Seite 2 Mittwoch, 8. Jänner 1935 Rr. 7 « „Das junge Volk“ Zeitschrift für die freie Jugend ist soeben erschienen. Aus dem In halt: Bekenntnis, Weg und Ziel. Zweijährige Dienstzeit. Ans der Jngendbewegnng. Jngendnot und Jugendfchntz. Blick in di« Welt. Sei schön und hungere! KolomanS Jugend und Ende. Bestellungen an die Verwaltung, Prag ll., Fochova 62. sich mit ganz kleinen Motten begnügen könnte. Denn ob England SO und Frankreich 18 oder England 25 und Frankreich 9 Schiffe haben, konnte beiden Staaten einerlei sein. Worum ge« kämpft wird, das ist aber das Recht jede: SeemachtaufdieWaffe, vonderge« rade sie sich einen entscheidenden Erfolg verspricht. In diesem Punkt wird man zu keiner Einigung gelangen. Man wird bestenfalls einen Weg finden, ein paar Milliarden zu ersparen— was ja auch nicht zu verachten ist —, aber man wird weiter seine Seewaffe schärfen bis zu dem Augenblick, da man das Kräfteverhältnis für sich so günstig glaubt, daß mar losschlägt. Gerade im Seerüsten spielen die»kritischen Jahre", da einzelne Staaten gegenüber ten andern die relativ größte Stärk« erreichen(fie sind voraus, der Gegner noch zurück), eine gefährliche Rolle. Im Kampf um den Stillen Ozean werden von 1936 an periodisch solche Jahre eintreten und es ist heute, beiderSchwächungEuropas durch den FascismuS, nicht abzusehen, welches von ihnen den Endkampf um die Meere und damit den neuen Weltkrieg bringt. *** Druckfehlerberichtigung. In unserem gestrigen Leitartikel sollte im Uebergang von der zweiten zur dritten Spalte von den Steuerträgern die Rede sein, welche die Ausgaben für Landwirtschaft gesund überleben(statt überlegen). Der Schlußsatz des zweiten Absatzes dieser Spalte handelte von der Aussichtslosigkeit(nicht Arbeitslosigkeit) des dörfischen Nachwuchses. man müsse mit dioser Praxis aufhören, da— dadurch daS Regime noch unpopulärer uird verhaßter würde. Die Rede des Gewerkschaftsführers hatte einen ganz unerwarteten Erfolg. ES erhob sich nämlich stürmischer Widerspruch und einer nach dem anderen der Unternehmer stand auf, um dem Herrn ziemlich unwirsch ins Gesicht zu sagen, man hätte nicht durch viele Jahre hindurch die schwersten materiellen Opfer gebracht, um die Heimwehr aufzupäppeln und das autoritäre Regime in den Sattel zu heben, damit man sich dann die Früchte des Fascismus aus der Hand schlagen laste. Der Unternehmervertreter der größten Wie ner metallverarbeitenden Industrie meinte schlank-, weg:„W i r haben nicht Millionen für den Sturz der Roten ausgege- ben, um dann wieder Kollektivvertraglöhne und Remunerationenzuzahlen." Der bestürzte Vertreter der Einheitsgewerkschaft wußte auf diese sehr sachlichen Argumente nichts zu erwidern und zog unverrichteter Dinge ab, nachdem er vorher noch die Anwesenden gebeten hatte, über diesen»peinlichen Vorfall" wenigstens Stillschweigen zu bewahren. Seine Besorgnis über das Bekanntwerden dieses peinlichen Vorfalls war durchaus berechtigt. Denn klarer als durch diese vertrauliche Sitzung ist wohl nur selten zum Ausdruck gekommen, in westen Auftrage die Kanonen und die Konzentrationslager und die Galgen des Fascismus arbeiten. l den Monaten des schlechten Absatzes die Arbeiterschaft abwechselnd aus der Arbeit auSsetzt. Die llnternehmervertreter erklärten dieS für unannehmbar und kündigten an, daß sie die Bestimmungen über den Schutz der Kollektiv- Verträge respektieren» aber zur Entlassung von Arbeitern schreiten würden. Im Jänner solle« 450 und dann jeden weiteren Monat bis Juni je weitere 300 Arbeiter entlasten werden. Die Gewerkschaftsvertreter protestierten dagegen auf das schärfste und warnten die Unternehmer vor einem solchen Beginnen. Bereits Dienstag kam es auf einzelnen Gruben