IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii.,fochova«2. Telefon S3C77. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG . Einzelpreis 70 Heller (einschließlich 5 Hell« Porto) H- 15. Jahrgang Sonntag, 10. März 1935 Nr. 59 Frauentag 1935 So arbeitet eine rote Gemeinde! Der Triumph des roten Lausanne Wie sozialistische Gemeinden zu wirtschaften pflegen, beweist sehr instruktiv eine Bilanz, die kürzlich„das rote Lausanne " in der Schweiz gezogen hat. Die Sozialisten, die Anfang 1934 die Stadtverwaltung übernahmen, fanden im Voranschlag des bürgerlichen Gemeinderats ein D e f i z i t v o n 2.7 Millionen Schweizer Franken vor. Die Sozialisten arbeiteten so vorbUd- lich, datz sie im Verlauf des Jahres bei Erhöhung der Sozialausgaben das Defizit des Voranschlags auf 18 2.0 0 0 Franken herunterdrücke« konnten. Dabei hat die Stadt Lausanne für die Unterstützung der Arbeitslosen und für Projekte der Arbeitsbeschaffung 1,350.000 Franken ausgegeben, während das bürgerliche Regime bei noch stärkerer Arbeitslosigkeit für soziale Dinge noch nicht einmal die Hälfte dieser Summe, nämlich nur 637.000 Franken, übrig hatte. Diese Zahlen sprechen so deutlich, dast man sie nicht zu kommentieren braucht. Ribbentrop bleibt daheim? Paris . Die Berliner »nd Londoner Berichterstatter melden übereinstimmend, daß von Ribbentrop vorläufig seine Londoner Reise auf- gegeben habe. „Excelsior" sagt, daß die deutsche Regierung in Verlegenheit sei, wie sie die Anfrage der eng lischen Regierung betreffs der vertagten Einladung Sir John Simons beantworten solle, während ,hgs britische Außenamt phlegmatisch die„Gesundung des Kanzlers Hitler " und die Festsetzung des Berliner Datums für die Reise Sir John Simons abwarte. Das Blatt meint, es bleibe den Leitern der deutschen Politik nichts übrig, als sich davor zu beugen, daß das englische Unterhaus auf Grund des englischen Weißbuches die verlangte Erhöhung der Militärkredite bewilligen wird. Bulgarien gibt klein bei Demarche In Genf zurückgezogen Genf . Der bulgarische Delegierte beim Völkerbund Antonow erklärte nach der letzten Unterredung, die die türkischen«nd bulgarischen tzeüreter gehabt hatten, Pressevertretern gegenüber: Die bulgarische Demarche, die am 7. März Unternommen worden ist, wird keinerlei folgen zeitigen. Beide Länder— Bulgarien: und die Türkei — kamen darin überein, daß diese Demarche stillschweigend als in der Tat nicht borgenommen angesehen werden solle. Bukarest . In Anbetracht des bulgarischen Standpunktes erinnerte die rumänische Presse daran, daß die^Balkan-Entente (der beizutreten Bulgarien sich bekanntlich immer Aweigert hat) einzu schreiten veralt n d e, wenn sich die Notwendigkeit hiezu er-" habe. Das Blatt„Universul" schreibt:„Es ist Notwendig, daß die ganze Welt wisse, daß der Athener Pakt.sofort und auto- Utatisch in Geltung tritt, wenn sich bas erste Anzeichen irgendeines provokativen Ver- M.