Seite 6 Dienstag, 26. März 1935 Nr. 7L Erdgasausbruch bei Wie« Bohrturm zerstört Fisch-Sterben Schwere Schäden Wien . Ein Erdgasausbruch in Enzersdorf bei Wien hat den Bohrturm bis auf wenige Pfeiler weggerifsen. Die Maschinenanlagen wurden schwer beschädigt. Die Höhe der Gassäule betrug 100 Meter. Zentnerschwere Steine wer­den emporgeschleudert. Die Umgebung ist kilometerweit mit einer grünlich schimmernden Lehmschicht bedeckt. Der Schaden, der an den Flu­ren angerichtet worden ist, läßt sich noch gar nicht abschätzen. Die Schadenssumme, welche sich allein durch die verloren gegangene Gasmenge ergibt, wird auf 200.000 Schilling geschätzt. Dazu kommt aber noch der Wert der zerstörten Anlagen. Den Arbeitern und Ingenieuren, die sich seit drei Tagen bemühten, den Erdgasausbruch abzu­dämmen, ist überraschenderweise die Natur zu Hilfe gekommen. In der Nacht zum Montag ereignete sich ein h e f t i g e r E r d st o ß. Die unterirdischen Gesteinsbewegungen scheinen das Bohrloch verstopft zu haben, so daß seit Montag früh die Kraft des Ausbruches bedeutend nachlieb. Die Gassäule ist auf ein Viertel ihrer früheren Höhe gesunken. Montag morgens konnte infolge der Ab­schwächung der Ausbrüche wenigstens ein Teil der Maschinen geborgen werden. Der Bohrturm allerdings ist vollständig eingestürzt. Die Ausbrüche haben auch sehr viel Wasser an die Oberfläche geschleudert. Um diesem Abfluß zu ver­schaffen, wurden Gräben zum Flusse Fischa gezo­gen. Das gashaltige Wasser färbte den Fluß kalk­weiß und tötete den ganzen Fischbe- st a n d, der sehr reich war. Unsicheres Wetter. Im Staatsgebiet herrschte Montag bei nordwestlichem Wind veränderliches und meist etwas kühleres Wetter. Der Kamm des Riesengebirges hat Frost, die Schneekoppe meldete auch nachmittags minus vier Grad Celsius. Die tühle Luft beginnt jedoch wie­der znrückzuweichen. Das Wetter dürste etwas unsicher bleiben. Im Nordteil Mitteleuropas Lin­nen leichte Störungen noch zeitweise etwas Regen Hervorrufen, im Südteil des Binnenlandes wird die Witterung jedoch voraussichtlich vorwiegend ruhig sein unter dem Einfluß eines Hochdruck­gebietes, das sich von Frankreich bis zum Böhmer­ wald erstreckt. Wahrscheinliches Wetter heute: Wechselnd bewölkt, in den böhmischen Ländern Wetter etwas unsicher, im Norden vereinzelt etwas Arbeiter-Los. In Saragossa stürzte bei Repäraturarheiten ein Haus zusammen, und be­grub eine Familie und acht Arbeiter unter sich. Während die Mitglieder der Familie mit leichte­ren Verletzungen davonkamen, wurden die acht Arbeiter schwer, zum Teil sogar lebens­gefährlich verletzt. Kirchen raub. In die römisch-katholische Kirche in O n o k o v c e bei Uzhorod drangen Samstag abends Räuber ein, die die Almosen­stöcke erbrachen und auch die vergoldete Mon­stranz raubten. Es ist dies bereits der dritte Einbruch.in diese Kirche. Oie kommende Abrüstungskonferenz ohne Maske (Originalzeichnung von John Kern.) Japanische Berschwörnng. Am Samstag war in der Wohnung des Präsidenten des japanischen Staatsrates, I k k i in Tokio , ein bewaffneter Mann verhaftet worden, der es offensichtlich auf einen Anschlag auf das Leben des Präsidenten ab­gesehen hatte. Die Untersuchungen der Polizei haben nunmehr ergeben, daß dieser Mann im Auf­trage einer geheimen Gruppe, die sich»Vereini­gung für die Aufrechterhaltung des nationalen Geistes" nennt, gehandelt hat. Neun Mitglieder dieser Gruppe, unter ihnen zwei Führer, wurden verhaftet. Wie es heißt, hat diese Verschwörer­gruppe den Anschlag deshalb beschlossen, weil der Präsident die»Organtheorie Minobes" unterstützt haben soll. Diese Organtheorie steht im Mittel­punkt von weltanschaulichen Auseinandersetzun­gen, die das Verhältnis des Kaisertums zum Staate zum Gegenstand haben. Stonferem über den Verkehr von AuStausch- zügen. Auf Einladung der Ungarischen Staatsbah­nen sind die Vertreter der