Seite 2 Sonntag, 10. Feier 1935 Rr. 35 Gör in 5, Polen und die Reichswehr Polen Japan Paris. «Der Moskauer Sonderierichter- fiatter desT e m p s" bringt die gleichzeitig auch von englischen Blättern verSffentlichte Nachricht, daß Polen und Japan ein Militärabkommen ab­geschlossen haben. Es handle sich nicht um eine tat­sächliche Militärallianz, sondern um eine Zu­sammenarbeit der beiden Staaten i m Falle eines Krieges. Die beiden Staaten würden gegenseitig Kriegsmaterial u. L. aus- lauschen. mehr litt als alle anderen Länder Europas und daß ein Teil der Arbeiterklasse zermürbt war von der jahrelangen Arbeitslosigkeit und jede Hoffnung auf eine Besserung der Verhältnisse verloren hatte. So blieb der österreichische Schuhbund im Kampfe gegen Militär, Gendarmerie und Polizei isoliert, die Revolution wurde niedergeschlagen und nahm "furchtbare Rache an ihren Opfern. Die Niederlage der Wiener Revolution hat! kn der gesamten sozialistischen Bewegung der Welt Anteilnahme hervorgerufen. So sehr wir in den denkwürdigen Febertagen des Vorjahres mit hei--! ßer Inbrunst den Sieg des österreichischen Proleta­riates herbeigesehnt haben- wir sind nicht klein­mütig geworden, als uns die Niederlage des öster­reichischen Sozialismus zur Gewißheit wurde. Wer nur ein wenig Einblick in die Revolutionsgeschichte der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte hat, der weiß, daß revolutionäre Klaffen und Parteien nicht mit einem Schlage siegen, sondern daß das Glück der Waffen auch im Klassenkrieg ein wech­selndes ist. Entscheidend für unsere Zeit bleibt, wer die großen wirtschaftlichen und sozialen Pro­bleme der Menschheit zu lösen imstande sein wird. Die Diktaturen in Europa haben die Schwierig­keiten nicht beseitigt, denen sie zum Teil ihr Ent­stehen verdanken. Sie haben die Versprechungen, die sie in verschwenderischer Fülle gegeben haben, nicht gehalten und sie haben gezeigt, daß ein Ab­grund besteht zwischen den Interessen eines klei­nen Klüngels von Herrschenden und dem Lebens­willen der großen Massen. Ganz besonders in Oesterreich sehen auch Bürgertum wie Bauern, daß das Ergebnis der Niederlage der Arbeiterklasse im Feber 1934 nichts anderes ist,«ls die Herrschaft des Feudaladels und der Kirche. Dieser Herrschaft aber kann nur kurze Dauer beschieden sein. Es ist unmöglich, daß im 20. Jahrhundert jene Gewal­ten wieder regieren, die bis zum Jahre 1848 die Herrschaft ausgeübt haben. Sie haben die Revo­lution des JahreS 1848 niedergeworfen und sich an den revolutionären Kämpfern jenes Jahres gerächt, aber sie haben die Entwicklung nicht lange aufgehalten. Sie haben auch im Feber 1934 ge­siegt, aber sie werden es noch erleben, daß sich auch nach 1934 das Rad der Geschichte nicht aufhalten lassen wird. So wie dem Absolutismus des Vor­ märz das konstitutionelle Regime gtfdlgt ist, wird die Entwicklung der nächsten Jahre über die Inter­essen einer kleinen Schichte von Herrschenden hin­wegführen zu einem demokratisch-proletarischen Oesterreich. Alles, was wir seit dem einen Jahre über Oesterreich gehört haben, hat uns gelehrt, daß die österreichische Arbeiterklasse wohl besiegt, aber nicht gschlagen ist, daß Oesterreichs Arbeiter auch heute die Gesinnung haben, wie sie zum Ausdruck gekommen ist in dem Heldenmut und dem Helden­tod der Feberkämpfer. Sie wie die Weisse! und Münnichreither, die Stanök und Gerl, die Bul­ gari und Wallisch für die Ideale des Sozialismus gestorben sind, so werden Oesterreichs Proletarier leben und siegen für ein freies, demokratisches und sozialistisches Oesterreich! Abenteuerliche und gefährliche Berlin.