—i.s zeigen würde." Venlzelos nicht verwundet Die Nachricht, daß Benizelos verwundet tvyrden sei und auf dem Seewege nach Alexan dria gebracht wurde, hat sich n i cht bestätigt. In 14 lagen Wird Hitler Wieder„gesund" sein? Berlin . Der deutsche Außenminister von Neurath hat den britischen Botschafter empfangen und ihn dahingehend informiert, daß Reichs- kanzler Hitler etwa 14 Tage in Bayern zur Erholung weilen werden Man hoffe, daß sich der Besuch' Simons vorEndeMärz werde verwirklichen lasten. Hitler verließ Freitag abends Berlin und begab sich im Sonderzug nach Bayreuth zum Begräbnis des verunglückten Gauleiters S ch e m m. Mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand nahm Hitler nur an der Totenfeier im geschlossenen Raum teil. Die Gedenkrede, die Hitler angeblich nicht selbst halten konnte, wurde von seinen! Stellvertreter Heß übernommen. ein unsauberer Diktator Madrid . Der Innenminister während der Diktatur Primo de Riveras, General Martinez, wird wegen betrügerischer Machinationen vor Gericht gestellt werden. Paris . Die Nachrichten über die Lage in Griechenland widersprechen einander, je nachdem, aus welcher Quelle sic stammen. Nachrichten von Regierungsseite zufolge haben sich die militärischen Operationen verlangsamt. Die Zeit arbeite jedoch gegen die Aufständischen, deren Borräte in der nächsten Woche zu Ende gehen sollen. Die amtlichen Berichte dementieren die Gerüchte über das Bombardement von Athen und Saloniki , über die Demission Tsaldaris u. ä. Die Aufständischen dementieren die Meldung über die Verwundung Benizelos. Nach einer Meldung des Havas-Sonder-Be- richterstatters haben Artillerie- und Fliegerabteilungen der Regierungstruppen mit der Beschießung der Positionen der Aufständischen in Maze donien begonnen. Der Belgrader Korrespondent des Havas- büros verzeichnet die im der jugoslawischen Presse veröffentlichten Meldungen, denen zufolge die Aufständischen in Mazedonien bereits 27.000 Freiwillige zu konzentrieren vermochte««nd eine Offensive auf Saloniki vorbereiten, um die Verbindung dieser Stadt mit Athen zu unterbrechen. Der Aufständischen-General Ka- mens habe die allgemeine Mobilisierung angeordnet. * Der. Friedensstand deS griechischen Heeres beträgt insgesamt 78.300 Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaftspersonen. Die Luftstreitkräfte verfügen insgesamt über etwa 20 Flugzeuge. Die Fliegerregimenter liegen in Athen , Larisa und und Saloniki , hinzu kommen noch, zwei Regimenter der Marineluftfahrt in Athen und Volos . Die griechi sche Regierung hat eine größere Anzahl von Flugzeugen in Frankreich bestellt, die mit Beschleunigung geliefert werden sollen. Cadorna Nr. 2 Der am Freitag abends ausgegebene amtliche Bericht, der vom Kriegsminister Kon-, dylis gezeichnet ist, lautete nicht gerade sehr günstig. Demnach dauere das g r o ß e U n- Die Frauen und Mädchen der sozialdemokratischen Arbeiterschaft finden sich heute in großen Bezirksversammlungen zusammen, um den sozialdemokratischen Frauentag mitzuerleben. Aus den verschneiten Hütten der Gebirgsdörfer, aus den niedrigen Stuben der Landarbeiter, aus den engen Wohnungen der Industriezentren kommen sie. Ihre Kleidung und ihr Schuhwerk ist dürftig, ihre Wangen sind schmal und blaß und an den Kindern, die sie mit sich führen, zeigt sich sichtbarer als in jeder Statistik, daß die Hämmer der Eisenwerke ruhen, daß die hurtigen Spindeln an den Spinn- und Webmaschinen der Textilfabriken ihren eiligen Lauf verlernt haben, daß die Schlote der Keramfabriken nicht mehr durch ihre Feuerfahne den emsigen Betrieb an den Werkbänken anzeigen. Und trotzdem, oder gerade deshalb, weil sie wirtschaftlich in arger Bedrängnis sind, kommen die Arbeiterinnen, um der Oeffentlichkeit erneut ihre Forderungen darzutnn. Die sozialdemokratischen Frauen wissen, daß das Recht, sich frei versammeln zu dürfen, das Wetter immer noch an; ein Dauerregen