Sosialdemokra

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

IN

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

15. Jahrgang

Mittwoch, 27. März 1935

Rote Regierung in Basel  ? Fünf Sozialisten

Die Sozialdemokratle gewinnt

8 Mandate

Zu dem Wahlerfolg der Schwei­ zer   Genossen im Kanton Basel   erfah­ren wir folgende Einzelheiten: Die Rechte, die in die Wahlen zur Regierung des Kantons Basel   mit der Parole ging, mindestens einen der bei­den bisherigen sozialdemokratischen Regierungsvertreter zur Strecke zu bringen, hat eine schwere Niederlage erlitten. Die Sozialdemokraten hatten mit einer Rampfkandidatur von vier Mann einen Gegenangriff auf die bür­gerliche Mehrheit in der Regierung unternommen. Dieser Angriff brachte schon im ersten Wahlgang einen ent. scheidenden Erfolg. Von den vier Sozialdemokraten sind bereits zwei ge­wählt. Dagegen konnte die bürgerliche Front nur einen Sitz im ersten Wahl­

gang erobern. Die beiden weiteren so­zialdemokratischen Kandidaten, die in Basel   die Unterstützung durch die kom munistischen Stimmen erhalten, stehen im zweiten Wahlgang an den günstig sten Positionen. Bei den Wahlen zum Großrat konnte die Linke ihre Stimmenzahl bis dicht an die Mehrheit erhöhen. Die Sozialdemo kraten haben voraussichtlich acht Mandate gewonnen.

Die Schweiz   im Kampf

gegen die braunen Menschenräuber

in der belgischen Regierung

Darunter Vandervelde   und Hendrik de Man

Brüssel Der stellvertretende Gouverneur der Nationalbank, Paul van Zeeland  , hat die Verhandlungen über die Regierungsbildung Mon­tag spät abends im Wesentlichen abgeschlossen. Van Zeeland   übernimmt in der neuen Regierung neben dem Ministerpräsidium auch das Außenministerium. Das Kabinett setzt sich aus Vertretern der katholischen, der liberalen und der sozialistischen   Partei sowie aus einigen außerparlamentarischen Persönlichkeiten zusammen, es umfaßt sechs Katholiken, fünf Sozialisten und vier Liberale. Von den fünf­zehn Ministern gehören vier nicht dem Parlament an. In der neuen Regie­rung sind also die Sozialisten neben den Katholiken am stärk= stenvertreten. Trotz des heftigen Widerstandes des konservati. ven Flügels der katholischen Partei haben sie durchgesetzt, daß außer dem Parteivorsitzenden   Vandervelde die beiden Persönlichkeiten, die in der letzten Zeit im Vordergrunde des Kampfes gegen die Regierung Theunis standen, der Theoretiker de Man und der junge radikale Advokat Spaak  , in die Regierung aufgenommen wurden.

Bemerkenswert ist das Ausscheiden von weil er sich wiederholt in grundsätzlicher Weise Paul Symans als Außenminister. amtlich gegen die Aufnahme der diplomatischen Es scheint, daß die Frage der diplomatischen An- Beziehungen zu Sovjetrußland erklärt hat. Die erkennung Sowjetrus la n d s, als deren geplante Wiederanknüpfung der Beziehungen zu Anhänger van Zeeland gilt, bei der Besetzung die Sowjetrußland soll in erster Linie aus wirtschaft­fes Postens eine Rolle gespielt hat und daß Sylichen und handelspolitischen Gründen erfolgen, mans für diesen Posten nicht wieder in Frage fam ,!

Die Ministerliste:

Ministerpräsident und Außenminister: von 3 eeland( Satholif), Inneres: Bus de Warnaffe( Satholik), Landesverteidigung: Deveze( liberal),

Justiz: Soudan  ( Sozialist),

Wirtschaft: Van Isader( Katholik),

Finanzen: Mar Leo Gérard( liberal),

Arbeit und Sozialfürsorge Delattre( Sozialist),

öffentliche Arbeiten und Arbeitslosigkeit: de Man( Sozialist),

Verkehr, Post und Rundfunk: Spaak  ( Sozialist),

Kolonien: Rubbens( Katholik),

Landwirtschaft: de Schryver( Katholik),

Unterricht: Bovesse( liberal).

Minister ohne Geschäftsbereich: Vandervelde  ( Sozialist), Hymans  ( liberal) und Vi­

comte Poullet  ( Katholik).

