Seite 6 Sozialdemokrat" Freitag, 8. Fever 1938. Nr. 33 PRAftEft ZB1TBMG Frau hinter dem Stand Der Wenzelsplah ist das Zentrum jener nächt- lichen Kleinverkaufs-Stände, an denen sich die Nacht- brunmler mit Zigaretten, Würstchen und Zuckerzeug zu versehen pflegen. Unweit des Brückl sitzt Abend für Wend eine ältere Frau, vielleicht in den Fünfzigern, hinter ihrem Stand, der sich von denen der Kollegen unu Kolleginnen nur durch seine besondere Armseligkeit auszeichnet". Dieser Stand hat nicht einmal ein Dach, das immerhin gegen den beißenden Wind der Schneenächte einen gewissen Schutz gewährt. In den frühen Abendstunden kommt die Frau und sie geht erst wieder, wenn die ersten Straßen­bahnen durch das erwachende Prag   klingeln. Un­weit von ihrem Stand liegt ein lichtüberflutetes Premierenkino. Zehn Meter zur Linken befindet sich der Treffpunkt der Pärchen, vor ihren Augen wickelt sich das Zeremoniell der zahllosen Rendezvous ab. Die Frau hinter dem Stand sieht das große, sorg­lose Leben an sich vorüberfluten, den abendlichen Korso, das Kommen und Gehen zwischen den Dreh­türen der großen Fremdenhotels. In ihren müden Augen spiegeln sich die fun­kelnden Strahlen lockender Lichtreklamen. Sie sitzt hinter ihrem ärmlichen Stand und friert. Und wenn man, so gegen zwei Uhr nachts, an ihren Stand tritt, hat sie regelmäßig ihr armseliges Geschäft im Stich gelassen. Ein Räuber könnt« ihre gesamte Habe wegtragen... Das Gesicht auf der harten Holzplatte, sitzt sie, dornübergesunken, und schläft-. Den bleiernen Schlaf der Erschöpfung. Im Freien, bei minus 6 Grad... Pre. Der Sportzug nach Schlackenwert(Motorzug ab Prag   Wilsonbahnhof 13.55) fährt diesen Sams­tag bestimmt. Ein unentgeltlicher Skiknrs mit Führern wird den Teilnehmern des von der Staatsbahndirektion in den Tagen vom 16. bis 24. Feber nach Spind- lermühle zu veranstaltenden Ausflugszuges ge­währt. Einquartierung in Hotels mit Zentralheizung lind fließendem kalten und warmen Waffer. Preis 350 Kd. Anmeldungen mit einer Anzahlung von 50 Kd nimmt bis zum 14. Feber das Referat für Ausflugszüge der Staatsbahnen. Basar neben dem Wilsonbahnhof(Tel. 38335. Amtsstunden von 8 bis 17 Uhr) entgegen. tierlclitssaal Das unbezahlte Luxusauto des falschen Direktors vier Jahre schweren Kerkers für eine« Grotzbetrügrr Prag. Wenzel Houdek ist 40 Jahre alt und hat zwanzigPor,'trassen. Noch.im alten Oesterreich verbüßte er als Neunzehnjähriger eine schwere Kerkerstrafe und bat seither eine ansehnliche kriminelle Karriere absolviert. Donnerstao stand er wieder einmal vor dem hiesigen Strafgericht unter Anklage des vielfachen Verbrechens des Betruges. Die Anklage zählt 27 Straftaten auf und das Verzeichnis der geschädigtes: Personen läuft über mehrere Maschinenseiten. Der Gesamtschaden be- läust sich auf gegen 80.000 Kd. Wenzel Houdek ist ein Menschenkenner und weiß, daß dem DurchschnittÄbürger nichts so sehr imponiert als einvornehmes Auftreten". Demgemäß baute er seine Gaunerexistenz auf einem Luxusauto und auf klingenden Titeln auf. Und es dauerte mehr als drei Jahre, ehe man dem Treiben des Hochstaplers ein Ende bereiten konnte. Das erforderliche Luxusauto bekam der existenz­lose Kriminalbruder dank seinem selbstbewußten Auf­treten spottbillig. Er zahlte 5000 