ZENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
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ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xiufochova a. Telefon hoff. HERAUSGEBER* SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  ! WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR* DR. EMIL STRAUSS. FRAG.
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15. Iahrgang
Samstag, 6. April 1935
Nr. 82
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Paris  . Der am Samstag unter dem Bor­des Präsidenten der Republik stattfindende
' gebnis der neuen von der Regierung BanZee- land inaugurierten Politik zu erblicken habe. Während unter den vorangegangenen Regierun­gen die Arbeitslosigkeit im Brüsseler Bezirk von 2300 Arbeitslosen im Juni 1930 auf 23.000 bis zum Dezemb'r 1934 gestiegen ist, macht sich die neue Politik der Regierung, in der auch fünf Sozialdemokra t en sitzen, schlagartig in solcher rapider Abnahme. der Arbeitslosigkeit geltend.
Angrltt aut«len Hsllrmckgulklen Prag  . Die internationale Spekulafion unter­nahm am Freitag einen konzentrierten Angriff avf den holländis chenGulden und in etwas geringerem Maße auch auf den Schweizer Franken  , Ueber ihre Er- fÄgsaussichten bestehen geteilte Meinungen: aus der einen Seite wird behauptet, daß die Situa­tion in Holland   grundsätzlich anders sei als vor kurzem in Belgien  , denn die Möglichkeit der lleüerwindung einer vorübergehenden Panik sei bei den holländischen Banken viel größer und aussichtsreicher als in Belgien  ; andererseits fehlt jS nicht an Stimmen, daß Holland   dieser Offen­sive nicht standhalten können und dem Beispiele Belgiens   folgen wird. Am Vormittag verzeichnete der holländische Gulden nur geringfügige Abbröckelungen, da­gegen erlitt er am Nachmittag einen scharfen Rückgang. Der Kurs des Hollandguldens be­wegte sich gegen Abend in Paris   auf 1010. bis 1014., während die amtliche Notiz vom Bor­tag noch 1020.80 lautete, in Zürich   ging er von 207.92% auf 206.25 zurück. In New Dork setzte Auszahlung Amsterdam   Mit 66.80 gegen, einen letzten Schlußkurs von 67.26 ein. In Prag  konnte sich der internationale Rückgang noch nicht auswirken, Amsterdam   verlor hier nur 3 flö amd notierte 1610., holländische Guldennoten schloffen mit 1600., Als vorläufige Maßnahme der holländischen Zettelbank ist die Erhöhung des Diskontsatzes um 1 Prozent zu erwähnen.
Vie erste Hinrichtung in Saloniki Athen  . Der zum Tode verurteilte Eska­dronchef B o l a n i s der Garnison   in Derrs ist »m Freitag in Saloniki erschossen worden.
sitze Ministerrat wird die Hauptrichtlinien der Stel- lungsnahme Frankreichs   auf der Konferenz in Stresa   beschließen. Frankreich   wird ein Memo­randum Vorschlägen, das die französische   Be­schwerde beim Völkerbund unterstützen soll, sowie einen Resolutionsentwurf, der vom Lölkrrbundsrat angenommen werden könnte. In Paris   würde es begrüßt werden, wenn dieser Reso­lutionsentwurf gemeinsam von Frankreich  , England und Italien   in Genf   unterbreitet werden könnte. Es scheint, daß die Konferenz in Stresa   zu einem Einvernehmen über das Problem der Orga­nisierung der Sicherheit Europas   auf Grund einer alleuropäischen Formel führen könnt«, zu deren Beantragung die französische   Regierung durch die deutsche   Intransigenz bewogen wurde, die die neue Situation geschaffen hat. Es scheint, daß diese Basis von allen Anfang an auch für die Sowjet­ union   annehmbar wäre. Was die Unabhängigkeit Oesterreichs   anbe­langt, so besagt, eine Pariser   Information, daß die französische   Regierung an dem