9t. 38DienStag, 12. Feber 1935Seite 5ZugsungMck in Rußland18 Tote, 9 SchwerverletzteRiesenbeute einet gefährlichen HochstaplerinWas Spletzbürger glavbe«, wer»« sie vo«»hohe« Beziehunge«" höre«Moskau. Auf der Station Karian Stron-ganow ist ein L a st z u g mit einem Personen-iu( zusammengcsioßen, wobei 18 Passagiere getötet und neun Passagiere schwer verletzt wurdenDas Unglück ereignete sich auf der Strecke Rja-zan—Ural.Der Borstand der Station Karia« Stron-ganow und acht Beamte wurde unter der Beschuldigung grober Rack>lässigkeit im Dienste verhaftetBei dem Zusammenstöße waren die LokomotiveDer Fall Stavisky. Der Staatsanwaltschaftdes Seine-Departements sind nunmehr vomUntersuchungsrichter fast sämtliche Unterlagen, dieden Fall Stavisky betreffen, zur Aussetzung derAnklageschrift zugegangen. Es handelt sich einmal um die Bayonner Leihhaus-Angelegenheit, in die 30 Personen verwickelt sind, von denen 16 hinter Schloß undRiegel sitzen. Sie sind der Fälschung, der Hehlerei, des Betruges, des Diebstahles, des Ber-antwortungsmißbrauches und der Verwendungöffentlicher Gelder beschuldigt. In zweiter Liniebehandeln die Unterlagen die Angelegenheit desstädtischen Leihhauses von Orleans, in dersich außer dem Freunde Staviskys, H a y o t t e,u. a. auch der frühere General de F o u r t u zuverantworten haben wird.Eine Fra« znm Tode verurteilt. VomSchwurgericht Nordhausen wurde am Samstag dieWitwe BertaLangguth aus Gonna(KreisSangerhausen) zum Tode verurteilt. Die Lang«guth hatte am 25..Feber 1934 den 7 9 j ä h r i-gen Karl Hammer in Gonna, bei dem sie beschäftigt war, im Schlaf erschlagen. DieAngeklagte leugnete die Tat. Das Gericht sah siejedoch des Mordes für überführt an und erkanntein llebereinstimmung mit dem Anträge desStaatsanwaltes auf die Todesstrafe.Diphtherie in Bayern. Nach den Zusammenstellungen des bayrischen Statistischen Landesamteswurden in der Woche vom 20. bis 26. Jänner inBayern 545 Diphtherie-Erkrankungen gemeldet.22 Fälle davon sind tödlich verlaufen. Gegenüber der Vorwoche war ein Rückgang derKrankheitsfälle um nahezu 100 zu verzeichnen.Ringkämpfer Mussolini. Die Blätter meldenaus Rom, daß auf der Anhöhe Monte Mario imNordwestlichen Teil der Stadt Rom eineBronzestatue eines Ringkämpfers zurAufstellung gelangt, deren Gesicht eine Aehnlich-keit mit Mussolini aufweist. Es wird dies diegrößte B r.o n z e st a t u e der Welt,sinn. Sie ist 66 Meter hoch und wird die StadtRom sowie deren ganze Umgebung beherrschen.ReftorS-Demission in Belgrad. Infolge derjüngsten blutigenEreignisse an derBelgrader Universität haben der Rekwr Djaja undder Proreftor Jliä ihre Demission gegeben. ZumRettor wurde der Historiker Dr. Wladimir Coro-dii, zum Prorektor der Historiker Dr. Jovanoviögewählt.und einige Waggons in einen Trümmerhaufenverwandelt worden. Zwei Waggons verbrannten.Zugszusammenstoß in FrankreichToulouse. Auf der Strecke-Toulouse—Carmaux stieß aus dem Bahnhof in Matabiau ei'.Motorzug mit einem Lastwagen zusammen, sprangaus dem Geleise und stürzte um, wobei 1 8 Pas»sagiere verletzt wurden» darunter zweiKinder ziemlich schwer.Tod zweier kleiner Brüder beim