Mittwoch, 1. Mai 1935
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Kriegsgericht und Justizmord
vor 20 Jahren
Zwanzig Jahre sind es her, seitdem der Infanterist Kudrna von einem Kriegsgericht zur Schande altösterreichischer Militärgerichtsbarkeit unschuldig zum Tode verurteilt und ölsentlich hingemordet wurde. Wenn ich heute nach 20 Jahren etwas über diesen Fall zu erzählen mich unterfange resp. entschließe, so ist das deshalb, weil ich bei dem damaligen Kriegsgericht als psychiatrischer Sachverständiger fungieren und das ganze Gerichtsverfahren mitansehen und miterleben mußte. Diese» Erlebnis gehört zu den Geschehnissen, die mich in der Kriegszeit am meisten aufgewühlt und am stärksten erschüttert haben; ich hatte ja in den vier Kriegsjahren, d. h. einer vierjährigen militärärzt- lichen Dienstzeit, so manches furchtbare Schicksal miterlebt, in einem mehrjährigen Kamps« gegen eine goldbetreßte, militärärztliche Kamarilla gar so viel Unglaubliches erfahren und so manches an milüärischer Gewissenlosigkeit und vaterländisch garniertem Zynismus milangesehen, aber der Fall des armen, hingemordeten Kudrna überragte so ziemlich alles und bleibt in meiner Erinnerung ein Denk- und Schandmal kommandierter Kriegs- iustiz. E» war im Mai 1915, als mich eines Tages um ü Uhr morgens eine militärische Ordonnanz mit einem dringenden Dienstzettel weckte; der Dierrstzettel stammte vom Oberstabsarzt Dr. Pektrka, dem damaligen Chefarzt beim Prager Militärkommando, und enthielt den lakonischen Befehl, ich habe mich um 8 Uhr beim Divisionsgericht am Hradschin als Sackverständiger einzufinden. Mündlich teilte mir die Ordonnanz noch mst, ich möge an einem bestimmten Orte der Kleinseite auf Oberstabsarzt Pecirka warten. Als wir dort zusammentrafcn, sagte mir Peäirka:»Ich kann dir nicht viel sagen, ich weiß selber viel zu wenig, aber es wartet auf dich eine schwere Sache, du bist Sachverständiger bei einem Kriegsgericht. Es handelt sich um die Frage der Trunkenheit, der Fall ist sehr schwer und sehr wichtig.! deshalb habe ich dir als zweiten Sachverständigen noch den Starken st ein l damals Assistenzarzt heim ErgänzungSbezirkSkommando in Prag und jetzigen Professor der Pharmakologie an der Deutschen Universität) beigegeben. Du wirst schwere Arbeit haben; mehr kann ich dir leider nicht sagen, aber du wirst schon selber sehen, was du zu tun hast. Servus!" 'jj.. Nack einem eigenartigen, ich möchte, sagen sine gewM iuner^ Erregung verratenden Hände-, druck verschwand er.' Ich Halle den Eindruck, er Mte mir gerne mehr sagen wollen, und versuchte dabei so dienstlich als möglich zu erscheinen; jedenfalls fühlte ich aus alldem, daß etwas Besonderes bevorstand; in Tragödienstimmung stieg ich zum .Hradschin hinauf. , Bei Gericht traf ich mit Doz. Dr. S t arte n st e i n und dem I.U.Dr. Alfr. Meißner, dein jetzigen M i n i st e r, welcher als Verteidiger .fungieren sollte, zusammen. Niemand wußte etwas Bestimmter, es hieß nur, daß ein Kriegsgericht über d r e i S o l d a t e n, die der M e u- .lerer beschuldigt sind, gehalten werden sollte. Ich erwartete, daß uns wenigstens der Verteidiger etwas Näheres werde mitteilen köimen, doch dieser durfte seine Klienten weder sehen noch sprechen. Um 8 Uhr begann die Gerichtsverhandlung; als Leiter fungierte ein Oberstauditor, als Gerichtshof fünf Offiziere, der jüngste war ein Leutnant/ der älteste der Prager Stations- tommandant Oberst Heckendorf. Der Tatbestand, der sich aus dem Material
