Ur 8 Donnerstag, 10. Jänner 1935 Seite 3 fudetendeuisdm Zeitspiele# Die Strömungen im Bund der Landwirte Die Meldung, daß der HeranSgeber desMontagsblatt", Egon Fischer, die Reor ­ganisierung der Landbundpresse übernommen bat, wird uns bestätigt. Die Berufung dieses Zei­tungsmannes, der seinerzeit gegen Henlein mehrfach in schärfster Weise Stellung nahm, auf einen so wichtigen Posten scheint mit den Strömungen zusammenzuhängen. Wie uns aus gutunterrichteten Parteikreisen mitgeteilt wird, wird im Lager Spinas mit zunehmender Nervosität beobachtet, daß die Henleinfront unter Bruch der seinerzei ­tige» Bereinbarungen ihre Agitation unter den deutschen Bauern fortsctzt. In einer am 13. Dezember in Z n a i m abgehaltenen Sitzung der südmährischen Kreisparteiver­tretung des Landbundes wurde beschlossen, von der Parteileitung dieunverzüglicheBe- kanntgabe der mit Henlein getroffenen Vereinbarung zu fordern. Auch zwei nordmährisch ­schlesische Kreise stellten das gleiche Verlangen mit der Begründung, daß jedes weitere Zuwarten auf Kosten des Bundes der Landwirte gehen müßte. Wie wir weiter hören, forderten die mährischen Kreise die Einberufung einer Sitzung der Reichsparteivrrtrrtung zum Zwecke einer definitiven Klärung des Verhältnisses zwischen Land­ stand und Heimatfront. der Sudetend irischen Volkshilfe Unser deutsches Bürgertum will vor den Wahlen seine Todfeindschaft gegen die Sozial­politik durch eine Spenden'ammlung maskieren. Nach dem Ueberschwang der Schriftleiterpreffe wünte man schließen, daß dieVolkshilfe" ge­radezu eine Lösung der sozialen Frage bedeute. So schlimm ist eS wieder nicht, wie obiges Bild lleigi. In Karbid wurde mal unparteiische Ge- rechtigkest geübt und ein Arbeiterturner erhielt von derVolkShilfe" großmütig ein Paar Schuhe ge­schenkt, dessen getreues Abbild wir unseren Lesern nicht vorenthalten können. Die Schuhe wurden im Fenster des Karbitzer Arbeiterheimes^ausgestellt und von den Arbeitslosen viel bewundert, bis die Gendarmerie aus unerfindlichen Gründen deren Entfernung veranlaßte. So soll nun die weitere sudetendeutsche Oeffentlichkeit dieses Beispiel der Hilfsbereitschaft unseres nationalen Bürgertums schauen dürfen. Auf ein Paar zerrissene, alte Latschen kommt es ihm wirklich nicht an, wenn die Hoffnung winkt, daß nach dem Rezept der Heimat­front künftig jeder Groschen Unterstützung durch Zwangsarbeit abgearbeitet werden soll. eine Zeitschrift der Jugend Eine neue Jugendzeitschrift erscheint mit Be­ginn dieses Jahres unter dem TitelD a s junge Volk". Das erste Heft dieser Monats­schrift wird eingeleitet von einem kurzen program­matischen Aufsatz;Bekenntnis, Weg und Ziel", der sagt,»Das junge Volk" wolle der jungen su­ detendeutschen Generation Führer und Berater sein. Verbundenheit mit der Jugend schließe jede Gemeinschaft mit Faulem und Schlechtem, jede Ucbereinstimmung mit politischer und gesellschaft­licher Unwahrheit und Unmoral, jede Duldung des Muckertums, des Rückschritts und des Vernebelns der Wirklichkeit aus... Wer die Jugend führen und beraten wolle, müsse sich zur Wahrheit, zum Fortschritt und zur Freiheit bekennen. Der In­halt des Heftes dieser verheißungsvollen, von jun­gen Menschen für junge Menschen geschriebenen Zeitschrift rechtfertigt die Verheißungen der pro­grammatischen Erklärung. Das Jänner-Heft bringt Gedichte von Karl Henckell , Kurt Doberer, Jilius Zerfaß, Jürgen Brand, Alfred Grünwald , einen Aufsatz über die zweijährige Dienstzeit, einen Brief Karl Liebknechts an seinen reifenden Sohn (mit Bild Liebknechts), einenBlick in die Welt": zeitkritische Bemerkungen, ein Bruchstück aus dem Roman Upton Sinclairs«Samuel der Suchen­de", Anmerkungen und Mitteilungen überJu­gendnot und Jugendschutz", ein Bruchstück aus der erschütternden Biographie des steirischen Arbeiter­führers Koloman Wallisch , die seine Gattin unter dem