Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

15. Jahrgang

Freitag, 29. März 1935

Arbeit für Arbeitslose Günstiger Verlauf

Weitere 180 Gesuche aus der produk­tiven Arbeitslosenfürsorge bewilligt

In der letzten Sitzung der intermi­nisteriellen Kommission für produktive Arbeitslosenfürsorge wurden auf An­trag des Ministeriums für soziale Für­forge weitere 180 Gesuche von öffent­lichen Bauführern um Beiträge für verschiedene Notstandsarbeiten bewil ligt. Der Staatsbeitrag beträgt drei Millionen Kronen, mit deren Hilfe 6586 Arbeitern Beschäftigung geboten werden wird, ungeachtet der Zahl je= ner Arbeiter, die infolge dieser Arbei­ten indirekt Verdienst finden werden.

Das Ministerium für soziale Für­sorge hat im heurigen Jahr bisher 914 Gesuche um Staatsbeiträge aus der produktiven Arbeitslosenfürsorge erle­digt und dadurch 38.092 Arbeitern di­rekt Beschäftigung verschafft.

Kabinett Sláwek   in Polen

Warschau.( Tich. P.-B.) Der Präsident der Republik hat mit der Mission der Kabinetts= nenbildung den Obmann des Regierungsblocks Oberst Walery Slawek   betraut. Der neudefi­gnierte Ministerpräsident hat die Mission ange= nommen und unverzüglich Konferenzen mit den in Frage kommenden Kandidaten aufgenommen. Die Kabinettsbildung ist noch Donnerstag abends oder spätestens Freitag früh zu erwarten. Man nimmt an, daß in das neue Kabinett Männer be­rufen werden, die zu den Autoren der Verfas­fungsreform gehören, da die neue Regierung die Wahlen auf Grund der neuen Verfassung durch führen soll.

Amerikas   Aufrüstung!

Washington.( Tsch. P.-B.) Außer einem Kredite von 38 Millionen Dollars für die Befe­stigung und Modernisierung der Marinebajis im Stillen Ozean stimmte die admerikanische Reprä­sentantenkammer den Anträgen zu, denen zufolge es fünftig möglich sein wird, alljährlich 400 neue Militärpiloten und 1000 neue Offiziere der ame= ritanischen Kriegsmarine auszubilden.

Freiwillig!

der Moskauer Verhandlungen

Ost- Regionalpakt und Fernost- Locarno?

Während nach den Berliner   Beratungen zwischen Sir Simon und Hitler festgestellt wird, daß sich wenig Gemeinsames in den Auffassungen Englands und Deutsch­ lands   ergeben hat, lauten die Reuterberichte aus Moskau   durchaus günstig. Eden und Lit­ winow   haben die Situation, wie sie durch die Berliner   Verhandlungen entstanden ist, gründ­lich durchbesprochen und es hat sich in keiner einzigen Frage eine ernste Meinungsverschieden= heit ergeben. Die Schlußfolgerungen, zu denen die beiden Diplomaten gelangten, stimmen in den entscheidenden Punkten überein.

Die Sowjetpresse begrüßte den englischen Sondergefandten mit großem Respekt und er­örterte ausführlich die Möglichkeiten einer Friedenspolitik, die sich auf die Sowjetmacht und auf England als die stärkste kapitalistische Macht Europas   stützen würde. Die If we stija" bespricht den Unterschied zwischen den Bündnissen der Vorkriegszeit, die eine Erhöhung der Kriegsgefahr bedeuteten und den regionalen Sicherheitspakten, die eine Verminderung der Kriegsgefahr darstellen, weil sie das Risiko für jeden Angreifer erhöhen.

Litwinow   soll mit Eden nicht nur die Frage des Ostpaktes in Europa  , sondern auch die Möglichkeiten eines Fernost- Locarno besprochen haben, das die russische  Oftgrenze gegen Japan   garantieren und Großbritannien   ermöglichen würde, auch zwischen Ja­ pan   und den USA   eine Sicherung zu schaffen.

