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Sonntag, 20. Jänner 1935

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An«IS« Arbeitersportler!

Der Zentralrat der sozialistischen Körperer­ziehungsorganisationen, der 280.000 Mitglieder umfaßt, hat in seiner Hauptversammlung am 13. Jänner 1935 sich neben der organisatorischen und erzieherischen Arbeit auch mit der politischen Ent­wicklung in diesem Staate befaßt und festgestellt, daß sich die Arbeitersportorganisationen aller Sprachen auch im verflossenen Jahre einheitlich und klar zum tschechoslowakischen Staate bekann­ten und wirksame Arbeit für die Freiheit urid Demokratie und das Ansehen des Staates lei­steten. Wir verweisen noch einmal auf die HI. tsche­choslowakische Arbeiter-Olympiade in Prag , an der alle Arbeiter-Sportorganisationen dieses Staa­tes in einheitlicher Front ein gewaltiges Bekennt­nis zur Freiheit und Demokratie ablegten. Eine imposante Manifestation, die weit über den Rah­men des Staates hinaus von großer Wirksamkeit war. Auf den Wehrtagen zeigten die Organisa­tionen deS Zentralrates durch den Massenauf­marsch geschulter Wehrsportler die Bereitwillig­keit, im gegebenen Falle die demokratischen Ein­richtungen dieses Staate- gegen die offenen und getarnten fascistischen Abenteurer mit allen Kräf­ten zu verteidigen. Damit leisteten die Organisa­tionen ein großes Werk staatspolitischer Erziehung Das Jahr 1935 ist wiederum gezeichnet durch die Auswirkung der kapitalistischen Krise.

Schwer arbeiten unsere Organisationen, die Be­mühungen der Gegner wachsen. Doch unsere Or­ganisationen stehen fest und unerschüttert. 1935 ist daS Jahr großer politischer Ent­scheidung im Staate. Die Wahlen für die Natio­nalversammlung, in die Landes, und Bezirke. Vertretungen müssen beweisen, daß die soziali­stische Arbeiterschaft auch in der nächsten Ber - waltungbperiode ein wichtiges Wort mitz,«reden hat. Unsere Organisationen haben am Ausgang der Wahlen ein besonderes Interesse und wer­den sich begeistert in den Dienst der sozialistischen Wahlarbei­tenstellenundallestun, um den Wahlsieg der sozialdemo­kratischen Parteien zu sichern. Jeder ArVeitersportler hat die ehrenvolle Ver­pflichtung, jetzt schon in diesem Sinne rnitzu- helfen und Agitator für uns zu sein. Der Ausgang der Wahlen mutz ein Schlag gegen die reaktionären Elemente in jeder Na­tion sein und einen Triumph der Arbeiterklasse bringen. Arbeiter-Sport- und Kulturorganisationen aller Nationen, an die Arbeit! Für die hehre Idee proletarischer Körperkultur, für den sozialen Auf­stieg deS Proletariats, für die freie demokratische Tschechoslowakische Republik!

Der Zentralrat der sozialistischen Körpererziehungsorganisationen der ESN- R. Silaba J. PoSapka H. Müller

