IE NTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xiu fochova a. telefon sw7. Administration telefon am. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR, EMIL STRAUSS, FRAG. Einzelpreis 70 Haller ('mKhlieBHch S Hallar Forte) 15. Jahrgang Mittwoch, 16. Jänner 1935 Nr. 13 vis Saar in Hitlers Hand * 25. von 539.549 528.704 46.613 2.083 476.089 901 1.256 Goldene Brücken für die Rückkehr nach Genf ? Flandin und Laval anfangs Feber in London London. (Dientet.) Der französische Mi­nisterpräsident Flandin und Außenminister Laval werden am 31. Jänner in London ein­treffen. Die Minister werden über eine große Reiste von Fragen verhandeln. Die Berhandlnn- gen werden am 1. und 2. Feber stattfinde«. In dem Zeitraum zwischen der Rückkehr auS Genf und der Reise nach London beabsichtigt Außenminister Laval namentlich die A b rü­st un gs f r a g e in allen Details durchzustudie­ren, die einen der Hauptgegenstände der Londoner Beratungen darstellen wird. Genf.(Tsch. P.-B.) Der im Völkerbund herrschende Gesamteindruck ist. daß das Ergeb­nis deS Plebiszits im Saargebiet einen günsti­gen Einfluß auf die Entwicklung der interna­tionalen Politik üben könne, insbesondere, soweit die Bestrebungen der englischen Regierung nach Wiederaufnahme der Ab rü­st u n g s k o n f e r e-n z, und zwar in Anwesen­heit der Delegierten Deutschlands in Betracht komme. Man ist ferner der Ansicht, daß die Ver­handlungen der englischen Regierung mit der deutschen Regierung über die Rückkehr Deutsch­ lands zum Völkerbund erleichtert werden. An amtliche« Stellen in Genf wird aber be­tont, daß die Garantien der deutschen Regierung für die Saarbevölkerung bis in alle Konsequenzen erfüllt werden in ü s s e n, wenn das Saarproblem endgültig und friedlich gelöst werden soll. London.(Reuter.) Am Mittwoch wird sich eine Kabinettsitzung mit dem Ergebnis der Ab­stimmung im Saargebiet befaffen. Groß­ britannien hat den Wunsch, daß der Völkerbundrat so schnell als möglich eine Ent­scheidung über die Abstimmung trifft. Was die internationale Lage betrifft, scheint man in hiesigen politischen Kreisen der Ansicht zu sein, daß Großbritannien , Frankreich und Italien versuchen werden, sich in der Frage der S t r e i- chung der Militärklauseln des Vertrages vonBer s a illes auf einer gemeinsamen Linie zu einigen unter der Bedingung. daßDeutschland in den Völkerbund zurückkehrt und an einem allgemeinen Pakt über die Rüstungsbegrenzung teilnimmt. Fey klagt Dr. Kreißler In Leitmeritz BroschüreWer hat Dollfuß ermordet?" beschlagnahmt Unter dem TitelDas Geheimnis des Juli Wer hat Dollfuß ermordet?" wurde einem junge» Juristen Dr. K r e i ß l e r, der zu letzt ein Jahr lang als Auskultant bei einem Wie­ ner Gerichte war und sich Ende 1834 in Prag als polttischer Emigrant aufgchalten hatte, eine Bro­schüre verfaßt» in der der österreichische Minister F e y der Mittäterschaft an der Ermordung Dok­tor Dollfuß beschuldigt wird. Auf Grund eines von Wien ergangenen Strafantrages war der Verfasser Dr. Fritz Kreißler Ende 1934 in Prag verhaftet, ist dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Broschüre ist am 4. Jän­ner 1935 von der Tetschener Bezirksbehörde be­schlagnahmt worden und nunmehr hat über An- ttag der Leitmeritzer Staatsanwaltschaft daö KreiS - als Preffegericht