Auf jeden Fall waren die Moskauer   Besprechungen fruchtbar und es scheint fast, als sollte sich im letzten Augenblick die West- Ostkoalition als Sicherung gegen Deutschland   anbahnen. Hit­ ler   hat offensichtlich im Vertrauen auf die Nachgiebigkeit der Engländer den Bogen überspannt und die Zugkraft seiner antibolschewistischen Heze überschätzt. England ist die letzte Macht, die sich in so wichtigen Entscheidungen von Gefühlen leiten läßt oder sich diese Gefühle von Goeb­ bels   vorschreiben ließe.

Berliner   Konferenz- ergebnislos

Deutschfeindliche

Demonstrationen in Polen  

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 75

Lasst alle Hoffnung fahren!

Die soziale Einsicht des deutschen  Unternehmertums

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Es gibt, was nicht allgemein bekannt sein dürfte,- da sich ihre Tätigkeit vielfach im Ver­borgenen abspielt eine Arbeitsgemeins schaft der deutschen wirtschaft= lichen Verbände", deren Geschäftsleiter der Herr Dr. Peters von der DAWG ist und der alles angehört, was scharfmacherisch und sozial reaktionär eingestellt ist, also natürlich in erster Linie der Deutsche   Hauptverband der Industrie. die Geschäftsstelle der deutschen Land- und Forst­wirtschaft, die deutschen   Großgrundbesizer, die Gastwirte, die Baumeister und

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nicht zu ver geffen der„ Bund deutscher   Hausbesitzerver= eine". So weit, so gut. Aber diese Arbeitsgemein­schaft gibt alljährlich ein Deutsches Wirtschafts­jahrbuch für die Tschechoslowakei  " heraus, dessen heurigen Jahrgang wir einmal einer etwas ges naueren Prüfung unierzogen haben, dieweil uns von den Herren Unternehmern verheißen ward, daß sich das Jahrbuch diesmal besonders mit den Fragen des Arbeitsrechtes und der Sozialpolitif beschäftigen werde. Einigermaßen verwundert über das unerwartete und überraschend aus dem Boden geschossene sozialpolitische Verständnis der Herren Urban, Westphalen- Fürstenberg und Hilmer nah­men wir das von Herrn Dr. Mislinger einem Unternehmersekretär, der die Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft in der böhmischen Landess rebigierte Jahrbuch zur Hand und wo wirs anpackten, fanden wirs interessant, Schon das Vorwort des Herrn Dr. Kislinger ist recht offenherzig. Nicht der Sozial­politik soll das Jahrbuch gewidmet sein, wie viel­leicht Neulinge glauben könnten, sondern dem Kampf gegen sie! Herr Dr. Kislinger, der es ber­steht, sonst immer den Angestelltenfreund zu spie= len, sagt das so:

vertretung repräsentiert

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„ Hatten wir im letzten Jahr auf für den Warenaustausch wichtige Mittel und Wege auf handelspolitischem Gebiete verwiesen, zeigen wir heute die Gefahren, welche durch Ein­griffe der Gesezgebung und Verwaltung auf einem anderen Teilgebiete der Wirtschaft ent­stehen.

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Die Mehrzahl der Maßnahmen dieser Art auf Grundlage der These von der Gegensäßlichfeit der Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstanden find schon deswegen unt= tauglich, Krisenfolgen, die Arbeitslosigkeit und gejuntene Kaufkraft wirksam zu bekämpfen