Kd an. denRest" ccher sucht die Firma seit 1931 vergeblich einzutrei­ben. Als man ihn schließlich stellte, leistete er den Offenbarungseid und erklärte, das Auto ge­höre seiner Frau. Während ihn die verzweifelten Gläubiger vergeblich suchten, fuhr er mit seinem er­gaunerten Wagen fröhlich im Lande umher und ver- übte allenthalben die unglaublichsten Betrügereien. Er pflegte meist alsD i r e k t o r" aufzutreten und dieser Titel in Verbindung mit dem prunkvollen Auto trieb ihm immer neue Gimpel ins Garn. Wie groß­artig er sich auf sein Fach verstand, geht daraus her­vor. daß er selbst die Hüter der Benzinpumpen um Benzin und Oel zu prellen wußte, so daß ihn seine Raubfahrten gar nichts kosteten. Die armen Teufel glaubten dem eleganten Herrn Direktor im Luxuswagen, wenn dieser, nachdem der Benzintank gefüllt war, nachlässig hinwarf, er habe eben kein Kleingeld bei sich und werde morgen beim Vorbeifahren bezahlen. Was nun die hauptsächlichen, sozusagen existen­ziellen. Gaunereien desHerrn Direktor" betrifft, so sind sie einfach genug. Er lockte den verschiedensten Geschäften und Personen Waren heraus, die er dann sofort versetzte oder verschleuderte. Auf Einzelheiten einzugehen, ist bei der Unzahl der Fälle nicht möglich. Unter der endlosen Reihe der her­ausgelockten Gegenstände finden wir nehst vielen andern: Fünf Radioapparate. Schreibmaschinen, Möbel, Stoffe, Pelze, Musikinstrumente usw. Er war nicht wählerisch und nahm was^ sich bot. Er kaufte zur Probe" oder einfachaut spätere Bezahlung" und erhielt meist die verlangten Sachen wicderspruchs- los und mit vielen Komplimenten dank dem Auto und dem schönen Berufstitel. Es scheint, daß Houdek Sinn für Humor hat. So erschien er eines Tages in einer Musikinstrumenten­handlung. wo er sich als Polizeibcamter vor­stellte und eine schöne Ziehharmonika für die Frau Gemahlin des Herrn Polizeivizepräsidenten" verlangte. Eine so noble Kundschaft hat natürlich An­spruch auf Kredit und so konnte Houdek vergnügt mit seiner Beute abziehen. Der Händler wagte zwar nicht erst nachzuforschen, ob diese hochgestellte Dame wirk­lich dem Hormonikaspiel ergeben sei und das ist sehr schade. Denn dabei hätte er feststellen können, daß das Amt eines Polizeivizepräsidenten überhaupt nicht existiert. . Die Verhandlung war stellenweise recht kurz­weilig und endete damit, daß der Sestat Novotny -en Angeklagten fast in allen Punkten der Anklage schuldig erkannte und ihn zu vier Jahren schweren und verschärfte« Kerkers verurteilte. Houdek nahm die Strafe an. rb. Vorträge -Die üsternationalc Funktion Spaniens   im Laufe der Geschichte", lieber Einladung der Freien Schule der politischen Wissenschaften sprach in der Städtischen Bücherei der Botschafter Spaniens   in Paris   Don Salvador de Madariaga   in französischer Sprache über das obige Thema. Mada­ riaga   erklärte eingangs, daß er es vorziehe, von einer Funktion bestimmter Staaten oder Na­tionen, nicht von ihrer Mission zu sprechen, da er empirisch vorgehe und keine mystische Sendung vortäuschen wolle. Die Funktion, die Aufgabe Spa­ niens   sei es gewesen, die Brücke zwischen der euro­ päischen   und der orientalischen Kultur zu bilden, wozu die- geographische Lage des Landes drängte. Einen sehr interessanten, wenn auch hypothetischen Ausblick eröffnete der Vortragende, als er die Frage aufrollt«, was geschehen wäre, wenn Spanien   die Kraft, die«s bei der Kolonisierung Amerikas   ver­braucht habe, zur Erorberung Nordafrikas.