Seite 2 Mittwoch, 23. Jänner 1835 Nr. 1» Der Verkauf Kurswechsel der japanischen Außenpolitik der Mandschurischen Bahn perfekt Monarchistische Kundgebungen in Griechenland Athen.(AP) Anläßlich de» Todestage» des Königs Konstantin kam es in Athen und anderen Städten zu monarchistischen Kundgebungen, durch die der Straßenverkehr längere Zeit lahmgelegt wurde. Dabei wurden Niederrufe auf die Republik und auf VenizeloS laut. Die Ge­rüchte, di« ständig BenizeloS mit monarchistischen Bestrebungen in Zusammenhang bringen wollen, werden dadurch schlagend widerlegt. Vom Balkon des Gebäude» der monarchistischen Zeitschrift »ElliniSmos" hielt ein Abgeordneter eine monar­chistische Ansprache. In Patra » wurde eine Reso­lution angenommen, die die Forderung ausspricht, daß man den Mitgliedern des ehemaligen Königs­hauses Holstein-Glücksburg die griechische Staats­bürgerschaft wieder zuerkenne und die Rückkehr nach Griechenland gestatte. ster Form. Aber zu dieser Hacke wird sichauchnochein Stil finden. Die denkende Arbeiterschaft wird ihre sozialpolitischen Rechte und Forderungen nicht um ein Linsen» gericht verkaufen. Die deutschen Unternehmer und Kapitalisten werden durch Bettelpfennige für die Bolkrhilfe nicht die Tatsache verwischen, daß sie bisher jede reguläre Beitragsleistung für die Arbeitslosenfürsorge abgelehnt haben, daß sie zu den Saboteuren des Notfonds gehören, der von uns al» einziger Ausweg zur Verbesserung der staatlichen Erwerbslosenhilfe seit Jahren gefor­dert wird. So leicht wird eS bei uns nicht gelin­gen wie in Deutschland , daß die Herren Kapita­listen ihre sozialen Verpflichtungen einfach auf -ie Mittelschichten und auf die Arbeiter selbst ab- wälzen. Keinem Gutgesinnten war eS bisher ver­wehrt, zu den öffentlichen Leistungen für die Ar- beitslosm auch noch sein privates Scherflein bei- zusteuern. Wir lassen eS ruhig darauf ankom­men, ob die ganze DolkShilfeauch nurein Zehntel soviel zu leisten vermag, als die vom seinerzeiti­gen Fürsorgeminister Dr. C z e ch durchgekämpfte Ernährungs­aktion an Mitteln in die deut­ schen Krisengebiete geleitet hat. Wer über die Bettelkarten höhnt, möge sie über- trumpfen. Gegen die Gabotierung der Sozial- Politik durch Geelenkauf werden wir jedoch den schärfsten Kampf aufnehmen und durchfechten. Das sudetendeutsche Bürgertum wird sich durch keinen BolkShilfe-Tchwindel um die klare Tnt- scheidung Herumdrücken können, ob e» für soziale Krisenlösungen oder für kapitalistische Krisenver- schärfung ist. In der Frage des Arbeitsplätze» wird der Staat endlich ein ernstes Wort sprechen müssen. Alle tschechischen Parteien müssen sich darüber klar werden, wie folgenschwer sich die Zurückset­zung der Deutschen in öffentlichen Diensten poli- tisch auswirken muß, wenn im Zeichen der furcht- baren Krisennot in den Grenzgebieten unter den Deutschen selbst jede Halbtagsbeschäftigung mn Waschtrog ein Politikum geworden ist. Die end­liche gesetzliche Regelung der Arbeits­vermittlung im Ginne sozialer und natio. naler Gerechtigkeit ist nach solchen Erscheinungen eine unaufschiebbare Notwendigkeit geworden. Loki ». Nach einer Verhandlungsdauer von 18 Monaten, während der 40 Hauptbesprechungen stattfanden, wurden am Dienstag vormittag» die Verhandlungen über den Verkauf der Chinesischen Ostbahn endlich zum Abschluß gebracht. Der Vorvertrag enthält alle Einzelheiten des Uebergangs der Bahn an Mandschukuo. Danach tritt die Sowjetunion folgende Werte ab: 1726 Kilometer Bahnstrecke, 2867 Kilometer Tele­graphen- und