Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XH., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15. Jahrgang

Ernährungshilfswerk ,, Arbeiterfürsorge"

Als der Verband ,, Arbeiter fürsorge" Anfang Dezember in einem Aufruf zur Durchführung einer Hilfsaktion in den deutschen Bezirken die ſes Staates aufrief. war er sich dessen bewußt, daß dies bei seinen Mitgliedern, seinen Anhän gern, bei der Oeffentlichkeit eine außerordentliche Hilfsbereitschaft voraussetzt.

Sonntag, 20. Jänner 1935

Hitler fährt ins Saargebiet?

Baris. Der Intransigeant" erfährt aus dem Saargebiet, daß dort heute für Anfang März der Besuch Hitlers angekündigt wurde. Hitler wird am 10. März in Saarbrüden eintreffen, im Wartburg "-Saale , to bekanntlich die Stimmen zählung stattfand, eine große Rede halten und persönlich einige Führer der Deutschen Front im Saargebiete dekorieren.

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Die außerordentliche Not in den Familien der Arbeitslosen und der Kurzarbeiter ist aber Bloẞ guter Wille zu wenig... aufs Höchste gestiegen, es fehlt tausenden und abertausenden Familien in den von der Wirt- Lord Eden an Deutschlands Adresse. schaftskrise besonders arg betroffenen deutschen Siedlungsgebieten an allem zum Leben Notwen= Genf. Lord - Geheimsiegelbewahrer Eden digen: an Nahrung, an Kleidung, an Heizmittela. hielt im Rundfunk eine Rede, die nach England Ih.e letzten Hoffnungen wenden sich ihren Ar- übertragen wurde. Eden glaubt, daß das Ergeb­beitsbrüdern, ihren Arbeitsschwestern, wenden nis der Saarabstimmung eine glücklichere Aera sich der Solidarität der noch arbeitenden Klaffen- einleiten wird, jedoch müßten die Völker den ge­genossen zu. meinsamen Interessen größere Opfer bringen als bloß guten Willen, möge er noch so aufrichtig sein.

Ueber die Durchführung der Aktion in den Bezirken sind bereits eine Anzahl Berichte einge­langt. In einzelnen Bezirken konnte von der Ver­anstaltung eigener Hilfsaktionen Abstand genom­men werden, weil die Aktionen der Selbstverwal­fungskörper die beste Gewähr für die gerechte Verteilung an alle Hilfsbedürftigen ohne Rück­ficht auf die Parteizugehörigkeit geben. In vielen Berichten aber wird aufgezeigt, daß durch die Aktionen der SVH die Hilfsattio= hen der Selbstverwaltungsför= ber unmöglich gemacht, öffentliche Sammlungen ungeheuer erschwert und die eige­nen Aktionen der Arbeiterfürsorge notwendig und bringend gemacht werden.

Wir wenden uns deshalb nochmals an alle noch in Verdienst stehenden Arbeiter und Ange= ftellten, die Funktionäre der freigewerkschaftlichen Organisationen, der Genossenschaften, der Partei und der Kulturorganisationen, weiter mitzuhel­fen an unserem

mäßig

Ernährungshilfsmert,

Emil Strauss :

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 17

Die Sowjetunion

Nach einer dreiwöchentlichen Reise durch die denen früher nichts anderes als eine primitive eg Sowjetunion iſt es nicht leicht, mit aller Be- tensive Landwirtschaft bestanden hatte, stehen Rie­stimmtheit irgendwelche Schlüsse zu ziehen, da man senunternehmungen, wie wir sie in der Tschecho­in der kurzen Zeit Land und Leute eines Riesen- flowakischen Republik faum finden, gewaltige deckt und 170 Millionen Einwohner zählt, nicht aller Art, die den größten amerikanischen Unter­reiches, welches ein Sechstel der Erdoberfläche be- Elektrizitätsiverke, Maschinenfabriken, Kombinate tennen lernen tann und die Unkenntnis der Lan- nehmungen an die Seite gestellt werden können. dessprache überdies ein Hindernis bildet, mit den Mit einem Eifer und einer Leidenschaft ist da fin Massen der Bevölkerung in Verbindung zu treten. den wirtschaftlichen Fortschritt gearbeitet und ge­Immerhin möchte ich einige Erfahrungen und Er- schaffen worden, welche uns die größte Achtung gebnisse niederschreiben, da ich Gelegenheit hatte abringt den Millionen Proletariern gegenüber, mit den verschiedensten Menschen, sowohl mit die die größten Opfer gebracht haben, um die In­Bolschewifen wie mit Nichtangehörigen dieser in dustrie des Landes vorwärts zu bringen, und eine der Sowjetunion alleinherrschenden Partei zu Schwerindustrie zu schaffen, die die Grundlage einerseits für die Fertigwarenindustrie bildet und sprechen. insbesondere die Vorausseßung einer erfolgreichen Landesverteidigung ist. Man fann den Sinn der beiden Fünfjahrespläne nicht ber­stehen, wenn man nicht bedenkt, daß die Sowjet­ union dadurch Mittel zur Verteidigung des Landes gegen den Imperialismus einzelner Großmächte schaffen wollte und dies unter allen Um ständen.

