«r.77 Sonntag, 31. März 1935 Seite 5 Luftschutz als demokratischer Abwehrkampf Zum Regierangsentwurf eines Luftschutzgesetzes III*) Das Problem der Abwehr von Fliegerangrif- sen hat noch ein wichtiges Teilgebiet, das in seiner drohenden Gröste wohl geeignet ist, zum besseren Verständnis des Lustschutzgesetzes und seiner Be­weggründe beizutragen. Ich meine die Krage der Evakuierung, der Räumung sener Städte, die von Luftangriffen-stark bedroht sind. Lyon 1930. Im Juli 1930 fanden in Krankreich grosse Luftmanöver statt, u. zw. über dem Stadtgebiet von Lyon . Wie alle solchen Uebungen, ergaben ste die Unmöglichkeit, die Einwohner mit.den Mit­teln des»aktiven Luftschutzes"(Horchgeräte, Signaldienst, Scheinwerfer, Kliegerabwehrkanonen und Jagdflugzeuge) wirklich zu schützen. Damals bat zum erstenmal eine Manöverleitung in ihrem Bericht einen Gedanken ausgesprochen, der nach den Erfahrungen im Weltkrieg nahe genug lag, der aber die ungeheure Verschärfung der Gefahren durch die neuen Kriegsmittel zeigte. Vergleichen wir die Aussage Ludendorffs in seinen Memoiren, dass im September 1918 bereits Luftangriffe auf Paris und London mit Elektron-Brandbomben vorbereitet waren und nur im letzten Augenblick vom Obersten Heereskommando eingestellt wurden; und berücksichtigen wir, dass hingegen die Vor­bereitende Kommisfion der Abrüstungskonferenz am 2s. April 1929 den Antrag, den Bombenabwurf auf Städte des Hinterlandes zu verbieten, ab­gelehnt hat; so erscheint die Proklamation des Generals Serrigny. des Leiters der Lyoner Lust­manöver, nur als Kolgerung aus den Tatsachen: dass nämlich die Sicherheit der städtischen Bevöl­kerung auf keine andere Weise gewährleistet werden kann als durch Evakuierung der bedrohten Städte. Was bedeutet das? Sowie der Krieg er- klärt ist, ja vielleicht von einem Kriegsausbruch ohne Kriegserklärung an, find die Verkehrs- und Industriezentren jederzeit in Gefahr, durch Flie- gerangriffe in Trümmer gelegt, in Brand gesteckt und mit Giftgasen verpestet zu werden; und die Bevölkerung muss logischerweise schleunigst die Stadt verlassen, um nach Kriegsende vielleicht in ein rauchendes Trümmerfeld zurückzukehren. Schon 1929 hatte der massgebendste deutsche Kackmann, Dr. Hanslian, der stets den»übertriebenen Ge-! rächten" entgegentrat, über die Räumung der j Städte geschrieben:»Eine solche Räumung kann ganz plötzlich notwendig werden und ist dann, wenn auch noch so sorgfältig vorbereitet, nichts als eine Klucht für das nackte Leben, verbunden für die überwiegende Mehrzahl mit Kussmärschen unter Mitnahme des Notwendigsten, Nebernachten unter freiem Himmel, iw Baracken oder Zelten im wei­teren Umkreis der Stadt." Die Panik, welche der fliehenden Bevölkerung droht, hat der deutsche Major Helders in dem 1932 erschienenen Buch Luftkrieg 1936. Die Zertrümmerung von Paris " in den düstersten Karben geschildert. Wer nicht im eigenen Auto aus der Gefahrenzone entweichen kann, ist aufs schwerste bedroht. Ganz gleich! Da nun einmal der Luftkrieg nach dem Willen der Mächtigen vorbereitet wird, so ist auch die Aufgabe der Evakuierung gestellt und muss in Angriff genommen werden, trotz allen Schwierigkeiten organisatorischer, technischer und finanzieller Art. Der erste Staat, der ste in An­griff nahm, ist derselbe, der auch den Luftangriff durch massierte Klugzeuggeschwader als erster