Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
15. Jahrgang
Mittwoch, 13. März 1935
Einzelpreis 70 Heller
( einschließlich 5 Heller Porto
Nr. 61.
So arbeiten Sozialisten! Spina gegen die Kapitulation B.d. L.- wohin?
Eine
der Schwedenregierung
=
von Tuschkau
Wir haben vor wenigen Tagen auf den triumphalen Sieg des roten Lausanne hingewiesen, das das riesige Defizit der früheren bürger- In der„, Deutschen Landpost" meldet sich bildung des bäuerlichen Ele lichen Stadtverwaltung fast ganz ausgeglichen und Minister Dr. Spina zu den Beschlüssen der ments seit Jahr und Tag nicht dabei die Sozialausgaben mehr als verdoppelt hat. sonntägigen Tuschkauer Kreistagung des Bundes erwarten können. Wir sagen es gerade Jetzt legt die schwedische Arbeiter der Landwirte für eine enge Zusammenarbeit mit heraus: Wir werden es unter keinen Umständen regierung ein sozial überaus verdienstvolles der SHF unter dem Titel ,, Soll der sudeten dulden, daß, von welcher Seite immer, ein politiGesetz vor, das die Frage der Volkspendeutsche Bauer wieder Untermieter werden?" zu sches Bauernwerk von Jahrzehnten angetastet oder sionen neu regelt. Das Gesetz sieht eine Wort. Nach einem Hinweis auf die politische ins Wanken gebracht wird. Wir wollen niemandem bedeutende Erhöhung der bisher gel- Emanzipation des Bauernstandes, wodurch dem dem politischen Kredit versagen, solange er sich tenden Pensionsfätze vor, die sehr niedrig gehal- früheren unwürdigen Zustand ein Ende gesetzt nicht selbst um ihn bringt. Wir wollen als deutsche ten waren. Die Verbesserung der Pensionen geht wurde, sagt Dr. Spina, daß das Beispiel der Partei alles tun, um mitzuhelfen, daß die Gegenbis zu einer Summe von 300 schwedischen Kro- selbständigen politischen Organisierung der sätze in unserem Volke gemildert oder beseitigt nen( ca. 1825 Kč) und ist nach den verschiede Bauernschaft in den böhmischen Ländern auch auf werden, aber wir werden es nicht zulassen, daß nen Lebensverhältnissen, sowie nach den Preis- die Bauernschaft der übrigen Staaten sich beispiel dieser Prozeß wiederum, wie so oft in der Gefäßen in den einzelnen Orten gestaffelt. Die gebend auswirkte. So wurde unsere Republik nicht schichte, auf dem Rücken und auf der Haut des Kosten für die Durchführung des Gesetzes bezif- nur zu einer Insel der Demokratie, sondern, was politisch- mündigen Bauerntums ausgetragen fern sich auf rund 90 Millionen Schwefür die Bauern ebenso wesentlich sei, eine Demo- wird. Der deutsche Landstand weiß den Wert seidenkronen, und sollen durch Monopolein- fratic, in der das politische Gewicht des Bauern- ner selbständigen politischen Partei zu schäzen! fünfte, Steuererhöhungen und Beitragseingänge tums entscheidend in die Waagschale fällt. Alle Wir bleiben dabei und die Geschichte des Bangedeckt werden. Der Gefeßentwurf hat bei den tief sogenannten„ V o I t s parteien", die sich ferotte der sogenannten städtischen nationalen im Elend steckenden Pensionisten hellen In= in der Bauernschaft hier und dort einzunisten ver- Parteien bei uns hat es zur Genüge bewiesen, bel ausgelöst und zit spontanen standen, haben bei der Vertretung der bäuerlichen daß ein selbständiges politisches Kundgebungen für die sozialistische Forderungen kläglich versagt. Umso Vau erutum die einzige Gewähr für die Volksregierung geführt. Wahrung seiner schwer errungenen Lebens- und Standesrechte und darüber hinaus auch für die allgemeinen nationalen Nechte darstellt.