habe eingesetzt, so daß die Ebene von Serres zum größten Teil unter Wasser stehe. Die Armee befinde sich in glänzender Verfassung; gleichzeitig wird aber hinzugefügt, daß Maßnahmen getroffen wurden,„um ihr eine Atempause und Ruhe zu sichern". Die Infanterie bemühe sich, trotz der Ungunst der Witterung die Ueberschreitung des überschwemmten Gebietes zu ermöglichen. Fliegerangriffe Am Freitag belegten 15 Regierungsflugzeuze die Kasernen und den Bahnhof von Serres mit Bomben. Samstag früh um halb 9 Uhr griff ein Geschwader von aus Saloniki kommenden Flugzeugen die Stadt D e m i r h i s s a r an, die sich in den. Händen der Aufständischen befindet, und belegte sie mit zahlreichen Bomben. Trotz heftiger Beschießung durch die aufständische Artillerie konnte diese den Rückzug unbeschadet antreten. Es soll in der Hauptsache jedoch nur Sachschaden angerichtet worden sein. Kohlenmangel der Rebellenflotte Allem Anschein nach leiden die Schiffe der Aufrührer empfindlich unter Kohlenmangel. Ein Athener Blatt meldet, der Rebellenkreuzer„A w e r o w" habe das türkische Frachtschiff„Kouia" mtt einer Kohlenladung für Mythilene beschlagnahmt. Die Großmächte als Vermittler? Meldungen aus London zufolge sollen di; britischen politischen Kreise davon überzeugt sein, daß die britische Regierung irgendeine Vermittlung der Mächte zwischen der griechischen Megierung und den Venizelisten willkommen heißen würde, wenn sich die Möglichkeit einer solchen Vermittlung ergeben Würde:-■ Werk der sozialdemokratischen Partei ist. Gerade am Frauentage wird ihnen bewußt, wie groß der Unterschied zwischen einem fascistisch regierten Staate ist, der seinen Bürgern jede politische Freiheit unmöglich macht, und einem demokrattsch verwalteten Lande, wie der Tschechoslowakei , wo es selbstverständliches Recht einer wahrhaft demokratischen Partei ist, ihre Anhänger zu Kundgebungen zusammenzurufen. Im nahen Nachbarstaate werden die überzeugten Sozialistinnen Wohl nur im stillen Kämmerlein ihres Herzens den Frauentag feiern, denn der häßlichste Auswuchs der Diktatur, das Spitzelwesen, verbietet ihnen, auch nur den leisesten Hauch ihrer Gesinnung erkennen zu lassen. In den Arbeiterbezirken Wiens und in den Industriestädten^ und den Dörfern des übrigen Oesterreich werden sich die Frauen verstohlen dis Hände drücken und die kühnsten von ihnen werden in Blihdemonsttationen oder durch irgend einen anderen klugen Einfall ihre Verbundenheit mit den proletarischen Frauen der ganzen Welt zum Ausdruck bringen. Wo einst Massendemonstrationen von der Kampfbegeisterung des weiblichen Proletariats Zeugnis ablegten, offenbart sich uns heute handgreifliches Beispiel von Unterdrückung. Gerade dies aber läßt die Arbeiterinnen unseres Staates aufmerksam werden. Plötzlich wird uns zu innerst bewußt, daß Demokratie und Freiheit für die arbeitenden Frauen keine Phrase, kein leerer Begriff sind, sondern unbedingte Lebensnotwendigkeit l Freiheit! Das ist fundamentalstes Recht der Arbeitenden, die Macht ihrer Zahl zur Geltung zu bringen. Was ist die Freihett des Koali- tkonsrechtes anderes als die Voraussetzung im Kampfe um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen. Und wer wollte leugnen, daß die Hebung des Lebensstandards just der Frau und Mutter der proletarischen Familie erst die Möglichkeit, auch an ihre eigene Person zu denken, schafft. Sinnfällig gibt die gegenwärtige wirtschaftliche