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 73

Herr Preiss als Agitator

für die Goldene Internationale

In dieser ereignisreichen Zeit verdient im merhin eine Rede vermerkt zu werden, die der Repräsentant des tschechischen Finanzkapitals, der Generaldirektor der Zivnobank Dr. Preiß am Sonntag in Teplitz- Schönau   vor der Vollver­sammlung des Hauptverbandes der Industrie ge­halten hat. Diese Rede war insofern eine leber raschung, als Dr. Preiß den Ausdruck seiner be­tannten Sympathien für die große Bewe= gung, die sich im deutschen Reiche durchsetzt" mit einem glühenden Bekenntnis zur tschechisch- deutschen Zusammenarbeit zu vers binden wußte. Soviel Schmeicheleien haben die Sudetendeutschen schon lange nicht aus dem Munde eines prominenten Tschechen   gehört. Preiß sagte unter anderem:

,, Wir wollen die guten Beziehungent zu unseren deutschen Mitbür= gern erhalten und befestigen. Wir schät zen ihre Kultur, ihre Arbeit und ihre Gefühle und wissen gut, wieviel Erfprickli= ches fie für unser Landschufen." Und man wird gerade an die freundliche Atmos sphäre des Smichover Einigungskongresses der deutschen und tschechischen Sozialdemokratie erin nert, wenn man das folgende Bekenntnis des Bank- und Börsenfürsten aus dem Prager   Gra­benpalais vor Augen hat:

Ich bin ein überzeugter Vers fechter des Gedankens dieser 3us fammenarbeit, welche in dem Mitbür­ger anderer Nationalität einen gleichwer tigen Faktor sieht und dadurch allgemeines Vertrauen schafft und damit Liebe zu diesem alten schönen Lande weckt."

Woher die plöbliche, wahrhaft internationale Anwandlung eines Wirtschaftsführers, der zu den martantesten Köpfen der tschechischen Nationalde­mokraten zählt, jener Partei also, die bisher ge gen die kleinste nationale Konzession an die Deutschen   grimmig Sturm gelaufen ist? Zunächst scheint es sich um ein rein tattisches Ma növer zu handeln, die Einheit der tschechisch­deutschen Unternehmerorganisation auf der Linie der gemeinsamen Kapitalsinteressen zu sichern. Bern  . Die Angelegenheit der Entführung Es hat bekanntlich bei den deutschen und jüdischen des deutschen Emigranten Jacob durch deutsche  Fabrikanten einige Verstimmung ausgelöst, als Spikel, die in der gesamten Oeffentlichkeit die anläßlich der Krawalle beim Insignienstreit der größte Empörung hervorruft, beschäftigt nun auch Sekretär des Industriellenverbandes, Abgeordne= das Parlament. Im Nationalrat sind von so= ter Hodač an der Spize der gegen die Deut­zialistischer und im Ständerat von frei schen und Juden gerichteten Prager   Demonstratio­finniger Seite Interpellationen Die neuen Minister haben Dienstag vor- internationale Währungsstabi- nen marschierte. Der Vertreter der deutschen In­eingegangen, in denen der Bundesrat um Aus- mittags in die Hand des Königs den Eid abge- lisierung ausgesprochen hat. dustrie, Abgeordneter Dr. Rosch e, hat damals kunft über die Entführung ersucht und angefragt legt, worauf sogleich der erste Kabinettsrat zu­im Parlament gegen Hodač bittere Vorwürfe er wird, ob an dem Verbrechen deutsche   Amtssammentrat. Die neue Regierung wird sich am hoben. Er hielt dem streitbaren Führer der natio= stellen beteiligt waren und ob der Bundesrat Donnerstag dem Parlamente bor­Die belgischen Sozialisten waren seit dem naldemokratischen Radaustudenten unter die Nase, bei der deutschen   Regierung Proteſt gegen das stellen. In der Kammer und im Senat verfügt er hervorragendite unter den sozialistischen   Mi- Jahreseinkommen zum erheblichen Teil den Mits Jahre 1927 in der Regierung nicht vertreten. daß er ſein an die halbe Million heranreichendes Verbrechen erheben werde, sowie was er zu tun diese Regierung über eine starke Mehr- niſtern außer dem Vorsitzenden der sozialistischen   gliedsbeiträgen deutscher und jüdischer Fabrikan Der gedenke, um derartige schwere Uebergriffe zu ver- heit. Die Regierung wird zweifellos von dem Arbeiter Internationale Vandervelde ist ten zu verdanken habe. Auf diese Beiträge scheint Barlament größere Vollmachten, als sie der Minister für öffentliche Arbeiten und Ar- Gewicht zu legen und das wird die Hauptursache der Svaz des Herrn Hodač auch weiterhin großes das Kabinett Theunis hatte, fordern und sie Energische Untersuchung ficherlich auch erhalten. Es scheint, daß das P ar- beitslosigkeit de Man, der einen von der sozia- sein, warum diesmal der Herr Preiß mit ver­sicherlich auch erhalten. Es scheint, daß das Par­Wesemann hat auch einen deutschen Ge- I a ment von sich aus beschließen wird, seine liſtiſchen Partei gebilligen Arbeitsplan" ausge- föhnlichen Redensarten vorgeschickt worden ist. am arbeitet hat, der bei den sozialistischen   Parteien werkschafter aus Dänemark   verschlepptagungen für längere Zeit- man spricht anderer europäischer Länder sowie im Ausland schäßen, wollte man ihm zumuten, daß er nach Baris. Dienstag traf aus Basel   der Stell- von einem Jahr auszusehen. überhaupt großen Anklang gefunden hat. bertreter des Oberstaatsanwalts hier ein und ver Die neue belgische Regierung hat nach hörte in Anwesenheit tes französischen   Polizei außen hin den Charakter einer Regierung des Vandervelde tommissärs Frau Besemann, die auf einer öffentlichen Wohls". Den Vorbehalt, den Mini­Klinik in Behandlung ist. Am Nachmittag wurde sterpräsident Van Zeeland   in der Frage der auch Frl. Jacob- Salomon( die gemeinsame Ge- Währungspolitik gemacht hat, ruft in den politi­liebte Wesemanns und Jacobs; d. Red.) ver­

