Samstag, 12. Jänner 1935

15. Jahrgang

Nr. 10

Etazilpreis 70 Heller (einschlieSlich 5 Heller Porto)

XENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK RSCHBNT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung mag xiu fochova a. telefom SW7. Administration telefon SWi. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, FRAG.

Keine Vorwahlnervojität Wie Malypetr die Situation beurteilt Prag . Nach dem offiziellen Bericht über die gestrige Pressekonferenz beim Ministerpräsi­denten sagte Malypetr über die kommenden Wah­len unter anderem: Es ist Pflicht unser aller, dafür zu sorgen, daß eine gewisse Unruhe» die bei einigen Ein­zelpersonen etwa zufolge der Nähe der Wahlen entsteht, nicht eine Erschlaffung bewirke und nicht von dem festen Willen, alle Auf­gabenzuerfüllen, dieerfülltwer- den müssen» abbringe. Wenn wir diese Auf­gaben erfüllen werden» können wir ruhig den Termin der Wahlen einhal­ten, den wir uns g e st eilt haben, «ämlichimHerbst, und dadurch einen neuen Beweis liefern, daß unsere Demokratie auch in einer so unruhigen Zeit fähig ist» eine nützliche und fruchtbare Arbeit zu leisten. Es ist begreiflich, daß die Opposition bestrebt sein wird, die Handlungen der Regierung zu dis­kreditieren und sie als verfehlt und schlecht zu schildern. ES ist jedoch das Recht und die Pflicht der Regierung, demmite«t sprechenden Mitteln entgegenzutreten und Ilrbertreibungen, Ueberspannungen in der Kritik, eine entstellte und unwahre Informierung, die oft hart die Grenze der gesetzlichen Vorschriften streift, insbesondere das Gesetz zum Schutze der Republik, nicht zuzulassen, weil sie die Verbreitung alarmierender und aufwiegrlnder Meldungen, durch welche die Bevölkerung auf einen Abweg geführt werden könnte, varstrllt. Am Schlüsse befaßte sich der Ministerpräsi- dent nach dem offiziellen Kommentar mit der (von unS wiederholl aufgeworfenen!) Frage einer entsprechenden Propagierung der Regierung s- und Koalitionsmaß- nahmen und teilte mit, daß die entsprechenden Vorkehrungen, insbesondere, was den Rund­funk betrifft, werden getroffen werden. Er warnte jedoch vor einerUeberschätzüng" nach dem Muster der Staaten mit autorllativen Regims. Wie weit der amtliche tschechoslowakisch« Presse­dienst noch davon entfernt ist, auch nur annähernd die Fixigkeit der Berichterstattung zu erreichen, wie sie in anderen und nicht nur autorität regierten Staaten nun einmal ganz selbft- berständlich ist, zeigt auch diesmal ganz besonders kratz der Umstand, daß die erste Seite des ziemlich umfangreichen offiziellen Berichtes über die Presse­konferenz von der deutschen Abteilung des Tschecho­slowakischen Pressebüros erst um 20 Uhr 27, die letzte um 23 Uhr 12 fertiggestellt wurde. Da die Redak- tionen die Berichte durch Boten abholen müssen, langte der lltzte Teil des offiziellen Berichtes erst um Mitternacht in den Redaktionen ein. Einer solchen amtlichen Berichterstattung wird jeder prak­tische Journalist auch weiterhin nur achselzuckend und resigniert gegenüberstehen können...

Dertote österreichische Marxismus Wien.(Tsch. P.-B.) Dieser Tage fand m Wien die erste Reichskonferenz der österreichischen Sozialisten statt, der im September vorigen Jahres die erste Wiener Konferenz der sozialistischen Delegierten vorausgegangen war. Die neue Konferenz legte die Richtlinien der sozialistischen Bewegung fest und setzte einen provisorischen sechsgliedrigen Aus­schuß» bestehend aus drei Wiener und drei Pro­vinz-Vertretern, em. Dem Ausschuß gehören durchwegs neue Leute an. Einen weiteren Schritt wird nach diesen Beschlüssen ein Kongreß der Neuen Partei bilden. ..(Es handelt sich, was aus der Meldung des Presse-Bureaus allerdings nicht ersichtlich ist, um eine illegale Tagung der Partei. Die Kon­ferenz war auch nicht in Wien , sondern in einem Orte in der Umgebung Wiens versammelt. Sie bedeutet einen sehr wesentlichen Fortschritt des Neuaufbaues der österreichischen Arbeiterbewe­gung: die Ausbreitung der Organisation der .österreichischen Sozialisten" über das ganze Staatsgebiet.),

