IE HTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xii., fochova«2. telefon 53077. Administration TELEFON 5307«. HERAUSGEBER) SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .
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15. Jahrgang
Sonntag, 6. Jänner 1935
Nr. 5
Erste allgemeine Aussprache Mussolini  : Kein Verzicht auf die gegenseitigen Freundschaften Rom  . Die am Samstag vormittag stattgefundene Unterredung zwischen Laval   und Mussolini   dauerte zwei Stunden. Anschließend wurde Laval   im Quirinal   vom König emp­fangen. Wie der Korrespondent des HavaS-Büros meldet, bildeten den Gegenstand der Unterre­dung zwischen Mussolini   und Laval  , an welcher auch der italienische Staatssekretär Su- v i ch teilnahm, zahlreiche europäische   Fragen diplomatischen Charakters, obwohl die Unterre­dung selbst in ziemlich allgemeinen Bahnen verlief. In den Samstag abends und Sonntag stattfindenden Gesprächen werden konkrete Angelegenheiten behandelt werden. Man ist der' Ansicht, daß erst Sonntag abends ein Ucberei»kommen abgeschlossen werden wird.
Wie gewählt wird Drei Abstlmmungsmöslichkelten Saarbrücken  Die Abstimmungskommission hat eine Kund­machung erlassen, durch die die Durchführung der Abstimmung im einzelnen geregelt wird. Darnach sind die Wahlbüros am 13. Jänner von 8 Uhr 30 bis 20 Uhr geöffnet. Die Polizeigewalt im Saal­lokal wird durch den Vorsitzenden ausgeübt. Nach einer Erläuterung des BegriffesBeibehaltung der gegenwärtigen Rechtsordnung"(status quo) wird in der Bekanntmachung genau dargelegt, wie sich der Abstimmungsberechtigte bei der Wahl­handlung zu verhalten hat.> Dabei fallen die scharfen Bestimmungen auf, durch die die G e h e i m h a l t« n g der Wahl gewährleistet werden soll. So ist es den Abstimmungsberechtigten nach Erhalt des Stimmzettels strengstens untersagt, mit irgendwelchen Personen zu sprechen oder auf andere Weise in Verbindung zu treten. Nach erfolgter Stimmabgabe muß der Abstimmende das Wahllokal sofort verlassen. Es ist ihm bei schwerer Strafe untersagt, im Abstimmungs- lokal auf irgendeine Weise die Wahl, die er treffen wird oder bereits gettoffen hat, bekannt- ' zumachen. Wenn er noch nicht abgestimmt hat, wird er in diesem Falle nicht mehr zur Abstim­mung zugelassen. Der Sttmmzettel, der in der Bekanntipachung abgebildet wird, trägt als Kopf die französische  und englische BezeichnungSociete des Nations  " ! undLague of Nations, darunter auf Deutsch  tAbstimmungskommiffion des Völkerbundes". ES folgen die Bezeichnungen der drei Ab­stimmungsmöglichkeiten: Beibehaltung der gegen­wärtigen Rechtsordnung(status quo), Vereini­gung mit Frankreich   und Vereinigung mit Deutschland   in der angegebenen Reihenfolge. Neben jeder der drei Angaben befindet sich ein Kreis, der in der üblichen Weise bei der Wahl durch ein Kreuz gekennzeichnet wird. Ad Donnerstag Versammlunssverbot Am Samstag wurde eine Verordnung ver- 1 öffentlicht, durch welche ab 10. Jänner im Saar- I gebiet alle öffentlichen Versammlungen, sowie | auch Privatversammlungen, die an sonst öffent- 1 lich zugänglichen prten stattfinden» verboten I werden. Waffenfunde bei derDeutschen Front Wie die Saarbrückener  A r b e i t e r z e i- I tung" meldet, wurde in den Räumlichkeiten der l Nationalsozialisten in S« l z b a ch eine Haus- I durchsuchung vorgenommrn und hiebei 30 Ange­hörige der DA.-Formationen, die größtenteils aus i Deutschland   gekommen waren, verhaftet. Es wur- l den auch W a f f e n am Sitze der Deutschen Front i in Sulzbach   vorgefunden. Status quo unter Völkerbund  -Souveränität In der Kundmachung der Plebiszit-Kommis- I fron ist die Beibehaltung des status quo im Saar- I gebiet in dem Sinne definiert, daß die Souveräni- I tät über das Saargebiet auf die Völkerbundver- k sammlung in Genf   übertragen würde, die in Zu« I fünft das Recht haben würde, über diese Sou- I veränitüt in einer Weise zu disponieren, die den I betreffenden Bestimmungen der Verträge und den I Grundsätzen entsprechen würde, auf Grund deren I ihr diese Souveränität anvertraut würde. Zurückgezogene Ausweisung Saarbrücken.  (Havas.) Der tschechoslowa- 1 fische Staatsangehörige Prinz Löwen st ein I war im Saargebiet journalistisch und sonst I agitatorisch im hitlerfeindlichen Sinne tätig. Die i Regierungskommission des Saargebietes entschied, I daß«ne solche Tätigfeit im Saargebiet seitens 1 eines ausländischen Staatsbürgers unzulässig sei, I und hat Prinz Löwenstein äüsgewiesen. Die Ausweisung wurde noch am Samstag I widerufen, da sich der Prinz verpflichtete, sich I während seines Aufenthaltes im Saargebiet jed- 1 weder politischen Tättgkeü zu enthalten.
