1ENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xiufochova a. teleeon am. Administration teiefon aut.HERAUSGEBER! SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR: WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG.Einzelpreis 70 Heller(einschließlich 5 Heller forte)15. JahrgangDonnerstag, 10. Jänner 1935Nr. 8Der Erfolg von Rom-tojallslcrnni» der«utsdicn Aulröstunij?Gerüchte über die Rückkehr Deutschlands nach GenfIn den Kommentaren der internationalenPresse, vor allem aber der englischen Blätter überdie Genfer Vereinbarungen verdichtet sich eineDeutung immer mehr zu einer sehr glaubhaftenThese: daß als Endergebnis der franco-italienischen Entente dieRückkehrDeutsch-lands in den Völkerbund erfolgenwerde und damit eine völkerrechtlicheAnerkennung der deutschenAuf-rüstung und der tatsächlichen Revision desVersailler Vertrages.Italienische Zeitungen und englische Korrespondenten, aber auch französische Blätter und alsgewichtigster Zeuge der Sprecher des italienischenAußenamtes, der dem Reuter-Korrespondenten einInterview gegeben hat, erklären übereinstimmend,daß der Passus über die Abrüstung, den die römischen Abkommen enthalten, eine Brücke für dieRückkehr Deutschlands nach Genf sein solle. Eswird allgemein betont, daß zwischen legaler undillegaler Aufrüstung Deutschlands im Text derGespräche kein Unterschied mehr gemacht wird.Ebenso einmütig vertritt die Presse die Ansicht,daß die P l a t t f o r m, auf der man sich einigte,di- A u f f a s s» n g e n Sir Johnl m o» i Über die Legalisierung der deutschenAufrüstungen seien. Man nimmt an, daß Simonbei seinem Pariser Aufenthalt auf Laval in diesemSinne eingewirkt habe. Ein englischer Kabinettsrat soll sich bereits mit der Frage beschäftigthaben, ob nicht der Augenblick zu einer neuenDemarche in Berlin gekommen sei.Die englische Auffassung, die man nun viaRom den Franzosen suggeriert zu haben scheint,läuft darauf hinaus, daß an den deutschenRüstungen nur ihre Heimlichkeit und Vertragswidrigkeit anstößig seien. Baldwin hatte Hitleraufgefordert, rund heraus zu sagen, wo Deutschland mit seinen Rüstungen halte. Das Projeft vonRom zielt angeblich auf eine Herabsetzung der allgemeinen Rüstungen bei gleichzeitiger Anerkennung eines über dem Niveau von Versailles liegenden deutschen Rüstungsstandes ab.Interessant ist, daß Hitler in seinerRede in der Staatsoper bereitsvon dem Inhalt der römischen Gespräche zu wissenschien. Er sprach davon, daß man Deutschlandumwerbe und seine Rückkehr nach Genf anstrebe.Deutschland werde aber nur nach Genf gehen,wenn man ihm die Rüstungsgleichheit gewähre.Wieviel an Aufrüstung man Deutschland gestattet,ist für beide Teile eigentlich unwesentlich, denn esist ohnehin unverbindlich. Die Entmilitarisierungder SA und der SS macht den Weg zu einerlegalen Vermehrung der Reichswehr auf rund8 0 0.0 0 0 Mann frei. Außerdem würde manDeutschland wahrscheinlich schwere Artillerie. und Flugzeuge zugestehen.Der eigentliche Gewinner beidiesem Spiel wäre Mussolini, der sich, wennein schüchternesGeständnis UngarnsIn fünf Fällen„untergeordnete“ BeamteverantwortlichParis. Wie die„Agence Havas" aus Gmfmeldet, wird Dr. Eckhardt am Donnerstag mitder ungarischen Delegation in Genf eintreffenund dem BLlkerbundsrate das schriftliche Ergebnis der neuen Enquete der ungarischen Regierung bezüglich do: Verantwortlichkeit für dasMarseiller Attentat unterbreiten. Das Dokumentsoll 78 Maschinenschreibseiten umfassen und etwa100 