Einzelpreis 70 HHIsr (•michliefilich 3 Heller Porto} IENTRALORGAN DER DEUTSCHEM SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH, Redaktion und Verwaltung präg xu„ kxzhova«z. itiffow sxn. Administration thipon sxvt, HERAUSGEBER* SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. «Ml STRAUSS. PRAG . 15. Jahrgang Sonntag, 3. März 1935 Nr. 53 ■■■■■■ Mißglückter Militärputsch in Athen Meuternde Kriegsschiffe von Bombenflugzeugen verfolgt Athen . Freitag abends unternähme« Anhänger von BenizeloS und P l a st i r a s den Bersnch eines bewaffnete« Aufstandes, der jedoch von der Regierung niedergeschlagen wer. den konnte. Bewaffnete Zivilisten, meist ehemalige Offiziere, befehle« das Arsenal , di« Mill« tär schule und bemächtigte« sich auch einiger' Kriegsschiffe im Hafen. Die Kadette«- schule und das Garderegiment der Evzonen wäre« zu de« Aufständischen Lbergegangen. 2« Laufe der Nacht konnten jedoch die Regierungstruppen den Aufstand unterdrücke«. Einige Kriegsschiffe der Aufständischen flüchteten aufs offene Meer, wo sie von Regierungs flugzeuge« verfolgt und bombardiert wurden. Sonst ist der Putsch liquidiert;«ach den vorliegen den Meldungen beschränkte er sich auf die Hauptstadt, während die Provinz Ruhe bewahrte. I« Griechenland wurde der Belagerungszustand verkündet und die Führer der Oppofitio« I« Schutzhaft genommen. Die Regierung kündet in einem Aufruf an, daß sie gegen die Agitator«« mit aller Strenge einschreite« werde. Der Aufstand nahm seinen Ausgang zuerst st» Salamis-Arsenal, tvo nach einem lnrzen Zusammenstoß mit der Wache dreißig superarbitrierte bewaffnete Offiziere der Land- ünd Marinetruppen an Bord der Kriegsschiffe gelangten. Hierauf traf der Minister für Krieg und Marine sofort Maßnahmen, um den Aufstand Energisch zu unterdrücken. An die Küste und auf di« Hügel gegenüber dem Arsenal wurden Truppen entsandt. Zwei Batterien standen bereit, das Feuer gegen die Aufständischen zu eröffnen. ' Gleichzeitig trat der Ministerrat zusammen, «r den Belagerungszustand über ganz Griechen land verhängte. In der gleichen Zeit wurden doch in Athen einige Verhaftungen vorgenommen. Nach dem Aufstand im Arsenal kam es zu tstrem Aufruhr vor der Militärschule E v« l p i- des. Dort gelang es 15 superarbitrierten Offi-I zieren, kn Begleitung von Mitgliedern der Repu-1 blikanischen Liga, in die Schule eknzudringen, aus der sie jedoch bald wieder verdrängt wurden. Der dritte und letzte Aufstandsversuch ereignete sich in der Athener Kaserne des Evzonen- Regiments. 15 Offiziere, Anhänger Plastiras', benützten die Abwesenheit der Regimentsoffiziere, um die Kaserne zu besetzen. Sie verbarrikadierten sich und versuchten, sich an die Spitze der Militärabteilungen zu stellen. Die Regierung forderte sie auf, die Waffen wegzulegen. Da sie sich weigerten, eröffneten die Militärabteilungen der Regierung das G-schühfeucr gegen die Kaserne. Hiebei wurde« drei Auf» ständische getötet und zehn verletzt. Regierungstruppen besetzten um 7 Uhr morgens neuerlich das Arsenal , doch gelang es fünf von Aufständischen besetzten Kriegsschiffen, daS freie Meer zu erreichen, wo sie jetzt von Flugzeugen verfolgt werden. Das gesamte Flugwesen und die Armee ist der Regierung treu geblieben. Der Kriegsminister erklärte de« Korrespondenten des Renter-BüroS, daß die Regierungstruppen einige Tote hatten. Die Zahl der Tote« bei de« Aufständische« beträgt ungefähr »eh«. Dramatische Verfolgung Die Regierung hat Flugzeuge gegen die Kriegsschiffe, die die Aufständischen unterstützt haben, gesandt. Der Kreuzer„A v e r• ff" wurde erheblich beschädigt. Auf der Insel Kreta wurde« entsprechende Maßnahmen getroffen, falls sich die Schiffe dorthin begebe« sollten. Die Regierung sandte ihnen ein Radiogramm nach, worin sie mitteilt, daß sie als Seeräubers chiffe angesehen werde». Italienische Kriegsschiffe in den Nachbargewässern haben bei der Regierung in Rom nachgefragt, welche Haltung sie einnehmen sollen. Die meuternde« griechischen Schiffe wurde« vo« Flugzeugen mitBomben belegt. Sie gingen bei der Insel Milos vor Anker. Es wurden darauf Berhandlungen wegen der Ueber- gabe der Schiffe mit den Meuternden aufgenom- men. Admiral Tipaldos hat sich als Bermittler angrboten. Die Aufständischen haben sich eine halbe Stund« Bedenkzeit ausgebete«. Venizdos auf Kreta Bisher