Die Konventionen, die anf eine Sicherung der Stabilität in Mitteleuropa   hinzielen, werden, wie der Havas-Korrcspondent erfährt, nicht un­mittelbar nach ihrer Paraphierung durch die bei­den Staatsmänner veröffentlicht werden, sondern erst dann» nachdem ihnen die direkt intereffierten Staaten beigetreten sein werden. Ueber die römi­schen Beratungen wird jedoch ein amtlicher Bericht veröffentlicht werden, in welchem daö französisch­italienische Einvernehmen über die Grundlinien der Gesamtpolittk konstatiert werden wird, wobei sich das Einvernehmen zwischen den beiden Staa­ten auf das gegenseitige Berständnis für die In­teressen dieser beiden Staaten und für die Gesamt­interessen Europas   gründen wird. Bei einem Bankett am Abend wurden die üblichen Trinksprüche gewechselt. Mussolini   sagte unter andexem:_ Hinsichtlich Mitteleuropa   handelt es sich nicht darum, daß Frankreich   und Italien   in Mitteleuropa   auf ihre gegenseitigen Freundschaften verzichten, sondern darum, im Donauraum die Interessen und Lebensnotwendigkeiten jedes Staates mit den Ergebnissen allgemeinen Charakters mit dem
Trotz alledem! Die Führer der gemeinsamen sozialistisch» kommunistischen Front im Saargebiet Ma; Braun und Fritz Pfordt empfingen Samstag die Vertreter der internationalen Presse, denen sie die Besttebungen der gemeinsamen Front zugunsten der Status-quo-Bewegung im Saarge­biet darlegten. Die beiden verwiesen auf die
Moskau  . Bolkskommissär für Aeußeres Litwinow empfing am Donnerstag die tschechoslowattschen Journalisten, die der Gesandte P a v l ü begleitete, und hielt an sie eine große Ansprache, in der er u. a. die gemeinsamen Inter­essen beider Länder hervorhob und die natür­liche Sympathie Sowjetruß­lands zu dem wieder erweckten tschechoslowatt­schen Volk unterstrich. Es genüge, einen Blick auf die Karte Europas   zu werfen, um die Gemeinsam­keit der reale« Interessen der beiden Staa­ten zu verstehen. Litwinow   wies dann auf das. russische   Aufbau­werk hin und sagte, ein vollkommen neues sozial- ökonomisches System in einem Lande wie Rußland  mit seinen 170 Millionen Einwohnern einzuführen, sei keine leichte Sache und erfordere Zett, aber auch vollkommene äußere Ruhe, Schon deshalb wolle Ruß­ land   den Krieg nicht. Auch die Tschechoslowakei   erstrebe nicht die Eroberung neuen Bodens; der Krieg sei ihr daher aus den gleichen Ursachen unerwünscht. Daraus ergebe sich die Gemeinsamkeit einer großen Aufgabe: der Erhaltung des Friedens. Ihr Land, fuhr Litwinow   sott, verfügt über große Staatsmänner in der Person Ihres Präsiden­ten Masaryk   und Ihres Außenministers Dr. Beneö und anderer, die allzu gut verstehen, daß eine Verletzung drö Friedens im gegenwärtigen Momente in irgendeinem Winkel der Erde n n v e r- meidlich einen allgemeinen Krieg nach sich ziehen würde. Alle europäischen   Grenzpfähle find Stützen deS Friedens