ver­kündete und vorbereitete: das fascistische Italien . DaS italienische Beispiel. Eine deutsche Kachzeitschrist referierte im November 1934 über die e l f Luftschutzgesetze Ita­ liens und berichtete unter anderem:»Eine In­struktion über das Problem der Räumung wird gegenwärtig ausgearbeitet. Eine vollständige und für die ganze Kriegszeit geltende Räumung wird *) Siehe die beiden Artikel vom 25. u. 28. d. M. Teplitzer Theaterbrief Aus den Treuhänden einer Arbeitsgemeinschaft hatte die Direktton Richter(Vater und Sohn) das Teplitzer Stadttheater im Sommer 1934 über­nommen und ihre Spielzeit am 1. Oktober 1934 eröffnet. Die Erinnerung an das ftichere Wirken des Direktors Richter im alten Stadttheater verbrei­tete in der Oeffentlichkeit die Zuversicht, dass es den neuen Leitern gelingen werde, den Thcaterbettieb bei Erhaltung eine» angemessene« künstlerischen Niveaus sowett zu stabilisieren, dass man nicht wie­der wie im Falle Scherler nach einigen Wochen den finanziellen Zusammenbruch fürchten musste. In den Kreisen der Theaterfreunde und -besucher fehlte e» auch nicht an Bemühungen, der neuen Direktton die Wege zu ebnen und sie vor allem durch Werbemassnahmen verschiedenster Art zu unter­stützen. War man sich doch dessen bewusst, dass das Theater dringend einer wenigstens annähernd ge- sichetten Entwicklung bedurfte, um sich von den Er­schütterungen der ersten Beftandsjahre zu erholen. Es kam anders I Zum vertraglich festgelegten Termin, dem 15. Feber 1935, überreichte Direkwr Richter dem Stadttat seine Kündigung, derzu« folge er mit 80. April laufenden Jahres di« Theater­leitung niederlegt. Er selbst begründete diesen Schritt in»allererster Linie" damit, dass»die Aus­gaben grösser find als die Einnahmen", und dass et nicht in der Lage fei, das aufgelaufene»Defizit ein zweites Jahr zu ttagen". Tirettor Richter verwies in einan an die Oeffentlichkeit gerichteten Interview für alle diejenigen Personen vorgesehen, die weder; dem militärischen noch dem öffentlichen, noch dem Luftschutzdienst angeboren. Die Instruktion sieht unter anderem eine Stattsttk für alle in Krage kom­menden Orte vor, die folgende Angaben enthält:. 1. die Zahl der Personen, die die Stadt sofort ver­lassen;. 2. die Zahl der in der Stadt bleibenden Personen; 3. die Zahl der von amtswegen zu em- feinenden Personen, für die Abwanderungsziel, Transportmittel, Abzugstag, Verproviantierungs­möglichkeiten vorzusehen sind. Die Gemeinden geben Kragebögen aus, in denen die Bürger anzu­geben haben, ob sie im Kriegsfälle die Stadt vo» sich aus verlassen wollen, wohin sie sich begeben werden und über welche Mittel sie verfügen. Andernfalls haben sie zu begründen, weshalb sie die Stadt nickt verlassen können und wohin sie bei einer Zwangsräumung gebracht werden wollen. Weiters enthält die Instruktion Richtlinien für die Gemeinden oder Ortschaften, welche die Flüchtlinge aufzunehmen haben. Die Unterbringung erfolgt in behelfsmässigen Holz- oder Steinbaracken." Bei aller Gründlichkeit, mit der hier das autoritär regierte Italien seine Hilfsmittel aus­nützt, erfährt man doch nicht, wie die»behelfs­mässig untergebrackte" Bevölkerung, sofern sie nickt über ausgiebigeMittel verfügt", auf Kriegsdauer ihr Leben fristen soll. Ein Beispiel für die Grösse der Aufgaben, vor welche hier der Staat gestellt ist. Sieht die Regierungsvorlage