9x. 63 Freitag, 15. März 1935 Seile 3 Vie Verschmelzung von SHF und B.d.L. Gebt der Jugend Arbeit! Die Petition der Jugend an die Internationale Arbeitskonferenz Unter den Folgen der Wirtschaftskrise leidet in allen Ländern die Jugend besonders schwer. Mehr als sechs Millionen Jugendliche tragen seit Jahren das harte LoS der Arbeitslosigkeit. Ein großer Teil dieser arbeitslosen Jugend hat ein geregeltes Arbeitsverhältnis oder eine geordnete Berufsausbildung überhaupt noch nicht kennen gekernt, er hat weder einen Arbeitsplatz noch eine Lehrstelle finden können. Noch größer ist die Fahl der Jugendlichen, die mit der Beendigung ihrer Lehrzeit keine Möglichkeit fanden, ihre beruflichen Kenntnisse zu verwerten, sondern langjähriger Arbeitslosigkeit anheimfielen. Wieder andere zählen zu der großen Gruppe der ungelernten jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen, die jeder Erschütterung des wirtschaftlichen Lebens am unmittelbarsten ausgeliefert sind und die oftmals nicht einmal im elterlichen Haus einen Schutz vor bitterer materieller Not finden können. In jedem Fall aber ist die Arbeitslosigkeit dieser sechs Millionen junger Menschen ein schweres Unglück. Ebenso groß wie dos mit der Arbeitslosigkeit verbunden« materielle Elend ist die seelische Not dieser Jugend. Die Sinnlosigkeit eines Daseins ohne Arbeit wird gerade von dem besten Teil dieser Jugend als zermürbend und demoralisierend empfunden.. Die wirksamste Hilfe für diese Jugend Küre die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten/ die ihr die Auswertung ihrer beruflichen Fähigkeiten und die Sicherung ihrer materiellen Existenz gewährleisten würden. Von der Erreichung dieses Zustande- ist die Menschheit heute noch weit entfernt. Um so größer ist die Pflicht der verantwortlichen Faktoren in Staat und Gesellschaft, durch geeignete Hilfsmaßnahmen die seelische und materielle Rot der Jugend zu lindern. Die Internationale Arbeitskonserenz 1934 hat den Beschluß gefaßt, dir Behandlung dieser Frage auf die Tagesordnung einer der nächsten Arbestskonferenzen zu setzen. Sie steht nunmehr auf dem Programm der Internationalen Arbeitskonferenz 19 3 8. Die Sozialistische Jugend-Internationale bereitet daher eine große internationale Unterschriftensammlung der Jugend selbst vor, dr- die Internationale Arbeitskonferenz zu einer beschleunigten Beschlußfassung veranlassen soll. Der Unterschriftensammlung liegt folgender Petitionstext zugrunde: „Lebt der Jugend Arbeit! Petition an die Internationale ArdeitS- konferenz! Die Unterzeichneten, arbeitslose und arbeitende Jugendliche unter 25 Jahren aller Beruf« und der verschiedensten politischen und religiösen Ueberzeugung, richten an die Internationale Arbeitskonferenz den dringenden Appell, auf ihrer Tagung 1988 Maßnahmen zu ergreifen, die 1. den vielen Millionen junger Menschen, die unter den Folgen der Wirtschaftskrise arbeitS» und brotlos geworden find, ArbeitSmöglich- keiten schäften, die ihren Lebensunterhalt sichern und eine gründliche berufliche Ausbildung gewährleisten; 2. den Jugendlichen, di« nicht sofort von der Last der Arbeitslosigkeit befreit werden können, durch llnterstützungsmaßnahmen und Einrichtungen helfen, die sie vor materieller Verelendung bewahren, die ftelische Not der errungenen Untätigkeit lindern und die berufliche und allgemeine Fortbildung ermöglichen." Der Internationale Gewerk schaftsbund hat seine Landeszentralen aufgefordert, di« Unterschriftensammlung der sozia listischen Jugendverbände zu unterstützen. Die Christliche Gewerkschafts-Internationale hat eine selbständige Aktion in der gleichen Richtung eingeleitet. Es ist das erstemal, daß die Jugend selbst den Versuch unternimmt, die Internationale Arbeitskonferenz zu einer schnellen und positiven Entscheidung in einer Frage zu veranlassen, die für viele Millionen notleidender junger Menschen von größter Bedeutung ist. Jndctendcatedier Landbundfunktionäre als Gestapo -Agenten 18 bezw. 12 Monate Kerker für Schmidt und Winkler Pilsen.