in Kladno zu kurzen Proteststreiks. Dir Rachricht von dem Scheitern der Prager Verhandlungen trug auch nicht zur Beruhigung bei. Mittwoch nachmittags finden in Kladno gemeinsame Beratungen der Gewerkschaften über eine weitere Taktik im Kampfe gegen die Unternehmer statt. Schuschniggs Herren trumpfen auf Sie lassen sich nicht um die Früchte des Fascismus prellen (Von unserem Spezialberichterstatter.) Wien . Im Wiener Jndustriel- nverband fand am 16. Dezember eine einem Koloß von 35.000 Tonnen als Spielzeuge anmuten. Aber schon in den Schlachten deS Weltkrieges haben die schnellen Schlachtkreuzer sowohl der Engländer als auch der Deutschen sich bester bewährt als die Schiffe der Dreadnought und der Ueber-Dreadnought-Klasten. In der Schlacht vor dem Skagerak haben die deutschen Schlachtkreuzer des Admirals Hipper(„von der Tann" und drei Schwesterschiffe) die Hauptlast des Kampfes getragen und nicht nur die englisch « Kreuzerflotte Admiral B e a t t y s geschlagen, sondern auch die deutsche Schlachtflotte herausgehauen, als Admiral S ch e e r sie mitten in die feuerspeiende Umklam- merung durch die„Grand Fleet" manövriert hatte. In England ist jedenfalls der Kreuzer Trumpf, denn nur leicht bewegliche Kreuzerflotten können über so weite Räume operieren, wie fie England zu decken hat. Amerika häü heute als einzige Seemacht(wenn man von Italien absieht, das zwei 38.000-Tonnen-Schiffe auf Kiel gelegt hat) an dem Großkampffchiff fest, wobei allerdings das Hauptgewicht nicht mehr auf der selbständigen Feuerkraft der Stahlriesen liegt, sondern auf die Fähigkeit einer großen Schlacht flotte, eine Luftflotte mit sich zu führen. Die„Champions" der amerikanischen Marine, ihr besonderer Stolz, find die Flugzeug-Mutterschiffe, deren größte mehr als 100 Hhdroplane tragen könnm. Amerika , besten voraussichtlicher Gegner Japan ist, hofft, durch eine Riesenflotte von gewaltigen Schlachtschiffen, die selbst unangreifbar ist, wenn fie in geschloffener Formation marschiert, tausende Bombenflugzeuge über den Pacifik tragen und auf die dichtbesiedelten japanischen Inseln loslaffen zu können. Japan wiederum hofft, in den zahllosen Inseln seines Reiches, die in einem gewaltigen Bogen von rund 8000 Kilometer dem ostasiatischen Festland, vorgelagert find, die herrlichsten U-Boot-Häfen zu finden und einerseits China und Rußland blockieren, andererseits den Durchbruch der amerikanischen Motte mit seinen Tauchbooten verhindern zu können. Auch Frankreich begünstigt j die„Sousmarins", die U-Boote, die heute noch wie 1917 die Waffe deS Schwächeren find. Worum es im Wettrüsten zur See also geht, das sind nicht so sehr die groben, in Tonnen und Panzerstärken meßbaren Kräfte, Zuspitzung im Kladnocr Konflikt Verhandlungen in Prag ergebnislos e.... Sitzung statt, die auf Veranlaffung der fascisti - schen Einheitsgewerkschaft einberufen worden war. Die Sitzung wurde für vertraulich erklärt und der Vorsitzende schärfte den Anwesenden vor deren Beendigung nochmals— wie man sieht vergeblich—- ein, sie mögen in staat-politischem Interesse kein Wort über die dortigen Vorgänge verlauten lasten. Die Vorsichtsmaßregeln sind durchaus begreiflich, wenn man erfährt, in welch bezeichnender Weise in dieser Sitzung das wahre Gesicht des Fascismus enthüllt wurde. Namens der fascisti- schen, gleichgeschalteten Einheitsgewerkschaft führte nämlich Herr Grossauer Beschwerde über die hemmungsloseren Lohnkürzungen, die die österrei- als die beson« chischen Unternehmer durchführen, besonders über deren Waffen, mit denen jede Seemacht die andere die vollkommene Streichung aller Weihnachts» zu schlagen hofft und die darum von der andern remunerationen. Er war in diesem„geschloffenen