(AP.) Görings Position ist bekannt­lich bedroht. Man weiß, daß er dagegen Vorberei­tungsmaßnahmen trifft. Daneben deuten aber ver­schiedene Anzeichen darauf hin, daß Göring , der nicht gewillt ist, freiwillig von der Bühne abzutre­ten, auch noch einen anderen Ausweg im Auge hat, falü alle anderen Möglichkeiten versagen sollten. Dieser Ausweg liegt in der Richtung eines außen­politischen Abenteuers. Daß Göring in außenpolitischen Fragen gleich Rosenberg den intransigenten Standpunkt einnimmt und auch die Konzeption eines Kampfes gegen die Sowjetunion hat, ist nicht neu. Es ist also geineswegs müßig, unter diesem Gesichts­winkel die letzte Reise Görings nach Polen zu betrachten. Man weiß, daß sie gegen den Willen der Reichswehr erfolgte. Die Reichswehr ist nicht nur gegen eine bestimmte Abenteurerpolstik, sie will auch von dem deutsch­polnischen Vertrag nichts wissen. Man könne fast sagen, daß die Reichswehr antipolnisch sei, so wie sie auf der anderen Seite für die Herstellung des Zustandes ist, wie er mit der Sowjetunion nach dem Vertrag von Rapallo bestand. Es ist auch nicht unbekannt geblieben, daß die Reichswehr entgegen dem deutsch -polnischen Pakt ausgedehnte Rüstun­gen an der deutschen Ostgrenze vorgenommen, die Garnisonen verstärk, Schützengräben auSgehoben und zahlreiche Kasernen(in Oppeln z. B. befin­den sich beinahe ein halbes Dutzend im Bau) ge­baut hat. In Polen ist man darüber außerordent­lich entrüstet. Die Opposition gegen Beck und die Angriffe der Nationaldemokraten kommen nicht von ungefähr. Man ist um so mehr beunruhigt, als der Einfluß der Reichswehr wächst. Auch in Regie­rungskreisen sieht man diese Gefahr. Die politische Wodic Das stark verfrühte Wahlfieber hat etwas nachgelassen. Es wurde durch die Pa­nikstimmung der Opposition ausgelöst, die in dem Polstischen Wirrwar, daS sie angerichtet hatte, ihr Süppchen zu kochen hoffte, bald aber darüber be­lehrt wurde, daß sie wichtige politische Entscheidun­gen, wie es Wahlgänge sind, nicht herbeizuführen vermag. Wie die Dinge hente stehen, will man an den entscheidenden Stellen der Koalition keine vor­zeitigen Wahlen, obwohl auch in gewissen rechts- orientierten Koalitionskreisen Stimmung für Wahlen gemacht wird. Die Koalition als Ganzes hält jedoch nach wie vor an dem Herbstter- m i n fest. Das besagt natürlich nicht, daß die sozialistische Arbeiterklasse jetzt die Hände in den Schoß legen und sich nicht für j e d e Situation rüsten soll. Auch in- den normalsten Zeiten ist ja aus gewissen nicht voraussehbaren polistschen Situationen und Konstel- lationen heraus, eine Vorverlegung des Wahltermi- nes niemals ausgeschlossen. Eine solche Situa­tion liegt augenblicklich aber nicht vor. Im übrigen geht es in der Innenpolitik sehr bewegt zu. Auf tschechischer Seite beginnen sich die Dinge langsam zu klären. Im national! st i- s ch e n Lager ist man eben daran, die ursprünglich bloß für besondere technische Zwecke bewerkstelligte Kooperation zwischen Nationaldemokraten und Stki» brny zu einer völligen Verschmelzung Pläne Bon diesem Gesichtspunkte aus sollte die Reise Görings der Beruhigung dienen. Kein Zweifel, daß also Görings Besuch in gewissem Sinne nicht unwillkommen war. Göring ist ja eben momentan der Widersacher der Reichswehr . Seine Reise machte er nicht zufällig in dem Augenblick, als Fritsch sich auf Urlaub befand. Göring hat aber bei seinem Besuch noch weiter vorgefühlt. Wir sind in der Lage, darüber Einzelheiten zu berichten. Göring schlug ein gemeinsames Bor- gehen gegen Litauen vor, und zwar in der Weise, daß Deutschland das Memelgebiet angreift und Polen auf litauische Gegenwehr mit Mobilisierung und Einmarsch antwortet. Danach solle ein Angriff auf die Sowjetunion er­wogen werden, wobei Polen durch Japan Rücken­deckung haben werde. Und Polen ? Es hat n i ch t zugestimmt. Insofern war Görings Besuch in der Tat eine Nie­derlage. Denn Polen sieht das Abenteuerliche, er­kennt auch Görings bedrohte Situation und ist mißtrauisch. Polen aber hat auch nicht Nein gesagt. Und daraus schöpft