8fr. 56 Donnerstag, 7. März 1935 Seite 3 Neue Masaryk -Worte Krise der Demokratie? Aus den Gesprächen Masaryks mit Karel Capek Aus dem neuesten Buche Emil Dieser Tage ist zunächst in tschechischer Sprache ein Buch Emil Ludwigs unter dem TitelDuch a Tin"(Geist und Tat) erschienen, in welchem der Verfasser üfcr Gespräche berichtet, die er durch längere Zeit mit dem Präsidenten Masaryk zu führen Gelegenheit hatte. Wir geben daraus einige Aussprüche des Präsidenten wieder: Bis zum heutigen Tage bin ich froh, wenn ich etwas Neues dazu erfahre, was ich weiß. Ich sage mir: Der Sinn des Lebens kann nicht sein wie ein Schwamm, Erkenntniffe in sich aufzusaugen. Das ist ein Luxus, das ist Genuß­sucht. Es muß ja etwas daraus hervorgehen, der Mensch mutz etwas Ordentliches machen, möglichst etwas Neues, dazu, was schon geschaffen wurde. Dieses Streben hat mich immer geführt: etwas tun. 4fr Eine Ueberzeugung haben das führt zum Handeln in der Politik. Mich hält immer eine gewisse Scham davon ab, Worte zu gebrauchen, wie Vaterland und Na­tion. Ich sage nicht von mir, daß ich Patriot bin, ich schreie nicht, daß ein anderer ein Vaterlands­verräter ist. 4» Dem Jesus, der Führer ist, der kann nicht Antisemit sein. Wie kann ich andere am Zügel halten, wenn ich mich nicht selber am Zügel halte I Sine Revolution ist kein Putsch. * Wenn jemand nicht zu regieren versteht, dann herrscht er. * Eine kleine Nation kann nicht Gewalt und Haß gegen das Fremde predigen. Ich freue mich selbst, wenn man mich kri­tisiert und das geschieht. r# Veberall ist die Sehnsucht nach Freiheit. Unser Zeitalter ist revolutionär. Der Mut ist nicht bloß eine physiologische Eigenschaft» sondern auch eine sittliche Tugend, welche sich nicht nur im Kriege.bewähren muß, sondern in allem Handeln und Tun, wie ­viel namenloser wirklicher Helden gibt'es im sogenannten gewöhnlichen Leben! Eine Masse prahlerischer Poseure das sind keine Helden! Oft setzt man mir aus, daß ich Vieles zu offen heraussage. Die sogenannte politische Klugheit und Geriebenheit ist für die Katze. A la longue urteilt die Welt doch nach Fakten, nicht Nach Worten» Illusionen und Lügen. 4* Fragen Sie mich direkt, ob die Demokratie die Autorität anerkennt, dann sage ich entschie­den: ja, aber nicht ohne Freiheit. Die Demokratie hat zur Grundlage die Sittlichkeit, nicht Religion, theoretisch Wissen­schaft und Philosophie, nicht Theologie. 4fr Es gibt keinen Verfall der Demokratie, wenn ich auch ohne Zögern zugebe, daß die De­mokratie noch unvollkommen ist, daß es eine voll­kommene Demokratie noch nirgends gibt. Aber - waren die deutsche, österreichisch-ungarische, die russische Monarchie vollkommener? Wer hat den Weltkrieg verursacht, die Demokratie? Wer hat den Weltkrieg verloren, die Demokratie? Wer hat die Wirtschaftskrise verschuldet, die De­mokratie? 4fr Demokratie ist nicht Herrschaft, sondern Verwaltung. Demokratie ist nicht nur Politik, sondern Weltanschauung, Lebensanschauung, ge­mäß welcher jeder Bürger als Persönlichkeit die Persönlichkeit seiner Mitbürger. respektiert. * Die Demokratie kann verschieden definiert werden, ich selbst habe einige Definitionen gege­ben; Hauptsache für die Demokratie ist Oeffent- Empfänse in Läny statt In Präs Prag.(Tsch. P.