Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

15. Jahrgang

Die Geistesführer

Spaniens

protestieren gegen die Folterungen im Gefängnis zu Oviedo

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Der Pariser Populaire" veröffentlicht den Wortlaut eines Appells, den vierzehn der bedeu­tendsten Intellektuellen Spaniens Schriftsteller, Dichter, Advokaten

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Gelehrte,

die politisch den Opfern des Terrors fernstehen, an den Prä= sidenten der Republik Spanien gerichtet haben, um ihn zu bitten, daß er den Grausam­keiten, über die die 564 Eingekerferten berichteten, ein Ende mache. Auf dieses Memorandum der 564 beziehen sich die Intellektuellen in ihrem Protest, in dem sie eindeutig zum Ausdruck bringen, daß fie sich ihres Vaterlandes schämen und daß ihr menschliches Gewiffen gegen die Schandtaten revoltiert, die in Oviedo an den wehrlosen Gefangenen verübt

werden. Hunderte unserer Mitbürger" so

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schreiben die Vierzehn ,, warten in Angst Stunde um Stunde, Minute um Minute, daß man

ihnen Hilfe bringe." Diese Hilfe müsse ihnen ge­währt werden, im Namen der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit.

Das Dokument trägt folgende Unterschriften: Juan Madinaveitia, Universitätsprofessor; Ramon del V a II e- Inclan, Schriftsteller: Angel Offorio n Gallardo, Advokat; Juan R. Jimenez, Dichter; Felipe Sanchez Ro= man, Advokat, Professor an der Madrider Uni­versität, Chef der national- republikanischen Bar­tei; Teofilo Hernando , Professor an der Madrider Universität; Miguel de una muno, Schriftsteller; Azorin , Schriftsteller; Dr. Gonzalo R. La fora, Psychiater; Pio B a= toja, Schriftsteller; Dr. Pio del Rio- or tega, Direktor des Histologischen Institutes; Francisco Grandmontagne , Schriftsteller; Francisco Bergamin, chemaliger Minister.

Tschangkaischek

nach Tokio

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Tokio . Wie von seiten des Außenmini­steriums mitgeteilt wird, wird Marschall Tschang­faischek in Tokio eintreffen, um mit dem Minister­bräsidenten Okada, dem Außenminister Hirota und dem Kriegsminister Hayaschi Unterredungen über eine Verständigung zwischen Japan und China zu haben. Tschangkaischek dürfte sehn bis zwölf Tage in Tokio bleiben. Auf Grund dieser Verhandlungen soll entschieden werden, in welcher Form die Verhandlungen zwischen Nanking und Tokio geführt werden sollen.

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Tokio . Der chinesische Sondergesandte Mini­ster Wangtechung hui ist in der japanischen Hauptstadt eingetroffen. Er wurde von Vertretern des Außenministeriums und den Angehörigen der chinesischen Gesandtschaft feierlich begrüßt.

Weisung

an die schwedischen Nazis:

Mittwoch, 20. Feber 1935

Keine Uebereilung

mit der Antwort an Berlin

STRIOT

Paris. Außenminister Pierre Laval legte vor dem Pariser Ministerrate die diploma­tische Situation dar, wie sie sich durch die deutsche Antwort auf die französisch englischen Vor­schläge herausgebildet hatte. Er verwies darauf, das die französische und auch die englische Re­gierung in engen Beziehungen zueinander stünden und daß sie im Geiste einer vertrauensvollen Zusammenarbeit den Austausch der Ansichten fortsetzen. Es gebe keinen Grund dafür anzunehmen, daß sich nunmehr die Lage in raschem Tempo entfalten werde; die aus der deutschen Note sich ergebenden Fragen erforderten eine aufmerksame Prü­fung, die eine Nebereilung in der Antwort, welche Frankreich und England nach Berlin geben. werden, ausschließe.

Einigung Paris - London geht vor

London . Minister für Auswärtige Ange­legenheiten Sir John Simon und Lordgeheim­siegelbewahrer Eden haben Dienstag an einer Sitzung des interministeriellen Unterausschusses

teilgenommen, der sich mit der deutschen Antwort

auf das französisch- britische Kommuniqué befaßte. Das britische Kabinett wird in seiner Mittwoch Sitzung die Darlegungen Sir John Simons zur deutschen Antwort entgegennehmen und sich sodann zweifellos mit dem deutschen Vorschlag bezüglich direkter britisch- deutscher Verhandlungen beschäf­tigen.

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( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 43

Bürgerschule Arbeiterschule

In

der tschechischen Oeffentlichkeit und Presse wird gegenwärtig über eine Frage viel gesprochen, die auch das Interesse der deutschen Deffentlichkeit, und insbesondere der deutschen Arbeiteröffentlichkeit hervorrufen muß. In einer Reihe von Versammlungen haben sich tschechische Bezirke und Städte für die Verwirklichung des Gesetzes über die Sprengel bürger= ſ ch u I en ausgesprochen. Nach Zeitungsnach­richten soll vielleicht wird dies im Zusammen= hang mit der Sanierung der Selbstverwaltungs­förper geschehen tatsächlich an einer solchen Vorlage gearbeitet werden. Dem Gesetz über die Sprengelbürgerschulen täme aber eine große Be­deutung zu.

