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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI raznuwbuild aniIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077.. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

15. Jahrgang

Freitag, 8. März 1935

Der Festakt in Lána

Vertreter der Regierung und der beiden Häuser beim Präsidenten

Lana. Der Präsident der Republik feierte den 85. Geburtstag auf Schloß Lana. Das offizielle Programm war sehr kurz.

Um 11 Uhr vormittags stellten sich beim Präsidenten der Vorsitzende des Abgeordenten­hauses Dr. Staněk, der Vorsitzende des Senates Dr. Soukup und der Vorsitzende der Regierung Jan Malypetr   ein, die dem Präsidenten die Glückwünsche der Nationalver­sammlung und der tschechoslowakischen Regierung überbrachten.

Die Kundgebung der Regierung

lautet:

Herr Präsident!

Die Regierung der Republik   beschloß in ihrer gestrigen außerordentlichen Festsitzung, Ihnen ihre ergebenen und aufrichtigen Glückwünsche zu Ihrem

85. Geburtstag zum Ausdruck zu bringen.

Wir gedenten Ihrer aufopfernden Arbeit, die Sie auf wissenschaftlichem und politischem Gebiete für unser Volk geleistet haben. Es wurde auf Ihrer Weltanschauung begründet, daß schließlich immer die Wahrheit siegt.

seines Vaterlandes für die Freiheit und Selbstän digkeit deshalb aufnimmt, weil es ein historisches und natürliches Recht darauf besitzt.

abr Glaube in dieſes gute Recht, Ihr Mut und Ihr Vertrauen in den Erfolg selbst in den Beiten der schwersten Kriegsereignisse war eine Stärkung für unser Volt daheim und verlieh ihm Ausdauer in der Selbstverleugnung und Geduld bei ruhiger Arbeit für die endgültige Entscheidung. Wir verfolgten alle auf verschiedenen Wegen ein einziges Biel   im Glauben auf die Freiheit unter den Völ­fern und innerhalb der Völker. Wir haben ber­traut und vertrauen, daß Freiheit und Gerechtigkeit am besten gesichert sind in der Demokratie, aller­Diese Ihre feste und kompromißlose Ueberzeu- bings in einer gefunden Demokratie, die sich der gung gab Ihnen Kraft für die Kämpfe um ein rich Demagogie und Anarchie zu erwehren versteht und tiges Verstehen und Bewerten unserer politischen die Freiheit eines jeden insoweit schützt, als sie nicht Berhältnisse vor dem Kriege und nach Ausbruch des die gemeinsamen Interessen des Ganzen bedroht. Weltkrieges hat in Ihnen die Entschließung zu Taten geweckt, für die fester Entschluß, persönliche Tüch­tigkeit und das unentivegte Vertrauen notvendig waren, daß nicht bloß die Wahrheit, sondern auch die Gerechtigkeit selbst im blutigen Kampfe auf Leben und Tod siegen wird. Sie sind von der Anstren gung nicht zurückgeschreckt, noch auch vor der Ge­

fahr und auch nicht vor der schiveren Verantwor­hmg, als Sie die Armee des zufünftigen freien

Wir leben in einer innerpolitisch und inter national und innerstaatlich ernten Zeit, ebenso wie alle anderen Staaten. Wir haben bisher alle Schwierigkeiten überwunden, und wir sind über zeugt, daß wir sie auch in Zukunft überwinden werden und daß wir eine ruhige Entwicklung der Republik   sowohl im Innern als auch nach außen

sichern werden.

Die gesamte Bevölkerung der Republik  , die ges

Staates schufen und als Sie Ihre Beziehungen zu febgebenden Körperschaften und die Regierung wün hervorragenden Persönlichkeiten fait der ganzen fchen innig, daß Sie, Herr Präsident, noch lange zibilisierten Welt, Beziehungen, die auf Ihrer rei- Jahre gefund an der Spitze der Republik   verblei­den wissenschaftlichen Tätigkeit begründet waren, ben und durch Ihre reiche Lebenserfahrung und dazu ausnüßen konnten, zu überzeugen, daß unser rechtschaffene Weisheit unsere Arbeit für das Wohl Bolf den blutigen Kampf außerhalb der Grenzen des Volfes und Staates leiten." Die Antwort des Präsidenten:

Die Demokratie

die einzige Regierungsform, die uns entspricht " Ich danke Ihnen, meine Herren Präsiden-| Ich wünsche Ihnen Glück für Jhr. Aufgaben. ten und Ihnen Herr Versizender der Regierung Ich bitte, verlassen Sie sich auf meine Mitarbeit!" für den lieben Glückwunsch. Diesen Kundgebungen wohnten Kanzler Dr. Sámal und der Vorstand der politischen Abteilung der Kanzlei des Präsidenten Dr. Schießl bei.