die Räumung vor? Sie erteilt den Behörden die Ermächtigung zu den notwendigen Verfügungen. Im 8 6 heisst Nachdem nun der Hersteflung freundschaft­licher Beziehungen mit Russland die Unterzeich­nung des Handels- und Schiffahrtsvertrages ge­folgt ist, ist die Bahn frei für eine engere Ver­knüpfung auch der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowa­ kei . Der Handels- und Schiffahrtsvertrag ist ein sogenannter Rahmenverttag, für dessen Erfolg entscheidend ist, mit welchem Anhalt er erfüllt wird. Bei dem russischen Handelssystem schafft ein Handelsvertrag tatsächlich erst die Rechtsgrundlage für wettere Verhandlungen, für einen Warenaus­tauschvertrag und für andere Abkommen, die dann insgesamt erst den Warenverkehr mit Sowjetrutz» land in Fluss bringen können. ES werden also mit dem unterschriebenen Verttag die Voraussetzungen für die Belebung des Handelsverkehrs zwischen den beiden Ländern ge ­schaffen. Bisher war der Außenhandel der Tsche- choflowakei mit Russland geradezu fläglich. Er be- trug dem Warenwerte nach: Einfuhr Ausfuhr Millionen Millionen . Ki. XL 1934 98.« «1.9 1933 112.8 77.4- 1932 133.8 120.8 1931 278.1 489.5 1930 301.6 828.1 1929 256.7 258.7 Auch in feinem Gesamtumfang blieb der tschecho­slowakische Außenhandel mit dem 170-Millionen- staat Rußland weit hinter dem zurück» den er mit Staaten mit einer Bevölkerungsziffer von 12, 10 Millionen und weniger aufweist! Dir Möglichkeiten einer starken Jntrnsievierung des Handelsverkehrs sind also gegeben» selbst wenn man die fortschreitende Industrialisierung Rußlands berücksichtigt. Wenn auch diese steigende Industrialisierung immer mehr Waren für die Hundertsicbzig-Miflio- nen-Devölkerüng hervorbringt, so lehrt die Ge­schichte der Wirtschaft doch, dass die Jndustrielisie- rung eines Gebietes den gegenseitigen Handels, I Verkehr mit anderen Staaten nicht herabsetzt, son­dern steigert. Diese Tatsache wird durch die starke Einfuhr­drosselung, die Russland in den letzten Jahren es:»Die politische Behörde ist berechtigt, wenn Gefahr im Verzug ist, weitere notwendige Vor-' kehrungen zum Schutze von Fliegerangriffen zu treffen, notwendige Anordnungen und Verbote polizeilicher Art zu erlassen"; und der Motiven- bericht sagt zu der Stelle:»In Betracht kommen da namenüich die vollständige oder teilweise Eva­kuierung besonders bedrohter Orte...", so dass man sieht: die Gesetzgeber denken in der Tat an die Räumung der Städte. Kür uns aber ergibt sich die Krage, wie wir uns zur Bolbereitung her Evakuierung einstellen sollen. Es geht doch wohl nicht an, dass unsere Parteivereine und Kulturorganisationen einer so umwälzenden Sache passiv gegenüberstehen. Die Krage der aktiven Mitwirkung zeigt die Schicksals­schwere der Probleme, vor die uns das Gesetz stellt. Im Kriege wurden natürlich die Entscheidungen einheitlich durch die militärische und politische Be­hörde getroffen. Die Vorbereitungen jedoch, welche schon lange vorher beginnen mussten, um Erfolg zu haben, können nicht ohne die Mtthilfe der Bevölkerung geschehen. Das zeigt sogar die Instruktion für die so stramm.regierten Italiener. Auch die Frage der Evakuierung kann in demokra­tischer Form gelöst werden; dann freilich wird sie vielleicht am meisten dazu beitragen, dass die wirk- lich« Grösse der Gefahr erkannt wird. Oder sie erfordert dittatorisch« Massnahmen, welche