hindern.

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Man würde den Herrn Preiß aber unters Tepliß- Schönau nur einen fleinen Botengang für den um sein fettes Jahreseinkommen bangenden Herrn Hodač unternommen habe. Er hatte dabei sicher eine größere Aufgabe im Auge.

Stellvertreter des Premiers reiß warb in Teplit zugleich für eine gemein­Brüssel. Der Führer der belgischen So- fame fascistische Orientierung der tschechischen und deutschen Kapitalisten. Die Agitation der Nation vertreter des Ministerpräsidenten ernannt.

Im Zeichen

der Volksgemeinschaft

hört. Die Abendblätter bringen eingehende Met schen Kreisen die Vermutung der Möglichkeit zialistenpartei, Vandervelde, wurde zum Stell- nalen Einigung" der Herren Hodač und Stři dungen ihrer dänischen Korrespondenten, derzu einer Devalvation hervor, deren Bedeu­folge Dr. Wesemann im Jänner des heurigen tung abzuschätzen jedoch vorzeitig wäre. Die Re­politit von chauvinistischer Deutschfeindlichkeit. Jahres an der deutsch  - dänischen Grenze einen ge- gierung beabsichtigt eine Kontrolleder Der Hauptschlager dieser Leute ist, daß die gut weſenen reichsdeutschen Gewerkschafts- anken wahrscheinlich durch Vermittlung der nationale Partei des Pater Hlinka außerhalb der jetretär, der seit dem Hitlerregime in Stopen- belgischen Nationalbank einzuführen, ferner eine Regierung stehen muß, während zwei deutsche   Mi­hagen lebt, auf deutsches Gebiet gelockt hat. Er Senkung des 3ins fuß es von Gelb nister drinsißen. Bisher mußte jeder Beobachter werde bis heute in einem Konz   entra anleihen und eine Konversion der Staatsanleihen Ein Beispiel aus Danzig  zu dem Schlusse kommen, daß das Ziel der tionslager in Deutschland   gehalten. Seine durchzuführen. Sie wird eine Kürzung der Gruppe Hodač- Stříbrný- Mares die Wiederher Frau, die ebenfalls nach Deutschland   gelodt wurde. Arbeitszeit anstreben und die Wiederauf- tommt es wieder zu Zwischenfällen mit den Na- der Sozialisten, also die nationale Diftatur der Danzig  . Bei der Wahlkampagne in Danzig   ftellung der allnationalen Aera unter Ausschluß fei fürzlich freigelassen worden. Der Advokat von nahme der Beziehungen mit der Sowjet- tionalsozialisten. Teilnehmer einer nationalsozia- tschechischen und slowakischen Fascisten ist. Dabei Frau Jacob, Moro Giafferi  , fündigte an, schiveizerischen Regierung ablehnen würde, sowohl darstellt, sowie eine Wiedereinführung des Han- die Wohnung des sozialistischen   Abgeordneten daß über die Kassen des gemeinsamen Unterneh daß er, falls Deutschland   das Einschreiten der union, die eine Forderung der Sozialisten listischen Versammlung drangen gewaltsam in liegt hinreichender Grund zur Annahme bor  , mit der Sowjetunion Es Haager Internationalen Gerichts- daran erinnert, daß Ministerpräsident Van Zee- dermaßen, daß er in ernſtem Zustand in s fierung dieses Programmes geflossen ist. Preiz land sich bereits früher sehr energisch für eine rantenhaus geschafft werden mußte. witterte die Gefahr, daß die deutschen Unterneh hef hievon verständigen werde.