(Tsch. P.-B.) Am 3. Oktober v. I. traf in der tschechoflowakischen Zollstation in Warnsdorf ein reichsdeutsches Automobil ein, das ein Mann verließ, der im geheimen die Grenz st atio n zu passieren und auf tschechoflowaftsches Gebiet zu kommen suchte. Er wurde jedoch bemerkt und von der Wache angehalten. Bei der Untersuchung deS Wagens fand man einen reichsdeutschen Paß auf den Namen Arthur Brockel und Korrespondenzen, die einige Weisungen für Brockel enthielten. AIS Brockel verhört wurde, entriß er sich plötzlich der Wache und verschwand im nahen Walde. Auf Grund der beschlagnahmten Korrespondenz gerieten der 31jährige Landwirt aus Tobkany bei Pilsen Adolf Schmidt und der 28jährige Privatbeamte A. Winkler auS Stögenwald(Bezirk Böhm.-Krumau) in Verdacht. AuS der Korrespondenz geht nämlich hervor, daß beide Agenten der reichsdeutschen Staatspolizei(Gestapo ) waren und durch Vermitflung des„Verbandes der Deutschen im Auslande", der in Pas sau seine Zentrale hatte, tätig waren. Auf Grund des Beweismaterials wurden beide seinerzeit verhaftet und hatten sich am Donnerstag vor ein«m Senate des Kreisgerichts in Pilsen unter dem Vorsitze des Oberrates Elleder zu verantworten. Die Verhandlung war in dem Teil, in welchem Militärsachverständige ihre Gutachten abgaben, geheim. Beide Angeflagten wurden des Verbrechens der Vorbereitung von Anschlägen nach§ 2 des Gesetzes zum Schutz« der Republik beschuldigt. Obzwar sie leugneten, fand das Gericht auf Grund des angesammelten Materials die belastenden Telle der Anklage für erwiesen und erkannte die beiden im Sinne der Anklage schuldig. Schmidt wurde zu schwerem Kerker von 1 8 Monaten und zu einer Geldstrafe von 6000 Kd und Winkler zu schwerem Kerker von einem Jahr und zu einer Geldstrafe von 1000 XL verurteilt. Beide Verurteilten brachten die Nichtigkeitsbeschwerde ein. Di« öffentliche Anklage vertrat Prokurator Dr. Bujta. » Wie erinnerlich hatte die Verhaftung der beiden jetzt verurteilten Gestapo -Agenten deshalb viel Staub aufgewirbeü, weil sie beide Funk- tionäre im Sudetendeutschen Landstand, Winkler einer der in tim- sten Mitarbeiter der Hacker und Hetz und des Kreises der Landständischen Monatshefte in Dobian waren, Winkler wurde in Podersam verhaftet, als er, wie man dort erzählte, aufder Fahrt zuHacker war. Im Zusammenhang mit dieser Sttaftache wurde der Prozeß gegen Hedwig Ern st aus Schönlinde verhandelt, die mit den beiden in Verbindung stand. Die E r n st, die in journalistischen und schriftstellerischen Kreisen als eine halb naive, halb hysterische, jedenfalls ewig in Geldnöten befindliche Frau bekannt war, die sich auf die sonderbarste Weise Geld zu besorgen wußte, indem sie Korrespondenzen in alle Welt anknüpfte, scheint das Opfer ihrer Geldnot, ihrer Naivität und gewissenloser Menschen geworden zu sein, die sie als Werkzeug benützten. Sie erhielt e i n I a h r schweren Kerkers. Kreisturnfest 1935 MH„Hell Hitler zur Masarykfeler An den Geburtstagsfeiern des Präsidenten Masaryk nahmen diesmal auch Henleinturner tell. Wohl weniger aus eigenem Antrieb als über, Aufforderung der diversen„Führer" im Turn- verbande, die doch damtt ein Alibi ihrer Loyalität zum Staatspräsidenten, als auch zur Tschechoflowakischen Republik erbringen wollten, nachdem doch allgemein bekannt ist, daß das Gesicht, der Hcnleintumer weit mehr zum Dritten Reich als nach Prag gewandt ist. Dar Frauentag hat, wie uns nachträglich noch berichtet wird, auch im B e z i r k M.