Telephonlinien, da» gesamte Bahn­material, Fabriksanlagen und umfangreichen Be­sitz an Ländereien und Wald. Der Gesamtprei» beträgt wie bereits im Oktober v. I. grundsätzlich vereinbart wurde, 170 Millionen Den (zirka 8.4 Milliarden KL). Ein Drittel dieser Betrages ist in Barem zu zahlen, die restlichen zwei Drittel in Waren. Die Zahlungen haben innerhalb von drei Jahren zu erfolgen. Die Hälfte des Barpreises ist bei Unterzeichnung des Vertrages fällig. Der Restbetrag muß mit 8 Pro­zent verzinst werden. Ueber die an zahlungsstatt zu liefernden Waren werden im Laufe der nächsten sechs Monat« besondere Verträge abgeschlossen werden. Die Sowjetunion verlangt R e i», Rohseide, kleinere Schiffe, elektrische Ma­schinen und Apparate, Kupfer, Tee, Sojabohnen und anderes,aber keine Waffen. Japan übernimmt die Bürgschaft für alle Zahlun­gen und wird hierüber eine besondere schriftliche Erklärung an Moskau abgeben. Die Preisfest­setzung für die zu liefernden Waren wird durch eine gemischte Kommission erfolgen. Die Chinesische Ostbahn oder, wie sie jetzt von japanisch-mandschurischer Seite bezeichnet wird, die Novdmandschucische Bahn, wird mit der Ussuri-Bahn und der Sibirischen Bahn verbunden werden. Hierüber folgt ein besonderer Vertrag. Die bei der Bahn beschäftigten sowjetrussischen Be­amten müssen innerhalb von fünf Monaten nach der Sowjetunion zurückkehren. Vergütungen und Sanktionen für diese Beamten werden von der Sowjetunion bezahlt. Der Hauptvertrag über den Bahnverkauf soll im Feber in Tokio unterzeichnet werden. Japan beabsichtigt, gemeinsam mit Mandschukuo die ge­samte Bahnverwaltung neu zu oichnen. Unter einer neuen Gesellschaft, deren Gründung in Aus­sicht genommen ist, werden drei Hauptabteilungen gebildet werden, u. zw. für da» Gebiet der Nord­mandschurischen Bahn, der bisherigen Mandschu­rischen Bahn und der Südmandschurischen Bahn. Der Kaufvertrag über di« ostchinesische Lahn kommt unter den gegebenen Umständen sicher einem Friedmiverträg an Bedeutung nahe. Die Meisten Reibungsflächen zwischen der USER und Japan ergaben sich in den letzten Jahren aus dem Streit um die Bahn. Ob der Frieden von Dauer, ob der verkauf der Bahn ein« Garantie besserer Verhält­nisse im Femen Osten sein werden, das hängt allerdings von der Politik ab, die Japan nunmehr treiben wird. Gibt«S sich mit dem Erreichten zu­frieden, dann könnten sich seine Beziehungen zur USSR allerdings bessern, seht es sich nun neue, weiter gesteckte Ziel«, so werden auch neue Kon­flikt« entbrennen. Di« japanische Presse stellt da» Zustandekom­men deS Kaufvertrages als eine Folg« der russi­schen Nachgiebigkeit dar. Tatsächlich haben beide Teile Zugeständnisse gemacht. Japan hat die Ga­rantie für die Erfüllung der Zahlungsbedingungen übemommen und die gemischten Schic drkommissio- nen zugestanden, Rußland hat sich bereit gefun­den, seine Staatsangehörigen selbst zu entschädi­gen. Entscheidend scheint aber doch ein merkbarer Kurswechsel in der japanischen Po­litik gewesen zu sein. Für ihn gibt«S eine Reihe von Symptomen. Japan , da» kürzlich das Flottenabkommen von Washington gekündigt hat und erklärte, daß eS di« volle Rüstung»gleichheit mit den angelsäch­sischen Seemächten erstrebe, erklärt plötzlich, eS sei zu einem neuen Abkommen bereit, ohne daß dabei die Forderung nach Gleickcheit noch betont wird. Der japanssche Außenminister H i r o t a erklärt, im selben Augenblick, da Japan auch sonst seine Friedensbereitschaft in auffälliger Weise betont. Leys Leibblatt verschwindet