Diese Wohnhäuser machen insbesondere, soweit sie in den ersten Jahren des Bestandes der Union ge­baut wurden, einen primitiven Eindruck, sie lassen sich mit den Wohnhausbauten bei uns nicht ver­gleichen, wie denn bei uns die Wohnkultur auch des Arbeiters auf weit höherer Stufe steht. So ist das Mobilar unserer Arbeiterbevölkerung besser und gediegener als jenes der Arbeiter in der So­ wjetunion . Die Häuser, die in der allerletzten Zeit gebaut worden sind, sind aUerdings besser und ge­räumiger als die etwa bis 1925 entstandenen. Die Wohnungsnot geben ebenso die Sowjetfunktionäre wie die Arbeiter zu, mit denen man darüber spricht. So sagte ein Arbetter in Moskau zu uns, daß er mit seiner Familie ein Zimmer bewohne und sehr beengt sei, aber in zwei Jahren werde er eine bessere Wohnung haben. Diese Erfahrung kann man allgemein machen: die Leute geben gewisse Mängel zu, aber sie hoffen bestimmt, daß es in absehbarer Zeit besser sein werde. Insbeson­dere die jüngere Generation, welche vielfach nicht nur in den Fabriken dominiert, sondern die auch hohe Posten in der Wirtschaft und Verwaltung be­kleidet man findet Fabriksdirektoren, Korps­generale und Sektionschefs zwischen 30 und 35 Jahren steht hinter dem herrschenden Regime und ist berett mit aller Kraft und mit allem Ta­lent am Aufbau der Sowjetunion mitzuarbeiten. Wenn man einige Zeit in der Sowjetunion geweilt hat, erhält man also den bestimmten Ein­druck, daß das Land wirtschaftlich und kulturell mit raschen Schritten vorwäriSschreiiet und daß daS Regime fest im Sattel sitzt. Ebenso klar werden jedoch die großen Unterschiede in der wirtschäftli ch^e n und sozia­len Struktur, in der kult.urellen und seelischen Eigenart zwischen Westeuropa und dem Sowjetstaat. Im Osten eine ganz anders geartete Bauernklasse, Ausbau der Industrie, jahrhundertelange Gewöh­nung an eine niedere Lebenshaltung, bei uns zu viel Industrie, eine sich ihrer Klaffenintereffen be­wußte, selbständig handelnde Bauernklaffe, höhere Lebenshaltung, höheres Kulturniveau. Faßt man den Marxismus nicht als Dogma auf, sondern als eine realistische Lehre, welche von den jeweils ge­gebenen Lebensbedingungen ausgeht, so gelangt man sowohl durch das Studium als auch durch die Anschauung der sowjetistischen Wirklichkeit zum Schluffe, daß dieMethodendesSozia« lismus in Westeuropa notwen­digerweise andere sein müssen als im Osten. Ich hatte mehrere Male Gele­genheit mit Sowjctfunktionären über die Aufgaben der Sozialdemokratie außerhalb der Sowjetunion zu diskutieren, die Argumente, welche da von kom­munistischer Seite kommen, sind bekannt. Ich habe in solchen Auseinandersetzungen stets darauf auf­merksam gemacht, welche große hi st arische Auf gäbe der Sozialdemokratie in der Tschechoslowakischen Re­publik gegenwärtig zukommt. Ein einziger Blick auf die Landkarte genügt, um diese Auf­gaben in ihrer ganzen Bedeutung zu erkennen. Umgeben vom Meer des Fascismus haben wir bisher erfolgreich eine politische Verfassung erhal­ten, welche der Arbeiterbewegung jene Bewe­gungsfreiheit gibt, ohne die kein Aufwärts und Vorwärts möglich ist. Wir haben das erreicht durch die Aktivität der sozialdemokratischen Par­teien deS Landes, welche von dem Stück Macht und Einfluß, das sie in der Hand halten, nichts preisgeben wollen. Ist es für die Entwicklung der Sowjetunion in den nächsten Jahren ein Lebens­bedürfnis den Frieden zu erhalten, um den wirt­schaftlichen Aufbau weiter fortzusetzen, so hat sie hiefür keinen besseren Bundesgenossen als die

tschechoslowakische Demokratie, welche ebenso wie die Sowjetunion keine Eroberungsabsichten hat und in der gleichen Weise an der Erhaltung des Friedens interessiert ist. Die sozialistischen Par­teien der ESN sind aber die stärkste und verläß­lichste Stütze der tschechoflowakischen Demokratie und deswegen ist es gegendasJnteresse der Sowjetunion gerichtet, durch Unterstützung der kommuni st i- schen Partei der§ SR di« soziali­stischen Parteien zu bekämpfen und zu schwächen. Die kommunistische Par­tei bei uns tut nichts dazu, um die demokratische Republik zu festigen und leistet daher der Sowjet­ union und ihren Werktätigen Massen einen schlech­ten Dienst. Haben die Bolschewiki Rußlands 1920 geglaubt, durch Spaltung der Arbeiterbewegung in Westeuropa die Weltrevolution herbeizuführen und dadurch die Sowjetunion vor der Intervention kapitalistischer Mächte zu retten, so liegt die inter­nationale Situation heute durchaus anders. Die Spaltung, der westeuropäischen, Arbeiterbewegung schwächt diejenigen Schichten der westeuropäischen Bevölkerung, welche die Sowjetunion am tatkräfe tigsten in deren Kampf um den Frieden unter- stützen können, während eine starke So­zialdemokratie in Westeuropa ein Friedensfaktor ersten Ran­ges i st. Als mich jemand während meines Aufenthaltes in der Sowjetunion in einer Dis­kussion fragte, warum ich Sozialdemokrat bin, antwortete ich ihm kurz und bündig:»Weil ich der europäischen Entwicklung im allgemeinen und jener der TSR im besonderen nicht mit den Hän­den in den Hosentaschen zusehen will und weil ich meine Aufgabe nicht darin erblicke, nichts anderes zu tun, als auf die bürgerliche Gesellschaft die Zunge hinauSzustecken." Nicht die revolutionären Phrasen unserer heimischen Kommunisten, son ­

