«r. 9 Freitag, 11. Jänner 1935 Seite 5 Verunglückte Schulkinder New Kork. Wie aus Deadwood (Süddakota ) berichtet wird, stieß bei dem Ort Piedmont, etwa 40 Kilometer von Deadwood entfernt, ein Kraftomnibus» der 20 Schulkinder beförderte, mit einem Lastkraftwagen zusammen. Fünf Schulkinder wurden dabei getötet und 14 verletzt. Bon den letzteren haben fünf schwere Verwundungen davon getragen. Die Kinder gehörten Kriegsteilnehmerfamilien an und waren in einem Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes untergebracht. Brennendes Kautschuk-Lager bedroht eine Stadt Grenoble . In der Nacht zum 10. d. M. brach in einem Kautschuk-Lager ein Feuer aus, welches rasch große Ausdehnung annahm und das ganze Stadtviertel bedrohte. In den Morgenstunden dauerte der Brand noch an. Ertappte Balutenschmrrggler. Die Wiener Polizei verhaftete den Kaufmann Markus Spira-Kühn in dem Augenblick, als derselbe mit einer größeren Balutensumme mit der Nordbahn nach der Tsche choslowakei reisen wollte. Die Wiener Polizei harte bereits längere Zeit hindurch davon Nachricht, daß Spira-Kühn in illegaler Weise mit Valuten handle und fie über die Grenzen bringe. Nach längerer Verfolgung seiner Spuren ertappte sie ihn bei der Tat. Bei dem Verhafteten wurden 60.000 KC, 65.000 Lire, 22.000 Schilling, 600 polnische Zloty sowie andere Valuten aufgefunden und beschlagnahmt. Reue Erdstöße am Marmara-Meer . Nach ausführlicheren Nachrichten aus Moskau über die Stürme, die an den Küsten des Schwarzen Meeres herrschten, setzte der scharfe Nordostwind bereits am 4. Jänner ein und erreichte am 7. Jänner Orkanstärke von 60 Meter pro Sekunde. Die Temperatur sank auf 26 Grad unter Null. Gleichzeitig trat ein dichter Nebel auf. Der dänische Dampfer„Bornholm " geriet im Nebel auf eine Sandbank. Es wurden alle Vorkehrungen zu seiner Rettung getroffen. Der griechische Dampfer„Virginia" wurde vom Eis blök» kiert. Heute ließen die Stürme ein wenig nach, die Fröste halten jedoch an und in der Nacht lvurden—SO Grad verzeichnet. Stürme von dieser Stärke waren in diesen Gebieten seit dem Jahre 1929 nicht mehr vorgekommen.— Pariser Blätter melden aus Jstambul, daß Mittwoch am Ufer des Marmarameeres neuerliche Erdstöße verspürt wurden. Ungefähr zehn Dörfer sind teilweise zerstört. Ss wurden 10 Tote und 100 Verwundete gemeldet. New Norkrr Hafen durch Rebel lahmgelrgt. Der dicht« Nebel, der sich als erhebliches Schiffahrtshindernis geltend gemacht hat, hält noch immer an, und zwar fast auf der ganzen atlantischen Küste der vereinigten Staaten. Am New Parker Hafen find ganz ungewöhnliche Verhältnisse eingetreten. Der verkehr ist völlig lahmgelegt. 20 Schiffe liegen auf der Reede und warten vergeblich auf eine Mög- lichke'it zur Einfahrt. Nur drei Dampfern ist eS gelungen, unter größten Vorsichtsmaßregeln aus dem New Uorker Hafen auszulaufen. Mit dem Nebel zugleich ist eine erhebliche Erwärmung eingetreten. In- folgedeffen führen alle Flüsse im oberen Teile de» Staates New Pork Hochwasser. Die Aecker stehen weithin unter Wasser. Zahlreiche Ortschaften sind überflutet. Wahrscheinliche» Wetter Freitag: Vorwiegend bis wechselnd bewölkt, vielfach nebelig, nur noch strichweise Schneeschauer, schwacher bis mäßiger Frost. Wetteraussichten für Samstag: Weitere Abschwächung der Fröste. Der entlarvte Robot Zwerg al» Seele eine» Maschinemnenschen— Ein aufmerksamer Polizist In hellen Scharen war die Bevölkerung von Pavia in ein Varietö gekommen, um dort den Vorführungen eines Robot, eines Maschinenmenschen, beizuwohnen. Die Veranstalter