Rodeln. InLehrte(Hannover) vergnügten sich zwei acht- biszehnjährig« Knaben, zwei Brüder, mit Rodeln aufeinem abschüssischen Abhange, dessen Ende an einemSumpfe liegt. Ms der Schlitten auf das Eis desSumpfes geriet und der jüngere der beiden Brüderihn holen wollte, brach er ein. Der ältere Bruderwollte den versinkenden Knaben retten; auch er versank in der Tief« und beide Kinder fanden den Tod.Lertrannt. In der Ortschaft Dreistätten beiPisting(Riederösterreich) wurde Freitag nachts derLandwirt Berger durch ein Geräusch auf demBoden aufgestört. Er eilte mit einer Laterne aufden Boden, um sich von der Ursache des Geräuscheszu überzeugen. Dabei fiel Berger in einen HaufenHeu, wobei die Laterne in Trümmer ging. DasHeu begann sofort lichterloh zu brennen. Ehe manden Brand löschen konnte, war Berger verbrannt.Wage», Auto und Autobus. In der Nähe vonPosen stießen auf einer Chaussee in der Nähe derOrtschaft Jwno ein Bauernwagen, ein Personen-autotnobil und ein Autobus zusammen. Der Kutscher deS BauernwagenS wurde getötet, de:Leuker des Personenautomobils, ein' bekannterPosener Kaufmann, und acht Passagier« desAutobusses erlitten schwer« Verletzungen.Olympische Spiele in Tokio? Für den Fall derVeranstaltung der Olympischen Spiele in Tokio würden die japanische Regierung und die Stadt Tokioeine Subvention von einer Million Ven gewährenund die Tarife aller Verkehrsmittel, vor allem dieTarife auf den Schiften der japanischen Gesellschaften, herabsctzen, damit so der Haupteinwand gegendie Abhaltung der Olympischen Spiele in Tokio, dieEnfternung Tolios von Europa, hinfällig würde.Berichtigung. In der Besprechung der Masarhk-Biographie„Bon der Pike auf"(Nr. 83vom 10. Feber 1985) hat sich ein Druckfehler eingeschlichen. Der Autor heißt Johann Petrus(nicht PetaiS).Wahrscheinliches Wetter DienStag. Bon Westen.her- fortschreitende Erwärmung. In Böhmen vorwiegend bis wechselnd bewölft, nur noch vereinzeltNiederschläge, Temperaturen in den Niederungennahe Null. Im mittleren Teil deS Staates stärkereBewölkung, strichweise Schneeschauer, Frostmilderung. Im Osten wechselnd bewölkt, in den Tälernnoch vielfach strenge Nachftröste, auf den Bergenbereits etwas wärmer. Wetteraussichtenfür Mittwoch: Unbeständig, auch im Osten desStaates Frostmilderung.Prag. Weibliche Betrüger großen Formates sindverhältnismäßig selten auf der Anklagebank anzu-treffen. Wenn aber, dann pflegt es sich meist umganz ungeheuerliche Fälle zu handeln. Da war dieBedienerin Marie B i n a, die als Prinzessin Mathilde von Liechtenstein austrat und ihren„Freund",den Druckereidirektor Jovanoviä, um feineExistenz und obendrein um eine halbe Millionbrachte. In mehr als einer Beziehung ähnelt dieseram Montag verhandelte Prozeß gegen die 37jährigeMaria B« p t e k dem vorgenannten.Auch hier ist das Opfer«in gutgläubiger ältererMann, auch hier hat sich ein harmloser Kleinbürger zuerst durch sexuelle Raffiniertheit der Betrügerin verblenden und dann durch Vorgeschwindelle„vornehme Bekannftchaften" und„hohe Bekanntschaften" um Riesenbeträge prellen lassen. And auchhier— ist das Opfer bis heute nicht von der Schuldder vielfach