Nicht nur der Soldat der Revolution, sondern auch der Proletarier Wallisch, der sich mit Titanenkraft emporgearbeitet hat zum Führer seiner Klasse, der ein Fürsprecher der Aermsten, ein Tröster der Bedrängten war und ihnen Treue hielt bis in den Tod, wird als einer der größten Freiheitshelden aller Zeiten die Schande seiner Henker um Jahrhunderte überleben.
Ausgabe
15 (1.1.1935) 1
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