hatten eine riesige Reklame für diesen Robot entfaltet, den sie als den Menschen des kommenden Jahrhunderts bezeichneten. ES war ihnen auch tatsächlich gelungen, in Genua , Mailand und anderen großen italienischen Städten, sämtliche Eintrittskarten für ihr« Veranstaltungen zu verkaufen und bei dem Publikum einen tiefen Eindruck zu hinterlassen. In Pavia sollte sie jedoch ihr 180 Jahre„Times" Am 1. Jänner 1786 erschien die erste Nummer des„Daily Universal Register", das bald den Namen„The Times" annahm. Der Aufstieg zum größten und einflußreichsten Blatt der Welt ist zugleich eine Geschichte der Zeitung vom bloßen Journal d'information, abhängig von Gunst und Laune der Regierung, zur unabhängigen Meinungspresse. In dieser Zeit schuf sich die Times durch die besondere Fähigkeit ihrer Leiter John Walter H. und Thom. Barnes eine einzigartige Stellung. Die Times war von Anfang an das Blatt der aufgeklärten englischen Mittelklassen, mit ihnen stieg sie zur Macht und Bedeutung auf, mit ihnen finden wir sie im Kampf gegen Sflaverei und die brotverteuernden Corn Laws und für die Wahlreform, mit ihnen in diesem Jahrhundert im, allerdings immer nobel geführten, Kampf gegen die Arbeiterpartei und die beiden Labourregierun- gen. Die große Bedeutung der Times liegt in der Fülle zuverlässiger Meldungen aus allen Schicksal ereilen, das in der Gestalt eines Polizisten, der plötzlich auf der Bühne erschien. Der Maschinenmensch bestand aus Leichtmetall und enthielt angeblich einen äußerst komplizierten Maschinismus, der ihn instand setzte, die schwierigsten Arbeiten auszuführen. Der„Erfinder" braucht« lediglich auf einen Knopf im Rücken des Robot zu drücken, um ihn Kartenkunststücke, physikalische Experiment« und allerlei Jongleurkunststücke ausführen zu lassen. Während das Publikum reichen Beifall spendete, trat der Polizist, der von seinem Teilen der Welt und die ausgezeichneten Leitartikel— täglich erscheinen vier— die fast immer Meisterstücke politischer Kommentierung sind. Dazu kommt eine Anzahl von Artikeln und Berichten und die„Briefe an den Herausgeber", die Seiten füllen. Diese, meist von hervorragenden Leuten des öffentlichen Lebens geschriebenen Briefe, haben eine ähnliche, ost sogar eine größere Bedeutung als eine Parlamentsrede. Die Times war die erste Zeitung der Welt, die unzufrieden mit den dürftigen Nachrichten aus dem Ausland, die auch noch oft durch die Post zurückgehalten wurden, in die wichtigen Städte Europas ständige Korrespondenten schickte, um den berühmten englischen Appetit nach Neuigkeiten zu befriedigen. Jetzt war die Times besser informiert als die europäischen Regierungen und der Zar las das französisch-englische Ultimatum» das zum Krim -Krieg führte, in der Times, bevor er es offiziell erhielt. Berühmt ist die Tätigkeit des Korrespondenten Popper- Blowitz, eines gebürtigen Böhmen , auf dem Ber liner Kongreß. Die Times hat man einmal eine Großmacht und ihre Korrespondenten Botschafter Stuhl in der ersten Parkettreihe alles genau beobachtet hatte, auf den Maschinenmenschen zu und riß ihm an der Brust ein« kleine Klappe auf. Sofort erhob sich ein tolles Gelächter, denn im Innern des Robot sah man einen Menschen, einen Liliputaner. Er machte ein sehr verdutztes Gesicht, als er aufgefordert wurde, aus dem Mechanismus herauszuklettern und dem Polizisten zusammen mit den Unternehmern und dem„Erfinder" auf die Wache zu folgen. Die Zuschauer nahmen die ganz« Sache von der heiteren Seite, sie waren bei der dramatischen Verhaftung durchaus auf ihre Kosten gekommen. dieser