Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
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15. Jahrgang
Donnerstag, 14. März 1935
lb 9b
gegen die Schuldigen
Ing. Künzl und Pfrogner
der Landwirte haben wir die Frage ge stellt, ob der Bund der Landwirte die Kraft haben wird, den notwendigen Wie wir weiters aus gut informierter Quelle Reinigungsprozeß durchzuführen. Es erfahren, wird gegen die Hintermänner des Tuschscheint, daß wenigstens der Anfang dazu tauer Butsches energisch eingeschritten werden. gemacht wird. Sowohl Ing Kün 31, dessen Rolle wir bereits Wie parteioffiziell mitgeteilt wird, vor einigen Tagen beleuchteten, als auch der hat die Reichsparteileitung des B. d. L. am Mittwoch die Mehrheitsanträge des eigentliche Organisator des Putsches, der LagerKreistages in Tuschkau vom 10. März bausdirektor Pfrogner aus Mies, sollen aus dieses Jahres aus satzungsmäßigen der Partei ausgeschlossen werden. Ebenso soll das Gründen nicht zur Kenntnis genommen Ausschlußverfahren gegen den Landbündler und diese Anträge aufgehoben. Die Nitsch aus Müglik, der zu den schlimmsten Reichsparteileitung sieht keine Veran- SF- Zellen im Bund der Landwirte gehört, und laffung, eine andere Haltung zu bezie wahrscheinlich auch gegen den von uns ebenfalls hen als wie die Aufrechterhaltung der schon früher genannten Dr. Preibsch aus Selbständigkeit des Bundes der Land- Brünn eingeleitet werden. wirte. Auf die Vorschläge des Bundes der Landwirte vom 19. Feber dieses Jahres ist bis heute von der sudeten deutschen Heimatfront nicht geantwor tet worden. Für den 20. März ist die
Einer der Hauptagitatoren für das Aufgehen des Bundes der Landwirte in der SHF, Abgeordneter Dr. Hanreich, der nach seiner verunglüdten Extratour mit dent Sudetendeutschen Landbund" erst vor kurzem wieder in den Bund der Landwirte aufgenommen worden ist, hat Freitag, den 8. März, in Asch mit Konrad Henlein verhan de It. Hanreichs Absicht ist es, unter allen Umständen die füdmährischen Organisationen des Bundes der Landwirte in das Lager der SHF überzuführen, der Führer des bäuerlichen Flügels der Heimatfront zu werden und sich so auf alle Fälle ein Mandat zu sichern.
Reichsparteivertretung ein berufen direkte Verhandlungen mit Henlein
worden.
Die Beschlüsse von Tuschkau gipfelten bekanntlich darin, daß der B. d. 2. und die SH die Zusammenarbeit sofort zu beginnen haben, daß cine gemeinsame Kandidatenliste für die Wahlen aufgestellt wird und nach den Wahlen die Verschmelzung der beiden Parteien zu erfolgen hat. Außerdem wurden detaillierte organisatorische Bestimmungen über die gemeinsame Streisvertretung und den gemeinsamen Kreisvorstand festgesetzt. Alle diese Beschlüsse sind nun von der Reichsparteileitung als nicht zu Recht bestehend erklärt worden.
Hochverratsprozeß gegen sechs Genossen in Linz Linz
. Vor dem hiesigen Schwurgericht be
gann Mittwoch der Hochverratsprozeß gegen den ehemaligen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bartei und den ehemaligen Bürgermeister von Steyr Franz Sich trader und fünf weitere Funktionäre der sozialdemokra= tischen Partei und des oberösterreichischen Republikanischen Schutzbundes wegen ihrer Teilnahme an den Ereignissen vom 12. Feber 1934 in Linz und in Steyr statt. Der Prozeß wird etwa drei Tage dauern. Es werden 27 Zeugen einvernommen werden.
Macdonald geht endlich ab?