Ich bin bemüht und werde bemüht sein, Ihren Wunsch soweit es in meinen Sträften steht, zu erfüllen.

Es freut mich insbesondere, daß Sie zu mir nach einer besonderen Entschließung unsere gesez­

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( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 57

Glanz und Elend

eines Ständestaales

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Der österreichische Fasching, soweit er äußers lich an die Riten der Kirche gebunden ist, hat mit staltet, die größtenteils zum Majaryf- Denkmal dem Aschermittwoch sein Ende gefunden. Die führten, wo der Ortsbürgermeister, sein Vertreter. großen Bälle- Opernball, Ball der Stadt Wien  , ein Repräsentant des Stulturkollegiums des be- Ball. des Heimatschutzes sind verraucht, der treffenden Ortes oder der veranstaltenden Ver- Sett, der nach Berichten der gleichgeschalteten eine Ansprachen hielten. In zahlreichen Städten Presse wirklich in Strömen geflossen" ist, und eine Ansprachen hielten. In zahlreichen Städten der lustige Karnevalgeist sind verströmt man wens und Gemeinden wurden der Marktplaz oder Stra= det sich wieder dem Alltag zu, wie er für Defter­ßen nach Masaryk   benannt und es wurden zahlreich statuiert ist: mit Rindfleisch und Mehlspeis reiche Fonds gegründet, die den Namen des Prä- für den kleinen Bürger, mit Hunger und wieder fidenten der Tschechoslowakischen Republik tragen. Hunger für den Proleten, mit Standgericht und Es gab auch nicht die kleinste und entlegenſte Senter. Aber die größere heb geht trotz der Dorfgemeinde, die am Donnerstag nicht mit Liebe Bußzeit und Fasten weiter. Ja, fie erreicht erst " ind Dankbarkeit ihres ersten Präsidenten gedacht dieser Tage mit dem Rintelen Prozeß hätte. Zum Schloß in Lana erhob sich der einzige ihren Höhepunkt. innige Wunsch aller Bürger der Tschechoslowaki­chen Republik: Bleiben Sie uns noch lange ge­und und bewahrt, unser teurer Herr Präsident!" Der 7. März in Prag  

nonenschüsse abgefeuert.

durch schlechtes Gedächtnis und beharrliches König Anton", der jetzt vor dem Gericht Schweigen dem Regime Schuschnigg- Fey einen Liebesdienst zu leisten hat, für den er sicher mehr als den himmlischen Lohn im Jenseits beansprucht In dem verschneiten Prag   wehen von fast allen und auch kassieren wird, ist selbst einer der Väter Häusern Fahnen, oft umgeben von einer Menge des österreichischen Ständestaates. Dr. Funder, Kleinerer Fahnen. Die Wagen der elektrischen Stra- der den Putschkanzler vom 25. Juli arretiert hat kenbahnen und die städtischen Autobusse sind mit( in Begleitung des Inseraten agenten Fähnchen geschmückt. Um 8 Uhr morgens ertönten der Reichspost", eines ehemaligen unga­in Prag   21 in Fünf- Sekunden- Intervallen vom rischen Rotarmisten, der nach Funders Artillerie- Regiments. 151 auf dem Laurenzibera ge- Beugnis jetzt in so hoher gesellschaftlicher Stel­leste Kanonenschüsse. Auch in den übrigen Sißen lung" ist, daß er würdig war, dat ei zu sein, als der Landesmilitärkommandos wurden je 21 Ka Funder den König Anton durch List und leber­redung in die Haft überführte), der mit dem des Altstädter Rathauses die Pentralvertretung der Christlichsozialen sagte selbst, er habe an Rintelen 11m 10 1hr vormittags trat im Sibungsfaale päpstlichen Segen geehrte fübrende Publizist dec Hauptstadt Brag zu einer Festsibung zusammen, der auch die Mitglieder der Ortsräte von Groß- Prag so geschäßt, daß er die Kommunisten( soll heißen: beiwohnten. Die Feitsibung eröffnete Primator Dr. Sozialdemokraten) so energisch bekämpft habe. Bara mit einer Ansprache, in der er ausführte, Ein wichtiges Detail in diesem Kampfe, der nach daß Prag   und seine Burg heute wiederum der Mit einigen Umwegen in die Feberkämpfe von 1934 Republik  , sondern auch der ganzen Welt sind. So schen Geldes in der Werkstätte von Wetzels telpunkt freudiger Aufmerksamkeit, nicht bloß der mündete, war die Fälschung tschechoslowaki­dann ergriff der Festredner, Profeffor 3ipet, der dorf. Wie zum Unterschied von Funder Kulturreferent der Hauptstadt Prag  , das Wort. Dollfuß   seinen Freund und Vorkämpfer Anton einschätzte, geht aus dem vor Gericht zitierten Ausspruch hervor, für Rintelen gebe es in Oester­ reich   nur einen Ort, an den er gehöre, das Kon­zentrationslager in Wöllersdorf  .