ist nicht bekannt, welchen Standpunkt B e« i z e l o s, der auf Kreta weilt, einnimmt und welchen Antell er an dem Aufstand hat. Ministerpräsident Tsaldaris betraute den Gouverneur von Kreta damit, von Benizelos eine öffentliche Erklärung über seinen Standpunkt zu verlangen. Var ncudcutsdic Nibelungenlied Zeitlich zusammen sind folgende Tatsache« gefallen: Der Legationssekretär von Tchir- s ch k Y bei der Wiener deutschen Gesandtschaft verließ fluchtartig seinen Dienst und begab sich ins Ausland. Er sollte in Berlin vor der Gestapo erscheinen, die ihn der Konspiration mit monarchistischen Kreisen beschuldigte. Die österreichischen Minister befanden sich auf einer AuSlaNdreise in Paris und London . Bereit in Paris hat man. sie höflich aber bestimmt davon in Kenntnis gesetzt, daß die Habsburgerfrage keine Erörterung finden, könne, in London gar wurde ihr Pumpversuch abschlägig beschicken mit dem Bemerken, daß die, österreichische Unabhängigkeit ganz und gar nicht gesichert erscheine. Als dritte Tatsache erfolgte endlich die Selbstauslösung der österreichischen Naziverbände. Man weiß, daß Herr von Papen mit Herrn von Tschirschky als Sondergesandter nach Wien beordert wurde. Di« Ereignisse des 25. Juli 1834, haben diese Sonderbetrauung geraten erscheinen lasten. Man weiß aber auch, daß Herr von Bosse, und Edgar Jung , die engsten Mitarbeiter Papens, am 30. Juni 1934 zum ewigen Schweigen gebracht wurden. Nicht so sehr, wie man damals vermutete, wegen der aktiven Mitarbeit am Entwurf der Marburger Rede Papens. Herr von Papen und Herr von Tschirschky, das weiß man auch, sind nur mit knapper Not der Nacht der langen Mester ( entgangen. Schließlich weiß man ja auch, daß der 96. Juli 1934 in Wien sich eurer aktiven Förderung aus dem Reiche erfreute. Nun sagen wir es gleich: Zwischen dem 30. Juni, dem 25. Juli, der Sondergesandtschaft Popens, der Selbstauslösung der österreichischen Ha- kenkrenzler und noch ein paar anderen Kleinigkeiten besteht ei« ursächlicher Zusammenhang. Um seine privaten und persönlichen Dinge in Ordnung zu bringen, ist dieser Tage Herr von Tschirschky nach Wien zurückgekehrt. Er wurde von einem ausländischen Pressevertreter über den Grund seines Abschiedes befragt und Herr von Tschirschky sagte nur, daß er den Dienst verlassen habe und über das, was während seines Dienstes geschehen sei, d e r z e i t keine Mitteilungen mache. Das schließt also nicht aus, daß er zu gegebener Zeit darüber zu reden doch bereit sein wird. Aber eben derzeit... denn Herr von Tschirschky ist ein Konservativer von Geburt und fühlt sich als solcher selbstverständlich an Konventionen gebu nden, dis ihm ein derzeitiges Sprechen nicht geraten erscheinen lasten. Denn er kann ja nicht wissen, ob nicht über Nacht die deutschen Konservativen wieder eine Schwenkung um 180 Grad vornehmen und die neue Oesterreich-Politik der Hitlerei aktiv unterstützen. Vorläufig ist er, wie es scheint, bestrebt, mit Würde das Opfer zu tragen, das er als erster der von Berlin befohlenen Selbstauslösung der Austronazi bringen mußte. Er wird nicht allein bleiben. Auch im Reich werden noch einige auf der Strecke bleiben. Herr von Tschirschky hat seine oben angeführte, dem Wiener Vertreter eines englischen Blattes gegebene Erklärung, mit dem Bemerke» abgeschlossen, daß er nichts gegen Deutschland gerichtetes unternehmen werde. A propos: gegen Deutschland gerichtetes? Das ist es eben, was uns veranlaßt, daS neudeutsche Nibelungenlied zu drucken. Wenn es auch nicht mit hymnischem Schwünge vorgetragen werden kann und sich liest wie ein Kriminalfeuilleton, so wird es eben deswegen ein llassisches Beispiel geben von der unsachlichen und radauerfüllten Regiererei in dem Lande des klassischen Nibelungenverrats. Nichts gegen Deutschland gerichtetes. Es ist einmal etwas geschehen, viele Morde sind geschehen, die alle gegen Deutschland gerichtet waren. Und um dieses Geschehen wüßte Herr von Tschirschky, er wußte sogar so viel davon, daß man ihn doch noch für den gegebenen Mann hiett, mit anderen zusammen das einmal gescheiterte Unternehmen zu blühendem Erfolg zu sichren. 