DerAngriff übernimmt das Erbe Berlin . Der Reichsleiter der deutschen Presse, Amann, und der Leiter der Deutschen Arbeits- front, Dr. Ley» geben in einer Veröffentlichung imAngriff* bekannt, daß ab 1. Feber 1938 der»A n g r i f f", das Berliner Organ der Natio­nalsozialisten, da» Organ der Deutschen ArbeitS- ftont werden wird. Das bisherig« Organ der Arbeitsfront,Der Deutsche", daS beimBer­liner Tageblatt" gedruckt wurde, dürfte ab Feber nur noch als Wochenschrift herauSkommen. Sehr energisch wehrt sich daSBerliner Tageblatt" gegen die im Auslage verbreitete Meldung, daß es demnächst sein Erscheinen einstellen werde; die im Verlage der Buch- und Tiefdruck- HitlerS Sieg an der Saar war nicht nur das Resultat des Terrors und der Propagandalüge, er war auch da» Resultat einer überschlauen diplomatischen Takttk jener Mächte, die die Saar al» Tauschobjekt für tat Frieden an Hitler aus­liefern wollten. Die Folgen zeigen sich schon jetzt. Nicht in einer Befriedung der Welt, sondern in gesteiger­ter Unruhe, in erhöht«? Konfliktstimmung.... Im Memelgebret verstärkt die hitlerdöutsche Jrrendenta ihr« Bemühungen, in Oe st erreich wittern diegroßdeutschen" Gleichschalter mit Konzentrationslagern und Columbiahäusern Morgenluft und im Elsaß regen sich die von Httler finanzierten Auto- n o m i st e n I Die«Elsaß-Lothringische Zeitung", ein dom deutschen Reichspropagandaministerium aus« gehaltenes Blatt, Organ der Hitlerkopisten an der Saar , schreibt wörtlich folgendes: vergleiche mit Elsaß » Lothringen zu ziehen, liegt jetzt sehr nahe. So hörten wir denn von ver­schiedenen Leuten die Meinung, daß im Elsaß sollte man einmal eine Volksabstimmung veranstalten, damit auch hier endlich Ruh« dem chinesischen Gesandten, daß Japan ein« dauerndeVerständigung mit China anstrebe. Zugleich wird die Abberufung de» Ge­sandten in China Ariyoschials bevorstehend gemeldet. Sein Nachfolger soll der frühere Bot­schafter D o s ch i d a werden. Da» wäre ein wei­tere» Zeichen für die japanische Friedensbereit- schast. Die Ursachen der japanischen Schwenkung sind teil» innen-, teils außenpolitischer Natur. Jnnen- politisch macht die Seiyukai-Partei der Regierung die größten Schwierigkeiten. Ihr Füh­rer Suzuki hat sich eben wieder gegen die kostspie­lige Rüstungspolitik der Regierung gewandt. Außenpolitisch dürfte maßgebend gewesen sein, daß Roosevelt die amerikanische Flotte neuerlich in den Pazifischen Ozean entsandt und mit dem Ausbau der Flottenstationen im nördlichen Pazi­ fik begonnen hat; f e r n e r, daß Rußland in Europa eine gute Rückendeckung durch Frankreich gefunden und daß es seine Hee- reSbasis in Ostasien gut ausgebaut hat. Unter dem Druck dieser Verhältnisse entschließt sich Ja« pan augenscheinlich, die zum Kriege treibende Po­litik mindestens wbzubremsen. gesellschaft m. b. H. bisher herausgegebenen Zei­tungenBerliner Tageblatt",Berliner Volks­zeitung" undBerliner Morgenzeitung" werden vielmehr, wie das Blatt versichert, in unveränder­ter Form weiter erscheinen. Diese ehemaligen M o s s e- Betriebe werden jedoch abermals ihren Besitzer wechseln und in den Besitz eine» neuen Konsortiums übergehen, da» unter der Führung der Dresdner Bank und deS Bankhauses Hardy u. Co. steht. * In einer der ältesten schlesischen Zeitungen­der im 116. Jahrgange stehenden»BreS- lauerZeitung" erscheint eine Erklärung, in der es heißt:»Die»Breslauer Zeitung" ist ge­zwungen, ihr Erscheinen einzustellen, falls es ihr nicht gelingt, noch in letzter Stunde die Mittel zur Fortführung