dern positive Arbeit im Interesse der Werktätigen ist die Aufgabe. Diese Erkenntnis, die ich seit jeher hatte, ist durch meine Reise in die Sowjetunion bestätigt und gestärkt worden, wobei ich gern zugebe, in Rußland außerordentlich viel gesehen zu haben, was für einen Sozialisten sehr lehrreich ist und was er anderwärts nicht sehen kann. Ebenso spreche ich es gerne auch aus, daß sich in den letz­ten Jahren in der Sowjetunion einimposan- terAufbau vollzogen hat, für den das sowje- ttstische Proletariat mtt Geschick und Energie, mit Leidenschaft und sozialistischer Aufopferung Bewunderungswürdiges gelei- st e t hat.

Generalstabschef KreRi über aktuelle Wehrprobleme Prag . Der Minister für Nationalverteidi­gung B r a d ä k lud für SamStag die Vertreter der Prager Tagespresse zu sich. An'der Zusam­menkunft beteiligten sich Generalinspektor Armee­general Syrovh, Generalstabschef Armeegeneral Krejü und dessen Vertreter die Brigadegenerale Husärek und Neumann sowie auch der Vorstand des Präsidiums General Dr. Bobratilek. Generalstabschef Krejist befaßte sich mit einer ganzen Reihe aktueller Fragen, die mit der Ver­längerung der Dienstzeit auf zwei Jahre verbunden sind. Die zweijährige Dienstzeit sei auf absehbare Zett hinaus die gegebene Grund­lage; eine kürzere Dienstzeit bezeichnete der Gene­ ral als inhuman, da sie keine Soldaten, sondern nurKanonenfutter" ausbilde. Die zweijährig« Dienstzeit habe die Bedingungen für eine gute Aus­bildung der Armee geschaffen. Namentlich für die

Ausbildung der Reserveoffiziere wird mehr Zeit zur Verfügung stehen; die weitere Ausbildung in Spe­zialkursen wird in das zweite Dienstjahr verlegt werden. Der Antrittstermiu wird jetzt wieder einhett- lich auf de» 1. Oktober festgelegt werden, und zwar sowohl für die Mannschaft wie auch für die Ersatzresrrve und die ReserveoffizierSafpiranten. Die höheren Unteroffizierschargen bis zum Zugsführer werden jetzt schon der präsent dienen­den Manschest zugänglich sein; die Beförderung soll nach je sechs Monaten erfolgen. Bezüglich der Ur­laube wird in der bisherigen Praxis keine Aenderung eintreten bis auf die landwittschaftlichen Urlaube, die in Zukunft nachgedient werden müssen. Dem Offiziersmangel sucht die Heeresverwal­tung vorläufig durch die Heranziehung von Unter­leutnants der Reserve zu einer freiwillig verlän« gerten Dienstzeit von sechs Monaten bis höchstens drei Jahren abzuhelfen; trotzdem hier der arbeits­losen Intelligenz ein bescheidenes Auskommen bis zur Erlangung einer entsprechenden Zivilstellung geboten ist, reicht die Zahl der Anmeldungen noch nicht hin, um den Bedarf zu decken. Der Generalstabschef ver- sicherte, daß jeder dieser Unterleutnants ohne Rück­sicht auf die übernommene Dienstverpflichtung auf Wunsch sofort entlassen werden wird, falls sich ihm eine Zivilstellung bietet. Angesichts der ständigen Vervollkommnung namentlich der technischen Kampfmittel sei die Ver­mehrung der Zahl der Berufsoffiziere und die Sorge für eine höhere, namentlich technische Ausbildung des Offizierskorps eine weitere dringende Notwendigkeit der Armee, ebenso wie die vor­militärische Erziehung auf gesetzlicher Basis. Diese dürfte sich wahrscheinlich in einer eigenen Organisation abspielen und müßte von Reserveoffizieren und Unteroffizieren geleitet sein. Hier spielen natürlich sofott finanzielle Momente eine große Rolle. Bei allen Nachbarn sei man in der vormilitärischen Erzie­hung schon bedeutend Wetter. Eingehende Aufmerksamkeit widmete der Generalstabschef schließlich den materiellen Verhältnissen der Militärgagisten, die gegenüber anderen Staaten viel schlechter gestellt seien. In die­ser Richtung hat bekanntlich schon Minister B r a- bat selbst im Parlament die Forderung nach Besserstellung der aktiven Offiziere und Unteroffiziere angekündigt. Die Militärverwaltung plant eine Er­höhung deS Equipierungspauschale bei Offizieren aus 1800 bis 2000, bei Rottmeistern auf 1500 KC jähr­lich. Bisher betragen diese Beittäge bei Offizieren 600, bei Rottmeistern 360. Außerdem soll in be­scheidenen Grenzen eine Sonderzulage für das Mili­tär geschaffen werden, um ein gewisses Aequivalent für die erhöhten Anforderungen, die an das Berufs­militär gestellt werden, zu bieten. Diese materiellen Fragen befinden sich allerdings noch nicht'einmal im Anfangsstadium der Koalitionsberätungen. Das Komitee für Betriebe der Kommission für die Oekonomisierung der öffentlichen Verwaltung hiell am 16. dS. eine Sitzung ab und beriet über die An- träge, die auf eine Verbilligung der Verwaltung der Staatsbahnen gerichtet sind, sowie über die Verwaltung der Staatsbäder, über die Spar­samkeit bei öffentlichen Bauunternehmungen ustv. Behandelt wurde weiter das Arbeitsprogramm für die nächste Zeit. Di« Arbeiten im Komitee für Be» triebe werden vor allem auf die Beendigung des Planes der Organisatton der Staatsbahnen und die Oekonomisierung der Verwaltung in den Staats­forsten und-Gütern, den Berg» und Hitttenunter- nehmungen und den Druckereien konzentriert sein.

