IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung hag XU., fochova a. telefon 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR« DR. EMIL STRAUSS  , PRAG  .
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15. Jahrgang
Samstag, 3V. März 1935
Nr. 76
270V Textilarbeiter streiken Mährisch-Ostrau  . In Mistel und in Friedel ist heute früh ein Streik der Textilarbeiter aus­gebrochen. In der Textilindustrie diese- Gebietes fanden nahezu drei Jahre hindurch Verhandlun­gen über einen Koklektivvertrng statt, die jedoch ergebnislos blieben. Die Löhne ware«einigeMale herab­gesetzt worden. Gestern vormittags fan­den die letzten Verhandlungen beim Bezirksamt« in Mistel in Anwesenheit der Vertreter der Be­hörden statt» aber auch diese brachten kein Er­gebnis. Nachmittags fand ein« Versammlung von 1500 Textilarbeitern statt, in welcher be­schlossen wurde, in de« Streik eiqzutrrten. Heute ist kein Arbeiter mehr zur Arbeit erschienen. In Mistel streiken 1500, in Friedek 1200 Arbeiter. In beiden Städten herrschte bis 8 Uhr Ruhe.
Devalvation des Belga: 25 Prozent Brüssel.  (EB.) Der belgische Minister­präsident van Zeeland hat in der Regie­rungserklärung die Devalvation der Währung m» 25 Prozent angekündigt. Die Maßnahmen zur Neuordnung werden Sonntag in Straft treten. Die Nationalbank sichert die Stabilität der belgische« Währung im Ausland« durch eine» Ausgleichsfonds und wertet provisorisch den Gold­vorrat der Nationalbank bei einem Kurse auf, der 25 Prozent der Entwertung mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Wert ausmacht. Die Regierung unterwirft die B a n k e n einer Kontrolle, sie wird bestrebt sein, ein« Herabsetzung der Steuer­lasten herbeizuführen und wird eine R e e e S- kompteanstalt sowie einHypothe- tarinstitnt errichte«,«m so eine Herab­setzung des Zinsfußes zu ermöglichen. Die Re­gierungserklärung fordert zum Schluffe, daß der Regierung auf die Dauer eine- Jahres eine Sondervollmacht erteilt werde und sie fordert weiter die Erneuerung der Beziehun­gen zu Sowjetrußland. Die belgische Kammer nahm mit 133 gegen 11 Stimmen den Regierungsentwurf über die Gewährung außerordentlicher Kredite für die Regierung an. In einer Rachtsitzung behandelt die Kammer die Gesetzentwürfe über die Wäh­rungsreform und über die außerordentlichen Voll­machten für die Regierung.
Das französische   Parlament in Permanenz - Paris.(Havas.) Die Nachtsitzung der fran­ zösischen   Kammer schloß nach 3 Uhr früh. Der Antrag, daß das Parlament bis zum 28. Mai in die Osterferien gehen solle, wurde mit 362 gegen 238 Stimmen abgelehnt. Ein wei­terer Antrag, daß die Parlamentsferien bis zum 21. Mai dauern sollen, wurden mit 300 gegen 255 Stimmen abgelehnt. Eine aus der äußer­sten Linken und dem rechten Zentrum bestehende Mehrheit forderte, daß das Parla­ment angesichts der internationalen Lage und zwecks Verabschiedung der Sozial« Vorlagen dauernd tage. Schließlich vertagte sich die Kammer, nachdem sie mit 342 gegen 238 Stim­men beschloffen hatte, daß die nächste Sitzung Samstag stattfinden soll.
Klddentrop In Ungnade? Pari-(Havas) meldet aus Berlin  , daß dort Freitag vormittags in einigen politischen Kreisen Gerüchte verbreitet wurden, denen zufolge Hft- lers Vertrauensmann für Abrüstungsfragcn von Ribbentrop in Ungnade gefallen sei. Er wird für die Indiskretionen der englischen Journalisten, zu denen cs während der deutsch­englischen Besprechungen gekommen sei, verant­wortlich gemacht.