Zweifellos ist, und darin stimmen wohl alle Besucher der Sowjetunion überein, daß sich in Rußland seit 1917 ein gewaltiger Fort schritt vollzogen hat: wirtschaftlich, sozial und fulturell. In den dünnbevölkertsten Gebieten, in

Saarflüchtlinge-

ein Völkerbundproblem

Französische Denkschrift in Genf überreicht

Genf . Der französische Außenminister Laval hat am Freitag abends die von ihm in einer Rede bereits angekündigte Denkschrift über die Frage der Saarflüchtlinge dem Generalsekretär des Völkerbundes zu Handen des Dreierausschusses überreicht.

Probleme aufwerfen würde. Die Stellung des Völkerbundes gegenüber

fen.

Während aber der erste Fünfjahresplan voi allem die Schaffung der Schwerindustrie zum Zwecke hatte und die Erzeugung von Konsum­waren bewußt vernachlässigte, ist in den ersten zwei Jahren des zweiten Fünfjahresplans bereits eine immerhin beachtenswerte Industrie von Fer tigivaren entstanden und es fonnte somit auch der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung grö­Beres Augenmerk zugewandt werden. Vom Hun ger als Massenerscheinung in der Sowjetunion sicht man nichts. In den großen Städten gibt es Läden, wo die Nahrungsmittel zu Bergen aufge= staut sind und in denen der freie Einkauf möglich ist. Freilich bekommt man nicht immer gerade das­jenige, was man will und man muß oft mit dem borlieb nehmen, was gerade da ist. Insbesonders die Fleischversorgung ist noch mangelhaft und täg­liche Fleischnahrung kann sich auch der besser qua­lifizierte Arbeiter kaum leisten. Satteffen kann sich aber wohl jeder, der arbeitet und in den größeren richtet, in denen man zu verhältnismäßig billigem Preiſe eſſen tann. Ein großer Teil der Bevölke rung ist Mittag nicht zuhause, sondern im Be­triebe( auch geistige Arbeiter).

Kann sich nun der Arbeiter auch die Nah­rungsmittel faufen, die er braucht, und wie in esmitder Lebenshaltung des rus