2m Zeitalter der Rationalisierung erfolgen aber manchmal über Nacht BetriebSumstellungen und manches alte wird dabei technisch unbrauchbar. So ist es auch Herrn von Tschirschky ergangen. Die Betriebsumstellung, die Berlin in Oesterreich vorge- nommen hat, erforderte auch den Austausch der Filialleiter. Aurtrofascistircher Blutrausch 17 Todesurteile wegen eines Sprengstoffschmuggels Salzburg . Freitag und Samstag fand vor dem Schwurgericht Salzburg ein Sprengstoffprozeß gegen 20 Angeklagte aus dem Pinzgau statt, die kurz vor dem 20. Juli v. 3. aus dem Funtensee-Haus, das auf bayrischem Bode« liegt, größere Menge« gefährlicher Sprengstoffe über die Grenze nach Oesterreich geschmuggelt habe«. 17 der Angeklagte« wurden wegen Verbrechens«ach 8 6 des Spreng- mittelgesehes zum Tode verurteilt. Einer erhielt 10 Jahre, ei« anderer ei» Jahr schwere» Kerkers»nd ei» Angeklagter wurde freigesprochen. Widmungen anläßlich des 85. Geburtstages des Präsidenten der Republik Steuer- and Abgabenbefreiung— Sammlung beim Ministerratspräsidiam , Die Regierung hat zur verfaffungsmäßigen Durchberatung den Gesetzentwurf über die Befreiung der Widmungen zur Feier des 85. Ge- Purtstages des Präsidenten der Republik von Steuern und Abgaben vorgelegt. Indem sich das Präsidium des Ministcrrates auf die aus den Kreisen hochherziger Spender ausgehende Anregung stützt, empfiehlt es, daß zwecks geeigneter Konzentrierung und Einheitlichkeit alle Geldspenden, eventuell mit Angabe der Bestimmung, dem Präsidium des Ministerrates auf die Konto-Nummer 190 bei der Landesbank in Prag unter dem Kennwort: WidmungzurFeier >d e s 85. Geburtstages des Präsidenten der Republik gesandt werden. Die eingegangenen Geschenke werden in der Tagespresse quittiert werden. Die ohne Angabe der Bestimmung eingegangenen Widmungen wird die Regierung mit Zustimmung des Präsidenten der Republik zur Verteilung bringen. heuer politischer Mord In Rußland Kulaken ermorden einen Kommunisten Moskau . Amtlich wird gemeldet, daß in der Rächt zum 1. März in der Nähe von Noworosisk der Kommunist Truchschumow ermordet wurde. Die eingelettete Untersuchung hat ergeben, daß Druchschumow von ehemaligen reichen R a u e rn getötet wurde. Die Beweggründe sollen rein politische sein. Der oberste Staatsanwalt hat telegraphisch angeordnet, daß die Untersuchung gegen die Verhafteten in zehn Tagen abgeschlossen werden soll, damit die Aburteflung sofort erfolgen kann. Im Feber 1935 wurden nach den bisherige« Mttteilungen 18 polittsche Morde festgestellt. Lloyd George ins Kabinett? Er soll der Regierung seine Arbeitsbeschaffungspläne erläutern London . Das innerpolitische Ereignis. des Tages ist die Einladung des Ministerpräsidenten Macdonald an L l o y d G e o r g e, der Regierung genaue Berechnungen über seine»New Deal *« Pläne zur Arbeitsbeschaffung und zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in Großbritannien vorzulegen. In einem längeren Schreiben an Lloyd George gibt Macdonald die Versicherung ab, daß der Plan Lloyd Georges vom Kabinett einer sofortigen Prüfung unterzogen werden würde. Lloyd George teilte dem Ministerpräsidenten nach Erhall des Briefes telephonisch mtt, daß er dem Wunsche der Regierung mit Vergnügen nachkommen werde. Er wird wahrscheinlich während des Wochenendes oder zu Beginn der nächsten Woche auf den Wunsch der Regierung ausführlich eingehen. Die Vermutungen über eine Einbeziehung Lloyd Georges ins englische Kabinett haben dadurch neue Nahrung erhalten. Der besuch In Berlin vom 7.—10. März London . Dir Simon trifft in Berlin Donnerstag, den 7. März, mittels Flugzeuges ei» und verbleibt dort bis Sonntag. Von kompetenten Londoner Stelle« wird darauf aufmerksam gemacht, daß noch immer»i« Besuch deS britischen Außenministers in Mos kau , Warschau und Prag nach dem Ber liner Besuche in Erwägung gezogen wird. Reuter erklärt, daß der britische Außenminister nur wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Berlin nach Moskau reisen wird. Inzwischen wird die französische Regierung über die Ergevniffe der Berliner Nnterredungrn auf diplomattschem Wege unterrichtet werden. Große Vorbereitungen Es heißt» daß die nationalsozialistische Regierung Sir Simon eine Gastfreundschaft i n ganz großem Stil erweisen wird. Dem englischen Gaste wird eine F lu ch t von Prunkräumen im Palais des Reichspräsidenten zur Verfügung gestellt werden. Hiller wird dem englischen Minister ei« großes Staatsbanken gebe«.
Ausgabe
15 (3.3.1935) 53
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