de» Betriebes herbeizuschaffen." werde. Ein anderer meinte, der Völker­bund könnte die Urnen und di« internationalen Armee» gleich nach Elsaß-Lothringe» transportieren. Die Tatsache, daß i» unserer unmittelbaren Nähe eine Bevölkerung mit rund 600.000 Wählern frei über ihre Zu­kunft entscheiden konnte, mußte naturgemäß ihr« starke Wirkung auf unser Land habe«. Wir hörte« auch den Satz, der anscheinend die Runde durch» ganze Land machen will:Da, wo sie nicht wollen, müsse« sie abstimmen, und da, wo sie a b stimmen wollen, dürfen sit nicht." Die Sprache ist eindeuttg, das Ziel klar und der Jnsporator selbst dann, wenn man nicht von den Geldquellen derE.-L. Z. wüßte, gar nicht zu verkennen. Knapp eine Woche nach der Saar- absttmmung beginnt der neue Anlauf des Hit l erischen Jmpertali»« ! muS! Eine Illustration zu jener Rundfunkrede Hitlers vom 16. Jänner, in der derFührer" feierlich versicherte, daß Hitlerdeutschland»nun­mehr keine territorialen Forderungen an Frank­ reich " habe.... Und jetzt das Elsass I 47 Roman von Olga Scheinpflugovä Copyright by PrwwxUenrt I. Prwtr-VtrlK, WiM Felicien erschrak. Er atmete rasch und suchte nach einer Erklärung. Er hatte sich damit abge­funden, daß es herrlich sei, für Gottes schönen Morgen und Mutter» gute Mahlzeiten zu leben; die Frage des VaterS, bet seiner sonstigen Schweigsamkeit doppelt bedeutsam, schreckte ihn aus seiner Ruhe. «Ich fühl« mich hier wohl, Vater. Später bis ich ganz gesund sein werde- will ich nach Paris zurückkehren." Felieien fühlte sich neben dem gleich großen Vater als Mann und er fügte hinzu:«Ich muß erst vergessen, Vater." Diese Frau?" Sie war mir mehr ,.." Sie schritten wortlos weiter. Dann sprachen sie nicht mehr von Gefühlen. Sie waren wieder zwei Bauern, mit zwei Pfeifen im Mund, zwei Stöcken in den Fäusten und einer ganzen Welt in ihren ftohen Augen. So schritten sie gemeinsam durch die Felder. Felicien, dem vor sich selbst graute, mußte jemand weh tun. Und wie jeder dankbare und ehrliche Sohn übersiel er eines Tage» Frau Giraud; die Mutter, nur die Mutter hat mich so vernichtet! Es ist entsetzlich, was du aus mir gemacht hast." Bei diesen Worten ihre» einzigen Glückes begann Frau Giraud zu weinen und die ganze Familie mußte sie beruhigen. das Wohl der ganzen Familie. Der alte Giraud mengte sich nicht in diesen Disput, aber später nahm er den Sohn beiseite und seine Augen hatten einen Ausdruck, der zu denken gab. Felicien, du solltest wegfahren und zu arbeiten beginnen." Du hast recht. Ich werbe Samstag fahren," antwortete Felicien und legte sofort seine Werk­zeuge zurecht, al» wäre morgen nicht mehr ge­nügend Zeit dazu. Aber Samstag stellte sich ein Schnupfen ein und man sprach nicht mehr davon. Er überfiel di« Mutter mit Vorwürfen, deren Härte sie nie verdient hatte. Er erinnerte sie daran, wie unmöglich sie sich zu.Vagabond' be­nommen habe. Er erzählt«, hochroten Gesicht», von BabiolaS Genialität, von ihrer berückenden An­mut. Er unterstrich, nahezu beleidigt, jede gute Eigenschaft BabiolaS. Er schrie. Einmal, al» er, ein Gewehr in der Faust, von den Feldern heimkam, stellte die Familie fest, daß er sich schrecklich verändert hab« und sehr krank sein müsse. Zu jener Zeit kam Nastja Petrowna auf da» Gut, Sie hatte ttefe, asiatische Augen und ein Päckchen Briefe von ihrem Liebsten; in diesem fremden Lande wollte sie nichts weiter als essen und schlafen. Sie war die Tochter eines Dorfbürgermei- sters, den man vor ihren Augen gehentt hatte. Sie hatte damals nicht geweint, wie