In der Denkschrift verweist Laval darauf, des Volkerbundes aufgenom= daß das Problem vor allem den Völkerbund an- men werden. Es handle sich aber nicht nur um gehe, der eine doppelte Verantwortung gegenüber diese Kosten, sondern auch um die Unte, r diesen Flüchtlingen trage; er müsse hier vorbringung der Flüchtlinge, ein sehr schwieriges das bezweckt, den Hungernden Brotbe- beugend tätig sein. Dann könne auch eine Problem, das ohne internationale Zusammenarbeit reitzustellen. Schon wird in einigen Bezirken regel- Auswanderung vermieden werden, die bei dem unlösbar sei. Der Völkerbund besitzt in der an Familien Arbeitsloser Brot ausgege- gegenwärtigen Stand des Arbeitsmarktes sowohl artigen Fragen sehr viel Erfahrung und besondere wie in den fleineren Betrieben sind Küchen einge­ben, doch ist es in vielen Bezirken nur möglich, für die Emigranten selbst wie für die Bevölke- Organisation. Es möge deshalb entweder darauf die Aktion durchzuführen, wenn von außen finan- rung, innerhalb deren sie leben, wohl schwierige zurückgreifen oder eine neue Organisation schaf­sielle Hilfe gebracht wird. Die französische Regierung werde in den fol­Spenden für den sentralen Hilfsfonds wer­ben erbeten an den Verband Arbeiter fürsorge, diesen Flüchtlingen ist ganz anders als senden Monaten schon die Aufgabe haben, meh­Prag II., Fügnerovo nám. 4.( Poſtſparkassen- die gegenüber früheren Flüchtlingen. Der Bölker- rere tausend franzöfifcher Bürger aus fonto: Brag 87428). bund habe das Saargebiet 15 Jahre lang verwal- gliedern. Trotzdem sei sie der Meinung, daß die fischen Arbeiters? Man fann da zwei dem Saargebiet wieder aufzunehmen und einzu= tet, ein großer Teil derjenigen, der unter Um- Erfüllung dieser Verpflichtung fie och nicht von Maßstäbe anlegen. Vergleicht man das Lebens­tanben gezwungen fein withe, bijeg garter, einer Geste der Menschlichkeit befreie gegenüber den niveau der ruffischen Arbeiter und Bauern in der ständen würde, auszuwandern, habe sich für die Aufrechterhaltung dieses Bölker- deutschen Saarländern. Sie habe ihre Grenzen Barenzeit mit jenem von heute, so ist gar kein bundregimes ausgesprochen. Der Völkerbund habe denen nicht verschließen wollen, die in den ersten Zweifel, daß die werftätigen Massen der Sowjet­im Jahre 1919 Volkskommissarstellvertreter in Un- daher gegenüber diesen Menschen nicht nur die Tagen diese Grenzen überschreiten würden, sie union heute besser leben als vor 1914. Vergleichi kam nach dem Zusammenbruch der Revo- allgemein menschliche, sondern eine un mitte- fönne aber die Türen nicht offen laffen für eine man aber die Lebenshaltung des russischen Arbei­lution nach Rußland und hat sich dort Jahre hin- bare Verantwortung. Daraus müßten die nö Einwanderung, wenn sie sich nicht der tatsächlichen ters etwa mit der seines tschechoslowakischen Klai­durch wissenschaftlich und teilweise propagandi- tigen Folgerungen gezogen werden. Mitarbeit des Völkerbundes vorher versichert habe. sengenossen, so wird man wohl feststellen können, stisch betätigt. Im Jahre 1924 bezw. 1925 fuhr er Es handelt sich dabei um eine finan Aus diesem Grunde bitte die französische Regie- daß diese bei uns höher ist als in der Sowjet­im Auftrage der Komintern einigemal nach Un­ garn mit dem Ziel, die ungarische kommunistische si elle Frage. Die Kosten für den Unterhalt der rung den Völkerbundrat, schon jetzt das Problem union. Ganz sicher bei den Maſſen der unquali­Saarflüchtlinge müßten in dem Haushalt der faarländischen Flüchtlinge zu behandeln.

Rachejustiz gegen Rákosi

garn

Budapest. ( E. B.) Matthias Rákosi

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Partei zu organisieren. Trotz Lebensgefahr, bis ei verraten und verhaftet wurde. Er wurde damals megen kommunistischer Umtriebe zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

Um den Ostpakt

Polen zögert noch immer

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Rákosi hat inzwischen die Strafe abgebüßt. Er wurde nicht aus der Haft entlassen, sondern die ungarische Regierung hängt ihm jetzt nach­träglich den Prozeß wegen seiner Volkskommissär­Genf. Die Genfer Beratungen zahlreicher tätigkeit an. Man kann zwar dem hochgebildeten Diplomaten betreffend den Ost pakt und den mitteleuropäischen Pakt wurden er richt und schreibt sechs Sprachen versönlich nicht nahetreten, aber als Stellvertreter zwar mit keinem konkreten Abkommen abgeschlos= des Volkskommiffärs für Sozialisierungswesen sen, brachten aber doch in einigen wesentlichen wird ihm nach 15 Jahren angedichtet, daß er Mit- Fragen eine Klärung.