Paris . Die Sonderkorrespondenten der Parifer Blätter in London melden übereinstimmend, daß Macdonald auf ärztlichen Rat vom Amte
des Ministerpräsidenten nach dem im Mai statt
findenden Thronfeierlichkeiten zurücktreten werde. Sein Nachfolger im Amte des Ministerpräsiden ten werde der Lordpräsident des Geheimen Rates Baldwin werden. Macdonald werde über= haupt politischen a u z dem
Leben ausscheiden und beabsichtigt nicht, Mitglied des Oberhauses zu werden,
Knappe Mehrheit
Brüssel . Die Kammer hat mit 90 gegen 83 Stimmen die Verlängerung der besonderen wirtschaftlichen und finanziellen Vollmacht der Regierung um drei Monate angenommen. Drei Abgeordnete Enthielten sich der Stimme,
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Nr. 62
Heimatfront
und Fascismus
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Allen Verhandlungsversuchen und Vorschläs gen zum Trotz ist die offizielle Annäherung zwis schen B. d. 2. und SHF ausgeblieben. Die Ents fremdung mußte kommen, denn während der Bund der Landwirte der Meinung war, daß es ihm bei einer Kooperation mit Henlein gelingen fönnte, ein System parallel gerichteter ständischer Para teien zu bilden, der auch eine nichtmarxistische Arbeitergruppe angegliedert werden könnte, hatte Henlein niemals ein Interesse für die Bildung ständischer Parteien und fonnte es nicht haben, weil wie auch aus den Erklärungen der Heimatfront hervorgeht seinem ideologischen Den ken der Begriff der Partei nicht nur fremd, sondern geradezu die Versinnbildlichung des Bösen darstellt. Daß er dennoch seiner Bewegung nach nicht die Preisgabe seiner gedanklichen Ausgangsaußenhin das Gepräge einer Partei gab, bedeutet lage, sondern es war lediglich eine Konzession, die er zur Erhaltung seiner eigenen politischen Eristenz seiner politischen Umwelt zu machen bereit war. Der B. d. 2. meinte, es handle sich um nichts anderes, als um die althergebrachten Bündnisverhandlungen zwischen Parteien in Wirklichkeit handelte es sich aber bei Henleins Gründung um ein neuartiges Gebilde, das von ganz schließlich der Plan der Zusammenarbeit scheitern. anderen Vorausseßungen ausgeht. Hieran mußte Es ist Spina rechtzeitig vorhergesagt worden- er hat sich nicht warnen lassen.
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Henlein und sein Kreis haben sich, und das darf nie aus den Augen gelassen werden, bebor sie in die politische Arena eingetreten sind, stets als Schüler Spanns bekannt. Sie haben auch nachher ihrem Lehrer nie abgeschivoren, und wenn sie es verklausuliert taten, so geschah dies innerer Ueberzeugung. Beweis dessen die Formus lierung ihres Angebotes an den Bund der Lands Es hat sich also die groteske Situation her- wirte auf Auflösung der beiden Organisationen
Landesausschußbeisitzer Stoupal verhandelt eifrig, beiden Parteien zu bestehen. Auch der tschechische Agrarier und mährische abzuschließen, ohne auf die Verschmelzung der auch wieder nur aus taktischen Gründen, nie aus und zwar direkt mit Konrad Henlein . Mittwoch, den 13. März, haben bereits solche Verhandlungen zwischen den beiden in Prag statt- ausgebildet, daß Stoupal das Bündnis des Bungefunden, die am Donnerstag, den 14. März, des der Landwirte mit der SHF auch gegen fortgesetzt werden. Die Verhandlungen spielen sich den Willen Spinas zustande bringen will. teils im Lurusrestaurant Sramota , teils in der Pressestelle der SHF in der Panská 14, ab.
Verhaftungswelle
Will die Sudetendeutsche Heimatfront also wirklich unter Führung des tschechischen Agrariers Stoupal die fudetendeutsche Volksgemeinschaft zu standebringen?