in Leitmeritz diese Be­schlagnahme der Broschüre bestätigt. Während hinsichtlich der Beschlagnahme der Broschüre nur daS objektive Verfahren in Anwendung kam, ist nunmehr auch ein Strafverfolgungsantrag des Fey auS Wien eingelangt, um das Presiestraf- verfahren beim zuständigen Presiestrafsenat des Leitmeritzer Kreisgerichtes einzuleite«. Wenn es wirklich zur Austragung dieses Preffeprozefles kommen sollte, so kann man wieder mit der Auf­rollung und amtlichen Erörterungen der bedrut- semen Ereignisse in Cesterreich rechnen und den Feh etwas näher kenne» lernen. Ulanenkaserne untergebrachie Sonderpolizei von 120 Mann, die zum großen Teil aus deutschen Emigranten besteht, einenPutsch" vorhabe. An­geblich hatten die paar Leute die Absicht, im Laufe der Nachtdie Macht an sich zu reißen". Die gleichgeschaltete Polizei habe eingegriffen und die Waffen des Sonderkommandos beschlagnahmt, die Polizisten selbst einvernommen und sechs von ihnen verhaftet. Der Führer des Putsches Grum- bach sei rechtzeitig geflohen. Es handelt sich offenkundig um einen Racheakt, gegen die kleine nicht gleich­geschaltete Polizeitruppe, die seinerzeit hauptsäch­lich aus Emigranten angeworben worden war, denn daß diese Truppe angesichts des Aufgebotes an internationalen Militär an einen Putsch auch nur einen Augenblick gedacht hätte, ist ein­fach undenkbar. Das DNB verbindet diese aufgelegte Falschmeldung, die nur den ein­setzenden Rachefeldzug gegen alles» was anti- hitlerisch war, kaschieren soll, noch mit Angriffen gegen den Präsidenten der Regierungskommission K n o x, derseine Aufsichtspflichten versäumt" hätte. Goebbels-Theater Dank an die Katholiken blasphemische Zeremonien! Saarbrücken. (Havas.) Bis 14 Uhr wurde bloß ein einziger Zwischenfall verzeichnet, wobei ein demokratischer Friseur angegriffen wurde, der jedoch in seinem Laden Zuflucht suchte. Die Gebäude der Druckereien der hitlerfeindlichen Blätter sind mit ironischen Aufschriften bedeckt. Die Kundmachungen der Einheitsfront wurden durchwegs unterdrückt und für den Abend wurde bloß eine Manifestation der Anhänger Hitlers gestattet. Es bildeten sich Umzüge, die unter Ab- singung patriotischer Lieder durch die Straßen, ziehen. Es wurde ein symbolisches Begräbnis der Einheitsfront inszeniert, wobei a l s P r i e- ster verkleidete Pers onen die Leute mit Weihwasser be­sprengten. In Saarbrücken blieben am Dienstag alle Geschäfte, Fabriken und Gruben geschlosien. An den Schulen wurde nicht unterrichtet. Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung wurden die Häuser in der ganzen Stadt mit Ha- kenkreuzslaggcn geschmückt. Saarbrücken. (Havas.) Dienstag gegen I Abend umzingelte eine Gruppe von National­sozialisten das Gebäude der saarländischen sozial- ! demokratischen Partei, in welchem sich noch eine ! Anzahl Sozialdemokraten aufhalten. Bis 20 Uhr wnrde kein ernster Zwischenfall gemeldet. Nach einer späteren Meldung haben die Be­hörden die Schließung des Parteihauses angeord­net, um Zusammenstößen vorzubeugen. In Saarlouis haben die Httleranhänger bei einigen dortige« Bürgern Hausdurch­suchungen vorgenommen. In KarlSbrüll wurde der Führer der Hitlerfront verletzt. An zahlreichen Orten haben die Polizisten ihre Stel­lenfreiwillig" den in braune Uniformen gettei- drten Hitleranhängern