Der Kommunist Štětka verhaftet
In den Couloirs des Abgeordnetenhauses er
bedauerlich er sei es darum, wenn ein Teil der Bauernschaft in den Chor jener einzustimmen scheint, die eine politische Rück
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lich der Kommunist Štět ta auftauchte, gegen den seit dem Vorjahr ein Steckbrief läuft, ohne Paris.( Tsch. P.-B.) Die Dienstag= daß es der Polizei bisher gelungen wäre, seiner Sigung des Ministerrates unter dem Vorsitze des habhaft zu werden. Staatspräsidenten Lebrun hatte eine außerordent Bekanntlich hatten die Kommunisten vor Ferliche Bedeutung, da in derselben, wie wir be letzten Wiederwahl Masaryks im Mai des Vorjahres reits kurz gemeldet haben über den Antrag ein Flugblatt, enin, nicht Masaryk " auf Verlängerung der Militärdienstzeit von 12 herausgegeben, das neben Schmähungen des Staats- auf 24 Monate verhandelt wurde. Die Sigung oberhauptes auch Dinge enthielt, in denen der hatte einen sehr bewegten Verlauf und zeitigte Staatsanwalt Hochverrat erblickte. Ein solcher Flug- noch kein definitives Ergebnis. Die Minister einigzettel wurde bei einer Haussuchung im kommunisti- ten sich zwar grundsätzlich über die Notwendig schen Klub gefunden, worauf Štětka und noch drei keit der Verlängerung der Militärdienstzeit, keiseiner Kollegen zur gerichtlichen Verfolgung ausgeneswegs aber über die Einzelheiten ihrer Durchliefert wurden. Von diesen wurde bisher nur Krožnař er ist überdies bereits auf freiem führung. Es wurde beschlossen, daß MinisterpräFuß verhaftet, während, die anderen drei sich vor sident Flandin am Freitag der Kammer in dieser der Polizei verborgen hielten. Sache berichten wird, bis zu welcher Zeit es, wie Štětka, der sich bei diesem„ ,, illegalen" Leben man annimmt, zu einer Vereinheitlichung der Ananscheinend sehr wohl gefühlt hat er sieht zu fichten der einzelnen Regierungsmitglieder und mindest brillant aus- meldete sich bei der Ver- auch der Parlamentsklubs kommen wird. handlung der Steuerfreiheit von Masaryk - Stiftungen sofort zu Wort. Seine Klubkollegen waren aus diesem Anlaß in ungewöhnlicher Stärke erschienen, was darauf schließen läßt, daß alles längst vorbereitet ivar. Štětka sprach natürlich nicht zur Sache, sondern hielt eine große Rede, in der er u. a. die NPC als den besten Vorkämpfer gegen den Fascismus hinstellte und seine Klubkollegen zu demonstrativem Beifall ,, hinrig", als er Stalin erwähnte. Dann befaßte er sich mit jeiner eigenen causa und behauptete u. a., daß in jeinem Slub überhaupt kein Flugzettel gefunden worden sei.
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Der Vorsitzende Staněk rief ihn dreimal zur Sache und entzog ihm schließlich das Wort. Štětka kümmerte sich darum nicht und sprach tubig weiter, obschon ein solches Verhalten mit Diätenentzug für einen Monat verbunden ist. Stanět schloß ihn daraufhin von der Sizung aus und unterbrach schließlich die Sizung, um die Ordner in Funktion treten zu lassen.
Im selben Moment beendete auch Štětka
seine Ausführungen und zog dann mit seinen Slubkollegen in geschlossenem Zuge unter Gesang durch die Couloirs in ihren Klub, wohin der Klubdiener gleich eine ganze Reihe von Bieren brachte, die anscheinend zu einer Art Abschiedsfeier Verwendung fanden.
In der Zwischenzeit hatte die Polizei alle Ausgänge des Hauses umstellt. Als Štětka das Haus verließ, wurde er verhaftet und im Auto in die Untersuchungshaft eingeliefert.
Das Plenum des Hauses erledigte in bei
den Lesungen die Vorlage über die MasarykWidmungen und zwei Zusatzprotokolle zu den Wirtschaftsabkommen mit Frankreich und Deutschland , wobei Dr. Has sold eine Neuregelung des Eretutionsschutes forderte.
