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Nr. 74
Donnerstag, 28. Marz 1935
15. Jahrgang
1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
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ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag m. fochova 42. TELEFON DC77. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR* WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR* DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .
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Die Führer der Kleinen Entente   beraten
Landbund in Abwehr Segen SHF Ausschlüsse aus der Partei Mittwoch fand in Prag   eine Sitzung der Reichsparteileitung des Bundes der Landwirte statt, welche sich mit den politischen Vorgängen in der letzten Zeit, mit dem Verhältnis zur SHF. und mit den Zuständen in der Partei selbst be­schäftigte. In dem parteiamtlichen Bericht heißt es u. a.: Gemäß Beschluß der Reichsparteivertretung vom 20. März trat heute der Reichsparteivorstond des Bundes der Landwirte'in Prag   zusammen. Die von allen vierzehn Kreisverbänden beschickte Sitzung befaßte sich zunächst mit der durch die ab­lehnende Antwort der SHF? sich ergebenden Lage und genehmigte einstimmig die Antwort an die SHF.- Unseren Berhandlungsleitern mit Minister Spina und Vizepräsident Zierhut an der Spitze, Wird der Dank und das Vertrauen ausgesprochen. Cs wurde festgestellt, daß durch die ab­lehnende Antwort der SHF. dem Bund der Landwirte d e r w e i t e r e W e g als selb­ständige politische Partei d.'s deutschen Landvolkes klar vorgezeich­net ist. Der Reichsparteivorstand beschloß di« nach der gegebenen Lage notwendigen organisatorischen und wahltechnischen Maßnahmen: Die vom Evkenntnissenat der Partei am 26. März l. I. verfügten Ausschlüsse aus der Partei wurden einstimmig zur' Kenntnis genom­men. Aus der Partei ausgeschloflen wurden: Der Genosienschaftsrevisor Jng. Franz Künzl IsBrünn), Lagerhausdirektor Anton Pfrogner  !(Mies), Bezirksvertrauensmann Wenzel Benisch, Landwirt(Elhotten bei Mies), Parteisekretär Heinrich Stuiber(MieS). Bezüglich der Wiederaufrichtung des Be­zirksverbandes Mies wurde das Notwendige ver­anlaßt. Es wurde neuerdings die E i n m ü t i g- leit der Auffassung in allen schwe­benden Fragen durch die Vertreter aller vierzehn Kreisverbände festgestellt.
Berlin   gegen Moskau  Hitler   verlangt 550.000 Mann Paris  . Aus den Berichten über die Berliner  Besprechungen der britiscken Minister mit Reichs­kanzler Hitler  , die im ersten Augenblick verworren schienen, da Zugeständnisse und Forderungen nicht voneinander klar geschieden wurden, ergeben sich in Paris   nach den übereinstimmenden Nachrichten der Berliner   Korrespondenten folgende Einzel­heiten: Die Forderungen werden folgendermaßen zusammengefaßt: 1. Deutschland   verlangt eine Landarmee von 850.000 Mann. Es ist bereit, die Herstellung von Tanks, und schweren Geschützen einzustellen, wenn alle übrigen europäischen   Mächte das gleiche tun. 2. Deutschland   verlangt eine Kriegsflotte von 420.000 Tonnen, das find 35 Prozent der Ge­samttonnage der britischen   Kriegsflotte. 3. Was das Militärflugwesen betrifft, ver­langt Deutschland   die Parität mit den stärksten Europäischen   Mächten. Die Zugeständnisse Hitlers   die nach den Berichten der Berliner   Berichterstatter der Pariser  Blätter nicht sehr zahlreich sind betreffen haupt­sächlich die Sicherung der Rheingrenze. Hitler   ist auch bereit, einen westeuropäischen Luftpakt abzu­schließen. Die Berichterstatter schildern die Lage so, daß Hitler   zu einem westeuropäischen Locarno  bereit ist, um im Osten freie Hand zu haben, und daß er insbesondere das sogenannte Ostlocarno, den Osteuropapakt entschieden ablehnt. Einige Blätter versehen ihre heutigen Be­trachtungen zusammenfassend mit der Ueberschrift »Berlin   gegen Moskau  ". Bombengeschwader mit drehbaren Geschütztürmen London  . Zwei englische Bombengeschwader werden zur Zeit mit meckanisch drehbaren Ge­schütztürmen ausgerüstet. Die Türm« sind an der Spitze des Flugzeuges angebracht, gewähren einen unbeschränkten Schußradius und erlauben selbst bei größter Geschwindigkeit unbehindertes und genaues Schießen.