-S ch ö n b e r g große Scharen von Arbeiterftauen und Männern in Bewegung gebracht und in einer Reihe von Orten fanden in diesem Bezirk herrliche Kundgebungen statt. So in Heinrichsthal , Drutsch-Lirbau, Hermsdorf, M.- Schönberg. In diesen Kundgebungen wirkten Turner, Sänger und Kinderfreunde zur Verschönerung der Versammlungen mit und als Rednerin mit großem Erfolge die Genossin Erna Haberzettel. In Hannsdorf und Mähr.-Altstadt waren die Kundgebungen ebenfalls sehr gut besucht und die Darlegungen der Rednerin, Genossin Maltschi Jilg, wurden mit großem Beifall ausgenommen. Eine besonders gut besuchte und gut vorbereitete Frauenkundgebung fand auch in Freudenthal statt, an der Turner, Sänger, Falken und SJ. mitwirkten. Die Rednerin, Genossin Else Paul aus Sternberg , fand den ungeteilten Beifall der Versammlung. Auch aus Znaim wird berichtet, daß in festlicher Weise der Frauentag abgehalten wurde und einen Besuch aufwies, wie zuvor noch selten eine Veranstaltung der Partei. DaS mit viel Beifall aufgenommene Referat erstattete Genossin K a h a Y aus Brünn. kontingente bedrohen die letzten Exportmöglichkeiten Wie die Glasfabrik In Hermannshütte um ihre Existenz ringt - t,. JM' if'i k' Bei der Verhandlung der Exportkredite im Budgetausschuß hatte Genosse Hackenüerg darauf verwiesen, daß es nicht genügt, nur für Export- k r e d i t e zu sorgen, sondern daß man beim Abschluß der Handelsverträge auch dafür sorgen müsse, daßunsereJndu st ri rauch tatsächlichdie Möglichkeit hat, ihre Waren im Ausland abzusetzen. Vielfach stößt dies auf unüberwindliche Schwierigkeiten infolge des K o n t i n g e n t- systems und der D e v i s en sch w i e r igle i t e n, die in den meisten Ländern bestehen. Als Abhilfe kommt vornehmlich die Schaffung von Kompensationsmöglichkeiten in Betracht. Unsere Exportindustrien, darunter vor allem die Glasindustrie, haben infolge dieser unerfteulichen Exportverhältnisse mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist im Interesse des Staates, hier nach Möglichkeit helfend einzuspringen, um Be- ttiebsstillegungen und Arbeiterentlaffungen zu verhindern.' In diesem Zusammenhang befaßte sich Genosse Hackenberg mit den Verhältnissen bei der Glasfirma C. Stölzles Söhn«, die ohnedies schon zwei Betrieb« gesperrt hat. Die dort arbeitslos gewordenen Arbeiter hatten sich der Hoffnung hingegeben, in dem Betrieb in Hermannshütte Unterkurckt zu finden.'Die Firma suchte auch den geänderten Absatzoerhältniffen im Ausland Rechnung zu tragen und stellte sich u. a. auf Preßglas um, dessen Erzeugung sie gegenüber der Vorkriegszeit verdoppelt«. Es gelang, im Ausland hiefür neu« Absatzgebiete zu finden, aber die Absperrungsmaßnahmen, die in letzter Zeit in Griechenland , Italien usw. einsetzten, sowie die Kontingentsreduzierungen in Frankreich , Holland haben diese Hoffnungen wieder zunichte gemacht. Aufträge aus den genannten Staaten wären genügend vorhanden, aber die betreffenden Staaten lassen die Ware einfach nicht über die Grenz«. So stehen allein in Hermannihütte neuerdings 800 Arbeiter vor d«r Gefahr, brotlos zu werden. Da nützt alle Propaganda für unsere Mustermessen nichts, wenn nicht raschest in den wirtschaftlichen Beziehungen zu den genannten Staaten Ordnung geschaffen und durch Verträge dafür gesorgt wird, daß diese die bei uns bestellten Waren auch wirklich über di« Gr«nze lassen. Genosse Hackenberg ersuchte daher die anwesenden Vertreter des Handelsministeriums, beim Abschluß von Wirtschaftsabkommen mit anderen Staaten dieser Frag« ihr vollstes Augenmerk zuzuwenden und auch in dem speziellen Fall der Glasfabrik Hermannshütte alles zu unternehmen, um di« BrotloSmachung von vielen hundert Arbeitern zu vermeiden. „Einheitsfront“ erst nach den Wahlen Die Wahltaktik der