Kriegsminister General M a urin ist der Verfasser des Entwurfes, der für die Zeit der sogenannten„ mageren Jahre" eine Verlängerung der Militärdienstzeit ab April dieses Jahres auf 18 und beginnend mit dem Herbst dieses Jahres bis Ende 1939 auf 24 Monate vorsicht.
Gemeinhin erscheint es als die selbstverständ liche Pflicht aller Mitglieder einer politischen Partei, deren Vorzüge herauszustreichen und für ihre Mehrung zu werben. Eine Ausnahme macht der Bund der Landwirte, von dem ein nicht unbeträchtlicher Mitgliederteil den Bestand dieser Partei für überflüssig hält und offen für ihre Auflösung zum Vorteile einer anderen Partei eintritt. Den schreiendsten Beweis für diese unglaubwürdige BeHauptung hat der westböhmische Kreisparteitag des Bundes der Landwirte in Tuschkau am Sonntag geliefert. Ein großer Sieg des B. d. 2. hätte bei der Mehrheit der Kreistagsteilnehmer schwerlich eine solche Begeisterung hervorgerufen, wie es der von dem Direttor Pfrogner gestellte Antrag tat. der auf die restlose Kapitulation des B. d. 2. vor der SHF hinausläuft. Begraben wir den B. d. L. so rasch als möglich, machen wir Schluß mit der bisherigen Leitung und ihrer Koalitionspolitik- das war Geist und Stimmung auf dieser Tagung.
Der B. d. L. zählte früher zu den festgefüg tit fand kaum jemals nennenswerten Widerspruch
testen und gut verankerten Parteien, ſeine Poliin seinen Reihen und die ihm angegliederten wirtschaftlichen Organisationen steigerten unter den deutschen Landwirten seine Anziehungskraft in nicht geringem Maße. Das ist so gewesenheute ringt der B. d. L. um sein nacktes Leben und in seinen Reihen herrscht eine Verwirrung, die kaum ein Vorbild hat. Es sei zugegeben, daß die endlose Wirtschaftskrise, die auch in der Landwirta schaft fühlbar ist, dem politischen Besitz des B. d. 2. Havanna.( Tich. V.-B.) Infolge der nicht zuträglich ist und daß auch die acht Jahre Koalitionspolitik in dieser Zeit des vom Hitleris weiteren Ausdehnung des gegen die Regierung mus und Henleinismus aufgepeitschten Nationa des Präsidenten Mendieta gerichteten Streits ist lismus nicht die Beliebtheit des B. d. L. bei der nahezu das gesamte Wirtschaftsle= jüngeren Generation gesteigert haben ben Kubas lahm gelegt. Die gesamte hängnisvollsten aber für das gegenwärtig im Arbeiterschaft der Tabakindustrie sowie die Zoll- Verschulden erwiesen. Wer mit dem HenB. d. 2. Herrschende Chaos hat sich das eigene beamten und die Angestellten in den großen Ge- lein- Fascismus sich einläßt, wer ihn protegiert und schäftshäusern haben sich dem Streik angeschlof- großzieht, der darf sich nicht wundern, wenn er sen. Arbeitsminister Rodriguez hat als Gegen- das Schicksal erleidet, dem noch überall die alten maßnahme die Auflösung aller am Streit betei- politischen Parteien zum Opfer gefallen sind, die anstatt sich gegen den Fascismus aus Leibesträf ten zur Wehre zu setzen, mit ihm packelten, weil sie sich dem Wahne hingaben, ihn für ihre Zwecke sich dienstbar machen zu können.
ligten Gewerkschaften angeordnet.
femmen.