Mann

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Abessinien- Italien

fizierten Arbeiter, die bei uns besser leben, ebenio wie unsere Arbeiter besser wohnen. Es wird worl auch der Arbeitslose in der Tschechoslowakei , der In Genf wird behauptet, daß Polen bereit organisiert ist und die Unterstützung nach dem wäre, sich an dem Ostpakt zu beteiligen, wenn die- Genter System bekommt, nicht schlechter leben, als fer Ba't fein Abkommen über gegenseitige Hilfe der unqualifizierte Werftätige in der Sowjer­leistung, sondern bloß ein Konsultativ- union, der Arbeit hat. Freilich stammen die un­patt wäre. Das Problem bleibt demnach offen qualifizierten Arbeiter in der Union meistens vom und die Verhandlungen zwischen Polen und Lande und sind an eine niedrigere Lebenshaltuna Frankreich sind noch nicht abgeschlossen. gewöhnt. Besser geht es schon den angelernten Arbeitern, noch besser den technisch und sonst bei vorragend qualifizierten Kräften, wie Ingenieu ren und öffentlichen Beamten. Wer etwa glaubt, glied der bolschewistischen Regierung war und da- Minister La va I verhandelte Samstag Genf . Der Völkerbundsrat hat am Samstag daß kein Unterschied in der Bezahlung der Ar­her für deren Handlungen verantwortlich wäre. nachmittags mit Minister Beck und hierauf mit in geheimer Sigung davon Kenntnis genommen, beitskräfte besteht, irrt sich. Während ein unqua Er wird angeklagt wegen 21 fachen Mordes, Minister Dr. Be ne š. Der polnische Außen- daß Italien und Abessinien sich durch Schreiben an lifizierter Arbeiter vielfach nicht mehr als 100 Hochverrates, Aufruhrs, weiters wegen Geldfäl- minister Beck hatte eine Unterredung mit dem den Generalsekretär des Völkerbundes verpflichtet Rubel im Monat( manchmal au weniger), he: weil die Regierung, wie in allen an- Boltstommissär für Aeußeres it wino w, die haben, auf der Grundlage des Vertrages von ein qualifizierter Arbeiter 200 bis 300, ein In­deren Staaten Geld drucken ließ wegen Ver- gleichfalls den Ostpakt betraf. Baron Aloisi 1908 in unmittelbare Verhandlungen genieur etwa 1000 Rubel im Monat, Unterschier letzung der persönlichen Freiheit in 387 Fällen, hatte mit Minister Dr. Ben es eine Beratung über die Regelung des Streitfalles einzutreten in der Bezahlung, die also sehr groß sind und und nichts zu tun, was die Lage verschlimmern einen Unterschied in der Nahrung, Kleidung und egen Raub in 21, wegen Erpressung in 80 Jäl- über die mitteleuropäischen Abkommen. len und wegen Diebstahls. In Angelegenheit des Ostpaktes hat die pol- fönnte. Abessinien behält sich aber vor, falls feine im Kulturgenuß bedingen. Regierung entgegen allem Erivarten Einigung erzielt werden sollte, den Völkerbunds- Schlechter als mit der Nahrungsmittelver­Montag, am 21. Jänner, wird sich ein unga- nische risches Gericht allen Ernstes mit diesem unfinni- eine definitive Antwort erteilt. Die Lage rat später wieder mit der Frage zu befassen. sorgung bestellt ist es in der Sowjetunion mit der In dieser Angelegenheit hatte am Freitag Wohnungsfrage. In den großen Städter.. gen und empörenden Fall von Rachejustitz befaffen scheint am besten durch eine Erklärung des Volks­G3 iſt eine Schande, daß eine fogar vom fommissär für Aeußerez Litwinow charakterisiert Miniſter& a b a I vermittelt. Frankreich und in welche die induſtrielle Arbeiterschaft zusaminen Völkerbund gebrandmarkte Regierung, die Hel- zu sein, der 1. a. sagte, daß der Abschluß des England werden auf Grund des Vertrages vom strömt, ist in den letzten Jahren mohl außerordent­ershelfer der Marſeiller Mörder, heute noch so Oitpaktes weiterhin nur noch von der Jahre 1906 über der Einhaltung der territorialen lich viel gebaut worden, in Moskau und ander Antwort Deutschlands abhänge. Unabhängigkeit Abessiniens wachen. wärts sind ganze neue Arbeiterstädte entstanden.

Schung

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emmen Schandprozeß wagen kann!