Notlage den Beweis, daß die Verelendung derFrau allem vorangeht, weil sie in ihrer mütterlnhen Liebe sich mit dem Dürftigsten bescheidet, um bis zum Aeußer- sten die Not von der Familie, vor allem von den Kindern abzuhalten. Darum ist die Arbeiterftau, das arbeitende Mädchen, so stark interessiert an der Demokratie, weil sie der Arbeiterklasse erst die Möglichkeit bietet ihre wirtschafllichen Kämpfe zu führen. Nur dadurch, daß die drückendsten wirtschaftlichen Sorgen von den Arbeitern genommen werden, erschließt sich ihnen der Weg zu den großen Schätzen der Kultur. Die Arbeiter wollen nicht Menschen zweiten Grades sein l Die Frauen der Arbeiterklasse wollen nicht als unmündige, minderwertige Menschen behandelt werden, sie wollen die wirtschaftliche Unabhängigkeit und dadurch die kulturelle Loslösung von den überlieferten» veralteten Anschauungen längstvergangener Jahrhunderte erreichen. Abertausende proletarische Frauen sind die- sen Weg gegangen und haben damit der Arbeiterklasse einen großen Dienst erwiesen. Denn mit ihrer geistigen Hebung Hand in Hand geht eine fortschrittliche Erziehung der Jugend. Eine klassenbewußte Mutter nimmt größten Anteil an den Kräften, die am Werke sind, ihre Kinder zu bilden. Freie, selbstbewußte Menschen wünscht sie sich entwickeln zu sehen, sie nimmt Einfluß auf die Schule in Elternräten und Erziehungsorganisa- tionen und trachtet vor allem, sozialistische Erziehung in der Familie zu üben. So bereitet sie de« Nachwuchs der Arbeiterklasse. auf seine groß« Aufgabe vor. Die sozialdemokratischen Frauen und Mütter sehen mit Abscheu in jedem fascistisch regierten Lande die Machthaber sich zuerst auf die Erziehung der Kinder stürzen.'Sehen, daß Grundbedingung der fascisttschen Kindererziehung die Erziehung zur Gewalt, zum Morden ist und wissen, wie schweb es ist, in militärisch verseuchten Kinderseelen die Liebe zum Menschen, zur Völkerverständigung zu pflanzen. In der militaristischen Erziehung der Kinder erblicken die proletarischen Mütter am deutlichsten die Gefahr des Krieges, die von den fascisttschen Staaten ausgeht. Wie könnte es auch anders sein! Fascismus, das bedeutet Alleinherrschaft des Kapitalismus, bedeutet Jnteressenver- trctung der herrschenden Klaffe ohne Rücksicht aut Offensive angekündigt Artillerievorbereitung Im Gang— Alles weitere vom Wetter abhängig Athen . Die Offensive der Regierungstruppen hat Samstag eingesetzt. Die Regierungstruppen versuchen, die Aufrührer zu umzingeln, um ihnen im Norden des Landes den Fluchtweg nach Bulgarien abzuschneiden und ihnen im Süden den Zugang zu der Stadt Serres zu versperren. Wie die Korrespondenten der jugoflawischen Blätter aus Griechenland melden, ist es bereits zu den ersten Zusammen st äßen zwischen den Regicrungstruppen, die den Struma-Flui- überschritten haben, und den Aufständischen gekommen. Die Aufständischen sollen rund 50 Tote und Verletzte als Verluste aufweisen. Eine Erklärung des Ministerpräsidenten Tfaldarsis Journalisten gegenüber besagt allerdings daß nach der am Struma-Fluß eröffneten Artillerievorbereitung der Generalangriff„w a h r- scheinlich" Sonntag früh beginnen werde, wenn die Wetterbesserung anhalte und die Aufständischen nicht einsehcn sollten, daß ein weiterer Widerstand vollkommen vergeblich sei.
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15 (10.3.1935) 59
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