Sonntag, 14. Aprll 1935 Nr. 89 15. Jahrgang Einzelpreis 70 Heller («inKhll.filich 5 H.ll.r Porto) 1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH, Redaktion und Verwaltung mag xii, fochova ü. teiefon 5X77. HERAUSGEBER■ SIEGFRIED TAUB . CHEFREDAKTEURi WILHHJA NIESSNER. VERANTWORTLICH« REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG . Das Konterfei des Herrn Doderer des Vertrauensmannes Henleins Was eine bürgerliche Zeitschrift über Doderer berichtet einer der besonderen Missionäre der SHF ist der Herr Doderer. Er hat, wie wir vor kurzem berichteten, nicht nur für die Stärkung des Wahlschatzes der SHF durch die Industrie zu sorgen, sondern wirbt auch Anhänger in den Greifen der Industrie für Henlein . Er hält Borträge, um den Fabrikanten die Überzeugung zu bringen, dass die SHF wert sei, von diesen unterstützt zu werden. Wer dieser Ber- tvauenSmann Henleins ist, haben wir schon . einige Male dargetan, aber man kann eS nicht oft genug sagen, um den Arbeitern und Angestellten klarzumachen, in welche RaöAarschaft sie kommen, wenn sie sich zur SHF einfangen lassen. Nun konnte mm unS aber Vorhalten, wir seien bei der Beurteilung der Qualitäten dieses ManneS nicht objektiv. Deshalb scheint eS angebracht, einmal eine Stimme aus jenen Kreisen zur Geltung zu bringen, denen Doderer selbst angehört. TuS geschieht nun, indem wir einen Auszug des Artikels bringen, der Sams« I tag, den 13. d., in der.Wirtschaft", dem Organ für Hmrdel, Industrie und Landw'rr- schaft, erschienen ist und von Herbert Faffer gezeichnet wurde. Dem, waS die„Wirtschaft über Doderer sagt, wird man Glauben schenken muffen, denn diese Leute haben keine Ursache, einen der ihren grundlos blostzustelleu. *>t dem Artikel heißt es u. a.: .Die Zeiten ändern sich... auch Zenkraltirektor a. D. Ang. Richard Doderer , ehemals Herr der Eisenwerke Rothau-Neudek. Er war wirklich der Allmächtige, der über da- Wohl und Weh von Tausenden zu entscheiden hatte. Die Danken waren beglückt, mit der Gesellschaft in Verbindung zu stehen, durften ihre Mittel zur Verfügung stellen, in Verwaltungsratssitzungen bie weitschweifigen Ausführungen DodererS zur Kenntnis nehmen, Fragen zu stellen, war nicht üblich, wagte es aber trotzdem einmal ein Ver- waltungsrätchen, eine Aufklärung zu verlangen, so erhielt er die stereotype Antwort:»Habe ich so- eben verlesen.E Jng. Richard Doderer halte einen Dienstvertrag, um den ihn wahrscheinlich so mancher Dankmagnat beneidet hat. Seine Tantiemen- terech..ung war ei« Kunstwerk. Erst in späteren Jahren hat man dieser„höhevea" Mathematik ein größeres Augenmerk gewidmet, vls es in früheren schon notwendig gewesen wäre. Als unumschränkter Herr der Gesellschaft war er der Initiator des Planes, nach dem die Eisenwerke Rothau-Reudek mit dem Walzwerk der Berg»& Hütte zusammen gelegt wurden. Im Hochsommer 1931 wurde das n:ue Walzwerk in Betrieb genommen, die Konjunktur war vorüber, und so mutzten in Rothau -Neudek Angestellten- und Arbeiterentlaffungen vorgenommen werden. Für die wurde nicht gesorgt. Wenigstens nicht durch Jng. Doderer, in dem Matze, wie e r e 8 im gegebenen Fall für seine Person getan hat. Das neue Walzwerk Karlshütte war und ist im Hinblick auf die Krise nur zu einem Bruchteil seiner Kapazität auSgenützt, so datz eine besondere Leitung hiefür nicht mehr notwendig wurde. Es kam daher auch die Zeit, wo Jng. Doderer überflüssig