TitelEin Held stirbt" herausgab, einen kur­zen Aussatz überDie Sendung der Arbeiterju­gend", Berichte aus der Jugendbewegung, Briefe überBerufe der Jugend", ferner einen auf be­sonders wichtige Bücher verweisenden Aufsatz: Freunde, wir wollen lesen!", eine Schilderung des Sklavenlebens japanischer Proletariermädchen, eine Skizze MultatuliS, einen Aussatz Wilhelm Bölsches:Der nackte Leib" und noch verschiedene Kleinigkeiten. Ein paar gut auSgewählte Bilder schmücken daS Heft, das durch seine frische Haltung, durch seine Aufmerksamkeit für alle Jugendfragen, durch die Weite des Blicks und die Offenheit der Etzrache an die beste aller Jugendzeitschriften, an die von Waller Hammer herausgegebenen.^Zun­gen Menschen" erinnert. Und das ist ein hohes Lob! Die neue Zeitschrift ist wirklich so geartet, daß sie d i e Zellschrift der sudetendeutschen Ju­gend werden kann, jenes Teiles der sudetendeut­ schen Jugend, der das große Vermächtnis der frü­heren deutschen Jugendbewegung: wahr, aufrich­tig, freiheitsliebend zu sein, noch heilig hält. Das Junge Voll" wird, diese Prophezeiung darf ge­wagt werden, Wortführer eines großen Teiles un­serer Jugend werden, jenes Teiles der Jugend, auf den bei Gestaltung der Zukunft gerechnet wer­den kann. jh. Wichtige Schulungsarbeit Ende Dezember und Anfang Jänner sanden im Erholungsheime der Arbeiterfürsorge in Hirschberg wichtige Kurse statt. Der erste Kurs, der in der Zeit vom 27. bis 30. Dezember abgehalten wurde, versammelte 43 Kreis- und Bezirks-Sekretäre unserer Par­tei zu mehrtägiger Schulungsarbeit. Das Pro­gramm dieser Schule war folgendes: 1. Lage und Aufgabe des Sozialismus in unse­rer Zeit; Vortragender Genosse Jak sch. 2. Die wirtschaftliche und soziale Struktur im su» detendeutschen Raum; Vortragender Genosse Rehwald. 8. Massenpsychologie; Vortragender Genosse Stern. 4. Ausbau der Organisation und der Propa­ganda: Vortragende die Genossen Kogler undPaul,,,............ An alle Vorträge schloß sich eine sehr ein­gehende Diskussion. Der Kurs, der von der Zentralstelle für das Bildungswesen veranstaltet wurde, hat einen vollkonimen zufriedenstellenden Verlauf ge­nommen. Für die Zeit vom 2. bis 6. Jänner hatte der Reichserziehungsbeirat die E r z i e h u n g 3- funktionärezu einem Kurs zusammen­berufen. Es nahmen an ihm 45 Funktionär« des Atus, der Kinderfreunde, des Sozialistischen Ju­gendverbandes und des Aruk teil. Der Kurs wurde mit einem Vortrage des Genossen I a k s ch über dieWeltlage des Sozialismus" eingeleitrt. Darauf berichteten die Vertreter der einzelnen Erziehungsorganisationen(die Genossen Hocke, Storch, Karl Fester und Kern) über die Arbeit und die Erziehungsziele ihrer Verbände in anschaulicher Weise. Am dritten Tage des Kur­ses behandelte Genosse Dr. Josef Luitpold Stern das ThemaJugend-Psychologie". Ueber Fragen gemeinsamer Zusammenarbeit alle: Erziehungsorganisationen referierte sodann Ge­nosse Paul. An seinen Vortrag schloß sich eine mehrstündige, außerordentlich interessante Dis­kussion, in der der Wille betont wurde» in gemein-- samer Arbeit die Erziehungseinrichtungen für die proletarische Jugend auszubauen. Beide Ver­anstaltungen haben die Aufgaben der Partei und der Erziehungsorganisationen für das Jahr 1935 in zweckmäßiger Weise abgesteckt. I Okkendsnmgseld einer Gemeinde Die polllische Gemeinde Zettlitz , die durch die unverantwortliche Wirtschaft des deutschnationalen Ortsvorstehers Schlosser in große Bedräng­nis geriet, ist infolge der Unmöglichkeit, ihre Zah­lungsverpflichtungen zu erfüllen, in eine schwierige Situation gekommen. Sie schuldet u. a. der Pen­sionsanstall 5000 und weitere 402 KC. Da alle Versuche, die rückständigen Pensionsbeiträge eindringlich zu machen, fruchtlos bleiben mußten, trieb die Pensionsanstalt die Gemeinde Zettlitz zum Offenbarungseid. Auch die Staats­druckerei, der die Gemeinde 