eindeuttg überführten Gaunerin überzeugt!Diese Marie Bepkek ist unS nicht unbekannt.Bereits im Vorjahr erhielt sie vor dem hiesigen Gericht wegen schwerer Betrügereien an einem Hotelier, dem sie eine gute Bahnhofsrestauratton zu verschaffen versprach, sechs Monate schwerenKerkers. Schon damals wußte sie sich das bedingungslose Vertrauen ihres Opfers durch ihre angeblichen„hohen Beziehungen" zu verschaffen. Siegab sich u. a. als„Freundin des Außenminister»"aus. täuschte zärtliche Telephongespräche mit diesemvor und trieb anderen Unfug, den der Hotelier unbegreiflicherweise ernst nahm.Der am Montag verhandelte Fall ist noch älteren Datums, als der bereits abgeurteilte. Er istnoch weit größer, weit abenteuerlicher und unglaublicher als jener.In diesem Fall handelt eS sich um einen reichenSchlossermei ft e r, der nicht um weniger als400.000 KCerleichtert wurde. Der"euge ist ein hoher Fünfzigermit einem würdigem Bollbart, einem sehr jugendlichen Herzen und einem offenbar sehr kindlichenGemüt.Er nahm sich seinerzeit det Marie D« pkekan. Diese ist die Tochter eineS seinerzeit ziemlichbekannten Journalisten und SchriststellerS. Angeblich konnte der Schloss« rmeister nicht ansehen, daß dieTochter eines solchen Mannes ihr Brot als Klavierspielerin verdiene. Er nahm sich ihrer also an, wieman so zu sagen pflegt und«S kam zwischen dembärtigen Herrn und seinem Schützling bald zu einemintimen Verhältnis. AlS sie ihn hinlänglich gekirrthatte, begann sie ihren Angriff auf sein Bankkonto,und zwar nut ungeahntem Erfolg.Sie begann ihm beizubringen, daß sie«inewichtige Mittelsperson in einer griechischenTataklieferung für 83 Millionen K5 sei unddafür 10 Prozent Provision, aff» 8,300.000 K<ierhalten werde.Und nun setzte sie ave Hebel an, um dem arg,losen Kleinbürger die Taschen zu leeren. Und derGerupfte ließ sich so vollkommen von ihr überzeugen, daß«r wie gesagt, auch heute noch von demBestehen eines solchen sonderbaren Geschäftes überzeugt ist.Sie ließ es aber auch nicht anDokumen«ten fehlen— gefälschten natürlich! So legte sieihm einen„Erlaß des Mini st errat es"vor, in welchem die Zahlungsbedingungen für dieseLieferung festgesetzt waren.(Unterschrift: ,Malh-petr-Ministerpräsident"). Ihre Rolle in der ganzenSache schilderte sie so, daß sie dieVermittlerin zwischen Hohr» Beamten unsererTabakregie und der LiefrrungSfirma Alexan-drideS in Saloniki sei.Diese hohen Beamten wollten angeblich Provisionen haben und sie vermittle zwischen ihnenund der Firma. Und dies glaubte der Schlossermeister ohne weiteres und war bereit, sein Geld indieses gute Geschäft zu stecken und die„einstweiligenAusgaben" zu bestreiten, mochte der Vorwand auchnoch so unglaublich sein. Er streckte Geld vor fürirgendwelche rätselhafte„Abzahlungen an Petschekund an die Zivnobank", für ,Loll", für„Devisenabgaben usw.Um Abwechslung in die Sache zu bringen, ließsie den frei erfundenen Chef der angeblichen Firma,dem sie den Titel eine» rumänischen Fürsten C a n-tucusena verlieh, sterben und der biedereMeister rückte mft einem stattlichen Betrag„3 u rDeckung der Erbgebühren" heraus,ohne deren Bezahlung die Sache angeblich