römischen Abkom­men vom 7. Jänner festhält. Sn neuer plan Mussolinis? P a,r.i s. In hiesigen Kreisch, wird Musso­ lini   die Absicht, in Stresa   einen neuen Plan vorzulegen, zugrschrieben. Mussolini   erhebt angeb­lich keine Einwendungen gegen den Ostpakt, messe ihm aber keine erhebliche Bedeutung bei. Mussolini  würde es gern erreichen, daß auch Polen   dem Donaupaktr veitrete. Bisher ist der Oeffentlichkeit nichts Näheres über den neuen Plan Mussolinis bekannt. London  : Hoch keine Entscheidung London  . Zur Frage der Teilnahme Mac­donalds an der Zusammenkunft in Stresa   sagt der parlamentarische Mitarbeiter der»Times", das sei gegenwärtig bestimmt nicht die Absicht des Premierministers. Das Kabinett sehe in der Zu­sammenkunft nur die letzte von einer Reihe erkun­dender Besprechungen. In Stresa   werde es sich nicht darum handefii. Entscheidungen von Bedeu­tung zu treffen. Sollte es auf Grund der Ergeb-
Roosevelts Milliarden­investitionen gesichert Washington  . In einer gemeinsamen Tagung einigten sich die Vertreter des Senates und des RepräseMatenhauses ans einen Bermitt- lungsvorschlag für die Nothilfevorlage. Der Vor­schlag steht vor, daß 25 Prozent der Kosten aller staatlichen Bauvorhaben für Arbeitslöhne ausgrge- bcn werden müssen. Die Regierung soll, wie ver­lautet, mit diesem Vorschläge einverstanden sein, so daß die endgültigeAn nähme der 4880 Millionen Dollar vorsehenden Rothilfevorlage sichergestellt sein dürfte. Das Repräsentantenhaus hat den Gesetzent­wurf bereits genehmigt und ihm dem Senate ab­getreten.
Sperber:Hiefür hat der Angeklagte ein glänzen­des Alibi, denn am 12. Feber befand er sich be­reits in Hast." Als der Angeklagte Karl T h a m- b o r n i n o die Behauptung der Anklage hinsicht­lich der erwähnten Zusammenkunft des Republi­kanischen Schutzbundes widerlegte, begannen die Zuhörer zu klatschen, worauf der Vorsitzende mit der Räumung des Saales droht«. Auch der Angeklagte Ludwig Di e n st l widerlegte in gleicher Weise die Anklage. Nur der Ange­klagte Karl Kirchenberger gestand, daß sich in seinem Bezirke Waffen befanden und daß der Plan bestand, vor der Kaserne am Rennweg und auf der Simmeringer Hauptstraße Barrikaden zu errichten/ allerdings'für den Fäll eines
In Brüssel   Arbeitslosigkeit um zehn Prozent gesunken Innerhalb zweier Tagei Der BrüsselerPeuple  " verzeichnet für den Bezirk B r ü s.s e l eine plötzliche Wiederaufnahme der Arbeit in den verschiedensten Industriezwei ­gen. Maßgebende Stellen schätzen, daß im Zeit ­raum von nnr zwei Tagen zrhuProzrntder Arbeitslosen Beschäftigung fanden. Seit dem Be ­ginn der Krise, das ist für Belgien   seit dem Juni 1930, wurde niemals eine so bedeutende Arbetts- wiederausnahmc festgestellt und es bestünde kein Zweifel, daß man ig dieser Tatsache das erste Er-
Wleder Beifallskundgebung für den Schutzbund Wien  . Im Prozeß gegen die 21 Angehöri ­gen des Republikanischen Schutzbundes wurden bisher acht Angeklagte verhört und das Verhör im wesentlichen abgeschloffen.. Die Angeklagten er ­klärten zum größten Teil, unschuldig zu sein und von geheimen Waffenverstecken in ihren Bezirken nichts gewußt zu haben und zu wissen. Ueber die krifische Zusammenkunft des aufgelösten Republi ­kanischen Schutzbundes im Jänner 1934 erklärte der Angeklagte Heinrich H a d, daß es sich bei ihr nur um einen Kampffonds gehandelt habe. Als ihm der Vorsitzende vorhielt, daß er den AufruhrI im Gemeinde-NeubauGoethehof" vorbereitet n a t i o n a l i st i s ch e n P u t s ch e s. Samstag und organisiert habe, rief dsr Verteidiger Doktor I beginnt die Zeugeneinvernahme.