die Be­völkerung schon lange vor dem Kriege unter starken behördlichen Druck setzen. Die Aufgabe schneidet tief in das Volksleben ein und wir dürfen uns ihr nicht entziehen. E. B. durchgeführt hat, nicht aufgehoben. Diese Einfuhr­drosselung wird von den Sowjetbehörden viel mehr als in anderen Ländern als eine Waffe in der Handelspolitik systematisch angewendet. Sehr auf­schlussreich ist in dieser Hinsicht ein Bericht, der im Organ des Volkskommissariats der Sowjetunion »Sa Jndufttialisaziu" soeben erschienen ist und einen ausführlichen Kommentar zu der Rede lie­fert, die der Auhenhandelskommissar Rosengolz auf dem vor kurzem stattgefundenen Sowjetkon­gretz in Moskau gehalten hat. Das offiziöse Mos­ kauer Wirtschaftsblatt schreibt, dass die erhebliche Drosselung der Sowjeteinfuhr in den letzten Jah­ren keineswegs als Beweis dafür dienen könne, dass Sowjetrussland sich von dem Ausland abschlie- tzen wolle. Sie bedeute vielmehr, dass die Sowjet­regierung»die Hebel der Regulierung des Im­ports fest in die Hand genommen" habe und dass nur günstige Bedingungen sie veranlassen können, die Einfuhr zu erweitern. Von besonderer grund­sätzlicher Bedeutung seien die vom Auhenhandels- kommiffar Rosengolz in seiner Rede vertretenen Anschauungen, die eine vofle Gleichberechtigung /und Gegenftttigkeit in^ Handelsverkehr- der- So- itvjetunion mit dem Ausland fordern. Die Sowjet­ union werde nicht in einem Lände kaufen, in dem sie keine Absatzmöglichkeiten habe. Eine weitere Be­dingung seien normale Preise für die Sowjetauf­träge und normale Zinssätze für die Kredite. Die Sowjetregierung habe bereits in der letzten Zeit in ihrer Bestellpolitik die Praxis verfolgt, ungün­stige Kredite für Sowjetausträge abzulehnen und sich auf Barkäufe zu beschränken, was eine Ein­schränkung der Handelsbeziehungen mit den be­treffenden Ländern zur Folge haben müsse. Die der Sowjetunion für ihre Bestellungen eingeräum­ten Kredite mühten indessen nicht nur billig, son­dern auch langfristig sein. Für die Sowjetregie­rung bestehe kein Zwang mehr, zwecks schnellerer Jndusttialisterung ihrer Wirtschaft technische Aus­rüstungen unter Inanspruchnahme kurzfristiger Firmenkredtte zu kaufen. Den ersten Platz in der Sowjrteinfuhr würden diejenigen Länder einnehmen, mit denen die Sowjetregierung die Handelsbeziehungen für längere Zeit auf der Grundlage langfristiger Kredite regeln könne. Die von dem Moskauer Wirtschaftsorgan als Voraussetzung für rege Handelsbeziehungen auf­gestellten Bedingungen erscheinen durch den tsche­choslowakisch-russischen Handels- und Schiffahrts­vertrag als erfüllt. Diese Auffassung ist anlässlich der Unterzeichnung von der sowjetrussischen Tages­presse zum Ausdruck gebracht worden. Die Mos­kauer.Jswefttja" schreibt, dass das abgeschlossene Abkommen einen ständigen Charakter habe, für längere Zeit vereinbart wurde und die Gesamt­heit aller, der zwischenstaatlichen Regelung unter­liegenden Wirtschaftsfragen umfasse. Sie verweist ausdrücklich darauf, dass hie hochentwickelte tschechoslowakische Industrie alle Vorbedingungen besitzt» um eine angemes-- sene Stelle unter jenen Staaten einzunrhmen, die ihre Produkte nach Rußland exportieren. Als eine Garantie für die Entwicklung des Han­delsverkehrs wird hervorgehoben, dass die tschecho­slowakischen Handelskreise noch vor der Verein­barung des