Großmacht genannt. Keine Regierung, ob englisch oder ausländisch, hat es sich mit dieser Macht gerne verdorben. Politisch ist die Times die Stimme des kon- servativ-demokrafischen Bürgertums. Als erste Zeitung der Welt wirtschaftlich unabhängig, erhob sie ihre Stimme nicht nur im wirtschaftlichen Interesse des Bürgertums, sondern auch für die demokratischen Freiheitsideale dieser Klaffe», auch wenn sie vom Bürgertum selbst verletzt worden waren. So fand sie der Fascismus im Lager seiner schärfsten Gegner— sehr im Gegensatz zu den bürgerlichen Blättern des Kontinents, für die die Höhe der Auflage und nicht politische Meinung leitendes-Prinzip ist. Im Kampfe gegen fasci- stischen Terror, Antisemitismus und politische Verfolgung hat die Times ihre große Autorität und das Talent ihrer besten Mitarbeiter immer für die Freiheit und gegen die Unterdrückung eingesetzt. Ihr Jubiläum ist zugleich ein Bekenntnis zu den politischen Prinzipien, die die Bourgeoisie zu einer historischen Klasse gemacht haben und deren Aufgabe den Verzicht auf ihren Machtanspruch einschließt. O. F. der seinen Mann ernährt und ihn von elterlichen Zuschüssen unabhängig machte. Mancher junge deutsche Offizier wird die Welt noch oft in Verwunderung fetzen, es ist lohnend, ihn im Auge zu behalten, denn in ihm spiegelt sich das Wehrproblem der heufigen Ge« fellschaft, auch insbesondere des Dritten Reiches . F. W. Gcrlchtssaal Zwei bemerkenswerte Urteile Das Dritte Reich rmd die Offiziere Der heutige deutsche Offizier gleicht dem alten preußischen von gestern in keiner Weise mehr. Sie sind voneinander um eine ganze Welt verschieden, wenn ihre gemeinsame Welt auch die des Soldaten ist. Man^starrt viel zu sehr auf den deutschen Vorkriegsmilitarismus und übersieht die enormen Wandlungen, die sich im Militarismus im allgemeinen und im preußischen insbesondere vollzogen haben. So hat man Jahre hindurch in der SA die größte und beste Armee der Welt gesehen, um erst nach dem 30. Juni zu wissen, daß von dieser „größten und besten Armee" niemand weniger gehalten als die deutsche Reichswehr , die nicht nur gegen die braune Konkurrenz, sondern auch gegen ein überholtes Prinzip einer Wehrorganisation und Ausbildungsweise ankämpste. Führende Zeitungen haben kürzlich mitgeteilt, daß die Reichswehrleitung sich dagegen wehrt, das von ihr benötigte Soldatenmaterial aus den noch vorhandenen Resten der SA zu holen, weil sie in diesen gedrillten Leuten militärisch verbildete Menschen sieht. In der SA lebt tatsächlich der alte Preußengeist. Das gestrige Preußentum hat im Welt- kriege seinen Wert und damit seine Berechtigung verloren. In der Reichswehr wird ein völlig neuer Soldatentypus herangebildet, da die veränderten Kampfformen und die völlige Auflösung der geschlossenen Formation einen selbständigen und gewandten Einzelkämpfer mit großem Persönlichkeitswert notwendig gemacht haben. Wenn nun schon der Soldat eine Persönlichkeit sein mutz, welche grotzen Qualitäten werden da erst vom Offizier erfordert? Als Drill und Kadavergehorsam noch die Grundlagen der militärischen Ausbildung und die Anforderungen an den einzelnen Mann viel geringer waren, da konnte„der alte sture preutzische Offizier" den an ihn gestellten Ansprüchen noch genügen. Doch jetzt ist seine Zeft vorüber, der Offizier mutz heute so beweglich sein, wie der moderne Krieg selbst. Ist dies ein Grund für die relative Modernität de» heutigen jungen Offiziers in Deutsch land , so ist ein weiterer in der Tatsache zu suchen, daß der Weltkrieg den alten Rüstungsbegriff