Ungewißheit bis Dienstag früh Wachsender Terror der Deutschen Front

Sachliche Arbeit auch im Wahljahre

Saarbrücken . Am Freitag wurde amtlich gemeldet, daß das Er­gebnis der Abstimmung in der Wart­ burg nicht vor Dienstag 8 Ahr früh be­kannt gegeben werden wird. Die Wart­ burg wird von Sonntag abends an | durch britische Abteilungen mit Bajo­nett bewacht werden. Die Zählung der Stimme« beginnt erst Montag um 17 Ahr. Das Ergebnis des Plebiszits wird zunächst durch Rundfunk, u. zw. vom Vorsitzenden der Plebiszitkommiffion in deutscher, französischer und englischer Sprache bekanntgegeben werden. Sämt­liche deutschen , französischen und englischen Sende- I stationen werden angeschlossen sein. Diese Mit­teilung wird die erste und amtliche sein. Die Journalisten werden Einzelheiten der Abstimmung erst zwei Stunden nach der amtlichen Mitteilung berichte« können. Am Freitag trat in den drei Sälen der Wartburg die Plebiszitkommiffion in voller Zahl zusammen,. um die 901 Vorsitzenden der Wahl­kommissionen in Eid zu nehmen, daß sie die Ge­setze dieses Landes achten und wie Männer han­deln werden, die sich der ihnen anvertrauten Rechte bewußt sind. « Die Führer der Status-quo-Dewe- gung sandte« an den Völkerbundsrat ein Telegramm, in welchem es heißt: Der unerhörte Terror der National­sozialisten gegen alle Parteigruppen und Zeitungen, die den Status quo pro­klamieren, wächst beständig an und vernichtet die garantierte Freiheit der Abstimmung. Wir protestiere« da­gegen aufs entschiedenste und fordern, daß der Völkerbund sofort einschreite. Wie Havas meldet, wächst die politische Spannung, je näher der Abstimmungstag rück». Es wurde zwar kein ernsterer Zwischenfall gemel­det, aber zahlreiche Kundgebungen zeigen auf eine wachsende Spannung zwischen der Deutschen Front und her Freiheitsfront. Am DonnerStag vormittags wurden die Verkäufer der für den status quo schreibenden Zeitungen belästiit, einem von ihnen wurde ein Auge a«S- gesch lagen. Nachmittags riefen die National­sozialisten Ausschreitungen bei der Ankunft eini­ger Saarangehöriger aus Amerika hervor, wobei es z« Raufereien mit Kommunisten kam. Freitag ftüh trafen zahlreiche Sonderzüge mit Abstimmungsberechttgten aus Osnabrück , Halle, Leipzig , Hannover » Magdeburg , Dresden , Altona und Breslau ein. Die Führer der Deut­ schen Front haben ihren Anhängern verboten, sich auf dem Bahnhofe einzufindem. Demgegenüber haben die Kommunisten ihre Anhänger auf­gefordert, sich in geschlossenen Reihen znr De-

Kleine Entente zur Mitarbeit bereit Laibach. Nach Beendigung der Beratun- gen der Außenminister der Staate» der Kleinen ! Entente wurde ein gemeinsames Kommunique ! ausgegeben» in dem cs heißt: Die drei Außenminister äußerten ihre B e- friedigung hinsichtlich der Ergebnisse, die die von Mussolini und Laval geführten Ver­handlungen gezeitigt haben, und von denen sie überzeugt sind, daß sie im hohen Maße zur Stär­kung, Wahrung und Organisierung des Friedens beitragen werden. Sie beschlossen» daß sie mit allen interessierten Mächten zusammenarbeiten werden» um die Grundsätze der röämischen Abkommen im aufrichtigsten Geiste durchzufLhren, wobei sie Sorge tragen werden» daß glrichzeittg ihre nationalen Interessen eben­es» wie das allgemeine Interesse