deutschen, schweizerischen, österreichischen, italienischen, tschechoslowa­kischen, rumänischen, polnischen und jugoslawi­schen Eisenbahnen in Budapest zu einer Konferenz zusammengetreten, um> die Frage der Austauschzüge zu erörtern. An den Verhandlungen nehmen auch die Vertreter der Fremdenverkehrs- und Reisebüros teil. Die Beratungen dauerten zwei Tage und es wurde ein einheitliches Verfahren ausgearbeitet, das in Zukunst den Verkehr von Austauschzügen wesent­lich erleichtern und verbilligen wird. Die Verein­barung tritt erst nach Genehmigung seitens der Auf« fichtsbehörden der verschiedenen Eisenbahnen in Kraft. Der frühere WeltKhachmeister Emanuel Lasker hat sich entschlossen, in der Sowjetit%ion zu bleiben und wurde im russischen Staatsverlag als Leiter der Schachrubrik in der.Jswestija"-Redaktion angestellt. Mtt dem Lenin-Orden und dem Roten Stern-Orden wurden in Moskau ausgezeichnet führende Persönlichkeiten der Eisenindustrie und die besten Ingenieure dieser Jndustriebranche sowie die Techniker, welche sich um die Ueberschreitung des Erzeugungsplanes für 1884 verdient gemacht haben. Ei» tschechoslowakisches Institut für Tontechnik wird in Prag über Veranlassung des Universitäts­professors Dr. Taiga errichtet werden. Das Institut wirb sich mtt tontechnischen Problemen der Radio­technik, mit dem Tonfilm, Grammophonplatten, dem technischen Bau von Musikinstrumenten, akustischen Räumlichkeiten und Tonisolatton in Gebäuden, dem Kampf gegen den Lärm, der physikalischen Erfor­schung der menschlichen Stimme und den akustischen Methoden der angewandten Geophysik befassen. Einer der Zwecke des neuen Institutes ist, mit Rat und Forschung di« Erzeugung von tontechnischen Appa­raten in unserem Staate-u unterstützen. 731.643 Rrmdfunkhörer. Die Stattstik.der Rundfunkhörer in- der Tschechoslowakei weist im Feber einen neuen Zuwachs von 13.324 Hörern auf. Insgesamt'gab es Ende Feber 731.643 Rundfunk­hörer; davon entfallen auf die Postdirektton Prag 386.401, auf Pardubitz '72.850, auf Brünn 122.512, auf Troppau 56.028, auf Preßburg 56.323, auf Kaschau 20.326; ganz Karpathorußland hat«dagegen nur 7201 Hörer. Segelflug in der Nacht. Ein Mitglied des Londoner Segelklubs unternahm Sonntag spät abends einen Flug mit einem Segelflugzeug, der etwa 40 Minuten dauerte. Man glaubt, daß es das erste Mal ist, daß ein Segelflugzeug in der Nacht gestartet und gelandet ist. Das Flug­zeug erhob sich zu bedeutender Höhe,-erhielt die Verbindung mit der Erde durch Lichtsignale aufrecht und landete unter dem Schein von Auto­mob ilreflekwren. 300 Kilometer langer GlaSfaden. Thomas Langley, einer der wenigen noch lebenden Glas­spinnkünstler in einer Leinen Ortschaft in England sitzt noch jeden Tag an einem altmodischen Tretstuhl und spinnt Glas. Aus einem Stück Glas von einem Kubikzoll Inhalt vermag er einen Ma-faden, 'von 800 Kilometer Länge zu spinnen. Dieser Faden ist natürlich unvorstellbar dünn und für das bloße Auge kaum sichtbar. Mit einer gewöhnlichen Glas­bläserpfeife formt er Kugeln von nur einem 10.000- stel Zoll Stärke. Jetzt müssen Sie unbedingt Ihre Blumen mit Bluien-Zauberdung begießen, wenn sie schön blühen sollen 1 Paket Kc 5*60 durch die Verwaltung Frauenwelt, Prag XII., Fochova tr. 62, und bei allen Kni»v»rtpvren erhältlich Girr böhmischer Fakir Den meisten dürfte die Tätigkeit der indischen Wundermänner,Fäkire", bekannt sein. Es zeia- ten sich ja auch schon waschechte Einheimische. Manchmal heimatlich, manchmal indisch benannt. Dazu sei bemerft, daß der eckte Fakir, der nur seinem Innenleben lebt, niemals in Varietes auf­treten, bezw. seine Heimat verlassen würde, denn nur dort ist ihm eine Lebensführung möglich, wie sie seine Erziehung und Schulung mit eiserner Strenge vorgeschrieben hat. Also, was wir in unserer lärmenden Zivisa- iion des Westens zu sehen bekömmen, ist lediglich ein Leiner Durchschnitt aus dem riesigen, zum Teil heute noch geheim gehaltenen Gebiete der Aygha-Schulung.