300 KL schuldet, llagt auf Zahlung von 180.50 KL und verlangte die Leistung des Offenbarungseides. Gemeinveoor- steher Schreüer verweigerte jedoch die Eidesleistung und nahm den Auftrag des Gerichtes zur Kennt­nis, die schuldigen Beträge so bald wie möglich einzuzahlen. Die durch Schlosser ruinierte Orsschast Zett­litz schuldet der Gemeinde Zettlitz gegen 300.000 KL, einen für die Verhältnisse ungeheuer großen Betrag. Die bürgerliche Presse, die über den ge­schilderten ungewöhnlichen Tatbestand berichtete, schweigt sich über die Ursache des Zusammenbruchs der Gemeinde aus. Sie hat dazu allen Grund. Aber alle Schleusen der Gesprächigkell würden sich öffnen, wenn Schlosser ein Sozialdemokrat ge­wesen wäre. Dann ginge es weniger um die Fest­stellung eines sensationellen Tatbestandes als darum, die Unfähigkeit und Schlechtigkeit der Sozialdemokraten ganz allgemein anzuprangern. Wie wir bereits berichteten, hat die Ent­hüllung von sozialdemokratischer Seite, daß ein Sonderdelegierter Hitlers im vori­gen Monat Fühlung mit Max Braun gesucht hat, um die Möglichkeiten eines friedlichen Ueberein- kommens zu sondieren» auf Seite der Deutschen Front große Verlegenheit ausgelöst. Montag abends hat Max Braun selbst im Straßburger Rundfunk diese Tatsache bestätigt und darüber folgende Darstellung gegeben: .Vor einigen Wochen hat der Saar -Kommissar des Dritten Reiches . Josef B u r ck e l. seine rechte Hand, den ftüheren Pressechef der.Deutschen Front", .Lr.-K»n i g, nach.Saarbrücken gcschickr, der um eipe Unterredung mit Braun bat, die er auch erhielt. In einer etwa« mehr alb zweistündigen Unter­haltung erklärte Dr. König, daß der Führer außerordentlich bedauere, daß er im Reichstag im März 1933 dieBolksstimme" und Max Braun als Landesverräter bezeichnet habe und daß in der Propaganda derDeutschen Front" immer wieder der Ausdruckseparatistisch" gegen die Status-mw-Bewegung, insbesondere aber auch gegen dieBolksstimme" und Max Braun gebraucht wurde. Sie alle seien, sowohl in Neustadt wie am Nnndfunk in Stuttgart und auch in Berlin r e st- los davon überzeugt, daß das Deutschtum der Status-guo-Anhänger, sowohl der Sozialisten, wie der Kommunisten und auch der Katholiken gar nicht in Zweifel gezogen werde» k ö n ne, um mit den StatuS-guo-Anhängern, irzw. Max Braun , die Fühlung aufzunehmen, da dir Gefahr bestehe, daß daS Saargebiet geteilt werde. Ma« wisse durchaus, daß der Ausgang der Ab­stimmung noch absolut zweifelhaft sei. Jedenfalls sei klar, daß sich gegenübersteben würden: eine kleine Majorität und eine große Minorität. Das berge aber die große Gefahr der Teilung in sich, und deshalb sei er gekommen, um Max Braun zu fragen, ob er bereit sein würde, einen hohen Führer aus der nächsten Umgebung des Reichskanz­lers, der mit großen Konwetenzen kommen werde, zu empfangen und anzuhören. Der Mann werde einige Vorschläge unterbreiten, die in der Richtung der Wahrung der nationalen Belange des Staatsge­bietes liegen sollten, und er werde dazu alleBoll- Aufsehenerregende Verhaftung Der christlichsoziale Vizebürgermeister und Stadtrat der Stadtgemeind- B i l i n, der Bahn­beamte Hermann Schreite r, wurde am Diens­tag, den 8. Jänner, in den Abendstunden verhaftet und dem Bezirksgericht eingeliefert. Die Verhaftung erfolgte wegen Unregel­mäßigkeiten bei der Regickohle und ist schon älte­ren Datums. Schreiter war ein prominenter Führer der christlichsozialen Partei und bekleidete eine Reihe wichtiger Funktionen. Familiendrama in Neu-Titschein. Montag hat der arbeitslose Hutmacher Otto Schindler seine Ehefrau in Gegenwart der Kinder durch mehrere Messerstiche getötet und dann selbst Hand an sich gelegt. Dgs Motiv der Tat ist sozialer Art. Schindler wurde im Kriege einmal verschüttet und litt an Aufregungszu­ständen. Er hinterläßt drei kleine Kinder, von denen das jüngste erst 11 Monate