Seiten verschiedener Beilagen enthalten. Esbefaßt sich hauptsächlich mit Reisepässen undder Regelung der Lage der politischen Flüchtlingein Ungarn.Es wird behauptet, daß durch das Dokumentin fünf Fällen die Verantwortlichkeituntergeordneter(!) ungarischer Beamter, darunter zwei Polizeibeamter, festgestelltwurde.ihm dieser Schachzug gelingt, endgültig als dergerissenste Diplomat des Nachkriegseuropa vorstellt.Italien hat in Genf in der Marseiller Sacheeine schwere moralische Niederlage erlitten. NichtUngarn, sondern Italien war der eigentliche Besiegte der letzten Genfer Tagung. Schmerzlichempfand Mussolini seine Isolierung im Völkerbund gegenüber der mächtigen französisch-russischen Gruppe. Kehrt aber Deutschland, und obendrein ein legal ausgerüstetes Deutschland, nachGenf zurück, so wird Mussolini jederzeit die Möglichkeit haben,Deutschlands Unter st ützunggegen Frankreich-Rußland zu finden und sich dannDes Gebäude der Hltlerfrontvon Polizei besetztSaarbrücken. Bor dem Gebäude derLandesleitung der„Deutschen Front" kam esMittwoch um%12 Uhr mittags zu einem Zusammenstoß zwischen Kolporteuren der«Reuen Saarpost"(eines Organes der hitlrrfeindlichen Katholiken im Saargrbiet) und Deutschfrontlern, indessen Verlauf die Kolporteure der„Reuen Saarpost" die Polizei alarmierten. Das Ueberfall-kommando der Polizei in Stärke von 70 Mannbesetzte das Haus und sperrte die Telephonzentrale. Um 2 Uhr nachmittag- hielt die PolizeidaS Gebäude noch besetzt und die Telephonleitungen gesperrt.AimmungsmomenteRicht besonders erfreulich für die Hiiler-anhänger ist die Tatsache, daß von der Vorabstimmung am letzten Sonntag, die für jene öffentlichenAngestellten bestimmt war» die am Wahltag imöffentlichen Interesse(bei der Eisenbahn usw.)Dienst machen müssen, nur rund 200 PersonenGebrauch gemacht haben.Der Führer der statuS-quo-Bewegung MaxBraun erklärt diese geringe Teilnahme damit,daß diejenigen, die sich der Abstimmung enthielten, befürchteten, daß das Geheimnis ihrer Abstimmung doch nicht ganz zuverlässig geschützt sei.Wären sie hitlerfreundlich gewesen, so hättensie sicher nicht gezögert, ihre Stimme für den Anschluß an Deutschland abzugrben, da sie in diesemFalle gar nichts zu befürchten gehabt hätten.Bezeichnend ist auch die Meldung der kommunistischen„Arbeiterzeitung", daß die Bankenin Forbach und in Saargemünd dasPersonal verdoppeln mußten, um denAndrang der Saarbrückener Bürger zu bewältigen, die französische Franken ein-legten, um sie nicht bei einer eventuellen Rückkehr des Saargebietes zum Reich in Mark umwechseln zu müssen.Großes Vertrauen in die Reichsmark scheintalso auch unter den Anhängern des Anschlussesan Deutschland gerade nicht zu bestehen!wieder von Frankreich für einen folgenden Verratan Deutschland bezahlen zu lassen. Deutschlandaber muß zum Dank dafür, daß Mussolini ihm dieAufrüstung bringt und die Rückkehr nach Genf ermöglicht, einen Gegendienst leisten, der, wie jetztschon deutlich Wird, in dem Beitritt zum österreichischen Garantiepcckt, also in der formellen Anerkennung der italienischenOberherrschaft über Oesterreichbestehen wird.Man muß gerechterweise zugeben, daßMussolini diesen Erfolg, der ihm augenscheinlichin nächster Nähe winkt, nicht nur durch seilte diplomatische Kunst und seine verwegene Rücksichtslosigkeit, sondern vor allem durch die II n e n t-schlossenheit, Angst und Kurzsichtigkeit seiner Gegenspielererrungen hat, die nicht begreifen wollten, daß eineKombination