und darauffolgender Ausgliederung" der einzel nen berufsständischen Gruppen, die hinsichtlich
ihrer berufsständischen Interessen vollständige Autonomie besitzen sollten. Der Begriff der„ Ausgliederung" ist echtes Gedankengut des Kreises um Spann. Worin unterscheidet sich nun die Stände Bundes der Landwirte? Während Spina dem Be idee Spanns von dem Konzept Spinas und des rufsstand, seiner parteimäßigen Organisa tion politisches Gewicht im Rahmender par Iamentarischen Demokratie geben Telegramm aus Kasan den Einheitsfrontpakt will, bildet im Spann'schen System der Berufszwischen den französischen Sozialisten und Kom- stand an sich tein politisches Element, ist nicht in der Sowjetunion munisten begrüßt haben. Ferner sind verhaftet Träger der Staatspolitik, sondern Träger der von Genosse Georg Stuts chin, der vielen auslän- der staatlichen Erekutivgewalt losgelösten wirtDie Auslandsdelegation der Sozialdemokradischen Genossen von internationalen Kongreffen schaftlichen Verwaltung. Träger der Politik ist im tischen Arbeiterpartei Rußlands ( in Paris ) hat und Konferenzen her bekannt ist, Genosse Michael wahren Staat" Spanns der staatstra aus der Sowjetunion die vom 28. Feber datierte 2ieber, ein alter Sozialdemokrat, der eine her- gende Stand". Dieser Grundsaß, dieses AufMitteilung erhalten, daß in ganz Sowjetrußland vorragende Rolle in den ersten Monaten der Re- bauprinzip der Gesellschaft steht selbstverständlich Verhaftungen nicht nur unter den Angehörigen volution von 1917 spielte, und viele andere. im vollen Gegensatz zur Demokratie. Dieser Geder Kommunistischen Opposition, sondern auch unter allen irgendwie bekannten Sozialdemokraten Die hier gemeldeten Berhaftungen stehen gensatz ist ein feineswegs ungewollter, sondern ein Die hier gemeldeten Verhaftungen stehen borgenommen werden, hauptsächlich unter den- in drastischem Gegensatz zur Ankündigung der durchaus bewußter. Denn Spann war seit jeher jenigen, die vor kurzem ihre Gefängnis- oder Ver- Demokratisierung des Sowjet- nicht nur ein erklärter Gegner des Liberalismus, sondern auch der Demokratie. bannungsstrafe verbüßt haben. Unter den Ver- systems auf dem letzten Sowjetkongreß, die so Wer nun nach Spann zu dem„ staatstragen hafteten befindet sich auch die Genoffin Sa= verstanden werden mußte, daß auch auf dem Ge- den Stand" gehört, kann am besten aus der Archarowa und der Genosse Je shob( der biete der Behandlung politisch Andersdenkender beit seines Schülers Dr. Heinrich„ Das Bruder Martows), die im vorigen Herbst in einem ein anderer Kurs eingeschlagen werden würde.
Sozialdemokratischer Wahlsico
41 Kreistagsmandate gewonnen
Kopenhagen . Bei den am Dienstag abgeschlossenen Kreistags= wahlen haben die Bauernlinke insgesamt 40 und die Demokra= ten 18 Mandate verloren, während die Sozialdemokraten 41 und die Konservativen fünf Mandate gewonnen haben. Die Deutschen in Nordschleswig werden im neuen Kreistage über sechs Vertreter verfügen. Die dänischen Nationalsozialisten haben fast überall eigene Listen aufgestellt, ihre Stimmenzahl reichte jedoch nur in den Kreisen Tondern , Ha dersleben und Apenrade zur Gewinnung von je einem Mandat aus.
Ständewesen" entnommen werden. Hier heißt es:
3um staatstragenden Menschenkreise ges hören natürlich die Staatsgründer selbst sowie die Fortseßer seines Amtes, ferner der Adel, das sind die dem Staatsgründer und Führer geistig nachbars lichen obersten staatlichen Sach walter. Dieser Kreis stellt die Inhaber der obersten Führung. Unmittelbar aber gehören auch die Führer und Bearbeiter der großen staats lichen Sachbereiche dazu, mittelbar gehören dazu auch die Führer der übrigen Stände der Gesell schaft. Diese Menschen bilden die Oberstufe der staat3tragenden Schicht, sie sind also die eigentlichen Repräsentanten der Politik."
Die weitgehende Verwandtschaft dieses Bes griffes staatstragender Stand" mit dem der fascistischen Ideologie zugehörenden Begriff der " Elite" liegt auf der Hand. Wenn die Anhänger Spanns behaupten, daß ihre Anschauungen sich nicht decken mit jenen des italienischen Fascismus, so ist das nur insoferne richtig, als hier in Eins