wurde, denn die Berg,& Hütte hatte das Heft bereits in der Hand und versetzte Doderer in den»wohlverdienten" Ruhestände Das war nicht so einfach, wie man stch es hätte Vorsteller, können. Doderer hatte Verträge, und deren Bestimmungen und Klauseln wutzte er zu seinen Gunsten vorzüglich auSzulegen. Die Banken waren auf Doderer auch nicht mehr so gut zu sprechen, wie ehedem, so datz vielleicht dei manchen Bankvertretern die Absicht vorlag, irgendeine Angelegenheit, die nicht nach allen Regeln der Kunst durchgeführt worden war, und deren soll eS Viele gegeben haben, zum Anlatz der fristlosen Entlassung zu nehmen. ES wäre aber zu viel Staub aufgcknrbelt worden. Weshalb man einem ftillenArrangemeut mit Doderer den Vorzug gab. Er hatte einen Vertrag, in dem ihm eine ansehnliche Abfertt« gungssumme zugesichert war. Aus bestimmten Gründen wollte er aber leine Abfertigung und so erhält er, der im Dezember 1934 in den Ruhestand trat, durch zehn Jahre hindurch einen jährlichen Zuschuß in der Höhe eines Betrages, mit dem wusend deutsche entlaffene Angestellte und 10.000 Arbeitslose im sudetendeutschen Gebiet höchst zufrieden wäre«. Er ist aber, man höre und staune, auch Mitglied des Ersatzpensionsinstitutes der Poldihütte und wird, sobald sein Anspruch gegeben sein wird, auS diesem Fonds eine angemessene Pension beziehen. Herr Jng. Doderer hat am 28. März l. I plötzlich sein Herz für die Arbeitslosen entdeckt und im Kubinzkyschen Industriellenklub einen Vortrag über das Arbeitslosenproblem gehalten, der besser hätte unterbleiben sollen. Die Ausführungen DodererS 311 die- Zufrieden Reuter meldet am Abend ans Stresa: Die britischen Kreise sind mit den Ergebnissen der Konferenz sehr zufrieden und es herrscht der Eindruck vor, daß zwischen allen drei Großmächten vollkommene Nebereinstimmung besteht. . Der französische Außenminister Laval erklärte, daff die Solidarität Frankreichs und Groß britanniens eine vollkommene ist. In der Nachmittagsberatung erstattete Minister Laval den Mitgliedern der französischen und englischen Delegation einen Bericht über diese- Problem und versicherte ihnen, daß darüber erst dann verhandelt werden könne, bis die dringenden mitteleuropäischen Fragen erledigt und namentlich.- biSder Ritteleuropa- ser Frage find weniger interessant, weil er nichts Neues zu sagen wutzte. Interessant ist lediglich, daß gerade eine Person, die im höchsten Matze miwerantwort» lich für die Arbeitslosigkeit und daS unsagbare Elend von Rothau-Neudek ist und im eigenen Wirkungskreis deutlich Schiffbruch erlitten hat, den Mut findet, über derartige Probleme zu diskutieren und Ratschläge zu erteilen. Ob der Staat das Arbeitslosenproblem richtig gelöst hat, steht nicht zur Diskussion. Hingegen ist die Frage aufzuwerfen, ob Jng. Doderer seinen ehemaligen Angestellten und Arbeitern gegenüber in nationaler und sozialer Hinsicht mit der Borsorge vorgegangen ist, wie er sie jetzt vom Staat verlangt. Autzerdem hat Jng. Doderer offenbar auch politische Aspirationen oder vielleicht nur Interessen. Er drängt sich zur Spitze der sude tendeutschen Industrie. Die Industrie hqt, von jedem Gesichtspunkt aus gesehen, sich keinen ungeeigneteren Trommler für ihre Interessen wählen können, als Doderer,.. Auch ertrom- melte 800.000 XL schaffen dos Argument, das die Industrie durch ihre Verbindung mit Jng. Doderer ihren Gegnern liefert, nicht auS