nichtvorwärts zu bringen sei. Schließlich brachte sie sogar ein gefälschtes Zertifikat desZollamtes Oberplan bei, um zu beweisen, daß„ihr" Tabak schon innerhalb unsererStaatsgrenzen sei.Zwischendurch brauchte sie Geld um„ihremFreund Minister Dr. Vene»" nach Genf zu folgen, denn auch hier mußte der Außenministerseinen Namen auf» gröbste mißbrauchen lasse».Sie sagte ihm sogar nach, er habe sieinihrerWohnung vergewaltigt und sie hab«vergeblich auch bei den höchsten Behörden ihr Rechtgesucht! Dieses„Geständnis" sollte offenbar dieEifersucht ihre» Gimpels aufstacheln. Und tatsächlichglaubte er ihr auch diesen unglaublichen Unsinn., Bei der Montag-Verhandlung erklärt« die Angeklagte mit großem Pathos, daß sie Selbstmord begehen werde,„denn dies sei ja doch vomGesetz erlaubt". Sie beantragte Zeugen aus allenWindrichtungen, aus dem In- und Ausland und beialledem war nur eines völlig klar, nämlich die Absicht, den Prozeß endlos in die Länge zu ziehen. IhrAnwalt legte die Verteidigung nieder, aber die Angeklagte ließ sich, das nicht anfechten und verteidigtesich mit größter Zungenfertigkeit selbst. Schließlichsetzte sie dann auch durch, waS sie angestrebt hatte:Die Verhandlung mußte vertagtwerden. rb.Jetzt müssen Sie unbedingtIhre Blumen mitBluiei-Zauhrdiiiigbegießen, wenn sie schön blühen sollen1 Paket Kö 5*60 durch die Verwaltung„Frauenwelt“, Prag XU., Fochova tr. 62,und bei allen Kolporteuren erhältlichSpaziergangedurch Madridvon A. HeilhutI.Wemt man so ganz unversehens aus demstrengen preußischen Norden nach dem„sonnigenSüden"(das Thermometer zeigt in diesenständig verschiedene Grade unter Null) verschlagen wird, und man bummelt so mit neugierigen,eindruckshungrigen Augen durch die Straßen derspanischen Hauptstadt, dann fallen einem somanche Dinge auf, die man— aus feinet» ordnungsgewohnten und höchst kulturellen Gesichtswinkel heraus— sofort als„unmöglich" ablehnen möchte. Man ist aber seltsamerweise allzubald geneigt, diese Dinge nicht mehr so schwer zunehmen. Liebenswürdigkeit entwaffnet, undLiebenswürdigkeit ist ein bestechendes Charakteri-stikum des spanischen LehenS.Da ist zunächst der Handel mit Tieren aufder Straß«. In Spanien bringt man der Kreaturnicht sehr viel Liebe entgegen. DaS fängt bei denStteren an und hört bei den Singvögelchen auf.Diese zarten, buntfedrigen Tierchen bietet manan vielen Straßenecken feil. Man hat die armenGeschöpfe in ganz winzige, niedrige Holzkästelchen gesperrt; wenn daS Bögelchen die Flügelspreizt, ist der ganze Raum schon ausgefüllt. Eintrauriges Bild. Aber an irgendeiner Straßeneckehat ein Händler die qualvollen Käfige geöffnetund die Tierchen flattern munter um ihn herum,picken eifrig Körner aus seiner Hand, sitzen ihmauf den Schultern, dem Kopf, und denken nicht imentferntesten daran, davonzufliegen.Einige ganz Kecke sitzen auf den Mauer-stmsen und zwiffchern vergnügt, andere spazierenohne jede Scheu zwischen den Füßen der herumstehenden Menschen umher. Sonderbar, keinesdieser zierlichen Tierchen, aus seliger Freiheit ingrausame Enge gezwängt, macht den Versuch,diese Freiheit wiederzugewinnen. Es scheint, alsfürchteten