Ziel der Befriedung Europas   in Uebereinstim- mung zu bringen.Unter diesem weiteren Ge­sichtspunkt gesehen, glaube ich" so wandte sich Mussolini   an Laval  daß Sie mit mir darin übereinstimmen, daß unsere Abmachungen in Hin­blick auf andere Mächte, die ihre Mitarbeit zu dem Werk» das wir beginnen wollen, beizutragen wün­schen, nicht als gegensätzlich oder auch nur störend ausgelegt werden können oder dürfen." Laval erwiderte u. ä.:' Alle, die von dem Ideal des Friedens beseelt sind, richten heute ihre Augen auf Rom  . Niemand kann in der Tat den wahren Sinn der Aktton, die wir entschlossen unternommen haben, falsch verstehen. Ich spreche im Namen Frankreichs  , das kein selbstsüchtiges Ziel verfolgt. Frankreich  ist mit Recht umseine Sicherheit b e- s o r gt. Es hat aber auch die Absicht, sein Teil ,a» dem zur Versöhnung der Völker notwendigen Merk auf sich zu nehmen. "'Die große Hoffnung der Völker dürfe nicht enttäuscht, der Friede müsse erhalten und gefestigt werden. Die Zivilisation dürfe nicht untergehen. Man müsse aus der Vergangenheit lernen, daß immer im Kriege die Zivilisation zusammenbrochen sei.
Schwierigkeiten, mtt denen sie im Saargebiete zu kämpfen haben. So z. B. übernahm kein einziger Fleischer in Saarbrücken   die Versorgung der Mit- glieder der gemeinsamen Front bei ihrer sonn­tägigen großen Manifestation. Die städtischen Molkereien in Saarbrücken   lehnten selbst die Lie­ferung von Milch ab, die die gemeinsame Front für. die Kinder verlangte, deren Eltern an der Manifestation teilnehmcn werden I
»nd die Entfernung nur eines einzigen Pfahls würde den Einsturz deS gesamten FriedenSgebändrS herbei­führen. Die Gemeinsamkeit unserer Bestrebungen nach Sicherung deS Friedens wird auch durch jenen unbe­strittenen Umstand diktiert, daß zwischen unseren Ländern Staaten liegen, derenfriedliche Ab sichle«"zumindest bedeutende Befürchtungen einflößten. Ob wir eS nun mit einem bestimmt«mrissenen Programm von Angrifisakttonen zu Inn   haben,»der mit der Be­reitschaft, irgendeine möglicherweise eintretende Kon- junktur zu Kriegsabenteuern zu versuchen und uner­reichbare politische Träumereien zu verwirklichen, jedenfalls müssen wir ernstlich mit solchen Stimmun­gen«nd Möglichkeiten rechnen. ' Und nun steht unseren Ländern die große Arbeit bevor, dieses gemeinsame Programm zu verwirklichen. Wir sind überzeugt, daß wir uns der aktiven und langdauernden Mitarbeit Ihrer Regierung und ins­besondere des Ministers Dr. Benes erfreuen werden, dessen Energie und Konsequenz in Sachen des Frie­dens allen bekannt ist. Zwischen Litwinow   und den tschechoslowaki­schen Journalisten fand hierauf eine angeregte Aussprache statt. Redakteur Dr. Ripka dankte so­dann Litwinow   für dessen Begrüßung und sprach die tiefe Befriedigung der tschechoflowakischen Oeffentlichkeit über die erfolgreiche Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion  und der Tschechoslowakischen Republik im Kampfe um Len Frieden aus.