Die Londoner Emigrantentragödie Mord oder Selbstmord? Auch der Freitod der Genossinnen Wurm und Dr. Dora   Fabian wäre eine Tragödie. Denn auch im günstigsten Falle, wenn nicht vor jedem Tagr aufs neue das Gespenst des Hungers sich erhebt, wenn bescheidene Daseinsfristung möglich ist, ist das Leben in der Emigration düster und schwer. Auch wenn erwiesen würde, daß Genossin Wurm und Genossin Fabian fteiwillig aus dem Leben schieden, wäre der Nafionalsozialismus ihr Mör­der. Er hat sie aus dem Lande, in dem sie seit jeher gelebt, in dem sie gearbeitet haben, vertrieben, er hat ihren Hausrat und ihre Bücher beschlagnahmt, er hat ihre Lebensarbeit zerstört. Gehetzte und Ge­jagte, Bespitzelte und Verfolgte, mühsam um die bloße Erhaltung des Lebens Ringende, das sind die politischen Emigranten, jeder nur vorläufig der niedrigen Rache der Sieger, dem weitreichenden Arm der Gestapo   entronnen, keiner sicher vor dem Lose der Lessing und Formis und Jacob. Auch wenn Emigranten ein solches Leben nicht mehr als Leben wert erscheint, auch wenn am Sinn ihres Daseins verzweifelnde Emigranten in den Freitod gehen, darf man von einer Tragödie sprechen. Aber haben Genossin Wurm und Genossin Fabian Selbstmord begangen? Ist Selbstmord wahrscheinlicher als Mord? Solange die Obduktion der Leichen nicht er­folgt ist, bleibt man im Zweifel über die Art des Todes, Scotland Uard hat die Obduktion auf de» 10. April verschoben. Die Untersuchuugsorgane von Scotland Dard sollen, wie eine Londoner  : Meldung besagt» einen Selbstmord für wahrscheinlich halten. Sie meinen, daß die beiden Frauen fälschlich be­fürchteten, daß sie zur Rückkehr nach Deutschland  gezwungen würden, weil ihre Aufenthalsbewilli-- gungen in den nächsten Tagen erlöschen sollten und die britischen Behörden die Gesuche um Verlänge­rung noch nicht beantwortet hatten. Aber es ist ganz ausgeschlossen, daß sie wirklich den Zwang zur Rückkehr nach Deutschland   fürchteten! Ausge­schlossen! Denn Politikerinnen wie Wurm und Fa­bian wußten, daß sie du^ch die Ablehnung der wei­teren AufenthaltsbewilligungVn' zwar zu neuer Asylsuche in einem anderen Lande, keineswegs aber zur Rückkehr nach Deutschland   gezwungen gewesen wären. Diese Befürchtung kann nicht vorhanden und deshalb auch nicht die Ursache eines etwaigen Selbstmordes gewesen sein. Man kann annehmen, daß Frauen leichter unter den Leiden der Emigration zusammenbre­chen als Männer, daß ihre Seelen eher zermürb! werden. Aber die beiden Genossinnen waren kei­neswegs bloß Gefühlssozialistinnen, waren sehr geschulte Marxistinnen, waren erfahrene Politi­kerinnen, und sahen ihr Leben nicht als sinnlos an, weil sie selber ihm Sinn gaben durch Arbett. Ge­nossin Dr. Fabian hat ein Buch WerDie Frauen unter dem Fascismus" geschrieben, sie hat erst kürzlich die Uebersetzung eines englischen Proleta- rierromanes vollendet und war voll Arbeitsfreude. Sie hat auch gefaßter als viele andere das Emi­grantendasein ertragen. Erst vor wenigen Wochen schrieb sie einem unserer Redakteure.Ich mag Dir kein Lied, vom Emigrantenelend vorsingen,' denn davon Hörst Du in   Prag genug. Ich kann auch nicht einmal besonders klagen, denn ich habe hier recht gute FWlung mit der Bewegung und habe mich so weü akklimafisiert, daß ich mich nicht mehr fremd fühle. Zum Glück sind ja dxr Sozialismus und unsere Bewegung nicht auf das Land be­schränkt, in dem wir gerade geboren sind."»Das ist nicht die Sprache einer Verzweifelten! Nun ist gewiß«mch ein Stimmungsum­schwung vorstellbar, kann Depression jäh die bei­den Frauen erfaßt haben. Aber.,. Aber es spricht so viel dafür, daß sierricht Selbstmord begangen haben. Uhr ,Tod kommt der Gestapo   sehr gelegen! Die Genossinnen Wurm,und Fabian hatten eine sehr gute Kenntnis der deut-, scheu Politik und dex in ihr tätigen Menschen, hat­ten auch sehr gute internationale Verbindungen. Sie kannten auch Wesemann und wußten, was von ihm zu halten war. Sie haben mitgewirkt an der Enthüllung des Spitzels und an der llnmög- lichmachung seiner weiteren Tätigkeit, sie haben dem schweizerischen Prokurator Ganz, der mtt der Untersuchung des Falles Jacob betraut ist, In­formationen Wer Wesemann angeboten. Die bei­den Frauen, vor allem Dr. Fabian, waren wich-?