der Welt." Das schreibt die„SB irtschaft". Wir haben dem nichts hinzuzufügen. Doderer und Henlein und mit diesen die SHF sind damit genügend gekennzeichnet. Dr. Benes in Genf Genf . Aussenminister Dr. Benes traf Samstag mittag in Genf ein. Er hatte am Nachmittag eine Beratung mit dem Vorsitzenden der Abrüstungskonferenz H e n d e r s 0 n und später mit dem sowjetrussischen Volkskommissär Lit winow . Abends empfing Dr. Benes den jugo- flawischen Gesandten F 0 t i d und hatte eine Zusammenkunft mit Minister Titulescu , der gleichfalls heute in Gens eingetroffen ist. Pakt abgeschlossen sein würde. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird daher die Angelegenheit den direkten Verhandlungen der einzelnen Regierungen überlassen werde«, und diese Regierungen werde« selbst darüber entscheiden, ob sich die Konferenz in Rom über diese Sache äußer« soll.' Das Ergebnis von Stresa Paris.(Tsch. P.-D.) Die vorläufigen Ergebnisse der Stresaer Konferenz sind den Berichten der Sonderkorrespondenten der Pariser Abendblätter zufolge: 1. Ei« Abkommen über die theoretische Verurteilung Deutschlands in Genf . 2. Ein Abkomme« über die RotwendigKeit wirtschaftlich-finanzieller Sanktionen gegenüber künftigen gewaltsame« Verletzungen des Friedensvertrages seitens Deutschlands . 3. Beitritt Deutschlands zum Nichtangriffspakt im Osten mit der Möglichkeit, datz die Staaten autzerdem noch Verträge über gegenseitige Hilfeleistung abschlietzen. 4. Einberufung einer Konferenz, die eine« Status für Mitteleuropa festsetzt. Mussolini verlangt Aufrüstung für seine Vasallenstaaten Laval wahrt die Interessen der Kleinen Entente Stresa. Zu der Beratung der drei Grohmächte betonte Mussoll n i am Samstag vormittag, datz es im Hinblick auf die Wiederaufrüstung Deutschlands nicht richtig wäre, die Nachbarstaaten, insbesondere Oesterreich, abgerüstet zu lasse«. Die britischen Delegierten«ahme« die italienische Konzeption sympathisch auf. Laval machte anf die llnruhe aufmerksam, welche bei der Kleine« Entente die Wiederaufrüstung Oesterreichs , Ungarns u. Bulgariens Hervorrufen könnte und empfahl, nichts ohne Austimmung der interessierten Mächte zu unternehmen. Diese Frage wird in Stresa nicht zur Erledigung gelangen; der Meinungsaustausch darüber soll vielmehr auf dem üblichen diplomatischen Wege seine Fortsetzung finden. Henleins Wahlparole Unter dem halben Dutzend bürgerlichen Parteien im deutschen Lager soll die Heimatfrontpartei nicht allein die stärkste werden, sondern die Partei schlechthin. Alle anderen Parteien verspricht Henlein so klein zu schlagen, dass so gut wie nichts mehr von ihnen übrig bleibt. Auf diesem Wege will er die Einigung des sudetendeutschen Bürgertums erreichen. Nicht des sudetendeutschen Volles, denn zu ihm gehören ja auch die Anhänger der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Und dass Henlein die Sozialdemokratie vernichten könnte— eine derartige Großmäuligkeit müsste ihn zu sehr blamieren. Wenn die Heimatfrontpartei, um ihre Loyalität gegenüber der demokratischen Verfassung unseres Staates glaubhaft zu machen, sich nicht gern eine Kopie der Hitlerpartei nennen hört: in dem einen Punkte hat sie dieselbe Aufgabe in der Tsche choslowakei übernommen, die Hitler für die kapitalistische Klasse in Deutschland durchgeführt hat, nämlich: möglichst alle kapitalistischen und bürgerlichen Gruppen einschliesslich der