überlasten. Dienstag früh wurden mehrere Saar -Kom­munisten verhaftet. Es wurden in den Wohnungen von sechzehn Kommunisten Hausdurchsuchungen vorgenommen. Da bei ihnen angeblich Schlagringe und verschiedene andere Waffen vorgefunden wur­den, wurden sie verhaftet. « Die Führer der antihitlerschen Front Max Braun und Pfordt halten sich, wie Havas meldet, in den Räumlichkeiten der Arbestersozial- fürsorge auf, wo sie von einigen Hundert ihrer Parteigänger beschützt werden. Max Braun war vorerst äußerst erregt, als er von dem Ergebnis der Volksabstimmung Kunde erhielt, hat sich jedoch bereits beruhigt. Pfordt blieb absolut ruhig. Beide Genannten erklären, daß sie auf dem Territorium der Saar weiterhin in ihrem Kampfe fortfahren würden.Wir aner­kennen unsere Niederlage," sagten sie,die den Beweis erbringt, daß man gegen den Fascismus nicht mit demokratischen Mitteln ankämpfen kann. Wir werden den Völkerbund ersuchen, jene Saarbürger zu schütz en, die uns ihr Vertrauen bezeugt hatten." Durchsichtige Putschgerüchte Das DNB setzt allen Ernstes Meldungen von einem- ,,im letzten Augenblick verhüteten Auf­ruhr der Emigrantenpolizei" in Saarbrücken in die Welt und berichtet, daß in der Nacht auf Dienstag bekannt geworden sei, daß die in der DaS Saarland stand seit vielen Monaten unter dem stärksten Terror der Deut­sch e n F r o n t. Die Verhältnisse waren nicht viel besser als im Drftten Reich selbst. Die Vorkämpfer des Status quo wurden als Separatisten be­schimpft, als Landesverräter verleumdet, am Leben bedroht, waren jeder Ehrabschneidung, materiel­lem und moralischem Druck ausgeliefert. Zu dem monatelang täglich praktizierten Terror kam die Drohung:Denk an 1935", die jedemSepara­tisten" für den Fall der Rückgliederung des Saar « gcbictS an Deutschland Konzentrationslager in Aussicht stellte. Die Peitsche war aber nur ein Mittel, Stimmen zu gewinnen; ein anderes, nicht minder gefährliches war dieKorruptioninjeder Form. Ein Heer von Spitzeln überwachte die Bevölkerung, durchsetzte den Beamtenapparat, Einbrecher wurden gemietet, Akten entwendet, Zei­tungen gekauft, Redakteure bestochen, Urkunden gefälscht, Tatsachen verleugnet, Statistiken erfun­den, Gerüchte in Umlauf gesetzt; in den letzten Wochen steigerten sich die Aktionen bis zu solchen Wirkungen wie dem Auftreten der gewesenen kommunistischen Abgeordneten Reese vor dem Mikrophon, wo sie offen für Hitler tvarb, und zu dem erfundenen Severing-Jnterview, das in die­sem Falle die durch keinen Terror zu erreichende Aussage im Rundfunk ersetzen mußte, aber vor allem dank der Mithilfe kommunistischer Ehrab­schneider und gewisser politisierender Lausbuben auch seine verheerende Wirkung ausübte. Es gibt kein Register in der Skala menschlicher Gemein­heit, das die Führer der.Deutschen Front nicht gezogen hätten. Geld spielte keine Rolle. Deutschland kann zwar seine Auslands­gläubiger nicht bezahlen, aber im Saarkampf kam es auf ein paar Millionen Mark mehr oder weni­ger nicht an. Terror und Ko rruption haben das Resultat der Abstimmung wesentlich beein­flußt. Es war den Nazis gelungen, den Dkassen der Bevölkerung die nicht mehr auszurottende Ucberzeugung einzuimpfen und einzuprügeln, daß die Abstimmung nicht geheim bleiben, daß jeder Landesverräter" entdeckt und verfolgt werden