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Kommuniqué abgesteckten Bereich erstreckt. Man ist der Meinung, daß die britischen und die franzöſi­ schen Staatsmänner darin einig sind, daß die Luft- Die liberale Aera in Desterreich nach der konvention nicht separiert und ohne Berücksich- Niederlage von 1866 hat zu einer Reihe freiheit­tigung der übrigen Teile des französisch- britischen licher und kulturfördernder Gesetze geführt, von Kommuniqués vom 3. Feber d. I. abgeschlossen denen das allgemeine Volksschulgesetz( 1869) zu werden kann. den bedeutendsten zählt. Seither haben wir eine weltliche Volksschule, deren Besuch Pflicht der

Aber die Entwicklung steht nicht still. Die

Scheitern des Ostpaktes tinder vom sechsten bis zum vierzehnten Lebens­könnte zu einem neuen Weltkrieg führen ihr ist und obwohl in den achtziger Jahren im Gefolge flerifaler Reaktion die allgemeine Schul­don, Majski, hielt in der britischen Völker- etwas durchbrochen wurde, sind doch die Haupt­London. Der Sowjetbotschafter in Lon- pflicht durch verschiedene Schulerleichterungen bundliga einen Vortrag, in dem er n. a. aus- errungenschaften des allgemeinen Volksschul­führte: Es gibt teine Sicherheit und feinen Frie- gefeßes erhalten geblieben. Der Besuch der Volks den in Westeuropa ohne Sicherheit und Frieden schule durch die Generationen seither hat zu einer Der französische Botschafter in London hat für Osteuropa . Der Frieden in Europa läßt sich allgemeinen Erhöhung des Kulturniveaus der zwei Tagen bei Sir John Simon, wie das Reuter- Mächte, der großen und der kleinen, sichern. Die demokratischen Errungenschaften möglich gemacht, bei seinen beiden letzten Besuchen in den letzten nur durch die gemeinsamen Bemühungen aller Bevölkerung geführt und damit vielfach jene Büro erfährt, deutlich zu verstehen gegeben, Frank Sowjetunion ist der Meinung, daß die geeigne deren wir seither teilhaftig geworden sind. reich hätte absolut keine Einwendungen dage- tefte Form dieser Zusammenarbeit ein Regional­gen, wenn Sir John Simon zu einem fpä- pakt mit der Zusicherung gegensei- Anforderungen, welche der Kampf ums Dasein teren Zeitpunkt einen Besuch in Berlin ab- tiger bewaffneter Hilfe ist, wie an die Menschen stellt, werden immer größer und statten würde, soferne Großbritannien ein solches etwa die proponierte Luftkonvention. Der Bot- gerade die Wirtschaftskrise zwingt die heran­Vorgehen für wünschenswert halte, und zwar schafter sprach sein Bedauern darüber aus, daß wachsende Jugend zu einer gewissen Qualififa­nach einem vorausgegangenen fich Polen und Deutschland gegen einen Ostpakt tion ihrer Arbeitskraft zu gelangen, welche ihr vollständigen Meinungsaustausch stellen und äußerte ernstliche Befürch= helfen soll, den Lebenskampf besser zu bestehen. zwischen Frankreich und Groß- tungen hinsichtlich des Verhal= Die Zeiten, da die Kenntnis des Lesens und britannien. Eines der Ergebnisse der Ver- tens Deutschlandsüberhaupt. Seine Schreibens und einiger einfachen Rechenoperatio= handlungen zwischen Paris und London wird viel- Ausführungen schloß der Sowjetbotschafter mit nen genügten, sind längst vorüber, die Anfor­leicht der Entschluß sein, in Berlin auf diplomati - folgender eindringlichen Warnung: Ein Scheitern derungen, die an die Menschen gestellt werden, schem Wege festzustellen, ob die deutsche Regierung der Bemühungen nach Abschluß eines Ostpaktes werden immer größer, die Kenntnisse, welche das damit einverstanden wäre, daß sich die britisch- könnte fogar zu einem neuen Weltwirtschaftliche, soziale und Kulturleben verlangt, deutsche Diskussion auf den ganzen im Londoner frieg führen.

Der Populaire" fordert:

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,, Haẞkundgebungen gegen den Arbeitermörder Schuschnigg"

Paris . Der Populaire", welcher bereits in der letzten Woche einen sehr scharfen Artikel Léon Blums gegen das Eintreffen des österreichischen Bundeskanzlers Schusch= nigg in Paris gebracht hatte, veröffentlicht Dienstag einen Appell des Vollzugscusschusses der Pariser Föderation der sozialistischen Partei an die Pariser Arbeiterschaft ,,, jede Gelegen­heit zu Kund gebungen des Hasses gegenüber dem Fascismus während des Aufent­haltes eines der Mörder der Wiener Arbeiter, des Kanzlers Schusch= nigg, zu benützen".