zähll. Ein tragischer Unglücksfall ereignete sich Mittwoch nachmtttags auf dem Hammerteich in Liebenstein. Dort vergnügte sich mit andern Kin­dern der 13jährige Sohn Hans des Schuhmacher­meisters Winterling mit Schlittschuhlaufen. Plötzlich brach der Junge am Eise ein, und zwar gerade an einer Stelle, wo der Teich sehr tief ist. Die Mutter des Jungen brach angesichts des Un­glücks am Ufer ohnmächtig zusammen. Nach drei­viertelstündigen Rettungsarbeiten konnte die Leiche des Jungen geborgen werden. Den Eltern wendet sich allgemeine Teilnahme der Bevölkerung zu. machten haben, um im direkten Auftrag« des Führers jede Art von Vereinbarung zu tref­fen, die einer Teilung des Gebietes entgegenwirken könnten. Als Mar Braun ihm erklärte, daß ein solcher Besuch ganz überflüssig sein werde, wenn der betreffende Abgesandte versuchen sollte, die An­hänger zu einer Abstimmung für Hitler zu bewegen, waS niemals in Frage kommen könne, machte Dr. König eine Andeutung, daß es auch noch andere Wege gäbe, um eine Teilung zu verhüten und daß auch der Status guo eine deutsche Lösung d a r st e l l e, der ja ganz zweifellos durch eine spätere Abstimmung für Deutschland abgeändert werden könne. Diese Unterredung hat in Gegenwart eines Zeugen stattgefunden, nämlich des Redak­teurs Schulle von derVolksstimme", der von An­fang bis zu Ende die Unterhaltung verfolgte, sich darüber Notizen machte und unmittelbar nach der Unterhaltung ein Protokoll angefertigt hat, so wie es Braun im Rundfunk mitteilte und dies veröffentlicht wird. Wie auS dieser Unterredung ganz zweifellos hervorgeht und wie Brann in seiner Rundfunkrede auch betonte, ist von Siegeszuversicht imDritten Reich " nichts z« merken! Etwa 10 Tage später hat der frühere Staats­kommissar der bayerischen Regierung für das Saar­gebiet. OberregierungSrat Dr. Binder in Wald­mohr, der auch die baverische Regierung bei den Saar­verhandlungen im Jahre 1980 in Paris vertreten hatte,«ine Unterredung mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten im Landesrat, Lieser, nachgesucht. In dieser Unterredung bat Dr. Binder unge­fähr die gleichen Gedankengänge ent­wickelt wie Dr. König bei Map Braun und hat dabei einleitend bemerkt, daß es keine größere Dummheit und Unwahrheit gebe, als den Gegnern Hitlers an der Saar ihr Deutschtum und ihren Patriotismus abzusprechen. Herrn HitlerS Delegierte baden also selbst zugegeben, daß die Haltung der Sozialdemokraten, die für den status qno eintrctcn, weil sie nicht an ein Hitlcrdentschland fallen wollen, mit Landes­verrat und ähnlichen Dingen nicht das ge­ring st e zu tun hat. Was natürlich unsere sudetendeutsche Provinzpresse nicht hindern wird, weiterhin über denBolksverrat" der Sozial­demokratie im allgemeinen und der Saar -Sozia­listen im besonderen zn schreien! Statt 100.000 6000! Ziffern-Kunststücke der Goebbels- Propaganda Wie wir der Saarbrückener Bolksstimme" vom Dienstag entnehmen, waren bei dem Auf­marsch vom Sonntag über 100.000 Teilnehmer zu verzeichnen. Wie stark der Eindruck der gran­diosen Kundgebung auf gegnerischer Seite war, geht am besten aus der Art und Weise hervor, wie der braune Stuttgarter Sender diese Kundgebung zu verkleinern suchte. Er meldete sage und schreib« sechstausend Teilnehmer, während er die .Kundgebung der Deutschen Front auf dem Wacken , berg ins Riesenhafte vergrößerte. Außerdem wurde noch gemeldet, daß die Eisenbahndirektion des Saargebietes 33 von der Deutschen Front be­stellte Sonderzüge nicht befördert habe, so daß noch Zehntausende unfreiwillig hätten zurückblei­ben müssen. Demgegenüber stellt dieBolksstimme^ fest, daß überhaupt keine Sonderzüge für die Deutsch « Front gefahren sind. Es wurden ledig­lich die fahrplanmäßigen Zi^e verstärkt, wovon einige nicht einmal voll besetzt waren! Illflcr HlrditctdlcTcilung der Saar Auf einmal war Mai Braun KeinLandesverräter