völlig zerschlagen und die Lehre gezeitigt hat, datz nur die Nation siegen kann, die sich in bezug auf die Organisation der Wirtschaft ohne Rücksicht auf Einzel« und Gruppenintereffen ganz und gar den Notwendigkeiten kriegericher Handlungen unterwirft. Dazu gehört vor allem, was Deutchland anbelangt: Siedlung im ostelbischen Gebie ohne Rücksicht auf die Interessen der Großgrundbesitzer, staatliche Kontrolle oder gar staatliche Leitung der Wirtschaft, möglichst weitgehende Sozialpolüik zwecks Erhaltung der Wehrkraft und Gewinnung der entscheidenden Massen des Volkes, insbesondere der Jndustriearbeiterschast, deren Bedeutung für die Kriegsführung in» Ungeahnte gestiegen ist. Alles das haben junge Offiziere von Hitler erhofft und ein Teil war aus diesem Grunde nationalsozialistisch. Aber diese jungen Nationalisten wurden enttäuscht. Viele schon lange vor dem 30. Jänner. Der Abfall der aktiven Offiziere der deutschen Reichswehr Scheringer, Wend und L u d i n von der nationalsozialistischen Partei, Leutnant Scheringers Anklage:„Hiller ist ein Verräter I" und sein ausschließlich aus nationalistischen Gründen erfolgter Uebertritt zur KPD im April 1931 muß aus dieser Enttäuschung heraus verstanden werden. Werwolle und in ihrer Weise aufrechte junge Nationalisten haben Hitler gerade darum bekämpft, weil sie nicht glauben konnten, datz die von ihnen angestrebten Ziele im Bunde mit dem Großgrundbesitz und der Schwerindustrie zu erreichen sind. Auch wurden sie von dem Hatz gegen die Arbeiterschaft und von Hitlers Rutzlandfeindlichkeit abgestotzen, denn diese jungen Nationalisten wutzten, datz sie im Innern der Ar- bester und als Rückendeckung im Osten Rutzland nötig haben. Als Schleicher Reichskanzler wurde, stiegen bei vielen die Hoffnungen, datz nun der Weg zum Volk geebnet werde. Sie begrüßten Schleichers Gewerkschaftsfteundlichkeit, sie stimmten völlig seinen Worten zu, datz er«weder Sozialist noch Kapitalist sei, aber die Reichswehr nicht dazu da sein könne, überalterte und unhaltbar gewordene Besitzverhältniffe zu verteidigen", und sie waren oft noch radikaler. Um so verbitterter waren sie, als der Nationalsozialismus dann durch das Harzburger Bündnis den General von Schleicher stürzte und dadurch sowohl den Großgrundbesitz als auch die Schwerindustrie und andere Kreise vor dem staallichen Zugriff bewahrten. Sie wußten, datz dieses Bündnis die Kluft, die sich durch die Nation zog, noch erweitern müsse. Sie fahen später besorgt, datz ihre schlimmsten Befürchtungen übertroffen wurden. Wo wird gesiedelt, wie wird der Arbeiter gewonnen, wo plant der Staat im Gesamttnteresse, wo werden notwendige Enteignungen vorgenommen, wo bleibt die deutschruffische Freundschaft, was für ein niederträchtiges Geschäft hat man aus dem Arbeitsdienst gemacht! Das sind nur einige ihrer Sorgen. Da in sozialer Hinsicht nichts erfolgte, was die Gegensätze lockerte, mutzte überall der Drill in den Vordergrund gerückt werden, worin der moderne Offizier ein großes militärisches Problem sieht. Die jungen Offiziere wutzten recht gut, daß die während der Weimarperiode aufgebaute und relativ moderne Form der Reichswehr sich in der allgemeinen Reaktion des Dritten Reiches nicht behaupten lassen wird, wenn es ihnen nicht gelingt, Deutschland in ihrer Weise neu zu formen. Es gelang ihnen bisher nicht, so mutzte Hitler seinerseits in das Leben der Reichswehr eingreifen, um sie seiner Herrschaft anzupassen. Jnteressanterweise waren junge Offiziere in Deutschland schon einmal, und zwar rm Anfang des 19. Jahrhunderts, im