verpönt wird. Es ist ja klar, daß man von dem Kreise" übrigens ehrlich genug, gar nicht so zu Moment an, da man sich auf einen Schlüffel ge»' tun, als ob er seine Beschwerde im Jntereffe der einigt hat, überhaupt abrüsten, beziehungsweise, Arbeiter führte, sondern er erllärte ganz offen. Die Lage im Kladnorr Revier, wo die Grubenbesitzer bekanntlich die Forderung nach 20pro- zentiger Lohnkürzung und nach Entlassung von 2000 Arbeitern erhoben haben, verschärft sich immer mehr. Dienstag hat in Prag eine Besprechung zwischen den vier inbetracht kommenden Bergarbeitergewerkschastrn und den Vertretern der Grubenbesitzer stattgefunden, die ergebnislos verlief. Die Vertreter der Unternehmer beharrten auf ihren Forderungen und suchte« sie mit der Absatzkrise zu begründen. Die Gewerkschaftsvertreter dagegen verwiesen nach einer genauen Analusc der Betriebs- und Abfatzverhältniffe auf die Regierungsverordnung 118/34,«ornach Kollektivverträge bis Ende April 1935««kündbar find. Sie verlangten weiters, daß keine Entlassungen vorgenommen, sonder« der ! bisherige Zustand verlängert werde, wornach in Vie Sonntagsruhe in Oesterreich Kurs gegen die Handelsangestellten In allen ihren Reden erzählten Schusch nigg und Starhemberg, die Regierung denke nicht daran, die sozialen Schutzgesetzc abzubauen. In Wirklichkeit wird ein soziales Schutzgesetz nach dem anderen verschlechtert. Jetzt'st auch das Sonntagsruhegesetz an die Reihe gekommen. Die Regierung hat ein Gesetz dekretiert, das den Landeshauptleuten in den Bundesländern, dem Bürgermeister in Wien das Recht gibt, ganz nach ihrem Belieben die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe abzuschaffen. Der Landeshauptmann, in Wien der Bürgermeister, kann jedem beliebigen Zweig des Handelsgewerbes die Sonntagsarbeit bis zur Höchstdauer von zwei Stunden, in Orten mit weniger als sechstausend Einwohnern bis zur Höchstdauer von vier Stunden, für einzelne Sonntage aber,„an denen ein erweiterter Gesibäfts- verkehr zu erwarten ist", bis zur Höchstdauer von sechs Stunden erlauben. Damit ist den Landeshauptleuten eine Vollmacht eingeräumt, die zur völligen Durchbrechung der Sonntagsruhe zu führen droht. Die christliche Diktatur möckte Vie alte Zeit wiederbringen, in der es für die Handelsangestellten keinen frei-n Sonntag gegeben hat. Die Sonntagsheiligung ist ein christliches Gebot; aber der Profit steht der christlicher» Diktatur über allen christlichen Geboten. Aufhebung der Staatsvolksschulen im Burgenland . PS. Eisenstadt . Das Burgenland , ehemals Westungarn, hat auS der Zeit seiner Zugehörigkeit zum ungarischen Staatsverband eine Reihe gesetzlicher Institutionen erhalten, die sich von denen der übrigen österreichischen Bundesländer unterscheiden; so das ungarische Zivilrecht und die ungarischen konfessionellen Schulen. Während man sich also im Bürgenland auch als Katholik scheiden lassen kann, ist dort die überwiegende Schulform die der katholischen Konfessionsschule. Ueber die Ausdehnung des österreichischen Volksschulgesetzes auf daS jüngste Bundesland ist zwar früher im ehemaligen Nationalrat mehrfach diskutiert und gelegentlich auch in diesem Sinne Beschluß gefaßt worden. Doch zur Durchführung der Maßnahme kam es nicht. Sozusagen als UebergangSsystem wurden daher vom burgenländischen Landtag eine Anzahl sogenannter Staatsvolksschulcn ins Leben gerufen. Der neue, ernannte Landtag hat nunmehr beschloffen, diese Staatsvolksschulen mit Wirkung vom Jänner aufzulaffcn. Es soll künftighin im Burgenland nur noch die der direkten Aufsicht der kirchlichen Instanzen unterstelllen katholischen Volksschulen geben. Illegale Propagandaschriften — 6 Jahre Zuchthaus Berkin. Das Sondergericht in Hamburg ver- urteille elf Kommunisten wegen„Vorbereitung zum Hochverrat" zu Zuchthausstrafen bis zu sechs Jahren. Einer der Angeklagten war ein schwedischer Kommunist, der auf schwedischen Schiffen kommunistisches Propagandamaterial gemeinsam mit einem gleichfalls angeklagten finnischen Kommunisten nach Deutschland einzuschmuggeln versuchte. Das Propagandamaterial trug möglichst harmlose Auffchriften, so z. B.:„Der Segen der Kleintierzucht" oder„Des Knaben Wunderhorn ". 