Handelsverttages auch die kredit­mässigen Bedingungen geschaffen haben, die für die Entfaltung der normalen Wirtschaftsbeziehungen nötig sind. So gross die Genugtuung innerhalb der Ar­beiterschaft über die Herstellung enger polittscher und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Tschechoslowakischen Republik und Sowjetrussland ist, noch grösser wäre die Freude, wenn sich die Hoffnungen auf einen starken Auffchwung des Auhenhandels zwischen den beiden Ländern erfül­len würden und als eine Folge dieser günsttgen Entwicklung die Arbeitslosigkeit unter der Jndu- striearöditerschaft unseres Staates einen erheb­lichen Rückgang erfahren würde. Abschaum 6er Menschheit" I Die letzten Berichte der französischen und Schweizer Behörden über den Stand der Unter­suchung im Falle Jacob nennen neue Namen, die in mehr als einer Hinsicht interessant sind. Als Komplicen Wesemanns werden der Vizedirektor des Propagandaminitzeriums, Dr. A s ch m a n n, und der.Journalist Georg Schwa rz bezeichnet. Aschmann versteht gleichsam den Aussevspitzeldienst der Gestapo und gibt den draussen arbeitenden Agenten die Direktiven. Dieser Aschmann mimte in republikanischer Zeit einmal den Ueberdemokraten, um Karriere zu machen. Noch drei Jahre vor Anbruch des Diktaturregimes bezeichnete er die Nazis als Abschaum der Menschheit" und seinen jetzigen direkten Vorgesetzten Dr, Goebbels als eineMischung aus Verbrecher und Geisteskranke n". Jener Georg Schwarz aber, der heute gleich­falls für den deutschen Spitzeldienst arbeitet, war einmal kommunistischer Chefredak­teur und bot sich noch knapp vor Torschluss für antinationalsozialistische Spit­ze Id ie n st e an. Zwölf Wochen danach aber mel­dete er sich bei der NSDAP als Parteimitglied und übergab dort gleichsam als Beschwichti­gungsgeldkompromittierendes Material" über die Kommunisten, das zum Teil auf seiner eigenen Betätigung fußte! Dieser Mensch, der be­reit wär«, für Geld alles, selbst das abgründigste, zu tun, ist heuteangesehener" Paradespihel der­jenigen, die er selbst bespitzeln wollte I Mehr Haadel mit Rußland ! auf dir zu erwartende Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse, auf die schädigenden Bestimmungen des Landesamtes be­treffs Beschäftigung von auSländi« schenKünstlern, auf unausbleibliche Erhöhun­gen des Budgets durch Forderungen des Büh­nenbundes und Orchesters und schließlich auch auf geringe Theaterfreudigkeit der Teplitzer Bevölkerung. Ohne auf die Gründ« der Direftion Richter hier im einzelnen«inzugohen, muss doch ausgesprochen werden, daß der Bühnenbund und der Orchester­verband durch die Presse sofort in Erklärungen er- widetten, dass von ihnen keinerleiForderun- g e n erhoben wurden, die eine Mehrbelastung des TbeaterbettiebeS zur Folge hätten. Dieser Brief will sich grundsätzlich darauf beschränken, die Tat­sachen auszusprechen. Zu einer kritischen Betrach­tung wird ein andermal Gelegenheit sein. Das muh man der Direktton Rickter zugestehen, dass sie in dem halben Jahre ihrer Betricbsführnng bemüht war, eine wirtschaftliche Basis zu gewinnen.und sie zu erhalten. Ob die dabei benützten Mittel immer weitfichttg gewählt waren, soll augenblicklich nicht untersucht werden. Die Direktoren Richter eröffneten die Spielzeit im Oktober 1934 mit ollen drei Spielgattungen. Ein Ensemble aus 27 Solokräften stand im festen Vertragsverhältnis. Es