Rahmen des damaligen Deutschland relativ modern, weil sie zwecks Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht Vorkämpfer der Bauernbefreiung und anderer Reformen werden mutzten. Es ist sehr bezeichnend, daß sich heutige Offiziere auf die damaligen Armeereformen berufen. Was gestern die allgemeine Wehrpflicht war, das. ist heute die„totale Arbcitsmobil- machung, die nur in dem Matze gelingen kann, als es gelingt, Beziehung zur Gestalt des Arbeiters zu bekommen", sagt ein gewesener Reichswehroffizier und Vcrireter des neuen jungen deutschen Nationalismus, Ernst Jünger . Aus all dem Gesagten ergibt sich wohl klar genug, warum ein Test der heutigen deutschen Offiziere gegenüber dem nationalsozialistischen Regime nicht„reaktionär" ist. Der reaktionäre Offizier der Vorkriegszeit ist im wesentlichen ein« überwundene Erscheinung. Zum allergrößten Teil fiel er schon am Anfang des Krieges an der Mame, seine Stelle nahm mehr und mehr der aus bürgerlichen Kreisen stammende Reserveoffizier ein. Am Ende des Krieges war die deutsche Armee nicht mehr die vom Volke abgesonderte und schon darum auf sterilstem Drill beruhende preußische Armee, sondern eine Miliz von 4 Millionen Soldaten. Von den vorhandenen 40.000 Offizieren wurden die 4000 anpassungsfähigsten und jüngsten herauSgesucht und in die neue, vom General von Seeckt organisierte deutsche Reichswehr übemommen. Der Offiziersberuf hörte nach 1918 zur Unzufriedenheit des Großgrundbesitzes und anderer Kreise auf, ihr Privileg zu sein, durch gute Besoldung wurde der Beruf des Offiziers einer. Prag . Vor dem hiesigen Kreisgericht wurden Donnerstag zwei interessante Verhandlungen zu Ende geführt, über die wir seinerzeit bereits referiert haben.* Bier Jahre schweren Kerker» für den Magistratsvorstand Pechold. Ueber die BetrugSanklage gegen den pensionierten Amtsvorstand des Prager Magistrats Eduard P e ch o l d haben wir bereits anläßlich der ersten. Verhandlung vor einer Woche eingehend berichtet. Dieser 64jährige sympathisch aussehende, elegant ge-. kleidete und mit dem Nimbus eines höheren Beamten umgebene Kavalier hat nebst verschiedenen anderen betrügerischen Akttonen auch vier Frauen auf dem Wege des Heiratsschwindels um riesige Beträge geprellt. Die Anllage verzeichnet einen Gesamtschaden von über zwei Millionen Kä, Seine Opfer lockte dieser Gauner durch verheißungsvolle Inserate in der„Närodni Polittka" an, in denen er sich als..M a n n, w i e e s w e n i g e gibt," kennzeichnete. In erster Reihe nahm er natürlich reiche Frauen aufs Korn— eine seiner vier„Bräute" hat ihm mehr als eine Million in den Rachen geworfen. Aber er schreckte auch nicht davor zurück, eine arme Kaffeehausgarderobierin um ihre letzten Ersparnisse zu bringen und durch Kautions» , und Wechselschwindeleien verschiedenen Keinen Leuten j ihre sauer ersparten Groschen herauszulocken. Ratür» ■ sich trat dieser famose Amtsvorstand bei seinen Be» j trügereien als schwerreicher Mann, Großgrund- I besitzer usw. auf. Um sich in das Vertrauen seiner Opfer einzuschleichen. Als Gehilfin diente ihm die ! vielfach vorbestrafte alte Berufsbetrügerin Mari« ! Eisenköhl aus Zizkov , die gleichfalls unter Anklage der Mittäterschaft neben dem Herrn Amtsvor- stand auf der Anklagebank saß. Rach langstündmer Verhandlung erkannte der Gerichtshof des OGR. Dr. Novotny sowohl den Herrn Eduard P e ch o l d. als seine Helferin schuldig. Der ehemalige Amtsvorstand Pechold wurde zu vier Jahren schweren und verschärften Kerkers verurteilt. Seine Gehilfin, die alte Betrügerin Marie