Preßburg  . Der rumänische Minister für auswärtige Angelegenheiten Titulrscu mit Ge­mahlin und mit dem bevollmächtigten Minister Raicovieean« traf Mttwoch um 10 Uhr 45 aus Belgrad   in Preßburg   ein. Dem Gast wurde eine herzliche Be­grüßung zuteil. In seiner Antwort auf die Be­grüßung des Bürgermeisters führte Titulescu  u. a. aus: Als ich von Rumänien   abreiste und dann über Jugoslawien und die Tschechoslowakei  reiste, hätte ich den'Eindruck, als ob ich ständig Hause wäre. Zu diesem meinem Gefühle trägt auch die Anwesenheit des Herrn Ministers Dr. Benes bei, der ein Teil meiner selbst ist. Wir zwei sind eins. Man spricht von der Revision. Ja, wir nehmen eine Revision an, aber das ist die Revision unter uns. Wir wollen die Grenzen zwi­schen uns beseitigen, aber wir werden diese Gren­zen gegen ausländische Angriffe fest verteidigen. Die Beratungen des rumänischen Außen­ministers Titulescu   und des Außenministers Dok-' tor Benes wurden sofort nach der Ankunft des rumänischen Ministers in Preßburg   im Hotel »Carlton" ausgenommen. Die Beratungen wurden um halb 19 llhr beendet. Nach Abschluß der Beratungen empfingen di« Minister Titulescu   und Tr. Bene» die Jour­nalisten, denen Minister TituleScu   folgende Er­klärung abgab: Ich habe heute den ganzen Tag hiiidurch mit meinem Freunde Benes, ebenso wie gestern mit meinem Freunde Jevtiö, alle Zeitfragcn be-
Minister Titulescu   grüßte abend« vor der versammelte» Mass« beim Hotel in rumänischer Sprache den Präsidenten Masaryk  , dir Tschecho­slowakische Republik und die Slowakei  , was von der zahlreichen Bersammlung mit ungeheurem Beifall und mit Hochrufen ausgenommen wurde. Als sich die Akklamationen gelegt hatten, er­griff Minister Dr. Benes das Wort, der zu­nächst die Kundgebung Minister Titulescus ver­dolmetschte. Er sagte: Minister Titulescu ist von eurer Be­grüßung ergriffen und hebt insbesondere hervor, daß er sich unter euch wie zu Hause fühlt. Die Slowaken und die transsylvanischrn Rumänen, die Tschechoflowakrn und die Rumänen über­haupt, haben lange Jahre in Unterdrückung ge­lebt, heute leben sie in Freiheit und verstehen sie zu würdigen. Die schönsten Früchte für dir menschliche Zivilisation bringt eben die Freiheit. Unsere drei Länder sind auf immer in Einigkeit, Treue und in der Arbeit für das Recht und die Gerechtigkeit verbunden. Ich danke euch herzlich für eure heutige Manifestation. Ihr seid ge­kommen, den Minister des Arußern des König­reiches Rumänien  , Titulescu  , zu begrüßen. Jahre- lastg arbeite ich mit ihm zusammen und es be­reitet mir eine besonders große Freude, daß ich
Einberufung des britischen   Kabinetts London.  (Reuter.) Das britische  Kabinett ist noch für Mittwoch abends zu einer Sitzung zusammenberufen worden, um den Bericht Sir John Si­mons über den Berliner   Besuch entge­genzunehmen. London  . Das britische   Kabinett trat Mitt­woch abends im Unterhaus zusammen, um den Bericht des Außenministers Sir John Simon über seine Berliner   Aufgabe entgegenzunehmen. Da das Kabinett nicht die Absicht hatte, irgend­welche Beschlüsse über die in dem Bericht er­wähnten Fragen zu fassen, dauerte die Sitzung