«ingesetzt hätte. Es wäre das Natürliche gewesen, daß nach der Einnahme Granadas und der Verdrängung des maurischen Kalifats aus Spanien   die vereinigten Königreiche versucht hätten, über die Straße von Gibraltar vorzudringen. Das wäre die natürliche Auf« gäbe Spaniens   gewesen. Madariaga   meint, daß die Durchdringung Nordafrikas   bis Tunis   mit euro­päischem Geist geglückt und daß eine maurisch­iberische Mischkultur entstanden wäre. Der Genie­streich des Critobal Colon habe diese natürliche Entwicklung verhindert. Ausführlich sprach Mada­ riaga   über Karl V.  , den er einen Vorläufer der Paneuropa- und Völkerbundsidee nannte. Er habe Europa   durch di« christliche Idee einigen wollen und seine Tragödie sei es gewesen, daß gerade in seiner Zeit schon die nationalen Ideologien zu wirken und die religiöse zu verdrängen begannen. Die weitere Funktion Spaniens   sieht Madariaga   in einer ver­mittelnden und einigenden Rolle seines Vaterlandes in Europa  , wozu es durch seine geschichtlichen Er- fahrungen berufen sei. Den Vortrag leitete Mi­nister Dr. JBenet ein, der Don Madariaga als Politiker und Schriftsteller dem Publikum borstellte. fr. Kunst und Wissen Ein Sommernachts-Alptraum von Herrn Renate Mordo. fälschlich Shakespeare  zugeschrieben, ging über die Bretter des deutschen Theaters, eilt« Vision vom Untergang des, Theaters. Brachte man die Erinnerung an die seinerzeitige stilvolle und schöne Aufführung unter L i e b l s Regie mit ins Haus, so war es einem besonders schmerzlich, die Fastnachtspoffe Mordos zu erleben Vom Text ging das meiste verloren, weil es an Wortregie mangelte mit der sich Herr Mordo nicht abgibt, weil er wie sein Zettel alles kann, aber am besteneine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß", aber auch weil die Besetzung der wichtigsten Rollen willkürlich war und auf die Fähig­keiten der Darfteller keine Rücksicht nahm. Im Zauberwald ging es zu wie auf einer Bauernkirch­weih, die Liebespaare kugelten durcheinander Hermia produziert« einen Purzelbaum, dafür waren die Elfen in dem halsbrecherischen Dunkels in dem dir Künstler andauernd, und nicht nur über die Versfüße, stolperten, kaum zu erkennen. Herr Valk war sprachlich weitaus die beit« Besetzung, aber figürlich als Oberon ein Novum un­wohl auch Unikum. Frau Carpentier bringt durch den merkwürdigen Singsang ihrer Vers« einen neuen Ton ins Elfenreich und Frl. Schneck ist vollends der Hermia sprachlich nicht im geringsten gewachsen, wobei es fraglich ist, ob ihr Organ über- Haupt für Verse taugt. Heri*S i e d l e r faßte den Theseus als Bonvivant auf und Frau Warnholtz hatte von der Hypolita   nur die F^idität der Amazone. In der Haupthandlung blieb neben dem Puck WalterTaubs, der zwar kein Droll, abe ein temperamentvoller Teufel war, nur die zarte Helena der Frau Wünsche als sprachlich sauber- und darstellerisch befriedigende Leistung übrig. Mit delll RilprUblel kvar es-esset dtfiekli.! Immerhin konnte man an dem Zettel des Herrn Götz den Abstand von der früheren Inszenierung! ermessen. Dudek, Volker, Padlesak,§ Stadler und L e w i t t spielten mit viel Tern-, pcrament die biederen Handwerker so recht und> schlecht als Mordo sie auffaßt. D«r Reiz des Sha- kespearschen Rüpelspiels liegt in der Naivität der dilettierenden Handwerker. Bei Mordo find di« Rüpel nicht naiv, sondern eher dummdreist. Si». machen sich, aus der Sach« einen outen Tag, sie lachen über die eigene Dummheit, mit der sie die andern hineinlegen. Einem Teil des Publikums ge­fiel es ausnehmend. Man laste ihm das Vergnügen, dieses Theater und solch« Regiekunst, aber Shake­ speare   bleibe aus dem Spiel, und wenn schon seine Personenverzeichnisse herhalten müffen, verschweig« man taktvoll die Quelle! Schön. war die Musik, die unt«r"Fritz Zweigs liebevoller Hand erblühte...' E. F. Mitteilungen aus dem Publikum. Kinder-Millionäre. Kinder zahlen Rentensteuer. Bekanntlich erhalten Kinder der Mitarbeiter der Bakawerke in Zltn bei Geburt eine Einlage von 1000 Xd, welche auf den Namen des Kindes depo­niert und bis zum 21. Jahre des Beschenkten mit 5% verzinst werden. Das Eigentum dieser Kinder betrug heuer 4,500.000 Xd, welch« teils im Unter­nehmen, teils in der städtischen Sparkasse angelegt find. Es ist interessant, daß der Staat große Ein­nahmen an Rentensteuer durch diese Einlagen ver­zeichnen kann. Nur von den Geldern, welche in-er Betriebssparkasse aufbewahrt sind, erhielt der Staat bis zum heutigen Tage 43.000 Xc an Rentensteuer. Insgesamt erhielten 3737 Kinder vom Jahre 1926 bis 1934 die erwähnte Einlage von 1000 XL. Die Pfeffermühle  ". Drei letzte Vorstellungen: Freitag 20.15 Uhr, Samstag 15.30 Uhr zu redu­zierten Preisen, abends 20.15 Uhr Abschiedsvor­stellung. Spielpla» des Reuen Deutschen   Theaters. Freitag halb 8: 13 b e i T i s ch, D 2. Samstag halb 8: Don Giovanni, Bl, Gastspiel Kam­mersänger Richard Tauber.   Sonntag halb 3: Der Kreidekreis, Arbeitervorstellung,%8: Das Land des Lächelns, C 1. Spielplan der Kleinen Bühne. Freitag 8 Uhr: S ch n e i d e r Wippl kontra Na­poleon, Kulturverbandsfreunde und freier Ver­kauf. Samstag 8: Ich Habs getan. Sonntag 3: SchulefürSteuerzahler, 8 Uhr: Jchhabs getan., Ans der Partei Bezirksorganisation Prag der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Sitzung der Bezirksvertretung am D o n- n e r s.t a g, dem 14. Feber, um 8 Uhr abends, im Parteiheim. Wichtige Tagesordnung. Parteigenossen! Eure Kinder ge­hören in den Arbeiter-Turnverein! Turnstunden für Kinder jeden Samstag ab 3« Uhr nachmittags im Stefansgymnasium. Sozialistische Jugend: Feierstunde dem Ge­denken der Wiener   Febrüarkämpfer am 24. Feber, um 8 Uhr im Unitariasaal. Verelnsnadirlditen © Ortsgruppe Prag  . Ausfahrt insRiesengebirge. Am Sams­tag, dem 9. Feber, Sportschnellzug, eventuell für einen Wochenaufenrhalt Riesengebirg« und Jsergebirge, Batur- freunoeha.:s. Anschluß möglich. Anmeldung am Freitag in der Kanzlei der Naturfreunde, Narodm Nr. 4, von 6 bis 8 Uhr. Führer: Strnad. Urania-Kino, Klimentska 4. Fernsprecher 61623. Der Stolz der 3. Kompagnie Premiere der heiteren Satire auf den Drill. Der grobe Lacherfolg I Heute war halb 6 Uhr, morgen halb 6, Viertel 9 Uhr. Der erste Protest Kinder waren genug da. Vier aus der ersten Ehe und drei aus der zweiten Ehe und der Vater trank. Er war