-B.) Die unerwartet kalte Witterung und insbesondere dir Befürchtung, daß neufallender Schnee den Weg auö Lany nach Prag erschweren könnte, haben sich eine Aende- rung im Programm der GeburtsMgsfeierlichkeiten des Präsidenten der Republik insoweit erzwungen, als der Präsident der Republik die Vorsitzenden beider Kammern der Nationalversammlung und den Vorsitzenden der Regierung, den Doyen des diplomatischen Korps, die Vertreter der Armee, des Nationalrates und der Legionäre nicht in Prag , sondern im Schloß Lantz empfangen wird. Ludwigs lichkeit keine Geheimniskrämerei Offen­heit, Ehrenhaftigkeit gegen Freund und Feind. Die Demokratie hat das Recht, sich selbst und ihren Staat zu schützen. Der Mensch darf sich vor dem Tode nicht fürchten, soll er gesund sein. * Die Philosophie führt mich: Tat ist mir durchdachte Tat. 4fr Seelisch, geistig, fühle ich das Alter nicht. Ich habe eine solche Freude am Leben, wie ich sie stets gehabt habe. » Politik und Poesie hängen zusammen. Ohne Phantasie wird weder die Zukunft noch die Ver­gangenheit geahnt. Schulminister KrCmär Im deutschen Schulfunk Prag . Zur Ehrung des Geburtstages deS Präsidenten der Republik schaltete das Radiojour­nal eine Reihe außerordentlicher Festsendungen ein. Um 9 Uhr sprach der Minister für Schul­wesen Dr. K r t m a i zu den deutschen Schulkin­dern im Rahmen der außerordentlichen Relation des deutschen Schulfunks, der mit der Staatshhmne eingeleitet wurde. Seine Kund­gebung wiederholte der Minister für Schulwesen in einer anderen außerordentlichen Relation des tschechosiowakischen Schulfunks, der um 9 Uhr 30 begann. Der Minister führte aus: Kinder der Republik ! Ihr habt eS in der Schul« und zu Hause ge­hört, in den Zeitungen gelesen und es an der fest­liche« Ausschmückung der Dörfer, Städtchen und Städte erkannt, daß morgen, am 7. März, unser teurer Präsident T. G- Masaryk fünfundachtzig Jahre alt wird. Eure« junge« Köpfe« scheint dies DieLidovi Novinh" veröffentlichen einen Teil des bisher unbekannten dritten Bandes der Gespräche des Schriftstellers Karel Capek mit dem Präsidenten Masaryk . Ueber die Krit« der Demokratie befragt, äußerte sich der Prä­sident wie folgt: Krise der Demokratie ich bitte Sie, was ist heute nicht in der Krise? Wir. leben gerade in einer- Uebergangszeit; wie Sie wissen, sagte Svehla, daß der Krieg auch jetzt noch dauert, auch wenn nicht geschossen wird. Wir sind alle Staaten und Nationen in einem schweren Uebergang; es ist schwer, gleich ein vollendetes Werk auf Jahrhunderte zu verlangen. Das be­deutet nicht, daß unsere Demokratie, überhaupt unsere Ordnung, nicht besser sein könnte, als sie ist. Die Demokratie hat ihre Fehler, weil die Bürger ihre Fehler haben. Wie der Herr, so das G'scherr.(Jaky pan, takovy kram.) Man sagt zum Beispiel: angeblich genügt das Parlament nicht mehr. Nicht mehr, aber viel» aber für«ns alle und für unsere Republik ist das alleweil wenig. Unser großer Präsident leitet unsere Republik weise auch in bösen Zeiten und schützt sie vor allem Uebrl, so wie Euchchliebe Kin­der, Euer Bater behütet und beschützt. Daher ist für«ns«nd«nsere Republik seine Führung ständig so sehr vonnöten. So wie Ihr Euch wünschet, Eurem Vater möge eS gut gehen«nd er möge lange leben «nd gesund bleiben, so ist eS«nser aller inbrün­stiger Wunsch, unser teurer Präsident möge als ei« weiser«nd fürsorglicher Bater»nferer Republik noch lange ihr« Geschicke leite«. Man sagt,«in Wunsch, der aus aufrichtigem Herze« kommt, gehe stets in