Primator Dr. Bara teilte fodann mit, welche Stiftungen und Widmungen die Städtische Versiche rungsgesellschaft und die Elektrischen Betriebe der Hauptstadt Prag   zur Ehrung des Geburtstages des Präsidenten gemacht haben und schloß mit Verlefun einer Kundaebung, die an den Präsidenten gesendet werden wird.

Festsitzung der böhmischen Landesvertretung

Die Fiqur Rintelens, die durch den Prozeß vorübergehend in den Vordergrund tritt, ist aber nur eine der Führergestalten des christlichen Ständestaates und feine Ausnahme. Es gibt Dubende ähnlicher Führer in Oesterreich  . Die schmutzige Flut des Fascismus hat sie nach oben Um 11 Uhr vormittags traten die Mitalie- getragen, nun sonnen sie sich im Glanz ihrer Finanzminister Dr. Trap! übergab fo- der Landesvertretung zu einer Festsibung zusam telen nur dazu bestimmt ist, über einen anderen Macht. Man vergesse nicht, daß der Prozeß Rin­dann dem Präsidenten eine goldene Medaille, die men. Londespräsident Dr. Sobotka mürdist noch ausständigen Prozeß einen weiteren Schleier gebenden Körperschaften und die Regierung ents tas Finanzministerium auf Grund eines Be in einer Ansprache die unsterblichen Verdienfte des zu breiten, den Prozeß ey! Man unters senden. Ich bin wie immer auch heute Ichlusses der Regierung in der Kremnißer Münze Präsidenten und sprach den aufrichtigen Munich schäße, wenn man des Königs Anton ansichtig überzeugt, daß die Demokratie zum heurigen Jubiläum des Präsidenten prägen aus, daß unserem Staate noch lange als Führer wird, nicht seinen erfolgreicheren Konkurrenten und Berater Präsident Maiarnt erhalten bleibe. den Fürsten  " Rüdiger von Starhemberg  ! die einzige Regierungsformist, die ließ. Im Namen des Prager   diplomatischen Korps der ein Stolz und das Glück des Volfes ist. Die Auf den Bildern von den Repräsentationsbällen ung entspricht, sowohl a Is Volt, als auch a Is Staa, ſowie auch unserer geogra- fand sich auf Schloß Lana der Doyen, der deut- Ansprache des Landespräsidenten wurde mit stür- des Führerpacks sieht man immer wieder Herrn phisischen Situation. Ihr wisset selber, daß unsere sche Gesandte Dr. Koch, ein. Die Vertreter der mischen Beifall aufgenommen. Straffella, dem seinerzeit ein Gericht be= Demokratie nicht ohne Fehler ist und daß wir in tschechoslowakischen Armee, der Minister für Na­Sodann hielt namens der Mitglieder der scheinigen mußte, daß er un sauber gehandelt vielen Richtungen sie vertiefen und verbessern tionalberteidigung Bra da č, die Generale- Landesvertretung Landesbeifiber Dr. Kubista habe. Und der verewigte DoII fuß. deffen Stopf müssen, und bei gutem Willen unser aller wird rovy, Krejči und Faucher waren die lez- die Festrede. der Ständestaat entsprungen ist, dankte seinen das gehen. Unsere Außenpolitik ist friedliebend ten Gratulanten des Vormittags. und konstruktiv, unsere Innenpolitit Am Nachmittag trafen noch Vertreter des muß demokratish im besten Tschechoslowakischen Nationalrates und der Sinne des Wortes sein.

gionärgemeinde ein.