Paris—Kleine Entente—Moskauallein stärker gewesen wäre als mit Italien. Denngerade die volle Einkreisung Hitlers, dieLaval erreichen wollte, zerbricht die Zange umHitlerdeutschland und macht alle Erfolge zunichte,die der französischen Politik unter Barthou zugefallen waren.Die Einheftsfront hat beim Präsidenten derPlebiszitkommission gegen das Vorgehen des Bürgermeisters von Saarbrücken protestiert, welcherden Wahlaufruf der Einheitsfront beseitigen ließ.Bezüglich der Ausquartierung der kommunistischenPartei aus ihren bisher von der Stadt gemietetenRäumen hat der Stadtrat beschlossen, die Entscheidung bis nach dem Plebiszit zu verschieben./Lite Kämpfer— für den Status quo!Saarbrücken.(A. P.) Bor kurzem ist eine„Nationalsozialistische Deutsche Freiheitsbewegung" geschaffen worden, die sich zum Nationalsozialismus bekennt, aber gegen Hitler und dieNSDAP ausspricht, die Korruption in der Deutschen Front bekämpft und die Parole,„Zurück zu Deutschland, aber nie zaHitler"ausgegeben hat, sich also zum Status quo bekennt.Führer ist ein gewisser Dr. W i r s i n g, einalter Kämpfer, der ursprünglich zum Bund„Bayern und Reich" gehörte und im November1923 am Hitlerputsch teilnahm. Er erklärte, seineFreunde und er hätten an der Saar alles vorbereitet, um den Nachläufern der Deutschen Frontdie Augen zu öffnen. In diesem Sinne wirkt einBlatt„Deutsche Saar-Wacht". Kurz vor der Abstimmung soll von dieser Seite noch eine Broschürezur Beeinflussung der Indifferenten herauskommen.Ritter des Ordens pour le miritefür Status quolSaarbrücken.(A. P.) Der FliegeroffizierFranz K o r t a s, Ritter des Ordens pour lemörite und ehemaliger Teilnehmer der Richthofen-Flugstaffel im Weltkrieg, erließ einen Aufruf, indem er zunächst mitteilt, daß er wohl als einzigerSaarländer die höchste Ordensauszeichnung desReiches erhalten habe und fragt, wer ihn nun alsFranzosensödling oder Separatisten zu beschimpfenwage? Er bezichtigt in dem Aufruf vielmehr dieNationalsozialisten des Landesverrates wegenihrer Stellung zu Südtirol und zur Korridorfrageund fordert zur Stimmabgabe für den Status quoauf.Endkampf um die SaarErbittertes Ringen vor dem VolksentscheidDer Saarkampf hat seinen Höhepunkt erreicht. Das Dritte Reich läßt alle Minen springen» nm dieses Stück freien deutschen GrenzlandeS znrückznhelen und vor der Welt einen Prr-stige-Erfolg zu erfechten. Die Freiheitssrant stützt sich in ihrem heißen Ringen gegendie braune Uebermacht nur auf die herrliche Opferfreudigkeit der saarländischen Arbeiterschaft.Hitler hat die größeren Chancen. Seine Gegner versuche« das Minus an Geld und Gewaltdurch tapfere Gesinnung aufzuwirgen. Wir wird am Sonntag die Entscheidung ausfallen?Die Situation ist undurchsichtig. Neutrale Beobachter der BolkSstimmung rechnen mit einer knappen Hitlermehrheit, schließen aber einen UebrrraschungS-s i e g der Freiheitsfront nicht a«S.Getreidemonopolund BrotpreisGrundsätzlichesDie Sozialdemokratie hat unter ihren wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben dem Schutz derKonsumenten immer einen hervorragenden Platzeingeräumt. Das Einkommen der arbeitendenMenschen ist, auch in sogenannten guten Zeitendes Kapitalismus, immer ein so niedriges gewesen,daß die Sicherung der Kauflrast dieses Einkommens sich als selbstverständliche soziale Ausgabeder Vertreterin der Arbeiterklasse ergab. Aber diePreisbildung in der kapitalistischen Wirtschaft istkein einfaches Problem. Sie ist das Ergebnis