Erfüllung. Eure kindliche« Herze« sind noch rein «ad frei von Trug. Darum bitte ich Euch, liebe Kinder, wünscht unserem guten Präsidenten em noch recht langes«nd gesundes Leben! Die ganze gebildete Welt kennt seinen Namen »end lauscht mit Ehrerbietung seinen Worte«. Tau­fende von Schulen in der Republik , selbst in den allerkleinsten Dörfer», tragen mit Stolz feinen Namen, zahlreiche Denkmäler in unseren Gemeinden drücke« die Ehrfurcht»nd Dankbarkeit der Bürger n o ch nicht. Das Parlament ist von der Wähler­schaft gewählt wer hat die Wählerschaft poli­tisch und sittlich erzogen? Das alte Regime; in der Republik ausgewachsene Abgeordnete haben wir noch nicht. Die Demokratie darf nicht nur aus dem Papier der Verfassung und im Munde der Demagogen sein. Selbst das beste Parlament ist nicht dazu da, darüber abzustimmen, was Wahr­heit, Recht und Sittlichkeit ist; über Wahrheit, grundlegende Prinzipien der Politik, Recht und Sittlichkeit kann man nicht nach der Mehrheit ab­stimmen. Die Demokratie allein erzieht das Volk nicht. Anständige, wirkliche Menschen werden von der Familie, der Schule und Kirche, der Staats­verwaltung, der Literatur, der Journalistik usw. erzogen. Ist da die Demokratie ein Hindernis? Ist da nicht ein politischer oiroulus viriosus? Die Demokratie machen die Demokraten und bes­sere Demokraten, bessere Demokrafie. Gestehen wir es uns nur, daß da ihren Teil der Schuld auch die sogenannte Intelligenz hat Geistliche. Lehrer, Schriftsteller, Beamte, und überhaupt Menschen, welche die Massen der Bürgerschaft er­ziehen und führen. Demokratie ist geführte Ma­jorität wer und was sind also diese Führer? Ein französischer Schriftsteller hat unlängst richtig denVerrat der Intelligenz" erkannt. Man klagt über Korruption gut, packt sie nur an! Aber lassen wir uns nicht zu Verallge­meinerungen verführen und glauben wir nicht den Korruptionisten, welche über die Korruption klagen. Es gibt genug stille Korruption, dieses geschickte Umgehen der Gesetze, eine fast legale Korruption bei der-genügt es nicht, ihr nega­tiv, sondern positiv entgegenzütreten: Mehr Achtung vor den Gesetzen und dem Staat! Ja, ich denke an die Bürgermoral der Loyalität im englischen Sinne. Genau so wie über die Korrupfion wird über politische Fehler geklagt, über die Unfähigkeit der Abgeordneten, der Regierung und aller möglichen öffentlichen Funktionäre. Ja, wir machen Feh­ler, ich habe ihrer selbst genug gemacht, wir ver­stehen es noch nicht. Die Republik , die Demokra­tie, unser Staat sind jung und wir haben ihn fast umsonst erhalten. Wir haben keine Tradition in der Politik und wachen deswegen Fehler. Ich spreche nicht gegen die Kritik, im Gegen­teil, ich wünsche die'Kritik aller Fehler und Irr­tümer; nur daß man mit dieser Kritik keine De­magogie treiben, sondern mit ihr belehren und abhelfcn soll. Wir brauchen eine Kritik der Ge­bildeten und Ehrlichen, Kritiker, welche bürger­lichen Mut und Courage besitzen; die echte Kritik ist weder Negation noch Abwälzung der Verant­wortlichkeit auf andere, sondern Mitarbeit und Mitverantwortlichkeit. Es wird über die politischen Parteien ge­klagt. Mit Recht, soweit diese Parteien dem Par­teiegoismus fronen. Aber die Parteien sind und können doch nichts anderes sein ass der Durch­schnitt ihrer Wähler, der wieder abhängig fft von der Presse und bürgerlichen Erziehung ständig dieses