verschiedenen Mittelstandsschichten zusammenzufassen. Die Methode,. die dabei zur Anwendung kommt, ist der des nationalsozialistischen Vorbildes ganz ähnlich. Auch Henlein läßt vor den Arbeitern in-allen Variationen demagogische Sprüchlein hersagen, um sie zu gewinnen, damit der kapitalistische Charakter seiner Partei getarnt bleibe. Nur scheine« ihm und seinen tätigen Jüngern die starken antikapitalistischen Töne überhaupt nicht gestattet zu sein, in denen Goebbels , Göring , Ley und wie sie alle heißen, zu den Massen redeten, ehe es ihnen gelang, die Tyrannei über das Fünfundsechzig- Millionen-Bolk auszuüben. Die Heimätfrontpar- tei soll in der Tschechoslowakei die Zutreiberdienste fertigbringen, ohne starke äntikapitalistische Ausfälle. Vor ein paar Tagen hat Henlein angeblich 2000 Amtswaltern die Wahlparole zugerufen. Bisher verstand der politisch denkende Wähler unter einer Wahlparole wohl meistens eine Losung, die ihm klar und einprägsam sagte, für welche Forderungen und für welches Ziel die um sein Vertrauen werbende Partei ihre Kräfte einzusetzen entschlossen ist. Die Wählparoleder Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei z. D. war stets eindeutig: der wirtschaftliche und soziale Schutz des arbeitenden Menschen, der Ausbau und die Sicherung seiner politischen und kulturellen Rechte, und als Ziel der Sozialismus. Das war nicht nur die Parole für die Wochen des Wahlkampfes, sondern diese Losung blieb bestimmend für die ganze politische Arbeit, für den schweren politischen Kampf, den die Sozialdemokratie in den Jahren zwischen den Wahlen zu bestehen hatte. Welches sind nun die Forderungen, für die Henlein in den politischen Kampf zieht? Welches ist das Ziel, zu dem er den deutschen Teil des tschechoslowakischen Volkes durch die Heimatfront führen will?»Es gilt für uns die Parole: die Idee über uns, der Kamerad neben uns, der Gegner vor uns." So lautet die von Henlein bombastisch verkündete Wahlparole. Wir müssen schon sagen, daß wir sie so jämmerlich arm an Geist finden, so inhaltsleer, daß sie uns sogar noch für die Heimatfrontpartei blamabel erscheint!„DieJdeeüber uns..•— Wir sind wirklich aufmerksame Beobachter der politischen Gehversuche des früheren Turnlehrers gewesen. Aber von einer Idee haben wir bisher noch nichts zu entdecken vermögen. Denn das Sprüchlein von der Einigkeit aller Deutschen wird doch nicht einfach deshalb zur Idee, wenn man es tausendmal und mehr herunterleiern läßt. Wir zweifeln aber nicht, daß, die kapitalistischen Auftraggeber Henleins ihre Ideen haben, daß sie daran interessiert sind, eine auS dem kapitalistischen Sein hervorgewachsene Ideenwelt in den besitzlosen Menschen zu erhalten. Meint Henlein diese „Idee", und ist er deshalb so vorsichtig, näheres über sie auSzusägen, well da allzu sehr fascisti- sches Gedankengut zum Vorschein käme? Die Frage drängt sich auch auf, wenn wir ihn schreien hören:«...der Kamerad n e b e n u ns..." Wer ist der Kamerad? Heute noch wird der Arbeiter von den Heimatfrontakteuren leutselig so angesprochen. Die Hakenkreuzler drüben haben es nicht anders gemacht. Aber wehe den Arbeitern, die den Kampf um ihre Rechte nicht aufgeben, die nicht zu den Kapitalisten überliefen. Hitler selbst hat dafür Arbeiter mit der Hunde«
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15 (14.4.1935) 89
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