' jetzt in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit begon­nen werden soll. Die Finanzierung dieser und anderer Jn- vestitionen erfordert natürlich Kreditbeschaffung und das Jnvestitionsprogramm findet in den hier gegebenen kreditpolitischen Möglichkeiten seine Grenzen. Es darf nicht übersehen werden, daß die Kapitalskrast der tschechofiowakischen Bevölkerung geringer ist, als etwa in England oder in den nordischen Ländern. Immerhin erhofft man eine allmähliche Erleichterung der Verhältnisse auf dem Geldmärkte. Ein deutliches Symptom dafür, daß auch dem Staatskredit ein günstiges Zeugnis ausstellt, ist die Tatsache, daß der Zinsfuß der Kassenscheine vor kurzem auf 4.5 Prozent herab­gesetzt werden konnte(im Jahre 1921 betrug ihr Zinsfuß 8 Prozent). Der Vermehrung der Arbeitsgelegenheiten soll aber auch die Verkürz u n g d e r Ar­beitszeit dienen. Es soll nochmals versucht werden, dieses Problem durch Vereinbarungen zwischen den Unternehmerorganisationen und den Gewerkschaften zu lösen, doch ist die Regierung entschlossen, wenn es notwendig wird, zu norma­tiven Eingriffen zu schreiten, die sich anderswo bereits bewährt haben. Von der Verkürzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich kann in einigen entscheidenden Industriezweigen eine Ver­mehrung der Arbeitsplätze um 10 bis 15 Pro­zent erwartet werden. Im Zusammenhang mit den sozialpolitischen Maßnahmen, die der Arbeitsbeschaffung dienen, soll auch die obligatoris ch e Arbeits­vermittlung geregelt werden. Diese soll noch in der Wintersession des Parlamentes er­ledigt werden. Zu den brennenden Problemen der Sozial­politik gehört auch die Sanierung der B r u d e r l a d e n, deren Gebarung jetzt, ohne gesetzliche Grundlage, durch staatlich garantierte Vorschüsse aufrechterhalten wird. Um diesen Zu­stand zu überwinden, werden auch die Gruben­besitzer zur Leistung eines Beitrages herangezo­gen werden, worüber noch verhandell wird. ; Bei den Fragen der Regulierung der Pro­duktion handelt es sich einerseits um einen gewis­sen Schutz des Gewerbes gegen die groß kapital! st ische Expansion in der Form von Einheitspreisgeschäften, Filialen

gewahrt werden, dessen tre«er Vertei­diger die Kleine Entente stets war. Ministerpräsident Jevtiö erklärte den Vertretern der Presse gegenüber: Die Stellungnahme der Kleinen Entente bleibt wi es ie bisher war. Die Aktion der Kleinen Entente wird sich auch weiterhin i m Gei st e der Verständi g u n g entwickeln, wobei sie in der Verteidigung und in der Wahrung der nationalen Interessen entschlossen bleiben wird. Alle ihre Interessen und die Beziehungen zu den Ländern des Balkanpaktes hütend, wird die Kleine Entente fortfahren, den.Interessen der allgemeinen Sicherheit und des Friedens zu dienen. Im Laufe der weiteren Aktionen wird man ersehen, was zur Erreichung dieses Zieles unternommen werden soll. Die Außenminister Dr. Benes und T i t u- leScu sind um 17 Uhr nach Genf abgereist, während Ministerpräsident J e v t i c nach Bel­ grad zurückkehrte.