(Sprich Dschoga, mit sehr wei­chem»sch", wie tschech.I" und franz,j".) Eine Willens-Dressur, einschließlich Beherrschung aller leiblichen Bedürfnisse und des eigenen Denkens. Das ist ja der Anfang des Dogha-Schülers: Ge­danken äbstellen zu können, wie man einen Motor abftellt. Wer dieser nahezu absoluten Herrschaft, ja Gewalt über seinen Körper und über Geist- Seele fähig ist. mächttg wird, der hat auch Macht und Gewalt über die Gehirn« anderer Menschen, lind hier sind wir schon auf dem Gebiete der Hyp­nose, Suggestion. Diese dürfte Ursache der Fakir- Kunststücke sein. Was die Zuschauer zu erleben, zu sehen, zu hören meinen, spielt sich lediglich im Gehirn des Fakirs ab, dessen Kraft sich auf die, in der Regel schwächeren Gehirne glaubensberei­ter Zuschauer überträgt:- selten wird ein sicher Stark-geistiger diesen Schaustellungen beiwohnen I Nimmt er ober daran teil, dann sieht er nichts, hört er nichts. Aber er kann sich das Vergnügen leisten, die würdevoll-spöttische Ruhe des Fakirs zu bewundern, und, über das Unsterblichste der Menschen-Erde zu lächeln: menschliche Schwäche.. Vor Jahren sah der Verfasser zu Verona einen Fakir auf Reisen. Deutsch gesagt: einen indischen Gaufler. Ich sah den Gaukler, den Tep­pich, die einfache Pfeife, zu deren Taft der ältliche Mann sich hin nnd her wiegte, während seine Bril­lenschlange geil tanzte und ein sehr schöner Knabe «inen langen Bambusstab senkrecht hielt. Mein englischer Kollege sah ebenfalls nichts anderes. Konnte es sich aber nicht verkneifen, nach einer Zeit des langweiligen Schlangengeringels zu be­haupten, er sähe Läuse, die den Turban des Fakirs hoben, um sich ein Stück Italien anzuschauen... Nach Schluß der Vorstellung, die nicht zu verlassen uns die Höflichkeit gebot, erzählten die entzückt­schaudernden, verzückt bewundernden anderen Teil» nehmer: der Knabe erlletterte den freistehenden Bmnbusstab und vollführte auf der Spitze hals­brecherische gymnastische Uebungen. Dann packte ihm sein Herr und Meister in den Teppich, durch­stach das Bündel mit seinem blanken indischen Dolch, Kris, Blut floß, der Teppich wurde auf­gerollt: lächelnd hüpfte der Junge hervor. Weder vom Fakir, noch vom Knaben wurde ein Wort gesprochen. Alles geschah stumm, laut ­los. In Wahrheit: nichts geschah.... * Als es hierzulande noch gefährlich war, der­zeit unerklärbare Kunststückchen zu machen, lebte an dem Hofe Wenzels IV. ein Männlein namens Zitek, des Kaisers und Königs»Lustiger Rat", Hofnarr, kurzdas Närrlein" genannt. Geschildert wirddas Närrlein" als Lein, gelvandt, flink, Lug, witzig, gelehrt, prakttsch verschlagen lustig. Ganz ohneEinfluß, ernsten Einfluß, warZitek auf seinen Herrn und Gebieter sicher nicht. Um so weniger» als das Gehirnchen Wenzels IV. recht oft von Wein- und anderen Wolken durchzogen wurde: Majestät soff. Zitek mit den Pagen des Hofes, Buben im Entwicklungsalter und also mit sehr gesegnetem Hunger begabt, an demselben Tische. Die Einigkeit der vielen Kinnladen ließ von den gefüllten Schüsseln niemals viel auf»das Närrlein" kommen. Und just gesülzten Hecht liebte Zitek über alles. Und die Pagen ebenfalls. Schließ­lich wurde Zitek die Sache zu bunt! Eines Tages schneidet der erste der Pagen, zu dem die Hecht­schüssel kam, ein Stück Fisch ab uckd hält zu seinem Entsetzen einen Pferdefuß samt Huf in der zitternden Hand: der Pferdefuß war ja auch das Kennzeichen des Teufels I Zitek nimmt dem halb Bewußtlosen die Schüssel aus der Hand und bietet selber an: dasselbe geschieht! Alles hält Pferde­hufe in den Händen! Nach einer anderen Form der Erzählung konnte keiner außer Zitek zugreifen, weil die Hände selbst zu Pferdehufen geworden waren. Jedenfalls hattedas Närrlein" sein Ziel diesmal gesülzten Hecht erreicht. Ein andermal zogen zwei Käfer eine Nuß­schale vor dem König