Göring immer noch Hoffnung. Die Stellung Polens wird vielfach verkannt. Die­jenigen, die an einen deutsch -polnisch-japanischen Geheimpakt glauben, mit einer Spitze gegen die Sowjets,, irren zweifellos. Diejenigen, die etwa derartiges nun aber für alle Zeiten für völlig un­möglich halten, verkennen auch die Sachlage. Polen will abwarten, das Zünglein an der Waage fein, sich alle Möglichkeiten offen halten: Zurück zur Freundschaft mit Frankreich , falls von Deutschland Gefahr droht, Bündnis mit Deutschland und Japan , falls die Konstellation es als wünschens­wert erscheinen läßt. beider Gruppen auszugestalten, die in den unteren Instanzen(Studenten etc.) vielfach schon via facti vollzogen ist. Im klerikalen Lager haben alle Bemühungen der Stasek-Gruppe nach Annäherung an die Hlinka-Partei bisher keiner­lei Erfolg gezeitigt. Ueber diese beiden Wahlgrup­pen hinaus denkt keine der übrigen tschechischen Parteien an eine besondere Wahlbindung. - Dagegen herrscht im deutschen Lager ein buch­stäbliches Chaos, von dem in letzter Zeit auch di« christlichsoziale Partei ergriffen wurde, die bisher jahrzehntelang eine selbständige Politik ge­wacht und sich aller extrem nationalistischen Strö­mungen zu erwehren vermocht hat, die aber jetzt in­folge teilweiser Jnfeftion durch dieHenlein» krankheit auch gewisse innere Kämpfe auszu­fechten hat. Eine Wandlßng bereitet sich auch beim Bund der Landwirte vor, der, um sich des An- stunns der Henleinleute zu erwehren, nach einem Zusammenschluß mit den kleineren Gruppen, wie es die G e w e rb e p a r t e i ist, greifen muß. DaS ist der Dank vom Hause Henlein ! Wir haben kei­nen Augenblick daran gezweifelt, daß eS so kommen wird, denn wir kennen den Appetit deS Herrn Hen­lein, der vom Landbund aufgepäppelt wurde und nun in seinem Heißhunger ihn samt den an­deren kleineren Parteien schluk- ken möchte. Daß aber auch bei Henlein die Bäume sticht in den Himmel wachsen werden, daS bekommt die ha- kenkreuzlerische Führung täglich zu spüren.. Unsere Partei ist ihr hart auf den Fersen und soweit sich die Herrschaften an die Arbeiterkreise heranwagen, erleiden sie durch unsere braven Anhänger nur Nie« Verlage auf Niederlage. Inzwischen wird in der Regierung m it B all­da m p f gearbeitet. Die Vorlage über die Sanierung d er S e l b ft v e r w a l t u n g wurde umgebaut und auf neue Grundlagen gestellt, die von der Regierung bereits genehmigt wurden. Leider wurden aber auch Diskussionen über die Vorlage mit Konfiskation bedroht, so daß wir unS jeder Stellungnahme enthalten müssen. Im Zusammenhang mit der Sanierung der Selbstverwaltung bereitet daS Finanzministerium die Neuregelung der Erwerbssteuer und des Gesetzes über die Stabilisierungsbi­lanzen vor. Parallel mit diesen Beratungen lau­fen die Verhandlungen über die B i« r z i g stude n w o ch e wefter. Mit den diesbezüglichen Vor­arbeiten wurde das sozialpolitische Komitee betraut, daS die Vorlage des Ministers für soziale Fürsorge zur VerhandlungSbasis gemacht hat. Die Vorlage» die bekanntlich iw wesentlichen auf di« Sicherung der Verständigung zwischen den beiden Jnteressen- tengruppen der einzelnen Produktim-Skreise hinaus­läuft, ist vor allem im Lohnpunkt um­stritten. Die Verhandlungen werden in der näch­sten Woche weitergehen. Gleichzeitig soll auch die vom Arbeitenministe­rium vorbereitete Vorlage über die Vierzig« stundenwoche imBereich der öffent­lichen Arbeiten verabschiedet werden. Zu erwähnen wäre noch, daß die Beratungen nach Be­schaffung ausreichender Mittel für die Durch­führung von Investitionen weit über den Rahmen deS normalen Budgets hinaus weitergehen. Bekanntlich stehen im Budget einschließ­lich der Staatsbetriebe gegen 1800 Millionen Kro« nen für laufende Investitionen zur Verfügung. Dar« über hinaus sollen nun noch weitere Mittel aufgebracht werden, um