Ein typischer Fallchristlicher Milde Kabinett Lerroux   von den Katholiken gestürzt weil dem Henker 21 Opfer entzogen werden I
Madrid. Das spanische Kabinett hat nach dreistündigem Ministerrat beschlossen, den aus dem Oktoberaufstand in Asturien   bekannte» Sozialist e n f ü h r e r Pcn a, der bekanntlich znm Tode verurteilt worden war, z« begnadigen. Gleichzeitig mit ihm wur­den zwanzig weitere znm Tode verurteilte Aufständische begnadigt. Dieser Beschluß hat die der katholischen Bolksaktion, den Agrarier« und den Liberaldemokraten angehörenden Kavinetttsmitglieder veranlaßt, ihren sofortigen Rücktritt bekanntzugeben. Durch diese« Beschluß.wurde das Kabinett handlungsunfähig und Lerroux   mußte dem Staatspräsidenten den Rücktritt des Gesamtkabincttes anzeigen. Voraussichtlich wird die ne« zu berufende Regierung sich parteipolitisch mehr oder weni­ger aus den gleichen Kräften wie die eben zurückgctretene rekrutieren. Einen tieferen Sinn würde diese Krise dann haben, wenn G i l R o b l e s, der Führer der stärksten Partei der ka­tholische« Bolksaktion, sich entschlösse, die Regierung selbst zu bilden und die Mehrzahl der Mi­nister für das neue Kabinett zu stellen. Rach den bisher vorliegenden Nachrichten scheint Gil Nobles selbst aber den Zeitpunkt hierfür noch für verfrüht zu halten.
kngland blickt nach Moskau  Günstiger Verlauf der Besprechungen Die Chancen einer Aslen-Relse Hitlers RuBlandhetze erfolglos
Während des ganzen Freitag fan­den»wischen Lord Ede« und Litwinow  Besprechungen statt, über die noch keine amtlichen Nachrichten(anher über formelle Begrüßungen und Depe­schenwechsel vorliege«, wohl aber zahl­reiche halbamtliche und Preffe-Aeuße- rungen, die alle feststellen, daß die Be­sprechungen günstig verlaufen,daß die Mißhelligketten zwischen London  und Moskau   geklart wurde« und daß Lord Eden überzeugt ist, daß Hitlers  Beschuldigungen gegen Rußland  grundlos sind. Man hofft auf ein Re- sultat nicht nur für Europa  , sondern auch für Asien  . London  . Das Interesse der Londoner   Blät­ter wendet sich nunmehr Moskau   zu, wo zum ersten Male seit der russischen   Revolution ein bri­tischer Minister zu einem offiziellen Besuch ein­getroffen ist. Der Moskauer   Sonderkorrespondent der Time S" meldet, daß Litwinow Eden in sehr offener Weise die seit zwei Jahren fortschrei­tende Verschlechterung der sowjetrussisch-deutschen  Beziehungen geschildert und die Aussicht ausge­sprochen habe, daß die Einführung der Wehr­pflicht in Deutschland   eine' ganz neue Lage ge­schaffen habe. Nach Ansicht der Sowjetregierung sei die Haltung Englands am Ende vielleicht für Frieden oder Krieg entscheidend. » Stresa   muß genügen Eine scharfe Italienische   Warnung an Deutschland Rom.Gazetta del Popolo" schreibt in einer offenbar inspirierten Korrespondenz: Man könne jetzt keine Zeit verlieren mit inhaltlosen«nd trügerischen Konferenzen. Eine Konferenz sei einberufen, nämlich die von Stresa  , und daS sei gut so. Diese eine müsse aber anch genügen. Ent­weder müsse Stresa   dir Möglichkeit der Verständi­gung mit Deutschland   ergeben, d. h. Deutsch­ land   müsse die Abmachungen von Rom   nrid London   annehmen, dann könne man verhandel«, oder aber diese konkrete Möglichkeit bestehe nicht, «nd dann müsse für die d e f t n s i v e Organisationdes Friedens ernstlich gesorgt werden.Corriera della Sera  " sagt, die englische Taktik»nd Initiative, die schließlich biS nach Berlin   geführt habe, verpflichte Rom   und Paris   n i ch t. I« Stresa   werde Italien  daS ganze Gewicht seine- Willens durch Mussolini  zur Geltung bringen.