Vorbereitungen für Stresa Heute Ministerrat in   Paris
Litauischer Protest in Berlin  Berlin. Der litauische Gesandte in   Berlin hat im Namen seiner Regierung eine Note an den dvttschen Reichsaußenminister gerichtet, in der gegen die Einmischung Deutschlands   in die inner» Angelegenheiten Litauens   protestiert wird. In diesem Proteste wird besonders Nach­druck darauf gelegt, daß in der deutschen   Presse und iM deutschen   Rundfunk eine hetzerische Propaganda gegen Litauen   betrieben wird. Weiters wird gegen die jüngsten Demonstrationen anläßlich des Ur- teils in   Kaunas vor der litauischen Gesandtschaft in   Berlin und vor den litauischen Konsulaten in Deutschland   protestiert. Und umgekehrt... Nach einer Meldung aus K a u n a s hat der dortige deutsche Gesandte dem litauischen Außen­minister einen Protest wegen der letzten antideut­schen Demonstrationen in   Kowno überreicht. » Gouverneurwechsel Im Memelland  Kaunas. Der Gouverneur des Memel­gebietes, Navakas, hat seine Demission gegeben. Zum Gouverneur wurde der ehemalige Präsident der Landwirtschaftskammer in   Kaunas, Kur- kauskas, ernannt.
nisse von   Stresa möglich werden, Deutsch­  land zur Teilnahme an einer späteren Konferenz einzuladen, dann könnte mög­licherweise die Anwesenheit des britischen   Premier­ministers wünschenswert sein. Edens gefährlicher Flug  London. Minister Eden ist Freitag vor­mittags aus   Köln mit dem Zuge abgereist und kehrt über   Ostende und   Dover nach   London zu­rück. Das Flugzeug, mit dem der Minister den Flug nach   London in   Prag antrat» hatte sehr schwierige Flugbedingungen zu bestehen. Ueber Kassel geriet der Apparat ist eine breite Schneegestöbe r-Z o n e, sodaß die Sicht im Handumdrehen auf ein Minimum herabge­setzt war; dazu kamen noch harte seit- l i.ch e Windstöße und nur der Ge- schicklichkeit des Piloten Armstrong war es zu verdanken, daß die Landung auf dem   Kölner Flugplätze sicher und glatt verlieft Minister Eden war beim Verlassen des Flugzeuges derarttg er­schöpft, daß man einen Arzt rufen mußte, der die Anzeichen von großer Müdigkeit. und Er­schöpfung feststellte und auf der Einschaltung einer Ruhepause für die Dauer der folgenden Nacht bestand. Eden hat während der letzten 14 Tage nahe­zu 3500 Meilen zurückgelegt und es gab wäh­rend feiner Beratungen in den von ihm besuch­ten Hauptstädten keine einzige Minute, die nicht mit Verantwortlichen Besprechungen mit frem- den Staatsmännern, gesellschaftlichen Verpflich­tungen und anderen unvermeidlichen, aber er­müdenden Aufgaben einer solchen diplomattschen Reise ausgefüllt gewesen wäre. Edens Eile, sobald als möglich nach   Lon­don zu kommen, ist sehr erklärlich, denn er wird sogleich nach seiner Ankunft den führenden Mi­nistern über seine Reise Bericht erstatten, und zwar noch vor der Abgabe seines Exposee vor dem gesamten Kabinett am kommenden Montag. Daraufhin wird Eden sogleich alle Borbercitun- gen zu seiner Reise mit Sir John Simon zur Konferenz von   Stresa treffen. Sir John Simon wird Dienstag im Unter­haus eine Regierungserklärung über die Ergeb­nisse der diplomattschen Reisen abgeben. DieuStag nachmittags fahren Simon und Eden nach   Stresa.