vorüber, aber, in der win­zigen Nußschale saß ein lächerliches Phantom, eine Schreckgestalt. Oder: Im inneren Burghof nimmt Zitek einen Hahn und spannt diesen vor einen langen, dicken Balken. Der Hahn zieht die Zehnmänner- Last. Die Zuschauer in den geöffneten Burg­fenstern staunen, reiben sich die Augen: der Hahn zog den Balken über den Burghof! Da kam eine Magd, hörte- um was es sich handle, lachte und rief: Seht ihr'denn nicht, daß der Hahn nur einen Strohhalm angebunden hat? Das Mädchen war aber der Sage nach deshalb gegen Zauberei gefeit, unempftndlich, weil ihm seineGroßmutter einVierkleeblatt in den Tragkorb gelegt hatte. In Wahrheit war das Mädchen nüch­tern(was man von den Gästen Wenzels IV. schwer behaupten kann), naiv-gehirnstark, aber dennoch war Zitek nach einer Leinen Weile stärker. Als das lachende Mädchen weiter gehen wollte, bemerkte es Wasser nn Hofe, Wasser, das rasch anstteg. Das Mädchen rafft die Kleider höher, das Wasser steigt, das Mädchen schürzt zum Gaudium der Zuschauer die Röcke noch mehr, das Wasser steigt, die Zuschauer brüllen vor Lachen, das Mädchen schreit, springt über den Hof, erreicht ein Haus schaut zurück: der ganze Platz ist staubtrocken.... Der folgende Vorfall deutet aber auch darauf hin, daß Zitek auch die Kunst des Bauchredens be­kannt war. Einmal, als man bei Tische saß, schal­len vom Hofe Schreie:»Feuerjo! Rettet Euch! Alles brennt! Hilfe! Schlagt zu! Schlagt ihm tot!" Als hätte man den Brandleger erwischt. Die Gäste stürzen zu den Fenstern. Nur der König bleibt, eingeweiht, überlegen oder betrunken oder alles drei, fitzen. Die G^ste sehen nichts. Schimp­fen. Als sie aber den Schädel aus dem Fenster zurückziehen wollen, können sie das nicht: ein jeder bemerkt am Nächsten und greift es an sich seiber: rechts und links vom Kopfe ist einem jeglichen der Gäste ein ungeheures Hirschgeweih gewachsen... König Wenzel IV . hatte an die Großen seines Reiches Krongüter verpfändet. Eines Tages wollte er sie auslösen, weil er sie verfassungsmäßig aus­lösen mußte. Aber die hochadeligen Pfandleiher wollten von einer Auslösung nichts wissen, wollten die billig» erworbenen" Güter ganz einfach be­halten. Vielleicht hatte Majestät auch ein wenig den Termin versäumt, so daß die Herren mtt einem Scheine des Rechtes im Rechte waren, dem Könige gegenüber, nicht aber dem Reiche. Der vom König befragte Zitek riet, die Sache ruhen zu lassen, käme Zeit, brächte die Zeit Ge- legenhett. Der Streit war aus, meinten die Großen und hielten den König für dümmer, als sie selber waren. Nach einiger Zeit veranstaltet der König eines seiner feuchten Gelage und lud auch alle Großen dazu. Zitek war unter den Zechern. Mitten im Gelage öffnet sich die Saal­türe und herein tritt im Scharlachkleid das blanke Richtschwert in der Hand, des KönigsSchwager" wie man derzeit sagte der Scharfrichter. Die Großen schreienVertat!", wollen von den Stüh­len auffpringen, zu den Schwertern greifen, aber, Ritter wie Schwerter sindgebannt", an die Stühle: die Großen können nicht aufftehen; die Schwertergebannt" in die Scheide: sie können nicht herausgezogen werden. Die Großen ver­fluchen alles, rasen auf Zitek. Da tritt der Kanz­ler in den Saal und legt die vorbereiteten Urkunden samt Quittungen auf den Tisch. Der König hielt ein«, all den Herren unvergeßliche Ansprache. Und dann löste sich der Bann wenigstens von der unterschreibenden rechten Hand... Man kann unschwer die Aehnlichkeit der Vor­gänge in Verona oder auf manchen Bariet^-Büh- nen mit Ziteks psychologisches Praxis sehen, wenn man sich der allzumenschlichen Sucht, zu enthüllen vermag, hinter all diesen grob-alltäglichen Dingen mehr zu sehen, als Anwendung von Geisteskräften, die jedem Vernünftigen eigen sind und nur geübt zu werden brauchen. Allerdings auf ersprießlichere Art, als zu komödiantischen Schaustellungen oder gar Gaunereien. K. B.