einen möglichst weiten Kreis von Arbeitslosen nach Jahren der Entbehrung wie­der in den Rährstand zu bringen. Von den agra­rischen Forderungen ist da- Viehmonopol vorläufig Gegenstand der Beratungen der einzelnen Parteien. Die Besuchssperre bei den Ministern in der letz­ten Woche zeigt, daß die Regierung mit der Vorbe­reitung all der erwähnten Vorlagen vollauf beschäf­tigt ist. Don der Fertigstellung dieser Vorlage wird dann auch der Termin der Parlamentseinberufung abhängen. Anläßlich des Ablebens deS Genossen Jokl liefen beim Klub der Senatoren noch folgende Beileidsschreiben ein: Von den Abgeordneten der tschechischen Gewerbepartei und der tschechischen na­tionaldemokratischen Partei, von den Senatoren Genossen C a s n h, Genossen Jng. Winter und Genossen Dr. Witt und vom Abgeordneten D a v i d. Abgeordneter Zajiiek Nagt Hacker«nd die Deutsche Landpost". Wie dieDeutsche Presse" mitteilt, wird Abgeordneter ZajiLek wegen der Angriffe, welche Gustav Hacker gegen ihn in der Landpost" gerichtet hat wir haben darüber gestern berichtet sowohl die.Landpost" als auch Hacker llagen. Das Bodenamt wird mit dem Landwirt- schastSministerium vereinigt. Auf Grund deS Er« mächtigungsgesetzes soll in der nächsten Zeft eine Verordnung erscheinen, wodurch das Bodenamt als selbständige Behörde liquidiert wird. Es soll ab 1. April dem Landwirtschaftsministerium unter­stellt werden. 3 komm von Fritz Rosenfeld Licht auS", schrie der Regisseur.Was ha­ben sie denn? Sie verpatzen ja die ganze Szene! Rehmen sie sich doch zusammen! Die paar Minu­ten hätten sie noch aushalten können!" Man brachte ein Glas Wasser, Gregor trank, die Dinge vor seinen Augen wurden klarer, er sah das von Wut verzerrte Gesicht des Regisseurs, die leeren, fahlen Gesichter der Kollegen, das win­zige blitzelnde Auge der Kamera. Es geht schon wieder", sggte er.Entschul­digen sie bitte". Der Regisseur ging an seinen Platz zurück. Das Licht flammte Widder auf. Gregor besann sich, die Worte bildeten sich in der Dämmerung vor seinen Augen, erst sah er sie, als hätte eine unsichtbare Hand sie vor ihm auf den Boden ge­schrieben, er las sie, und dann konnte er sie auch aussprechen: Er verdient keine andere". Im Theater fällt der Vorhang" Das Signal für unsre Leute." Ein Chor beginnt zu rufen" Aus dem Parkett' AuS allen Logen" Von allen Rängen" Abdanken! Abdanken l Brot und Gerech­tigkeit! Abdanken l Er wird in sein Auto fliehen" Aber die Rufe laufen ihm nach durch die ganze Stadt" Sie gellen durch das Fenster seines Zim­mers im Schloß Sie jagen ihm nach in den Schlaf, in den Traum" Sie zermürben ihn, zerbrechen ihn, zer­stampfen ihn". Wenn er schießen läßt?" Es ist niemand mehr da, der seinem Befehl gehorcht." Die Minister verstecken sich" Wir werden sie finden" Die Garde läuft zu uns über" Gin paar alte Diener, die zu ihm halten, mögen mit ihm in die Verbannung gehen." Wird er abdanken?" Er wird abdanken. Er hat Angst um sein Leben. Er wird Kohl pflanzen in seinem Gar­ten, am Klavier phantasieren und sich als Mär­tyrer einer Zeft fühlen, die ihn nicht versteht." Und wenn er nicht abdankt?" Gregor sprach diese Frage, mit aller Kraft hielt er sich aufrecht, er sprach die Worte stumm vor sich hin, daS Zeichen kam und er stieß sie her­vor, als jagte er sie von sich weg. Dann sank er wieder in sich zusammen, auSgedörrt vom Fie­ber, glühend, flammend, ein Feuer, das in Asche erstarb. Dann.ist die Kugel bereit. Ohne Gnade, ohne Erbarmen. Um Mitternacht erscheint die Deputation der Offiziere im Schloß" Am Morgen verkünden es die Proklama- tionen an allen Hauswänden: Das Land ist frei!" Und wenn er sich wehrt? Die Regimenter sammelt, die noch zu ihm stehen?" »Der Sender witt> in der Nacht beseht. Die Burg, das Rathaus, die Bahnhöfe werden besetzt. Wenn er Militär aus der Provinz heranholen will, wird