sie diese lärmerfüllten Straßen, alssuchten sie die Nähe der Menschen und fühlten sichwohlgeborgen in dieser wärmenden Nähe. Fürdas reichlich gespendete Futter geben sie selbst diegoldene Freiheit auf. Sie ähneln darin den Menschen. Bei Hunger gedeihen keine Ideale.Der Anblick dieser eifrig pickenden, frohlebendigen Tierchen hat plötzlich nichts Quälendes mehr an sich; ihre Zutraulichkeit, das Aus-,gesöhnffein mit ihrem Schicksal läßt fast vergesssen, daß eine rauhe Hand sie wieder in ihrenengen Käfig sperren wird.Map darf nur hoffen, daß eine der eleganten, hübschen„senoras", die mit ihren großen,glänzenden Augen entzückt auf die Tierchenblicken, sie recht bald kaufen, damit sie aus ihremZwinger befreit werden. Freilich, sie tauschen denengen hölzernen Käfig dann höchstens gegen einengroßen goldenen. Auch darin ähneln sie manchenMenschen.II.An einem der breiten, palmengeschmückten„paseos", gegenüber dem langgestreckten Prachtbau der„Banco de Espaüa", ganz in der Näheder monumentalen Hauptpost(die wie dasMeisterstück eines phantasiebegabten Zuckerbäckersanmutet), erhebt sich ein stattliches Gebäude.Imposante Fassade, langgestreckte Seitenflügel,ein ganzer Block. Alles so köstlich neu und sauber,so zierlich verputzt. Mit verschnörkelten Fenstergesimsen und dem unvermeidlichen Tprm. Es istdas Marineministerium. ES könnte, seiner riesenhaften Ausdehnung nach, ganz gut auch daS britische Marineministerium sein. Mit etwas mehrBerechtigung jedenfalls. Sogar die Madrilenerwitzeln darüber und behaupten mit einemAugurenlächeln: die ganze spanische Flotte hättein dem Gebäude Platz.In der Tat, man fragt sich, was geht Wohlin all diesen Sälen und Zimmern so Wichtigesund Geheimnisvolles vor sich?Ist es ein Zufall oder ein bezeichnendesSymptom, daß sich in unmittelbarer Nähe dieseskostspieligen Baues die„Delegaciön de Hacienda"— das Finanzamt— befindet?Unten, in dem Torbogen des Hauptpor-taleS stehen Wachtposten. In dunkles, kleidsamesBlau gekleidete Marinesoldaten. Auch Matrosensieht man, mit ihren charakteristischen, nach untensich erweiternden Hofen und der Mütze mit rundem Pompon in der Mitte.Ein Soldat patrouilliert auf und ab. Dun kelhäutiger stämmiger Bursche auS dem Baskenland. Schwer bewaffnet; am Gürtel Patronentaschen, Gewehr geschultert, mit aufgepflanztemBajonett— eS sieht sehr kriegerisch aus.Aber sein Dienst hindert ihn nicht, sich mitden umherstehenden Kameraden zu unterhaltenoder den vorübergehenden„chicaS"(Mädchen)einige freundliche Worte zuzurufen. Auch Hungerhat er, der gute Bursche. Seine freie, recht« Handnestelt an der Patronentasche und bringt einenschönen Apfel zum Vorschein. Er wirft einen prüfenden Blick in die Vorhalle: es könnte vielleichtein Offizier nahen— dann beißt er herzhaft indie Frucht, schiebt den Apfel wieder in die Patro-nentasche, nimmt daS Gewehr von der Schulterund kaut seelenvergnügt.Kommt ein Offizier, so hat er immer nochreichlich Zeit, di« vorgeschriebenen Ehrenbezeigung zu machen. Die rechte Hand wird in Brusthöhe wagerecht an das geschulterte Gewehr gelegt— gelegt, wohlverstanden, nicht etwa—„zuck zuck"— geworfen! DaS ist