handelt.' Wir konstatierten eine vollkommene Uebereinstimmung, so daß ich Ihnen mit Nachdruck bestätigen kann, daß das Vorgehen und Verhalten der Kleinen Entente  , und zwar im Zusammenhang mit allen gegenwärtig auftauchenden Fragen voll­kommen klar und einheitlich festgelegt ist. Ministerpräsident Jevtiö wurde telephoniscki über unsere Besprechungen unterrichtet, so daß ich das Recht habe, namens aller drei Staaten der Klei­ nen Entente   zu sprechen. Trotzdem die internatio­nale Lage ernst ist, sind wir fest überzeugt, daß der Frieden erhalten werden kann. Für die- Erreichung dieses Zieles bedeuten die römischen Abmachungen den Beginn einer völlig neuen Aera in der Politik Europas  . Ich kann Ihnen bestätigen und erklären, daß die Kleine Entente   zu einer aufrichtigen und loyalen Zusammenarbeit mit allen Staaten Mitteleuropa  ? willens und bereit ist. Nach unserer Ansicht sind die Londoner   Abmachungen sowie der Ostpakt sicherlich neue weitere Elemente der Sicherheit, die es uns erlauben, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken. Wir sind Diener des Friedens, aber gleich­zeitig auch Diener des Rechtes. Eben deswegen zielen alle unsere Bestrebungen darauf ab, daß das Recht siege, denn wir sind der Ansicht, daß ein fischt ailf dem Reckt gegründeter FrsWen eist Zeitabschnitt ist, der in Anarchie stürzen könnte." Minister Dr. Benes erklärte dann,,daß er sich der Kundgebung des Ministers Titulescu  , der er nichts hinzuzufügen habe, vollkommen an­schließe.
das bei dieser Gelegenheit neuerdings vor euch in der Slowakei   und in Bratislava   bestätige» kann. Politisch möchte ich noch folgendes sagen: Wann immer internationale Schwierigkeiten auf­tauchen, kommen die Minister der Kleinen En­ tente   zusammen. Sie verhandeln alle ernsten Angelegenheiten, sie verhandeln alle Fragen und einigen sich über die Lösung, wie dies auch heute der Fall war. In Ruhe, im Geiste der Sicher­heit erwägen wir die internationale Lage. Wir sind pnS unserer Pflichten bewußt, wir sind uns unserer Rechte bewußt, wir wissen insbesondere, daß die gegenseitig« Lage Ruhe, Sicherheit, feste Nerven erfordert. Abreise Titulescus Prrßbnrg. Der rumänische Außenminister Titulescu ist Mittwoch, um 19.45 Uhr, von der Bevölkerung stürmisch begriißt, vom HotelCarl­ton" zum Bahnhof gefahren, von wo er nach der Verabschiedung von, Minister Dr. Benes und den lokalen Faktoren um 20.13 Uhr über Wien   nach Paris   abreiste. Minister Dr. Benes reiste aus Preßburg   um Mitternacht nach Prag   ab.
nur 40 Minuten. Eine vollständige Denkschrift über seinen Berliner   Besuch wird Simon zu gegebener Zeit dem Kabinett unterbreiten. Man rechnet damit, daß der Außenminister Donnerstag eine kurze Erklärung über seinen Besuch im Unterhause abgeben wird. Inzwischen beobachtet man in amtlichen Kreisen über die Er­gebnisse dieses Besuches äußerste Zurückhaltung. Eden in Rußland MoSkau.(Tah). Auf der Durchreise nach Moskau   hat der britische   Lordgeheimsiegelbewah­rer Eden mit seinen Begleitern die Station Njego- reloje passiert. An der Grenze wurde er von dem Vertreter des AußenkommiffariateS Weinberg empfangen, der den Minister namens der Sow- setregierung und des Volkskommissärs des Aeußeren Litwinows begrüßte.