Problem der Führung! Eines müssen wir von den Parteien ständig und ständig verlangen: daß sie als ihre Abgeordneten j und Repräsentan­ten anständige, politisch fähige und gebildete Män­ner und Frauen auswählen. Für mich sind Politik und Demokratie ungeheuer ernste Sachen: eine Arbeit, wie ich sagen möchte, für die besten und ausgewähltesten Menschen. Und wenn wir uns wirklich darum kümmern werden, Abhilfe in unseren Angelegenheiten zu schaffen, vergessen wir nicht des politischen Nach­wuchses das ist eine so wichtige Frage für den Staat, für seine Regierungen und Parteien! Das alte Problem der Väter und Kinder! Und wie­der der Zauberkreis: sind sich dessen unsere Geist­lichen, Lehrer, Schriftsteller und Journalisten be­wußt? Denken Regierungen, Parteien und Ab­geordnete daran? fär ihn aus. Die Nationalversammlung hat zum ewigen Gedächtnis das Gesetz in Marmor meiseln lassen, daß er sich um unseren Staat verdient ge­macht hat. So feiern ihn die Erwachsenen. WaS werdet Ihr tun, um feinen Geburtstag dauernd zu feiern? Ich weiß, daß Ihr nicht z« ihm gehen, ihm in die treuen Augen blicken«nd ihm die Hand drücken könnet. Auch könnt Ihr nicht wie die Er­wachsenen Gebäude«nd Denkmäler ihm z« Ehren errichten. Aber am besten«nd dauerndsten werdet Ihr ihn feiern, wen» Ihr Euch fest«ornehmet»nd feierlich gelobet, nach feinen Grundsätzen fleißige «nd ehrenhafte Arbeiter«nd gute Bürger der Republik sein z« wollen«nd Euch immerdar«nd unter allen Umständen von seinen Worten leiten zu lassen, die Ihr auf seiner Flagge leset:Die Wahr­heit siegt!" * Der böhmische Landesschulrat hielt Diens­tag eine Festsitzung ab, in welcher eine Hul­digungskundgebung an den Präsidenten der Repu­blik beschlossen wurde. O l l Ä i! U li U l 5 i! U u i» U Der Wahrheit galt Dein gütig-schlichtes Wort, Und Deine Losung war Gerechtigkeit, Ein klares Licht im Dunst der trüben Zeit, Die an gefüllt von Heuchelei und Mord Ein Führer, der auch wirklich führt, Der die Vernunft, und nicht den Wahnsinn schürt. Du standst uns nah und kanntest unsre Not, Der Kampf der Masse, die um Freiheit ringt, Und die das Chaos der Gesellschaft zwingt, War Dir vertraut als sittliches Gebot, So ging im harten zukunftsfrohen Schritt Der Hunderttausend auch Dein Name mit! Ein reiches Leben, das noch nicht erfüllt, Das aus der Weisheit seine Kräfte zieht, Das Köpfe bildet nicht in Mystik flieht Ein Mensch, der denkt in einer Welt, die brüllt! Wir grüßen Dich! Ein ganzes Volk naht still, Weil es dem alten Manne danken will. Was Du gelehrt, das hast Du vor gelebt, Denn nichts an Deinem Werk war leerer Schein, Was Du versprachst, das löstest Du auch ein, Ein Leben, ganz aus einem Stück gewebt.*.. Du lärmst nicht, aber laut spricht Deine Tat Und reicher Segen blüht aus reiner Saat! ? i! ii U S i In einer Welt, in der der Geist geschändet Auf Scheiterhaufen zu den Wolken loht, In einer Welt, die tief versklavt, verroht, Den Narrenkappen wiehernd Beifall spendet, In der die Phrase letzte Weisheit ist, Sei es uns Tröstung, daß du unser bist. Du standest manchesmal im Kampf allein, Und bliebst Dir treu, denn Wahrheit war Dir Pflicht, Der Höhn der Gasse kümmerte Dich nicht, Du wolltest Bildner, nicht Verführer sein! Nichts als ein Mensch und drum ein ganzer Mann, So schrittst Du still den Weg zum Ziel hinan. S V. I! I u Ein Führer! Zum 85. Geburtstag T. G. Masaryks, Von Pierre