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London.( AR). An britischen amtlichen rungen auf Grund eines Abkommens beseitigen Stellen wird über das Ergebnis der Reise Simons werden, doch besteht Deutschland   auf vollfomme­nach Berlin   folgendes angedeutet: ner Gleichheit und reklamiert für sich das Recht, Ihr Ziel war, die entsprechenden Stand- die Bedürfnisse der Selbstverteidigung im Zusam­punkte der beiden Verhandlungsparteien vollkommenhang mit den bewaffneten Kräften der deut­men zu klären. Beiden Regierungen handelt es fchen Nachbarn zu bestimmen. Es verlautet, daß sich um die Sicherung und Stärkung des Friedens Hitler Konzeffionen auf verschiedenen Gebieten in Europa  , in bezug auf die Methoden jedoch, andeutete und die Bedingungen erwähnte, unter durch die dieses Ziel erreicht werden soll, gehen die welchen Deutschland   in den Völkerbund   zurück­Meinungen der beiden Parteien sehr auseinander. kehren würde. Während die britischen   Vertreter angelegentlich den Grundsatz des Kollektivsystems verteidigten, wurden von deutscher   Seite in Berlin   Sondersicle formuliert, die nur durch eine unabhängige Außenpolitik erreichbar sind. In Angelegenheit des | Ostpaktes, des Paktes betreffend die Nichteinmi- Warschau. In Kattowik kam es bei schung in die inneren Angelegenheiten Desterreichs, einer Protestversammlung der polnischen Orga­in den Abrüstungsfragen und in der Frage der nisationen gegen die Unterdrückung der polni­Rückkehr Deutschlands   in den Völkerbund zeigte es schen Minderheit in Deutschland   sowie gegen die sich während der Unterredungen, daß zwischen den Verweigerung des Oeffentlichkeitsrechtes an das Wie englische und französische Blätter mit- deutschen und den englischen Gesichtspunkten nur einzige polnische Gymnasium in Beuthen  , zu teilen, haben die deutschen   Behörden der Schwei  - wenig Gemeinsamkeiten bestehen. stürmischen antideutschen Demonstrationen. In für eine„ Gefahr", er hält nichts vom Klassen= Herr Dr. Kislinger hält also Sozialpolitik zer Gesandtschaft in Berlin   mitgeteilt, daß sich Die deutschen   Einwendungen zum Osteuropäischen der Versammlung wurde eine Resolution ange- tampi, wenigstens von dem nicht, den die Arbeiter Jakob freiwillig(!!) auf deutsches Pakt waren bereits früher gut bekannt und blei nommen, in der die Zurückziehung des Deffent- gegen die Unternehmer führen. Darum widmet er Gebiet begeben habe, dort zufällig identifi- ben unerschüttert. In der Abrüftungsangelegenlichkeitsrechtes aller in Polen   bestehenden deut- ein ganzes Buch dem Klaffenkampfe de: Unterneh= ziert und daraufhin festgenommen worden sei. heit spricht sich Deutschland   im Prinzip für die schen Gymnasien bis zur Gewährung der gänz- mer gegen die Arbeiter! Aber wer etwa etwas von So frech und dumm zugleich ist wohl selten ge- Einschränkung der Rüstungen aus und ist bereit, lichen Gleichberechtigung für das polnische Schul- einer Gegenfäßlichkeit der Interessen behaupten auf jene Waffen zu verzichten, die andere Regie- wesen in Deutschland   gefordert wird. Nach der wollte, der wäre schon deswegen untauglich, die Versammlung durchzogen etwa 4000 Demon- Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir sind also ge­stranten die Straßen der Stadt, sangen anti- spannt zu hören, wie sich etwa der deutsche und patriotische Lieder und versuchten Deutsche   Hauptberband der Indu= vor dem Gebände des deutschen   Generalkonsulates strie, dessen Prager   Generalsekretär und Erpo­in Kattowik feindselige Kundgebungen zu ver- nent Herr Dr. Kislinger ist, die Be anstalten. Sie wurden jedoch von der Polizei an fämpfung der Wirtschaftstrije ihrem Vorhaben verhindert. Eine Gruppe von vorstellt. Leider erfahren wir aus dem ganzen Demonstranten veranstaltete vor dem Gebäude Wirtschaftsjahrbuch darüber nichts, rein gar des deutschen   nationalistischen Blattes in Kat- nichts. Dafür unterrichtet Herr Dr. Rudolf& er= towik, der Kattowißer Zeitung", stürmischen egg, Generalsekretär der Arbeitgeberhauptstelle des Deutschen Hauptverbandes der Industrie,- antideutsche Kundgebungen. daß die Herrschaften ihren Korporationen immer so ausgefallene Titel geben!- die Leser über die Entwicklung des Arbeitnehmerschußes in der Tschechoslowakei  ". Wer die Artikel des Dr. Fernegg in der„ Bohemia" verfolgt, in denen er gegen jede einzelne sozialpolitische Maßnahme der Regierung

logen worden!