sie auch sonst nie weinte. Mit ihrem letzten Gelbe war sie nach Pari» geflüchtet. Einige Wochen irrte sie in den Straßen der Stadt wie an den Ufern eines Flusses umher, fand aber nicht den Mut, ihrer Not in seinem Schlamm ein Ende zu bereiten. Männer sprachen sie an; alle hatten dieselben Augen und Worte und versprachen ihr gute Tage, wenn sie ihre Nächte verkaufen wolle. Ihr Geliebter in Rußland lebte vielleicht nicht mehr. Sie durste nicht daran denken. Kam , er ihr auf der Straße in den Sinn, dann um- Schließlich entschuldigte sich Felicien und nebelten sich ihre Sinne und sie taumelte gegen man trank mtt noch nassen Augen ein Gla» aus 1 die vorübergehenden. Schwach vor Hunger und Ermüdung fand sie schließlich in einem Kontor eine bescheidene Anstellung. Zu Giraud» kam sie durch einen Zufall. DaS Gut brauchte im Frühjahre weibliche Hilfskräfte und Nastja, großstadtmüde, ließ sich anwerben. Frau Giraud fteute sich darüber, einen Revo­lutionsflüchtling auf dem Gut« zu haben. Sie Naatja Petrowna hatte in ihrer Jugend russisch gelernt und all die Jahr« kein« Gelegenheit gehabt, sich von ihrem guten Gedächtnis zu überzeugen. Aus diesem Grund« nahm sie Nastja abends zu Tisch. Die ganz« Familie sollte wissen, daß Frau Giraud au» einer Familie stammte, die auf Bildung hielt. Felicien beachtet« Nastja anfangs nicht. Einmal bemerkte er aber zu Tante Lucie: ,/Solche Augen, wie Nastja sie hat, habe ich bisher noch nicht gesehen!" Diese» Ereignis wurde von Frau Giraud eingehend besprochen. Sie fand, daß diese Nastja Felieiens Gesundheit nicht schaden könne; im Gegenteil: sie werde vielleicht dazu beitragen, Felieien Aus Gut zu fesseln. Frau Giraud schenkte Nastja einige Blusen und von nun an speiste sie immer mit der Familie. Nastja begriff das alles auch dann noch nicht, als Felicien sie abend» zu Wanderungen durch di« Felder einlud. Mit den ruhigen Schritten eine» in sein Schicksal ergebenen Menschen schritt sie neben ihm her. Dieser Sohn ihres Herrn war ein eigen- arttger Mensch. Er sprach wenig und sie war ftoh, weil sie nicht antworten mutzte. Sie hätte ihm wohl manchmal gern von Rußland eitzählt, von ihrem Heimatdorfe, wo sich von den Schulkindern bi» zum Popen alles vor ihr verneigt hatte. Aber wenn er sprach, sprach er nur von sich, von seinem geistigen und physischen Leiden. Er schien sich da­nach zu sehnen, daß sie ihn bedaure. Sie hörte ihm mitleidig zu, wenn er von Paris , von Skulpturen und einer Frau sprach, die Babiola hieß. Sooft er diesen Namen nannte, blieb er ehrfurchtsvoll stehen. Er erklärte ihr Dabiolas Größe. Nastja ver­stand nicht, was da» war: groß sein. Sie wollte nur glücklich sein. Felicien meinte, daß sich daS schwer vereinen ließe. Sie gewöhnte sich an seine ständigen Erzählungen von Babiola, die seinen Worten zufolge für Paris mehr bedeutete, als dec Niagara für Amerika . Einmal las er ihr auf dem Feldrain Verse von Babiola vor. ES war Sommer. Ueber den Blüten gaukelten Schmetterlinge. Nastja hatte keine Lust, zuzuhören. Er ftagte dann: WaS sagst du dazu?" Sie antwortete:Ich weiß nicht, Herr." Wenn Felicien der Kopf schmerzte, sagte Frau Giraud: Geh mit Nastja spazieren." Seit sie hier war, ging es in der Familie ruhiger zu. Frau Giraud fühlte instinktiv. daß ihr diese» stille, geduldige Wesen nicht schaden werde, daß sie nichts geben und ihr deshalb nichts nehmen konnte. Felieien mochte das arme Mädel lieb ge­winnen, aber niemals würde er sagen:Mama, das ist für mich die einzige Frau auf Erden." (Fortsetzung folgt.)