kein schlechter Mensch, er hatte auch ein Herz für seine Kinder, aber noch mehr Herz hatte er für seine Saufbrüder und wenn er eines Tages bei seines vielen kleinen Geschäften ein gutes abgeschlossen hatte, dann hielt er die ganze Runde frei. Natürlich gab es zu Hause Zank. Die Mut­ter arbeitete, daß ihre Hände rot und dick wurden und die Kinder hingen an ihr, auch die Stief­kinder. Und wenn der Vater einmal nüchtern war und seiner Frau ein gutes Wort gönnte, dann gab es sogar gute Stunden. Wer die waren eben selten. Josef war der Aelteste aus der zweiten Ehe und er sah und hörte mehr, als für sein Kinder­gemüt gut war. Sah-er die Mutter weinen» so ballte er in ohnmächtiger Wut die Heissen Fäuste und empfand beinahe Haß gegen den Vater. Und trotzdem liebte er ihn, gegen seinen Willen, den großen Mann, der eine so tiefe, schöne Stimme hatte, der lachen konnte und mit'den Kindern scherzte. Ja, wenn er nüchtern war,'aber das war eben selten. Er hörte, wie die Mutter den Vater bat, doch nicht ins Wirtshaus zu gehen, wie sie ihn beschwor, ihr wenigstens vor dem Gang inS Wirtshaus Geld zu geben, wie sie ihm die drin­gendsten Ausgaben vorerzählte und um die Sohlen oder Flicken für die Kinder geradezu bet­telte. Er hörte die Lügen seines Vaters, daß er ja gar nicht ins Wirtshaus gehe, daß er ja zu einer Kunde müsse, er staunte, daß die Mutter immer wieder glaubte und hörte in seinen kläg­lichen Kinderschlaf hinein die Geräusche, wenn der Vater in tiefer Nacht nach Hause geschleppt wurde. Dann hörte er ihn schnarchen und die Mutter schluchzen. Schenkte ihm dann der Vater in guter Laune Geld oder Süßigkeiten, dann war er ver­söhnungsbereit, aber immer mit etwas Miß­trauen, wie wird es morgen sein, was wird der Vater tun, nimmt denn dieses Zanken und Strei­ten der Eltern kein Ende. Die kleineren Geschwister verstanden davon noch nichts und die größeren gingen ihre eigenen Wege. Aber er stand so dazwischen in rechter Kinderhilflosigkeit. Als Josef sieben Jahre alt, war, trug sich folgendes zu: Der Vater war in der Nacht nicht nach Hause gekommen und als Josef zur Schule gegangen war, war der Vater noch nicht da. Als Josef um zwölf Uhr wiederkam, war der Vater noch nicht daheim. Die Mutter weinte nicht, sie ging mit seltsam hartem Gesicht herum, war streng und wortkarg^. Wo ist der Vater?" fragte das Kind. Aber die Mutter gab keine Antwort. Da wußte Josef genug. Er kannte ja das Stammlokal des Vaters, schon öfter hatte die Mutter ihn mitgenommen, wenn sie den Vater geholt hatte, so machte er sich denn auf den Weg. Der Weg war ziemlich weit. Und hungrig war Josef auch, denn das Mittagessen war nicht nur karg gewesen, sondern die Mutter hatte es auch so lieblos dargeboten, daß es nicht recht schmecken konnte. Im Magen hatte er ein son­derbares Gefühl, aber mehr noch im Herzen. DaS stieß und drückte so sonderbar, daß er sich wünschte, überhaupt keines zu haben. Er lief und fühlte nicht den Frühling um sich, sah nicht bunte und fröhliche Menschen, er dachte nur: Vater. Endlich war er an Ort und Stelle. Er ging am Schanktisch vorbei, niemand hielt ihn auf, er ging zielsicher weiter und kam ins Hiäterstüberl, in dem so viel Pfeifen- und Zigarrenqualm war, daß er zuerst niemanden sah. Aber dann er­kannte er