Der diplomatische Korrespodent desDaily Hera l d" melde:, daß bei den gegenwärtigen Unterredungen Asien   eine wichtige Rolle spielen werde. Möglicherweise sei die be­vorstehende Zusammenkunft zwischen Eden und Stalin   der erste Schritt zu einem aufrichtigen englisch  -russischen Einverneh­me n i n Asien  . Der Korrespondent derNews Chro- n i c l e" meldet, es sei nicht unwahrscheinlich, daß Litwinow   die Möglichkeit eines Fernostpak- t e s zwischen Großbritannien  , Rußland   und Ame­ rika   anregen werde, entweder mit Teilnahme Ja­ pans   oder, wenn dieses nicht bereit sei, ohne Ja­pan.- Reuter meldet aus Moskau  , daß die Fragen des Fernen Ostens eine hervorragende Rolle gespielt haben. Die schwierige Lage daselbst und die Unverletzbarkeit Chinas   sind Fragen, die die englischen und sowjetrussischen Staatsmänner in gleichem Maße interessieren. Man nimmt an, daß unter den besproche­nen wirtschaftlichen Fragen ein an Rußland   zu gewährender Kredit eine Rolle spielte. M o S k a«. Ein« Persönlichkeit nuS   der Umgebung EdenS schilderte ihre» Eindruck von dessen Zusammenkanft mit Stalin  , die, wie all­gemein versichert wird, in einer ungewöhnlich herzlichen Atmosphäre stattfand, folgendermaßen: Wenn es noch kein Abkommen ist, so ist eS doch bereit- ein gute- Einverneh- men.* * Rom  . Der Staatssekretär im Kriegsministe­rium, General Baistrocchi, machte im Se­nat bei der Verhandlung des Wehrbudgets pro- grammatische Angaben über den Sand des Hee­res, das /den Bedürfniffeneines modernen Krie­ges vollkommen g e w a ch s e n sei. Wann ein Krieg ausbreche, so führte der General aus, könne niemand voraussehen. Man könne aber be­haupten, daß er f a st P l ö tz l i ch, d. h. nach wenigen Tagen polittscher Spannung ausbrechen würde, Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, sich von niemanden zuvorkommen zu lassen. Der Be­wegungskrieg sei für Italien   eine gebieterische Notwendigkeit. Baistrorchi schloß: ,Hn April  «erden wir rund 600.000 Mann unter den Waffen haben, die vollkommen ausgerüstet und in geschloffene Einheiten gegliedert sind. Wir sind, wie Mussolini  vor wenigen Tagen sagte, f ü r j e d e Auf­gabe b- reit, die uns daS Schicksal stellen wird. Kein Ereignis wird«ns unvorbereitet überraschen."