einerganzen Reihe einander ost entgegenwirkender Faktoren, von denen manche von internationalen Verhältnissen abhängen, andere wieder der Beeinflussung durch politische Maßnahmen überhaupt entzogen sind. Das Letztere gilt ganz besonders vonder Preisbildung in der Landwirtschaft, die in hohem Maße von naturgegebenen Tatsachen abhängt.Darum kann das sachgemäße Eingreifen desStaates in die Preisgestaltung nicht einfach ineinem Preisdiftat bestehen, sondern muß aufzweckmäßige Organisierung der Produktion unddes Absatzes gerichtet sein.Von dieser Erkenntnis ist die Sozialdemokratie von jeher in ihrer Stellungnahme zur Frageder Getreidewirtschaft ausgegangen. Nur absichtliches oder unabsichtliches Mißverstehen hat dieseStellungnahme als Feindseligkeit gegen die landwirtschaftliche Bevölkerung deuten können. Wirsind freilich immer gegen eine Politik der mectm-nischen Preiserhöhung durch Zölle eingetreten, diebloß die Konsumenten schädigt, den Landwirtenaber höchstens vorübergehenden Nutzen bringt, weilsie weder die Preisschwankungen auf dem Weltmarkt, noch das Spiel der Spekulation auszuschalten vermag. Es war daher schon ein relativer Fortschritt, und zwar ein Fortschritt von nicht geringerwirtschaftlicher Bedeutung, daß in unserem Landezweimal, 1925 und 1930, beidemal unter demEinfluß der Sozialdemokratie, das System dergleitenden Zölle, bzw. Zollzuschläge angewendetwurde, das den Zollschutz an die Preisschwankungen anpaßt und daher die schädlichen Wirkungendieser Preisschwankungen sowohl für die Produktion, als auch die Konsumenten mildert.Für planmäßige Regulierung derGetreidewirtschaftAber wir haben schon damals kein Hehldaraus gemacht, daß wir einer planmäßigen Regulierung der Getreidewirtschaft, welche die Fixierung der Preise für Produzenten und Konsumenten ermöglicht, den Vorzug gaben. Damals habendie Agrarier die Einführung eines Getreidemonopols abgelehnt. Wenn sie nun nach fünf Krisenjahren, belehrt durch die fortdauernde und durchkeine Maßnahme bloßer Preispolitik zu bannendeNot der Landwirtschaft endlich zu der Monopollösung gegriffen haben, so können wir darin einevolle Rechtfertigung unserer wirtschaftlichen Voraussicht erblicken. Es entspricht ganz der herrschenden Begriffsverwirrung, die durch das sinnverwirrende Getöse der antimarxistischen Schlagworteherbeigeführt wurde, wenn die Schaffung des Getreidemonopols als Sieg des zielbewußten agrarischen Willens über sozialistische Ideenlosigkeithingestellt wird. Mag auch die Konstruftion dertschechoflowakischen Getreidegesellschaft, in der dieVertreter der organisierten Konsumentenschaft nurim Maße ihrer Potenz innerhalb der bestehendenWirffchast zur Geltung kommen können, nichtdurchaus unseren Wünschen entsprechen, grundsätzlich bedeutet die Uebertragung des Getreideaufkaufs und seiner Zuführung an den Konsum aufeine vom Staate kontrollierte Monopolgesellschaftden Sieg unserer konstruktiven Ideen. Die Sicherung stabiler Getreidepreise und die Fixierungder Spannung zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen, die spekulative Eingriffe ausschaltet unddabei die Jnteressenvertreter des Zwischenhandelsbereits zu den beweglichsten Klagen veranlaßt hat,bedeutet ein Stück Planwirtschaft, zu dem wir unsohne weiteres bekennen dürfen. Und wenn dieseRegelung den Landwirten gegenüber dem fraglichen und vorübergehenden Nutzen einer Zollerhöhung einen wirklichen und dauernden Vorteilgebracht hat, io können wir damit durchaus zu-