ein paar Gestalten an einem großen Tisch und unter ihnen war wirklich der Vater. Sein Gesicht war schweißbedeckt, seine Augen ver­schwommen, seine Weste angekleckst, seine Hände zittrig. Er erblickte den Knaben, ohne ihn zu er­kennen und lallte ein paar Worte. Vater!" sagte Josef,du sollst nach Hause kommen!" Ach, der Josef!" sagte der Mannah, da schau her.... wo kommst du denn her..., so mitten in der Nacht." Ah, das is dein Bub?" fragte einer von den Zechern.Ein nettes Bürscherll" Der Vater wollte Josef an sich ziehen, aber der wich zurück.Na, du dummer Kerl!" lallte er,willst wohl gar... deinen Vater nicht... kennen... was? Komm, ftink einen Schluck, so was Feines... hast du noch gar nicht..." und er wollte dem Kind das Glas in die Hand drücken. . Josef nahm es nicht und der Wirt mischte sich drein.So.einem kleinen Kerl soll'n Sie kei­nen Alkohol geben." Der Vater erwiderte ganz lustig und gar nicht bösartig.:Ich bin der Vater..., ich kann meinem Buben geben, was ich will..., ver­standen?... Komm her..., zeig, wie lieb du deinen Vater hast." Josef ging ganz nahe an ihn heran, so nahe, als es der Geruch vsin Fusel, der dem Munde des Vaters entströmte, eben zuließ. Vater! Du mußt sofort nach Hause kommen." Er tyrannisiert mich!" lachte der gutmütig. Er ist... ein ganz energischer Bursch..., wird einmal was werden..., der Kerl..> der.." Dann erhob er sich. Schwankte, wurde ge­stützt, befahl einen Wagen und torkelte hinaus. Er mußte ein hübsches Sümmchen im Wirtshaus gelassen haben, denn der Wirt besorgte tatsächlich den Wagen. Unter einigem Aufsehen wurde der lallende, lärmende, spuckende Mann in den Wa­gen gebracht. Er drückte dem Wirt noch ein paar Geldstücke in die Hand, dann rief er:Komm, mein... Sohn... Josef... Setz dick her..., heute kommen wir einmal... vor­nehm nach Hause..., die Alte wird... schauen, was? Na, wird's?" Aber Josef stieg nicht ein« Na, steig ein, Bürscherll" sagte der Wirt. Der Vater mutz ja endlich ins Bett!" Und-er fatzte nach ihm. Aber Josef ritz sich los. Alles lachte, ddr   Wagen fuhr an und das Kind lies nebenher. Ein grosses Tempo hafte der dürre Gaul wohl nicht, aber für die Beine eines sieben­jährigen Aufrührers war es rasch genug. Er sah. wie der Vater im Wagen hin» und hergeworien wurde, er hörte ihn schwatzen und ei: lief und lief. Zorn schnürte seine Kehle zu, Haß pretzte sein Herz zusammen, Wut ftieb ihm die-Tränen in die Augen, in seinen Schläfen hämmerte Qual. Aber all dies vermochte nicht seinen Willen zu brechen. Als der Wagen hielt und Josef fast zugleich mit ihm vor dem Hause ankam, als diN   Mutter den Mann aus dem Wagen zerrte und oann das halb ohnmächtige Kind in ihren Armen auffing, endete Josefs Kindheit und er stöhnte wie ein Mann. G. H. Bezugsbedingungen: Bei Zustellung ins Hans oder bei Bezug durch die Pott monatlich XC 16., vierteljährig Kd 48., halbjährig Kd 96.. ganzjährig Kd 192.. Inserate werden laut Tarif billigst berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß.   Rückstellung von Manuskripten erfolgt nur bei Einsendung der Retourmarken. Di, Zeitungsfrankatur wurde von der Pott- und Tele- araphendirektion mit Erlaß Nr. 13.800/VI1/1930 bewilligt. Druckerei:Orbis" Druck-. 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