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am ber=
,, Man findet überall Leichen" Miami ( Florida ). Carlos Hevia, der im Wie die anderen bürgerlichen Parteien, so Jahre 1934 drei Tage lang Präsident von Stuba hatte auch der B. d. 2. beim ersten Auftreten der war, ist von Havanna im Flugzeug hier ange- SH sich dem seligen Traum hingegeben, endlich Wie er erzählte, sei sein Leben in sei das Mittel erfunden, um dem„ Marxismus " Havanna in Gefahr gewesen. Er teilte ferner das Lebenslicht auszublasen. Um dieses dem Antimit, gegen 200 Menschen seien am Samstag in marristen- Koller berauschend schön erscheinende Kuba getötet worden. Es herrsche dort die größte Ziel zu erreichen, bemühte sich der B. d. L. seinen Er Rücken schüßend vor die neugegründete SHF zu Verwirrung. Man finde überall Leichen. versicherte, ieder Mendieta noch Batista hätten die stellen, das in tschechischen Kreisen gegen sie beBefehlsgewalt. Er wisse nicht, wer Befehle erteile. stehende Mißtrauen zu zerstreuen und sie nach Möglichkeit zu fördern. Natürlich rechnete der B. d. L. nicht damit, daß die von ihm kaum aufgepäpelte Henleinfront sich für die aufgewendete Liebesmühe dadurch erkenntlich zeigen werde, daß sie an den Protektor die höfliche aber bestimmte Aufforderung richten werde, der sagenhaften ,, Volksgemeinschaft" zuliebe schleunigst, und zwar noch vor den Wahlen Selbstmord zu begehen, sich aufzulösen und künftighin nur einem Willen, einem Kommando untertan zu sein, jenem Henleins.„ Volksgemeinschaft", das erschien dem B. d. L. als etwas ganz anderes, als die SHI in ihren Totalitätsansprüchen, auf die sie nicht im geringsten verzichtet hat, sich vorstellt, nämlich als eine Wahlgemeinschaft und sonst nichts. Nein, ließ die SHF durch Henlein den Landbündlern antworten:„ Ein Wahlbündnis fomint weder mit dem Bund der Landwirte noch mit einer anderen Partei in Frage", denn das Volf verlange klare Entscheidungen" und ver stehe solche Wahlmanöver" nicht mehr, denn Wahlkompromisse seien Mandatsversicherungen, die dem Volke eine scheinbare Einheit vortäuschen, eine„ Einheit", die sofort wieder zerfalle, wenn die Wahlen vorüber sind und zu solchen, unmora lischen Methoden" gebe sich die SHF nicht her. Zur Herstellung der„ Volksgemeinschaft" blieb nach der SHF, nur der Weg des Selbstmordes aller anderen Parteien. Der B. d. L. beantwortete diese Zumutung nicht mit dem schärfsten Kampf, auch nicht mit einem milden, immerhin bewies er noch so viel Lebenswillen und Selbsterhaltungstrieb, daß er die Einladung, Harikiri an sich zu vollziehen, ablehnte.
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In einem Interview mit dem englischen Journalisten Ward Price hat Göring erklärt, daß Deutschland nicht nur, wie er seinerzeit zugege ben hat, Versuchsmaschinen, sondern neben der Zivilluftflotte auch militärische Flugzeuge habe. Demnächst würden diese aus der Zivilflotte ausgeschieden und selbständig organisiert werden. Sie unterstehen nicht dem Reichswehrminister, sondern ihm, Göring , der am 1. April- ein sinniger Termin übrigens zum General der Flie= ger ernannt werden wird. Göring begründete die Verletzung des Friedensvertrages mit den üblichen Reden von der Bedrohung Deutschlands . Görings Mitteilung soll offenbar die Antwort auf das britische Weißbuch und eine Provokation sein. Man will versuchen, was sich das Ausland bieten läßt. Wahrscheinlich handelt es sich auch um ein Fortspinnen des letzten Konflikts zwischen der Reichswehrleitung und Göring , in dem Hitler für diesen optiert hat.
Die Erklärung Deutschlands , die der faktischen Zerreißung der Verträge gleichkommt, ist das konsequente Ergebnis der schwächlichen Politik, die Laval und der ausgesprochen deutschfreundlichen, die England in den letzten Monaten gemacht haben. Vielleicht erkennt Europa in letzter Stunde doch noch, wohin die Sicherung des Friedens im Bunde mit Mussolini und im Einvernehmen mit Hitler führt!