würde. Unter den politisch Indifferenten, unter Frauen vor allem, haben Terror und Korruption und, mehr noch als der greifbare Terror, die dumpfe Ang st vor der ungewissen Zukunft viele Zehntausende bewogen, für Deutschland zu stimmen. Ein Volk, das Nervenproben wie sie ein Wahlkampf gegen Goebbels und Göring stellt, noch nicht durchgemacht hat, kann sich von der Pa-, nik keine Vorstellung machen, die im Gefolge des Hitler hat an der Saar einen höheren Pro­zentsatz Stimmen erreichen können als in Deutsch­ land selbst. Die Freiheitsfront vermochte nicht die 20 Prozent zu gewinnen, mit denen auch Pessi­misten gerechnet hatten. Der Versuch, den Kampf gegen den Tyrannen aus dem letzten Schlupfwin­kel der Freiheit, von der Peripherie des Reiches her aufzurollen, ist gescheitert. Die Parole Schlagt Hitler an der Saar !" hat sich als strate­gischer Fehlschlag erwiesen; denn offensichtlich haben Zehntausende, vielleicht Hunderttausende für Hitlerdeutschland gestimmt, die bei anderer Entscheidung nichtfürHitler stimmen wür­den. Es ist nicht gelungen, die Begriffe Deutsch -, land und Drittes Reich zu trennen. Der primitive Verstand des indifferenten Wählers hat die von der braunen Front behauptete Identität der Be­griffe Hitler und Deutschland als gegebenes Schicksal hingenommen und glaubte, um Deutsch­ lands willen Hitler in Kauf nehmen zu müs­sen. Die nationalrevolutionäre Parole, für Deutschland zu sein, indem man gegen Hitler ist, haben wenige begriffen. Es ist für uns alle das Ende einer Illusion, eine deutliche Lehre: Hitler ist nicht außerhalb Deutschland , Hitler ist nur in Deutsch­ land zu schlagen. Den Tyrannen stür­zen können nur jene, die unmittelbar unter seiner Faust stöhnen. Aber jenseits dieser Erkenntnis haben wir uns zu fragen, was dieses Resultat im einzelnen.herbeigeführt hat. 01« Rache der Sieger beginnt Saarbrückener Parteiheim umzingelt 90 Prozent für Deutschland Genf . Das Sekretariat des Völkerbundes teilte den Journalisten fol­gendes Ergebnis des Plebiszits im Saarlande mit: Anzahl der ei«getragenen Wähler Anzahl der abgegebenen Stimmen davon für den Status a«o für Frankreich .... für Deutschland .... ungültig.. leer.... Völkerbundrat zieht die Konsequenzen Genf . Der dreigliedrige Ausschuß für die Saarangelegeuheiten ist Dienstag zusam- mengetrete« und hat den Text eines Berichtes ansgearbeitet, der am Mittwoch dem Bölker- bundsrat untcrbrritrt wird. Der Bericht enthält Vorschläge betreffend die Durchführung der Maßnahmen im Sinne des Abstimmungsergebnisses und empfiehlt grundsätzlich die Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland . Der Bölkerbnndsrat wird Mittwoch nachmittag- zusammentreten nnd sich auf Grund der Empfehlung des dreigliedrigen Ausschusses wohl für die Rückgliederung aussprechen und das Datum der Uebergabe festsetzen. Später wird sich der Rat mit den andere« sich aus dem Plebiszit ergebenden Fragen befaffen. Die italienischen, französi­schen und deutschen Experten werden wahrscheinlich in eiuigen Tagen in einem italienischen Orte zusammentrete». Ma» glaubt, daß da» Saarproble« in administrativer und politi­scher Beziehung in einem Monat, spätestens aber in zwei Monaten liquidiert sei» wird. Die britische» Truppe« werde» ans dem Saargebiet in einige« Woche« abbernfe« werde«.