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Roman von Olga Scheinpflugovä

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Der Wagen hielt vor einem Hause und alle, Raoul und auch der Oberst, der allerdings wenig Neigung hiezu zeigte, gingen die Treppen hinauf. Raoul blieb auf dem Korridor stehen und wartete, bis man sich seiner erinnerte. Die Stubenmädchen liefen hin und her. Eine gefiel ihm sehr gut. Babsola kam und schien verlegen zu sein; sie hatte seiner vergessen. Man führte ihn in ein klei­nes Zimmer, wo das Nachtmahl und ein Bett seiner warteten. Raoul schlief die erste Nacht in Paris recht schlecht. Der Oberst setzte sich mit Babiola zu dem späten Souper. Während des Essens öffnete sie die Post. Obenauf lagen einige Briefe Feliciens und sie gab vor Jouvenelle den Befehl, sie uner­öffnet zurückzuschicken. Sie speisten. Babiola ttank unvernünftig viel, als wollte sie ihren Verstand bis zur Unvernunft müde machen.- Sie sah Äes nebelhaft. Wo war Felicien? Sie trank. Plötzlich bot sie dem Obersten mit ihren Lippen eine reife Beere an. Er nahm sie aus mehr als geziemender Entfernung. Aber seine schweigsamen Lippen öffneten sich; er sprach: Meine liebe, schöne, törichte Babiola: ich bin schon ein alter Soldat, dem man eS Nachsicht, wenn er die Manöver nicht mehr mitmacht. In einen wirklichen Krieg zöge ich wohl gern mit aber ich könnte nicht..." Warum?" Verwundete kämpfen nicht." Sie sind...?"