Eisrnkohl zu fünfzehn Monaten schweren und verschärften Kerker-, wobei gleichzeitig deren Anhaltung in der ZwangSarbritSanstalt nach verbüßter Straft ausgesprochen wurde. In der Begründung wird insbesondere auf die soziale Seite der verbrecherischen Tätigkeit des Angeklagten verwiesen. Gerade die skrupellose Ausnützung der Urteilslosigkeit oder der Notlage seiner Opfer vett>ien«n ein« exemplarische Straf«.. Und als, r die Angeklagten durch ihre Anwälte N ij5 Wkß leit s«'^ heschwerdeund Berufung anmelden ließen, bemerfte der Vorsitzende mit großem Recht, daß diese Strafen in Anbettacht des Sachverhaltes als sehr gering angesehen werden müßten. Angeklagte dieses Schlager verdienten es, vor das Schwurgericht gestellt zu werden und eine zehnjährig«Ker- kerftrafe wäre nicht zu gering für ihresgleichen. Achtzehn Monate für einen betrügerischen „Bankier". Auch der zweite große Prozeß diese» Donnerstags. der bis in die Abendstunden währt«, ist seinem Sachverhalt nach unseren Lesern bekannt. Es handelt sich um die Anklage gegen den 41jährigen Bankhausinhaber Lugen Tänzer, der des Verbrechens de» vielfachen Betruges und der Veruntreuung angeklagt war. Dieses Bankhaus verlegte sich aus Prämiengeschäfte, die so eingefädelt waren, daß die Kunden unter allen Umständen verlieren mußten. Die Technik dieser Geschäfte haben wir seinerzeit eingehend geschildert. In die Waagschale fällt die Tatsache, daß dieser Eugen Tänzer gar nicht Mitglied der Börse war, an der die„seriösen" Ge« schäfte dieser Art abgewickelt werden. Der Schaden der betrogenen stunden beträgt insgesamt 1,344.000 KL. Wir haben auch von den sogenannten„seriösen" Geschäften unsere eigene Meinung. Aber di« Macht» Nationen dieses Herrn Eugen Tänzer waren solcher Art. daß sie seÜst den Strafparagraphen unseres 132jährigen Strafgesetzbuches zuwiderlaufen mußten, das ja in diesem Sektor der„schöpferischen privat- wirtschaftlichen Jnittative" meist kläglich zu versagen pflegt, denn in diesem verschwimmt die Abgrenzung zwischen legaler„Transaktion" und strafgesetzlichem Tatbestand. Neben diesem Eugen Tänzer, der sein„Bankgeschäft" mit Unrecht als„Gencralrepräsentanten ausländischer Banken" angepriesen hatte, Warrn mit- angeflagt der 80jährige Direktor dieses Bankgeschäftes Erwin Baß und zwei Reisende dieses Unternehmens, und zwar der 43jährige Ignaz Hamlisch und der gleichaltrige Friedrich Vojtöchovskh.. Ueber deren Tätigkeit haben wir gleichfalls seinerzeit berichtet. Der Verhandlung dauerte bis gegen sechs Uhr abends und endett damit, daß Eugen Tänzer zu acht- zehn Monaten schweren Kerkers verurteilt wurde. Baß und Vojtkchovsky wurden freigrsprochen- Bemerkenswert ist, daß der vierte Angeklagte Ignaz Hamlisch dem Zugriff unserer Justiz wohl entzogen bleiben dürd. Dieser Hamlisch ist österreichischer Staatsangehöriger und sitzt derzeit in einem österreichischen Gefängnis. Da kein Staat seine Angehörigen ausländischen Gerichten auszuliefern pflegt, haben wir keine Aussicht, diesen Herrn Hamlisch vor dem Prager Gericht zu sehen. Di« Verhandlung leitete GR. Dr. T r o st, die Anklage vertrat Staatsanwalt Dr. Easlavsky. Man geht Wohl nicht fehl, wenn man das Schlußwort des Vorsitzenden in der vorgehenden Verhandlung auch auf diesen Fall verwendet und dahin ergänzt, daß solchen Piraten das Handwerk erst dann gelegt werden wird, wenn eS gelingt, ein rücksichtslos durchgreifendes Wirtschaftsstrafrecht zu jcha'sen- rb.
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15 (11.1.1935) 9
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