35 Roman von Olga Scheinpflugova Copyright by Pressedienst E. Prager-Verlag, Wien „Die Sünde ist der Ursprung alles Lebens." Manchmal sagte Babiola furchtbare Dinge. Sie beneidete Germaine nicht mehr. Sie stand auf und ging mit ihr zu den Männern zurück. Man spielte Bridge. Lucien gewann. Babiola ließ einige Karten fallen. Lucien bückte sich, um sie aufzuheben. Babiola lleß ihre schönen Beine im Glanze der hauchzarten Strümpfe sehen. Sie fühlte seine Blicke aus ihren Knöcheln. Lucien war das Glück Germaines; aber Babiola brauchte Anerkennung— vielleicht zum Trost für die Unterlastungssünden ihrer Nerven— vielleicht als Erfahrung für ihre reiche Arbeit. Sie schämte sich vor sich selbst. Lucien zeichnete, unbeachtet von den anderen ein Rufzeichen auf eine Spielkarte, die er ihr zu- sicckte. Wie würdest du weinen, o wie würdest du weinen, Germaine, wenn ich neben dieses Rufzeichen ein zweites malle l Um ein Uhr verriet Lucien seine eheliche Angst und stand auf.„Bleiben Sie noch und erzählen Sie daheim. Sie haben einen Mitschüler getroffen". Babiola wollte ihm durch diese Lüge helfen, armselig und gemein zu sein und freute sich, weil Germaine errötete. „Ja", sagte Felicien in gutmütiger Wein» laune.„Ich bin jederzeit bereit, das zu bezeugen." „Danke", entgegnete Lucien trocken.„Germaine, ich werde Sie wie immer heimbringen." Babiola begleitete die beiden zur Türe. Sie streichelte Germaine das Haar; Lucien reichte sie ausdruckslos die Hand. Dann stellte sie sich vor den Spiegel. Lange starrte fie in ihre eigenen, weitoffenen Augen wie in ein tiefes Wasser:„Kämpfe dagegen so viel du willst, meine Liebe, dachte sie: du bist gemein, gemein, gemein. Ich haste mich!" ch Babiola wohnte jetzt in der Nähe der Oper in einer fürstlichen Wohnung mit einem großen Bibliotheksraum und einer Garderobe. Sie beschäftigte einige Dienstboten und eine Sekretärin, der sie, auf den dicken Teppichen auf und abschreitend, einen neuen Roman diktierte. Der Rostandverehrer wurde ihr Geliebter. Aber.nur für einen Tag. Trotz der Banalität ihrer Zwiegespräche brannte in ihr die Neugierde, die aber nur Beschämung und Leere brachte. Sie sagte zur Garderobiere, als er tags darauf an die Tür klopfte:„Sage ihm, er soll nie mehr kommen." Bor dem Theater warteten AutoS mit schweigsamen Chauffeuren in eleganten Livreen. Schlösser in Parkanlagen, herrliche Gärten mit Fabriksschloten machten sich anheischig, Babiola beim Tennisspiel oder Rollenstudium zu beherbergen; sie wollte aber nicht auch noch privat Theaterspielen und den Menschen etwas yorgaukeln. Sie wurde gefeiert. Wenn sie morgens zu Proben ging, las sie hundertmal ihren Namen auf den Plakaten und Litfaßsäulen. Ihre Bilder schmückten Waren in den Auslagen und abends schrie die Schrift starrer Glühlampen ihren Namen. Ohne es zu wollen, wurde fie tonangebend für die Mode und täglich las fie neue, ihr selbst unbekannte Dinge auS ihrem Leben, die ihr zuweilen ein herzliches Lachen entlockten. Germaine wurde ihre Sklavin. Ihre Ergebenheit kannte keine Grenzen. Sie kleidete Babiola an und ertrug ihre Launen mit einem Lächeln,' das nichts begriff, aber alles verstmid. Sie begleitete Babiola bei Einkäufen und trug die Pakete. Sie kam zu Babiolas