alles.Der Offizier dankt freundlich, und der brave„chieo"— greift wieder in die Patronentascheund schmaust behaglich weiter. Zweifellos, diespanische Flotte ist gut bewacht!HI.Auf der„Alcalä", einer der HauptstraßenMadrids, und besonders aüf der berühmten„Puerto del Sol" kann man alles mögliche kaufen. Hündchen, Füllfederhalter, Feuerzeuge,Krawatten, Kämme, Bonbons, Rasierklinge»,Puppen und— Lotterielose. Eine Hochflut vonLötterielosen ergießt sich über Madrid. Die„Loterla" spielt ja intmer eine riesige Rolle iwspanischen Leben.Jeder Spanier, wenn er nur irgendwie einePeset« flüssig hat, spielt mindestens ein Los. Eineschöne Einnahme für den Staat. Wan erzählthier ein« Legendi von xinem verarmten Granden,der seine letzten 8000 Peseten für ein ganzesLos verausgabte und tatsächlich den Haupttreffer— 15 Millionen— damit gewann. Zu schön, umIvahr zu sein.In ganz Spanien wartet man in fieberhafter Spannung auf diese Ziehung. In früherenJahren lagerte sich eine große VolksmengeWochen vorher vor dem„casa de la Moneda", Ider Münze, in dem die Ziehung stattfindet. DieLeute verließen ihren Platz mich während derNacht nicht. Große Lagerfeuer wurden angezündet, man schlief, aß und trank auf der Straße, inTüchern und Decken gehüllt; nur um bei Beginnder Ziehung einen guten Sitzplatz im Saal zuergattern. Meistens jedoch verkaufte man ditstnPlatz meistbietend und eS sollen nicht seltenphantastische Preise für so ein Eintrittsbillett bezahlt worden sein. Jetzt hat die Polizei diese„Zigeunerlager" verboten, aber auch der Winter,der hier von Jahr zu Jahr strenger auftritt, machtein nächtliches Kampieren auf den Straßenunmöglich.Es gibt aber auch noch eine täglich« Lotterie.,Die billigen Lose dafür werden haupffächlich vpn'Blinden verkauft. Sie stehen an jeder Straßenecke und ihr eintöniges singendes„para hoy"(„für heute") gehört zu den markantesten Rufender lärmerfüllten Straßen.—Etwas für unsere hygienischen Begriffe Unfaßbares ist der Verkauf von Kuchen und Brotguf der Straße. DaS Gebäck liegt meistens inflachen Körben oder auch auf einem rohen Brett,manchmal auch nur auf Zeitungspapier auf demPflaster. Der Wind fegt ständig den Staub UndDreck darüber. Die Hände des Verkäufers sindfast immer von zweifelhafter Sauberkeit— niemand nimmt Anstoß daran.Ein eisiger Wind fegt durch die Straßen,ein gefährlicher Wind, der von der tief verschneiten Sierra kommt. Die armen Händler helfensich, indem sie große Feuer anzünden. Selrsamphantastischer Anblick, besonders am Abend. Umdie Flammen, die man mit Wedeln von Pappdeckeln zum Lodern zu bringen versucht, undderen beizender Rauch die Augen tränen lassen,drängen sich.die frierenden Menschen. Bettler inerbärmlichen Lumpen, vor Kält« zitternde Frauenund Kinder, die vielen„limpiabotäs"(Stiefelputzer) und Krüppel. Sie hocken um das Feuerund die Flamme wirft einen seltsamen,zuckenden Schein über die braunen Gesichter.Sie sind alle gleich arm, diese Leute, gleichHoffnungsteer; man weiß nicht, wie sie leben, wiesie wohnen— aber sie lachen.Seltsam genug, sie lachen, als ob das Lebenfür sie nicht Tag um Tag Sorge und Not in Bereitschaft hätte.