Quorum von 125.000 Stimmen

Voraussetzung für die Beteiligung am 2. Skrutinium

Prag. In der Regierung wurde am Don-! Wahlgang erlangte Mandat auf jeden Fall aner­nerstag eine Einigung über das neue Wahlgesetz kannt, in das zweite Strutinium werden jedoch erzielt, welches u. a. durch die Einführung des so- nur diejenigen Listen kommen, welche im ganzen genannten„ uorum s" die Bildung von Staatsgebiet wenigstens 125.000 gültige Stim­Splitterparteien hintanhalten soll. men auf sich vereinigt haben. Listen, welche in Das Gesetz wird Bestimmungen über eine feinem Wahlkreis die Stimmenzahl erreichen, teilweise Neuabgrenzung der slowakischen Wahl- bleiben( falls der heutige Ministerrat nicht noch kreise und die Neuerung enthalten, daß auch nach anders beschließt) auch nach dem neuen Gesetz ohne

sind.

Das sogenannte Quorum, das ist die Min­

mandatslos.

Goebbels   legt

die Memel  - Walze ein

P

Berlin.  ( DNB.) Aus allen Teilen Deutsch  Ausschreibung der Wahl Reklamationen möglich Rücksicht auf die erreichte Gesamtstimmenzahl lands laufen Meldungen über leidenschaftliche die Unternehmerargumente aujanunenträgt, wird Protesttundgebungen ein, die in den verschieden schon auf manches gefaßt sein. Aber das, was sich Die Numerierung der Kandidatenliste, welche ſten Städten gegen das Urteil im Memelländer da an unsozialer Einsichtslosigkeit. an sozialpoli deststimmenzahl, welche zur Erlangung einer par- bisher durch das Los erfolgte, wird sich von nun Prozeß veranstaltet wurden. Großen Umfang er- tischer Rückständigkeit, an antisozialer Gesinnung lamentarischen Vertretung notwendig ist, wurde an nach der Zahl der bei den jeweils letzten Wah- reichten die Proteſtversammlungen in Leipzig  , wo offenbart, das hat niemand erwarten tönnen. Was mit 125.000 festgesetzt. Bisher war es nur not- len abgegebenen Stimmen richten, so daß die 900 Redner der deutschen   Arbeitsfront in etiva glaubt man, warum hat die Sozialpolitik nach dem wendig, daß eine Liste in einem beliebigen Wahl- stärkste Partei die Nummer eins erhalten wird. 1000 Betriebssammlungen sprachen. Die an den Kriege einen großen Aufschwung genommen? Nicht freis ein Mandat erzielte, um mit den Reſtſtim- Die Reihenfolge der zum ersten Male kandidieren- Reichskanzler gerichteten Telegramme sprechen etwa infolge des Erwachens des Maffenbewußt­men aus den anderen Wahlkreisen im zweiten den Parteien wird weiter ausgelost. das gläubige Vertrauen Aller zu den Maßnah- seins breiter Arbeiterschichten, nicht etwa infolge Das Gesetz soll schon heute dem Abgeord- men aus, die er ergreifen werde, um den Deut- des Entstehens der Arbeiterbewegung, nicht etwa Strutinium eventuelle weitere Mandate erhalten schen im Memellande ihr Recht zu verschaffen. infolge der tiefgehenden Gärung, die der Zusam­

zu können. Nunmehr wird zwar das im ersten netenhaus vorgelegt werden.