Studium und hatte eine himmlische Geduld, ein und dieselbe Seite zu wiederholen. Sie war still, nützlich und glückläh. wenn Babiola es gestattete, von ihrer Liebe zu Lucien zu sprechen. Sie erzählle sogar von seinen Kindern, für die sie Spielzeug auswählen half. Germaines Ergebenheit kam Babiola geschmacklos vor. Sie hätte gerne gewußt, was Germaine so sehr an ihn feßle. Sie kannte Germaines Roman vom Anfang bis zum Ende. Vom Beginn in Ver- säilles bis zu dem Heute, das sie stahlen und Glück nannten. Germaine, die ergeben und anspruchslos Luciens Leben nicht komplizierte, bewunderte dauernd die unbekannten Gabe« seiner Frelgebig- keit. Sie nahm während der ganzen Zeit nicht das kleinste Taschentuch von ihm an, mit dem sie, wenn er sie einmal verließ, wenigsten- ihre Trä' ne« hätte trocknen können. Sie erzählle von der braven, stillen Frau LucienS. Die durfte niemals etwas erfahren! Sie würde vor Gram sterben und Lucien käme dann niemals zu ihr. „Warum betrügt er sie dann?", fragte Babiola. Germaine wußte keine Antwort.„Vielleicht weil fie so brav ist; Lucien ist so sonderbar. Sein- Frau verehrt er wie eine Heilige."— Vielleicht kam er deshalb, wenn es Abend wurde, zu Germaine.— Dann erzählte sie, daß sie niemals durch die Straße gehe, in der Lucien wohne und wenn er mit, seiner Frau das Theater besuche, sei sie einer Ohnmacht nahe. Sie bäte dann immer den Regisseur, sich ganz im Hintergründe hallen zu dürfen. Nie dürfe seine Frau etwas erfahren! „Lucien besucht manchmal das Theater?" „Ja, Mademoiselle» immer wenn Sie spielen."„Sieh an!" „Ja; und dann erzählt er mir von Ihnen." Babiola reckte sich in ihrem Seffel wie ein herrliches Tier. DaS Stubenmädchen brachte den Tee; ihre Augen waren verweint. „Die liebt auch", sagte Babiola.„Tränen und Liebe— das scheint dasselbe zu sein." Jacques wich Felicien aus. So war Felicien viel allein. Er begann zu arbeiten und empfing tagsüber ungern Babiolas Besuch. Einmal besuchte sie ihn doch; es dauerte lange, bis sie den richtigen Ton fanden. Schließlich wollte Felicien sie küssen. „Küß mich nicht, Felicien. Ich bin gekonimen, um mit dir allein— ohne Jacques— ohne Picknick— zu sprechen. Ich wollte dir sagen, daß unsere Beziehungen sinnlos geworden sind." Felicien stotterte etwas mit den Augen, ohne ein Wort zu sprechen. Auch Babiola sand keine Worte, ickwohl ihr daheim alles glatt und gleichgültig erschienen war. „Laß dir raten, Felicien: arbeite! Jeden Augenblick kann ein anderer auftauchen, dessen Finger dein Können bedrängen— und wärest du der größte Künstler. Arbeite. Aber mich — mich vergiß." Jeder Tropfen Blutes war aus FclicienS Gesicht gewichen; er sah aus wie eine krankhafte Phantasie Rops. Hätte seine Mutter diese Blässe geschaut: er hätte ein halbes Jahr lang nicht nach Paris dürfen. Tonlos flüsterte er: „Um Gottes willen, was soll das heißen?" „Daß sich unsere Wege trennen; alles ist sinnlos geworden. Wir können einander nichts mehr geben, nichts mehr sagen. ES ist sinnlos. Machen wir ein Ende." Er stand auf. Babiola blickte auf seine Füße. Sie wagte eS nicht, in sein Gesicht zu sehen. „Was— was— willst du eigentlich, Baby?" Jetzt wußte sie es selbst nicht. Sie hätte am llebsten vor Sehnsucht geschrien— wonach, sie wusste es selbst nicht. Sie wollte ihr Leben lebenswerter gestalten. Felicien war— das erkannte fie jetzt— hiebei gär kein Hindernis. Im Gegentell: er stand ihr nahe, er war so etwas wie eine Zuflucht, eine Familie, eine Heimat... etwas, das sie nie vorher besessen hatte. Aber sie konnte seinem Grauen nicht helfen. ^Fortsetzung folgt.)'
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15 (9.1.1935) 7
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