Tausende Feiern

die eine einzige waren

2e

Die Feiern des 85. Geburtstages des Prä-| Bezirksvertretungen statt, die den Präsidenten zu fidenten fanden ihren Höhepunkt am Donnerstag ihrem Ehrenbürger wählten. An den Feiern, die

Namens des Landesausschusses stellte er so- Aufstieg zum Bundeskanzler der Tatsache, daß er dann den Antrag, daß zur Ehrung des Andenkens seinerzeit der einzige Kandidat auf den Poſten des 85. Geburtstages des ersten Präsidenten der eines Präsidenten der Bundesbahnen gewesen ist. Republik   zivei Landesstiftungen zu je einer Mil- der bereit war, den unsauberen Straffella zum lion errichtet werden, die den Namen des Direktor zu ernennen. Die Köpfe, dener man auf Präsidenten tragen sollen. Die Stiftungen sind den G'schnasfesten des neuen Regimes begegnet, zur Unterstübung der Heilung luvöfer Krankheiten könnten allesamt die Anklagebank des Landes­und zur Unterstützung der Heilung von Krebs- gerichts zieren. Es ist da keiner, der auch nur frankheiten bestimmt. Ferner beantragte Dr. einem winzigen Bruchteil der Bevölkerung als Kubista, daß das Land Gedenkmedaillen an- Charakter und als schöpferischer Geist imponieren, foufe, mit denen fleißine Schüler in den Landes- der nicht mit der Verachtung der anständigen schulen beteilt werden sollen. unter seinen Untertanen beladen wäre. Nach dem Antrag des Genossen Doktor Dabei birgt sich hinter der glänzenden

Elend.

in allen Städten der Republik   und im befren unter Beteiligung der staatlichen und autonomen Strauß wurden die Anträge Dr. Subistasie Zahl der Arbeitslofen ist im ganzen auch die Gemeinden und Dörfer legten ein Fest- Bevölkerung ohne Unterschied der politischen und ohne Debatte angenommen und die Sibung ge Lande, insbesondere aber in Wien   gestiegen. In

schlossen.

deten Ausland. Nicht bloß die Städte, sondern Behörden veranstaltet wurden, nahm die gesamte Wien   gibt es um rund 24 Prozent mehr ausge= gewand an und sowohl von den staatlichen als religiösen Zugehörigkeit und die Armee mit ihren steuerte Arbeitslose als vor einem Jahr, da mit auch von den privaten Gebäuden wehen Fahnen. Deputationen teil. Es wurden Festakademien ver­Die Prager   Garnison   feierte um 11 Uhr der Niederwerfung des roten Wien   die neue Herr­Die Fenster sind mit kleinen Fähnchen, Photo- anstaltet. In allen Militärgarnisonen, außer in graphien und Losungsworten des Präsidenten ge- Prag  , fanden Defilierungen der Militärforma- vormittags im großen Saal des Lucerna Palais lichkeit begann. Kein Wunder! Hat doch die rote famüdt. Bon fleineren Gemeinden, in denen fionen statt, bei denen ein Armeebefehl verlesen in einer Festakademie, die Brigadegeneral Homola Kommune Tausenden Arbeit gegeben, an der es feine Feiern stattfanden, besuchte die Bevölkerung wurde und der Garnisonskommandant eine Rede mit der Verlesung eines Armeebefehls des Mini- jetzt fehlt. An die Stelle der bescheiden lebenden. in ganzen Zügen die Feiern in den Bezirksstädten, über die Bedeutung des Tages hielt. Die Städte ſters für Nationalverteidigung eröffnete. Der fachlich arbeitenden und um das Volkswohl be um des Präsidenten zu gedenken. In zahlrei- waren abends festlich illuminiert und in zahlrei- Festakademie wohnte u. a. auch der Militärattaché sorgten sozialdemokratischen Stadtväte: find die Heimwehrproben getreten, die zwar die Mieten in chen Städten fanden Festsizungen der Stadt- und den Gemeinden wurden Lampionumzüge beran- ter Sowjetunion   bei.