war im weitesten Sinne nach»fliehenden Grenzen" zusannnengestellt, waS Wohl am deutlichsten daraus ersichtlick wird, dass die Opernalttstin im Laufe der sechs Monat« von der Carmen über die lustige Witwe und verschiedene Schauspielpartten bis zum Kindermärchen so ziem­lich alles gespielt hat, was innerhalb, ausserhalb, oberhach und unterhalb ihres Faches liegt. Die wa­genden Fächer in Oper und Operette blieben unbe­setzt; für sie lud man von Fall zu Fall Fremde zu Gaste. Auch im Schauspiel fehlten entsprechende Vertreter für den erste«. Bonvivant, di« Salondame, die Mütterspielerin u. a. m. lieber solche Mängel versuchte der Betrieb mit einer Rrklameentfalttmg ohnegleichen Hinwegzukommen. Teplitz war in den beiden Monaten ein Theater, der unüberbietbaren Sensationen". Als der Glaube an diegroßen Gäste" und dieerstklassigen Besetzungen" langsam zu Wanken begann, setzte eine Ausverkaufs-Preis­politik ein, die fast nur«roch Vorstellungen»zu Kino­preisen". brachte und natürlich einen EntrüstungZ- sturm der Mbonnentcn auslöste. Freilich wurde durch die niedrigen Preise von 4 bis 18 KC und von 2 bis 6 Kl das Theater für weite Bevölkerungs­schichten erschlossen, die sonst für den Besuch, nicht hätten gewonnen werden können. Es kann auch gar nicht bezweifelt werden, dass nur niedrige Preise zum wahren Volksrheater führen können. Wer sie haben ihre Voraussetzung in Subventionen. Im Massen- Abverkauf allein lassen sie sich nicht erzwingen, ohne durch die dabei unvermeidbare Hast im Auffüllen des SpielplaneS das künstlerische Niveau bedcnflich herunterzudrücken. Vor allem aber kann man »Kinopreise" nicht auf Kosten der Gagen und durch einen Raubbau an der Arbeitskraft der Künstler er­reichen. Am ersten Weihnachtsfeiertag gab das> Teplitzer Ensemble nicht weniger als sechs Vorstel­lungen und zwei Saalveranstaltungen l Bei einer durchschnittlichen Solistengage von 1500 XL(die sich ergibt in einer Spanne von 750 XL bis zur nur einmaligen Prominentengage von 4000 K£).' Der Spielplan freilich war noch nie so mannig­faltig wie in den sechs Monaten der Direktion Rich­ter und man kann vereinzelten tüchtigen Leistungen die Anerkennung nicht versagen. Bei nächster Ge­legenheit kann darüber berichtet werden. Im all­gemeinen ließ aber der überhastete Bettieb keine ge­wissenhafte Durcharbeitung der Werke zu; obgleich die Darsteller mit Aufgebot aller Kraft und voller Hingabe ihrer Aufgabe oblagen. Die übersichtlich« Kennzeichnung der Situation kann abgeschlossen werden mit dem Urteil, dass die Direktton Richter vor allem bemüht war, den Betrieb finanziell zu sichern und dass ihr daS für die zu End« gehende Spielzeit gelungen ist. Freilich nur soweit, dass sie ohne Lasten den Mschied nehme^ kann. Die künstlerische Leistung steht der wirtschaftlichen nach. Mer sie verzeichnet achtbare Einzelerfolge. Im Augenblick läuft noch die Neuausschreibung des ThealerS. Ein grosser Ansturm an Bewerbun­gen ist nach so vielen wirtschaftlichen Misserfolgen nicht zu erwarten. Darin nimmt nun freilich Teplitz keine Sonderstellung ein es repräsentiert nur die Situation des sudetendeutschen Theaters überhaupt: es ist ohne staatliche Unterstützung nicht mehr lebens­fähig, wenn eS nicht seine künstlerisch-kulturellen Aufgaben preiSgeben und ein AuSverkaufsmarft für billige Unterhaltungsware werden soll. E. Thöncr.