Von der Memel bis zur Marne  »Von der Maas   bis an die Memel  ", so steht es im Text des Deutschlandliedes.lieber alles m der Welt", lautet die Apotheose. Wiewohl man in den Kohlrübenjahren des StahlbadesUnter alles in der Welt" gesungen hat. Weil es Tirpitz damals so brauchte und die Unterseeboote modern waren, dazu die große Sehnsucht Tirpitz', die bekanntlich viel Geld gekostet hat. Es waren die Ersatzleistun­gen für die Schiffe, die Tirpitz mit derUnter alles in der Welt"-Ideologie zu versenken sich sehnt.e... Die Mentalität des deutschen   Volkes ist eine eigenartige. In ihrer Gesamtheft sind die Deut­ schen   bestimmt bessere Tragöden, als es die allen Griechen sein konnten. Diese haben wenigstens noch gedacht. Auch wenn sie von der Polizei zu den staatlich veranstalteten Massenspielen geschleppt worden sind. Für die Griechen blieb es Spiel. Den Deutschen   jedoch ist es Ernst. Alle werden sie zu unmittelbaren Akteuren. Und sind deshalb oft ge­nug Tyrannen und politischen Hochstaplern auf­gesessen. Immer sind sie lang(in der Zeft) ge­wachsen und haben nichts hinzugelernt. Denn die Sehnsucht war ein Erbstück. DaS haben Ebert und seine Mitarbeiter rich­tig erkannt. Sie gaben den Deutschen   das Deutschs landlied(obwohl das deutsche   Volk damals die Internationale ebenso widerspruchslos hingenom­men hätte). Aber die damalige Regierung wollte dem Voll zeigen, daß' sie ein Deutschland   der Einigkeit, des Rechtes, ein Deutschland   der Frei­heit, des Friedens und ein Deutschland   der Treue will. Die Regierung wußte nur zrrgift, daß das auf der größenwahnsinnigen'monarchistischen Ba­sis eingebrochene Deutschland   sich bescheiden müsse, daß es die Ehrlichkeit seiner Gesinnung und die Redlichkeit seines Tuns zuerst unter Beweis zu stellen habe, bevor es im Föderaftv-System eines demokratisierten Europas   wieder einiges zu sagen haben werde. Die Regierungen dieser Absichten beschritten bewußt den Weg der Erfüllungspolitik. Und in der harten Schule des staatlichen Lebens müßte manch einer umlernen. Nur so konnte erreicht werden, was das Deutschland   der Demokratie seinen Bcr- tragsmächten abgerungen hat. Aus diesem Grunde entbehrt es einer gewissen Demagogie nicht, wenn heute behauptet wird, das Deutschland   von heute sei nur von Versailles   her denkbar. Wohl ist es beim ersten Besehen richtig. Und ist eben deshalb grundfalsch. Wo die Logik bleibt? Fragen wir die Deutschen   und ihre Geschichte. Die Wiege des Hitlerismus. standi-nVersailles. Dort, iw St. Germain und Trianon haben jämmerliche Dilettanten in den Jahren 1918 und 1919 eine Well verteilt, die sie nicht verstanden haben. Und sich auch keine Mühe gegeben haben, die zu verteilende Welt ver­stehen zu lernen. Womit man die bösen Geister der Chauvinisten aller Länder zittert hat. Unter ihnen befand sich der Bräunauer Anstreicher, der mit einem Bauche voller Winde schwanger ging und sie nicht los werden konnte. Aus den Vvrstellungen halben Denkens träumte er von der Umgestaltung eines Reiches. Mit den alten Ladenhütern aus der Gerümpelkammer des im schwärzesten Oesterreich gescheiterten Ritter von Schönerer machte er sich auf den Weg. Am Rande dieser Heerstraße begeg­neter ihm die Programme fortschrittlicher Par­teien. Nach den Methoden literarischer Freibeuter hat er Stück um Stück in Anwandlung literari­scher Erinnerung ausgenommen und diese einer trostlosen, einer zerfleischten und denkfaulen Mit­welt als tieffte Erkenntnisse eines genialen Geistes verkündet. Die Anstreicher verstehen sich aber be­kanntlich vortrefflich auf das Zurechtmachen einer Fassade. Und wenn die Anstreicher schon am Werke sind dex Grundton der Farbe ist für sie die Hauptsache. Weil dieser Grundton die Hauptsache für die Beschauer ist. So mußte der unglückselige Heinrich von Treftschke herhalten und den Grund­ton hitleristtscher Totschlagwörterlehre liefern.Aus einem schwangeren Bauch voller Winde, von vielen Vätern gezeugt, erblickte der Hitlerismus das Licht der Welt. Als einzig übriggebliebene Heilslehre alle? Deutschen  . Es war eine Mißgeburt. Damit Nicht manch ejnem, der das liest, der Atem ausgehe,, soll ein neuer Absatz begonnen werden. Denn auch das nordische Deutschtmn kam. als Mißgeburt an das Licht dieser leidgeprüften Well. Zu jener Zeft nämlich, wo sich die deutschen