Der Trennungsstrich und was weiter? Der Beschluß deS Hauptrates der SHF, alle Verhandlungen mit dem Bund der Landwirte abzubrechen, kann nach der Entwicklung in den letzten Wochen niemanden überraschen und stellt nur den Versuch dar, die Schuld an dem Scheitern der Verhandlungen Aber eineVolksgemeinschaft" dem B. d. L. zuzuschieben und den Eindruck her­vorzurufen, als wäre es die SHF, welche als erste sich vom Verhandlungstisch zurückziehe. Jedenfalls macht dieser Beschluß nun auch formell dem untragbaren Zustand ein Ende» daß eine Regie­rungspartei, die in der freundnachbarlichen Zu­sammenarbeit mit dem tschechischen Volke ihre Hauptaufgabe erblicken will, die Patronanz über eine Partei ausübt, deren nationaler Radikalis­mus von ihrem wenig verhüllten fascistischen Charakter gar nicht zu sprechen trotz aller vom Munde Henleins sirupsüß ftießenden Loyalitäts­beteuerungen außer Frage steht und deren Sieg innerhalb der sudetendeutschen   Wählerschaft sicker nicht den Weg gangbarer machen würde, den der B. d. L. angeblich unentwegt wandeln will. Wie immer sich nach der Zerschlagung der Verbindungen und Bindungen zwischen SHF und B. d. L. die Verhältnisse gestalten mögen, die Trennung der beiden Parteien bildet einen neuen Abschnitt in der Geschichte der SHF und lohnt darum wohl einen kurzen Rückblick. Als die SHF gegründet wurde, wurde sie allseits freundlich und mit großen Erwartungen ausgenommen. Sowohl auf deutscher   wie auf tschechischer Seite. Vielfach wurde geglaubt, das große Wunder einer gründlichen Wandlung des nationalen Sudetendeutschtums habe sich nyn fak­tisch vollzogen. Der Kampf, den die deutschen  Sozialdemokraten gegen die nach der Auflösung der Hakenkreuzparteien neu errichtete Fascisten- front eröffneten,, wurde von ihnen allein geführt, die anderen staatsbejahenden Parteien nahmen eine abwartende Haltung ein oder sie erblickten in unserem Kampfe gegen die SHF nur den Aus­fluß politischen Konkurrenzneides, der niemanden andern etwas angehe. Sogar die Parteien der tschechischen Linken, daS darf wohl in aller Freundschaft gesagt werden, sahen unseren Wider­stand gegen die Henleinfront als eine Art Bor­niertheit gegen eine gesunde Entwicklung inner­halb der Sudetendeutschen   an und gaben sich der Illusion hin, die SHF verfolge gemäß der wieder­holten LoyalitätSbekundungen HenleinS keinen anderen Zweck, als den, die frühere Hitkersche Ge­folgschaft bei uns zu StaatStreue und demokrati­schem Denken zu erziehen. Auch die anderen tsche­chischen Parteien und ihre Presse bezeugten der SHF ihr Wohlwollen und mit voller Berechtigung verweisen dieLidove Noviny" in ihrem vor­gestrigen Leitartikel darauf, daß seinerzeit eine Reihe von Preßorganen die bange Frage aufwarf, ob die Aufgabe, die sich Henlein   gestellt habe, nickt über seine Kräfte gehe und ob ihm das Werk ge­lingen werde. Die ,,L. N." sprechen dabei nur von der deutschen   Presse, aber wir könnten genug Zitate anführen, daß auch viele tschechische Blät­ter Henleins Aktion mit wärmster Sympathie und totaler Blindheit für das, was sich wirflich voll­zog, begleiteten: Sehend und doch auch blind traten die deut­ schen   bürgerlichen Parteien der SHF entgegen. Sehend, weil sie keinen Augenblick an die zu durchsicktigen Zwecken erdichtete Fabel glaubten, die Mission der Heimatfront bestehe darin» die Ab­kehr der ehemaligen Hakenkreuzbekenner zu demo­kratischer Gesinnung zu bewirken: blind, weil sie nicht das geringste aus dem Schicksal vom Fascis- mus aufgefressener bürgerlicher Parteien lernen woflten und darauf vertrauten, die Zugkraft, welche die SHF zeigte, sich selber dienstbar machen zu können, wobei auch die Hoffnung, es werde ge­lingen, die verhaßte deutsche Sozialdemokratie von der SHF vertilgen zu lassen, eine bedeutsame Rolle spielte., Dem schwersten Irrtum verfielen jene/ die nur Henlein sahen und nicht die Kräfte, die den Turnlehrer mif den Schild erhoben hatten, doch da­bei selber aus wohlverstandenen Rücksichten im Hintergründe verborgen blieben- Die Auguren der bürgerlichen Parteien sahen in Henlein   den»nai­ven Mann", der recht gut dazu zu brauchen sein werde, ihnen di« Kastanien ans dem Feuer z« holen, aber Henlein, der wirklich niemals mehr als ein Turnlehrer war, der an sein Konzept gcbun-
Vie schönsten fruchte menschlicher Zivilisation bringt die Freiheit