deutschen Christlichsozialen Prag . Die Reichsparteileitung der deutschen Thristlichsozialen hat Donnerstag einmütig«ine Entschließung gefaßt, in der es u. a. heißt: Die Partei begrüßt Neuwahlen in dem Bewußtsein, daß ihre Vertreter im Parlament in der abgelaufenen Wahlzeit in jeder, besonders(l) innationalerHinsicht ihre Pflicht„gegen ihr Volk und seine Ehre" erfüllt haben. Einmütig um ihre Leitung geschart, werde sie als selbständige Partei in die Wahlen gehen. DaS Ziel dieser Wahl aber müsse sein dit E i n- heitsfront der Deutschen im neuen Parlament zur Durchsetzung ihrer verfassungsmäßiger Gleichberechtigung im Staate.„Dem Staate, was des Staates, dem Volke, was des Volkes ist." Die Reichsparteileitung fordert gleichzeitig alle Parteistellen und Vertrauensmänner auf, die letzten Vorbereitungen für die Neuwahlen mit astlem Eifer zu treffen. Mit welcher innerlichen Verbundenhesi sich die Zeitgenossen im deutschen Turnverbande mit der Republik und ihrem gegenwärtigen Staatsoberhaupte verbunden fühlen, zeigt folgender Vorfall, bei dem ein Gewährsmann unserer Partei unfreiwillig Zeuge war. Auch an der Geburtstagsfeier in Schreckenstein nahmen Henleinturner über Aufforderung der Vereinsleitung in Uniform teil, die sie sich zum Teil erst'im HantUverk- stübel im Gasthause Babinsky anlegten. Während unser Gewährsmann sich dort aufhielt, betraten drei Turner den Raum, in dem sich einige Turnerinnen befanden und grüßten, ohne daß sie den unfreiwilligen Zuhörer bemerkten, mtt.Zeil Hitler I" Aber auch die Feier vermochte sie nicht zu begeistern, da wie sie sagten,„auch noch" ein Jude über Masaryk sprach. Angesichts solcher Tatsachen werden die Henleinleut« noch allerhand Er- ziehungsarbeit leisten müssen, damit ihre, Nachläufer nicht ständig aus der Rolle fallen. begrenzte Einheitsfront Paris. (Tsch. P.-B.) Das sozialistische Parteipräsidium beschloß Mittwoch den Text der Antwort an die kommunistische Partei, die den Sozialisten neuerdings eine enge Zusammenarbeit angeboten hatte. Die sozialistische Partei nimmt diese gemeinsame Aktion lediglich„zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten" an, will aber sonst weiterhin ihre vollständige HandlungSfreihett bewahren, so insbesondere bei den künftigen Feiern des 1. Mai und überall dort, wo die Zweite Internationale berührt wird. So wenden sich die französischen Sozialisten gegen den kommunisti schen Vorschlag auf Einberufung einer internationalen Konferenz für die gemeinsame Aktion der Proletarier-Parteien, da die Zwette Internationale mit einer solchen Konferenz nicht übereinstimmt. Die sozialistische Partei lehnt auch die Einmischung in die Befugnisse der zentralen Gewerkschaftsorganisationen der EGT ab. Zeitweise Einfuhrsperre In Rumänien Bukarest . Die Mitteilungen über die zeitweilige Einstellung der Erteilung von Einfuhrbcwil- ligungen aus einzelnen Ländern, darunter der Tschechoflowakei, sind durch die Tatsachen bestätigt worden. Verschiedenen Anttagstellern, die Importe aus der Tschechoflowakei beantragten, wurde mttgeteilt, daß diese Anträge bis auf weiteres unerledigt bleiben. Diese Maßnahme steht zu den Bestimmungen des tschechoflowakisch-rumänischen Handelsvertrages, welcher die Erledigung solcher Anträge binnen acht Tagen.vorsieht, in Widerspruch. Sie hat in allen interessierten Kreisen natürlich lebhafte Unruhe hervorgerufen, doch glaubt man hier an interessierten Stellen, daß es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelt. Die interessierten diplomatischen Vertretungen haben mit den zuständigen rumänischen Stellen in dieser Angelegenheit bereits Fühlung genommen.
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15 (15.3.1935) 63
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