die Brücke gesprengt. Es ist alles vor­bereitet: Langt die Nachricht ein, daß Truppen unterwegs in die Hauptstadt find, fliegt die Eisenbahnbrücke in die Lust." Die Brücke fliegt in die Lust. Gregors Stichwort. Er sieht das Bild vor sich: Eisenteile spritzen zum Himmel auf, ein Pfeiler fällt um, klatschend stürzen Schienen ins Wasser, die Wa ­gen eines Zuges purzeln wie umgeworfenes Spielzeug in den Fluß. Die Brücke fliegt in die Luft. Der Eisenbahnzug ist zu schnell gefahren. Wäre er langsamer gefahren, wäre er zwei Minuten später eingetroffen, er hätte noch knapp vor der Brücke anhalten können, vielleicht hätten Trümmer das Dach der Wagen durchschlagen, vielleicht aber. Durberg stieß ihn mit dem Ellenbogen. DaS Stichwort war da. Er sprach, das Feuer fernes Blutes loderte in den Worten: Wer feig ist, bleibe zuhause! Wer um sein Leben fürchtet, verkriech« sich hinter MutterS Schürze! Brot und Gerechtigkeit." Wie leer ein Wort werden konnte, wenn man es ost hätte, sechsmal, achtmal hinterein­ander, bei den Proben». bei den Aufnahmen, immer wieder, immer wieder. Was war das: Brot? Etwas Braunes, Rundes, man konnte es essen. Aber er wollte nicht essen. Er hatte nur Durst, ein feuriger Stein glühte in seinem Innern, man mußte Wasser darauf gießen, dann zischte eS wohl, das tat gut. Gerechtigkeit? Das war eine Figur, sie hatte verbundene Augen, wie Kranke einen Umschlag«m die Stirn haben, wenn die Schläfen brennen und sie hatte eine Waage in der Hand, nicht so flein, wie die Waage, auf der der Apotheker die weißen und gelben Pulver abwog aber auch nicht so groß wie die Waage, die beim Krämer stand. Und ein Schwert hatte sie wozu eigentlich? Heißt Ge­rechtigkeit: töten? Aber Durberg und Schwartz- kopf hatten ja auch Säbel, und. töteten niemand. Schwartzkopf rief, gedmypft, beherrscht, ein Feldherr vor der Schlacht: »Versammlungen in allen Städten, allen Dörfern. Extraausgaben jede Stunde, Rund­funkmeldungen in alle Welt:»Das Land ist frei!" »Halt!", rief der Regisseur.Wir machen eine Großaufnahme. Herr Schwartzkopf, Sie l'rechen ganz langsam und deutlich, und ohne je­des Pathos, den letzten Satz noch einmal". Ich spreche doch ohne Pathos", entgegnete der Schauspieler gekränkt. Ja. Aber Sie sprechen wie ein Liebhaber­der mit seinem Mädchen ein Rendezvous verein« bart. Sie sprechen nicht tri. ein Revolutionär- der davon überzeugt ist, zu siegen. Das Gefühl der Sicherheit muß sich auf das Publikum über« tragen. Nicht Wo.Ie sprechen, Gefühle über« ttagen, das ist das ganze Geheimnis, Herr Schwartzkopf". Er schulmeistett mich, ich werde noch die Ge­duld verlieren und meine Meinung üb.r den blühenden Unsinn sagen, den er da zusammen­braut, dachte Schwartzkov-. Aber er war klug genug, zu schweigen. Die Rolle war dankbar, die Gage konnte sich sehen lassen. Es konnte der An­fang einer Filmkarri re sein. Billa am Meer, ein großes, dunkelgrün lackiertes Auto, ein Saal voll Bücher, in schwerem Ledereinband, Aufnah­men in allen Zeitschriften: der Künstler in seinem Heim. All dies stand auf dem Spiel. Man ver­diente das Geld leichter als beim Theater, wo man Abend für Abend dieselbe Rolle hersagen mußte, die'elbe Maske machen, dieselben Witze der Kollegen hören. Ich werde nicht Wotte spre­chen, ich werde Gefühle übettragen. Er soll recht behalten. Die Kamera, die Scheinwerfer fuhren durch daS Halbdunkel, ims sich über das Atelier gesenkt hatte. Hundert Birnen brannten im Raum, denn« noch war er, nach dem Verflackern der zehntau« sc. tzcihen Sonnen,'."'ter wie ein G.lg.oölbe. Schneller", schrie der Regisseur,wir müssen fertig, werden". Gregor tappte durch die Dämmerung müh­sam in Raum und Zeit zurück. Eine Großauf­nahme. Da brauchen sie mich nicht mehr. Ck fragte den Hilfsregisseur. Der lief zu dem Ge­waltigen im weißen, fliegenden Mantel. (Fortsetzung folgt.)