Vandervelde interpelliert

wegen der verbotenen sozialistischen Manifestation

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werden immer umfassender. Heute muß das Streben jedes einzelnen Menschen dahingehen, sich für das Leben wenigstens durch den Besuch nicht nur einer Volksschule, sondern auch einer Bürgerschule vorzubereiten. Wer den Unterschied beobachtet hat, welcher zwischen jun­gen Menschen besteht, die nur eine Volks­schule absolviert haben und jenen, welche in der Lage waren, eine Bürgerschule zu besuchen, wird den großen Wert anerkennen, welchen die heutige Bürgerschule bei uns hat. Dadurch soll nicht im geringsten die Arbeit jener tausender Landvolks= schullehrer herabgesetzt werden, die vor dem schwierigen Problem stehen, in dreis, ziveis oder einklassigen Schulen nebeneinander Kinder zit unterrichten, die das sechste Lebensjahr vollendet haben und andererseits solcher, die knapp vor dem Austritt aus der Schule stehen. Aber heute genügt für die Kinder vom 6. bis zum 14. Lebensjahr nicht mehr die Volksschule, wir brau= chen die Bürgerschule und unser Ziel muß es sein, solche Zustände zu schaffen. daß der allers größte Teil unserer Kinder die Bürgerschule, und womöglich die vierklassige, besucht. Zu diesem Zweck brauchen wir das Gefeß über die Sprengel­bürgerschulen. Sowie für jeden Ort eine Bezirks­behörde oder ein Bezirksgericht kompetent ist, so muß für die Kinder jedes Ortes der Republik eine Bürgerschule zur Verfügung stehen, es muß durch die Vermehrung der Bürgerschulen den Kindern die Möglichkeit geschaffen werden, eine Bürgers schule zu besuchen.

,, Mit den Kommunisten gegen Sozialdemokraten!" Brüssel . Der Führer der belgischen Sozialis Ministerpräsident Theunis verteidigte den ſten und Vorsitzende der Sozialistischen Arbeiter- Beschluß der Regierung und verwies auf die Sef­Stockholm. Bei der schon kurz gemeldeten Internationale Emil Vandervelde inter - tigen Angriffe einiger Blätter sowie auf die Ge­Haussuchung am Siz der Zentralorganisation der pellierte am Dienstag in der belgischen Kammer fährlichkeit von Demonstrationen in der Haupt­nationalsozialistischen Partei in Göteborg wurden die Regierung in Angelegenheit des Verbotes der stadt. Wir haben nicht befürchtet erklärte Für die Angehörigen der arbeitenden Mass elf Nationalsozialisten ber für den 24. Feber einberufenen sozialistischen Theunis daß die Manifestation eine Aendesen hat das Problem des Besuches der Bürgers haftet und bedeutsames schriftliches Material Manifestation. rung des Regimes bedeuten könnte, aber wir haben schule noch einen besonderen Wert. Die Kinder beschlagnahmt, das davon zeugt, daß die Partei Ausschreitungen befürchtet, die durch die Ansamm der befizenden Klasse haben die Möglichkeit des eine antistaatliche Tätigkeit verfolgte. lung von 150.000 Personen hätten herbeigefühit Mittelschulbesuches, welcher den Kindern der Bes werden können." sitlosen nur in geringem Maße offen steht. Die Bürgerschule muß die Mittelschule der werftätigen Bevölkerung werden und wir können sagen, daß unsere Bürgerschule

Bandervelde konstatierte, daß seine Partei beabsichtigt hatte, von dem verfassungsmäßigen Recht, ruhige Manifestationen ohne Waffen zu veranstalten, Gebrauch zu machen, und betonte

Die Rede des Ministerpräsidenten wurde mehrfach durch Mißfall en stundgebungen der

Die Polizei hat auch Beweise darüber, daß die Führer der nationalsozialistischen Partei aus fattischen Gründen ihre Anhänger angewieſen haben, mit den Kommunisten zu stimmen. Zweck ausdrücklich, daß seit dem Bestande der belgischen Sozialisten unterbrochen. dieses Manövers war, den Einfluß der Sofozialistischen Partei sich bei den von ihr veran- Nach der Interpellation Vanderveldes wurde in ihrem heutigen Zustande wohl dazu geeignet ialdemokraten, die jetzt an der Macht ſtalteten Demonstrationen nie ma Is Ausschrei- der Regierung bei der Abstimmung nur mit 89 ist. Es ist allgemein bekannt, daß wir ausgezeich sind, zu vermindern. gegen 73 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen. Inet qualifizierte Bürgerschullehrer haben, die

tungen ereignet haben.