grüßnng der aus Deutschland kommenden Wähler einzufinden. Im Hafen von Bordeaux sind am Freitag 35 Saarangehörige aus der Fremden ­legion eingetroffen, um an der Abstimmung in Saarbrücken teilzunehmen. Sie stammen aus den Garnisonen in Melines, Fez und Marrakesch . Anläßlich der Ankunft der Wähler aus Deutschland hat die Saarbrückener Poli ­zei besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen, die von Hennessey persönlich geleitet werden. Neu ­gierigen wurde das Betreten des Bahnhofes ver ­boten. Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen. Ratstagung schon heute Genf. Da der brittsche Außenminister Sir John Simon am Samstag abend nach London abreist, wurde beschlossen, daß det Bölkerbimdrat bereits Samstag» und zwar vorläufig zu einer öffentlichen» wahrscheinlich aber auch zu einer geheimen Sitzung zusammentrete. Der Rat wird sich bereits mit der konkretenLö- s« n g d« s Saarproblems befassen. Außerdem soll er für den Fall, daß dies notwen ­dig wäre, das Mandat der dreigliedrigen Kom ­mission für das Saargebiet, das mit der Be ­endigung des Plebiszits erlischt, verlängern. Ole Kapitalflucht an der Saar Saarbrücken.(AP) Im Laufe der letzten 14 Tage sind auf französischen Banken, vor allem in Forbach und Säargemünd, über 100 Millionen Franken eingezahlt worden. Die Frankenverschie-_._. btmg hat ein solches Ausmaß angenommen, daß! nalen Verkehrsadern verbessern, Verbindungs- die Banken in den genannten Orten gezwungen> straßen zu dem Westen und dem Osten der Repu- waren, ihr Personal zu verdoppeln. In Saar- blil schaffen und eine Ausgestaltung der Bezirks- gemünd wurde sogar eine Bank neu eröffnet.! straßen herbeiführen soll. Das ist natürlich ein Selbst in Mülhausen (Elsaß) sind die Banken mit! gcoßangelcgtes, auf lange Frist berechnetes Pro­ber Aufnahme von Frankeneinzahlungen aus dem[ dessen^Verwirkttchungaber gerade Saargebiet vollbeschäftigt. Teilweise vollzieht sich***" a die Frankenverschleppung aus dem Saargebiet auf dem Umwege über Aktienkauf bei französischen Industrie-Unternehmungen und durch den Ankauf großer Grundstücke und Häuser, vor allem in Elsaß-Lothringen . Allein von der Sparkasse in Saarlouis wurden in den letzten Tagen 21 Mil- lionen Franken abgehoben. Schon vor einigen Wochen hatte der Wirt ­schaftsleiter der NSDAP an der Saar, Savll- kouls, vor Abhebung der Frankenbeträge gewarnt und Zuchthausstrafen angedroht. Man 5at aber den Eindruck, daß mit dieser Drohung nur die Keinen Sparer gemeint sind. Denn die Franken ­verschiebungen gehen überwiegend von kapitalkräf- tigen Kreisen aus es werden wieder die altbe ­kannten, bereits geläufigen Namen genannt, sind aber in brefteren Kreisen bekannt geworden und haben große Erbitterung hervorgerufen, so daß sich Savellouls genötigt sah, nochmals einen Aufruf zu erlassen, wonach man jede feindselige wirtschaftliche Auseinandersetzung innerhalb der Deutschen Front(also jede Diskussion über die Frankenverschiebung) unterlassen möge.

In der oppositionellen Presse können wir jetzt Tag für Tag die wildesten Meldungen darüber lesen, daß es in der Regierung förmlich drunter und drüber geht und die Koalition vollständig zerfahren und zu jeder Arbeit unfähig geworden ist. Während auf tschechischer Seite dieNatio­nale Vereinigung" alle Register der Demagogie zieht, suchen auf deutscher Seite die Christlichso­zialen die der Henlein-Front hörige Presse noch zu übertrumpfen. Wir können in aller Ruhe fest­stellen, daß es sich hier um nichts anderes, als um durchsichtige Stimmungs­mache handelt und daß die Koalition in Wirk­lichkeit fest entschlossen ist, noch vor den Wahlen, die nach wie vor für den Herbst geplant sind, ein reichhaltiges Arbeitsprogramm zu erledigen, das dir Fähigkeit der Demokratie erweisen soll, auch in einer wirtschaftlich und politisch so stürmischen Zeit ihren Aufgaben gerecht zu werden. Auf Grund von Jnformatonen, die. der Ministerprä­sident den Pressevertretern gegeben hat, können wir über die Probleme, mit denen sich die Regie­rung gegenwärtig beschäftigt. Folgendes berichten: Selbstverständlich stehen die wirtschaftlichen Probleme im Vordergrund. Hier handelt es sich einerseits um Maßnahmen, die unmittelbar der Arbeitsbeschaffung dienen sollen, andererseits um Maßnahmen zur Regulierung der Produktion und der Verteilung. Der Arbeitsbeschaffung sollen vor allpu Investitionen dienen, die in so großem-Aus- maße durchgeführt werden, als es die finanziellen Möglichkeiten zulässig machen. Vor allem ist an einen planmäßigen Ausbau des Straßenwesens gedacht, der die Berbin- ! düng unseres Straßennetzes mit den internatio-