KeineEinmengung! Von Otto Bauer  Der österreichische Finanzminister hat den tschechoflowakischen Außenminister besucht. In den nächsten Tagen wird der österreichische Finanzmi­nister zu einer Sitzung des Völkerbundkomitees reisen, das die österreichischen Finanzen kontrol­liert. Herr Dr. Buresch ist, wie man sieht, sehr geschäfttg. Herr Dr. Buresch braucht nämlich drin­gend Geld. Zwar waren die Mächte so freundlich, der austtofascistischen Regierung die Konvertie- rung der Anleihe vom Jahre 1923 zu bewilligen, wodurch der gesetzliche Zinsen- und Tilgungsauf­wand des österreichischen Staates um 60 Millio­nen Schilling verringert und ihm überdies ein zur Sicherstellung des Zinsendienstcs dienendes Depot von 40 Millionen Schilling freigegeben wurde. Diese 100 Millionen Schilling haben die austro- fascistische Diktatur vor dem finanziellen Zusam­menbruch, dem sie ohne diese Freundlichkeit der Mächte im Verlaufe des Jahres 1935 nicht hätte entgehen können, gerettet. Aber der Aufwand der austrofascistischen Diktatur für die Rüstungen und für die Erhaltung des kostspieligen Gewaltappa­rates, mittels dessen sie das österreichische Volk niederhält, ist so groß, daß sie mit den 100 Mil­lionen Schilling, die sie der Freundlichkeit der Mächte verdankt, nicht auskommt. Buresch bereitet daher weitere Kreditoperationen vor. Dies ist der Zweck seiner Reisen. Selbswerständlich wird die Kreditwerbung politisch vorbereitet. Zu Weihnachten hat die öster­reichische Regierung in die Welt hinaus melde» lassen, sie habe einen Großteil der Sozialisten, die sie in ihren Gefängnissen hält, amnestiert. Man wollte damit der Welt zeigen, wie zivilisiert, wie gnädig, wie sehr um die Milderung der inneren Gegensätze bemüht die österreichische Dikatur sei. Erst jetzt liegen uns präzise und verläßliche An­gaben über den Umfang dieser Amnestie vor. In einem Augenblick, in dem sich die österreichische Regierung nach der rettenden Hilfe, die sie durch die Konvertierung der Anleihe bekommen hat, um weitere Liebesdienste der ausländischen Regierun­gen bemüht, wird es nützlich sein, die Wahrhaf­tigkeit der Meldungen, die die Zivilisiertheit des österreichischen Fascismus illustrieren sollen, zu überprüfen. Eine Tage vor dem 12. Feber wurden 25 Führer des Wiener   Schutzbundes verhaftet. Es waren der Major Eifler, der Hauptmann Löw und 22 Arbeiter, die die Bezirksgruppen des Schutzbundes kommandierten. Sie waren am 12. Febex bereits in Haft, hatten also an dem Auf­stand keinen Anteil. Sie sind auch heute noch in Hast. Man hat gegen sie die Voruntersuchung we­gen Verbrechens des Hochverrates eingeleitet, weil sie den Aufstand vorbereitet hätten. Nach zehnein­halb Monaten ist die Untersuchung selbstverständ­lich längst beendet. Trotzdem wird weder die An­klage erhoben noch die Untersuchung eingestellt. Die 24 Genossen bleiben weiter in Hast. Vor einigen Monaten hat man allerdings dem Major Eifler die Enthaftung angeboten. Un­ter der Voraussetzung nämlich, daß er die Waffen­verstecke des Schutzbundes verrate und unter den Schutzbündlern für die fascistische Regierung werbe. Da Eifler diese ehrlose Zumutung abge­lehnt host, bleiben er und seine 23 Schicksalsgenos­sen inUntersuchungshaft". In den Strafanstalten sind zur Stunde mehr als 600 Schutzbündler, die wegen ihrer Teilnah­me an den Feberkämpfen verurteilt worden sind, in Haft. Der Bundespräsident Miflas hat zu Weihnachten, wie has alljährlich geschieht, 300 Strafgefangenen, die mehr als die Hälfte ihrer Strafe verbüßt hatten, den Rest der Strafe nach­gesehen. Unter ihnen waren aber nur 93 Schutz­bündler, alle übrigen teils kriminelle Verbrecher, teils Nazi. Die 93 Schutzbündler sind solche, die nur zu geringen Strafen verurteilt waren und binnen kurzem, manche von ihnen binnen weni­gen Tagen aus der Hast zu entlassen gewesen wären. Von denen, die wegen Teilnahme an de« Feberkämpfen zu vieljährigen Kerkerstrafen ver­urteilt worden sind, wurde kein einziger begna­digt. Es ist daran zu erinnern, daß die fascisti­sche Regierung ihnen alle Begünsttgungen, die in zivilisierten Ländern politischen Verbrechern ge­währt werden, entzogen hat. Von den hunderten Genossen, die ohne ge­richtliches Verfahren in Polizeihast gehaltm wer-
Gemeinsame Friedenspolitik Litwinows Ansprache an die tschechoslowakischen Journalisten