Verwundet, ja." Ihre Intelligenz bedurfte keiner weiteren Erläuterungen. Ein sonderbarer Nebel trübte ihre Augen. Sie war jetzt wie ein Kind mtt der Stimme einer Erwachsenen: Sie sind krank?" Ja."* So...?" Ja... so." Er wäre am liebsten tot ge­wesen; er bedauerte, an der Marne nicht gefallen zu sein. Mit fester Stimme sagte sie:Jean, ich will einen wirklichen Menschen neben mir fühlen. Alles andere ist gleichgültig. Morgen kommst du zu mir zu Tisch; übermorgen fahren wir nach Versailles . In einer Woche werde ich wieder spielen. Dann werden wir gemeinsam schöne Abende verbringen." Sie versprach viel. Er sollte wissen, daß sie mit ihm rechne. Er lächelte dankbar. Es war ihr gelungen, ihn zu beruhigen; sie war mtt sich zu­frieden. Es war eine edlere Aufgabe als die, das Publikum zwei Stunden lang seine Tagessorgen vergessen zu machen... Babiola plauderte fröhlich von diesem und jenem. Schließlich stellte sie sich schläfrig, damtt er gehe. Er straffte seine Gestalt und ging. Ba^'laS Ruhm breitete sich epidemisch auS, Sie sei sah sich wie einen fremden Menschen an. Die w'. Begeisterung der Hände, die ihr Beifall spendeten oder sich um die neueste Ausgabe ihrer Bücher rissen, war ihr unverständlich. Sie wünschte in der Einförmigkeit ihrer Siege wenigstens ein­mal auf Stille, Unverständnis oder Verlegenheit zu stoßen. Sie spielte zwanzigmal im Monat. DaS Theater war immer ausverkauft. Ihre Lei­stungen waren wie kostbares Obst aus dem Garten der Erkenntnis. Den Männern wich sie aus. Sie sah, wie der Rostandverehrer und viele andere Verehrer älteren und neueren Datums in Leiden-.

schäften zu unbedeutenden Mädchen entbrannten, nur weil sie weniger bedeutend, schwächer als sie waren. Kleine Statistinnen erlebten berauschende Liebe und wurden geliebt, wie sie selbst es nie zu ttäumen wagte. In ihrem Leben gab es keinen Lucien, keinen Jacquc» mehr, der sich in seiner trostlosen Ehr­lichkeit weiß Gott wohin verloren hatte. Es gab hier nur noch Jouvenelle. Daß er nicht ihr Ge­liebter war, schien eine Zeitlang das Interesse

Ladtolas Ruhm breitete sich epidemisch aus... ihres Verkehrs zu heben. Sie gingen zusammen spazieren, führten stundenlange Gespräche. Er war ihr dankbar. Einigemal begleitete er sie zu Tees und ins Theater. Man sah dem Paare wohl­gefällig nach. Sein Aeußeres befriedigte die ver­wöhntesten Augen. Mit ihrem Ruhm wußte er nichts anzu­fangen. Er hielt sich dem Gedränge, das ihr Auto umgab, stets fern. Ihre Blymen trug er aber gern und widerspruchslos. Er wär aufrichtig und geradsinnig. Er kannte und wußte viel, aber in

ihren Gesprächen entstanden doch öfter Lücken, die er nicht ausfüllen konnte. Nach langem Ueüer- legen und Erwägen entschloß sich Babiola, Raoul selbst zu behalten und sie beförderte den von der Großstadt berauschten armen Teufel zu ihrem Die­ner. In einer schönen, mit Lackleder überzogenen Schachtel, die an einen Riemen geschnallt war, trug er ihre Garderobe ins Theater. Die Köchin brachte ihm bei, den Tee in einem weißen Rock zu servieren. Babiola versprach Raoul, ihn zu ihrem Chauffeur zu machen, bis er sich an die Großstadt gewöhnt habe. Inzwischen fiihrte er die Hunde auf die Straße und besorgte Botengänge. Es dauerte einige Wochen, bis er begriffen hatte, wer Babio­la aus Bidar geworden sei und er wurde jeden Morgen rot, wenn er förmlich wie die Mädchen grüßen mußte:Guten Morgen, Madame." Frü­her hatte erDu" zu ihr gesagt und sie duzte ihn heute noch. Er begriff aber, ohne daß ihm das je­mand gesagt hätte, daß er das nicht mehr tun dürfe. Die erste Zeit empfand er große Sehnsucht nach der Heimat. Aber die fünfhundett Franken, die er außer freier Statton von seiner Gebieterin erhiell, übertönten das sehnsüchtig lockende Lied des Meeres. Er gewöhnte sich daran, anstatt der Brandung das Tosen der Großstadt zu hören. An­fangs schämten sich die Hausmädchen seiner, kli­er aber elegantere Kragen trug, befreundete sich eine mit ihm; sie hieß Nanette. Zunächst warf sie ihm vor, daß er dumm sei; ein wenig später aber hatte sie Angst, er könne unter ein Auto ge­raten. Er fühlte, daß ihn jemand in der großen Stadt gern habe. Raoul erzählte einmal dem aufhorchenden Mädchen von der kleinen Limonadenverkäuferin und freute sich, als er merkte, daß er dadurch in ihrer Achtung stieg. Zu seinen Obliegenheiten ge­hörte eS, die Türe zu öffnen, wenn eS läutete. lFortsetzung folgt.)