der Verhandlung, also den Zeugenaussagen und den Aussagen der Angeklagten ergab, lvar folgender: In Beneschau bei Prag befand sich der Kader eines Marschbataillons; Stationskommandant war daselbst ein sogenannter„ausgegrabener" Hauptmann a. D., ein p e n s i o n i e r t e r Hauptmann, der zu Kriegszwecken und Hinterlanddiensten wieder aktiviert worden«war. Wie dies gewöhnlich der Fall war, so war es auch hier: der pensionierte Offizier wollte seine besondere Tüchtigkeit zeigen und stramm sein; meistens zeigte sich diese Strammheit in unnötigem Schikanieren der Soldaten; auch der Stationskommandant von Pene- schau war sehr unbeliebt, angeblich aus den gleichen Gründen. Am Vorabend sollte eine Marschkompanie auf den Kriegsschauplatz abtransportiert werden; die Soldaten lagerten marschbereit auf einem umzäunten Platz vor einer Scheune, die ihnen als Ouartier gedient hatte, die Gewehre waren in Pyramiden aufgestellt, alles war zum Abmarsch fertig. Wie immer bei solchen Gelegen» heitew Hai sich auch hier eine falsche Fröhlichkeit eingeschlichen, an der zum größten Teil der konsumierte Alkohol schuld war. Am Zaun stand ein großer Haufe von F r a u e n, die noch in letzter Stunde mit den vielleicht auf Nimmerwiedersehen wegziehenden Männern plaudern wollten. Nichts störte die Ruhe; da ging der Stationskommandant vorüber, beanstandete, daß sich die Frauen hier aufhielten, und wies sie weg, sie hätten hier vor dem Abmarsch nichts zu suchen. Daraufhin erscholl ein hefttges Gejohle aus den Reihen der angeheiterten Soldaten, wobei es auch an Schimpfworten gegen den Stationskommandanten nicht gefehlt haben soll. Dieser entfernte sich schnellstens und kurz darauf erschien auf dem Platze die Bereitschaft, das ist eine bewaffnete Abteilung von Soldaten, um die angeblich gefährdete Ordnung wieder herzustellen.. Es dämmerte bereits und als die Bereitschaft einmarschierte, setzte bei der Marschkompanie eine Unruhe ein; es lourde gemurrt, doch etwas Besonderes ereignete sich nicht; es hieß nur, daß drei Soldaten in großer Aufregung geschimpft hätten und zu den Pyramiden gesprungen wären, um die Gewehre zu ergreifen. Dies« drei Soldaten wurden verhaftet und stauden jetzt vor dem Kriegsgericht. Der erste dieser drei Soldaten schied schon nach den ersten Zeugenaussagen aus; er wurde aus Irrtum arretiert und hatte mit der ganzen SÄbe nichts zu tun; man sieht, daß mgn sozusagen aufs Geratewohl darauf kos ärretletke. Die anderen zwei Soldaten, ein Korporal, dessen Namen mir entfallen ist, und der,Infgnterist Kudrna, waren die eigentlichen Angeklagten; von diesen hieß es, daß sie beim Einrücken der Bereitschaft zu den Gewehren greifen wollten. Doch als die als Zeugen verhörten Soldaten präzis aussagen sollten, wie das alles geschah, ergab sich, wie unsicher die Anklage aufgebaut war; denn wegen der recht weit vorgeschrittenen Dämmerung konnte keiner der Zeugen mit Sicherheit die Vorgänge schildern, eS war eben schon zu dunkel. Nach den Aussagen aller Soldaten, die den Korporal und Kudrng arretierten und ahführten, waren diese beiden sehr stark betrunken; sie gingen taumelnd mit und kaum daß sie ins Arrestlokal kamen, toarfen sie sich hin und schliefen fest ein; sie könnten früh» vor dem Abtransport nach Prag nur mit Mühe geweckt welchen. Bon dem ersten Soldaten, der eigentlich irrtümlich arretiert worden war, soll nicht weiter gesprochen werden.
Die Aussagen der zwei anderen Angeklagten waren recht charakteristisch. Am einfachsten war die Aussage des Korporals: er wußte, daß beim Erscheinen des Stationskommandanten geschrien wurde, nur undeutlich erinnerte er sich, daß etwas mit einer Bereitschaft los war, doch was weiter geschah, wußte er nicht; er wußte nichts von seiner Arretierung, seiner Abtransportierung usw.; er kam erst am Morgen zur Besinnung. Am Ver- handlungstage roch er noch nach Alkohol. Der Infanterist Kudrna, der das drittemal auf den Kriegsschauplatz sollte, gab zu, an dem Nachmittage viel getrunken zu haben; er wußte, daß beim Herannahen des Stätionskom- mandanten eine Unruhe entstand und Schimpfworte fielen, er wußte, daß in der Dämmerung die Bereitschaft einmarschierte; er behauptete jedoch, daß es nicht stimme, daß er zur Pyramide ging und ein Gewehr ergreifen wollte oder ergriffen haben sollte; an die Arretierung erinnerte er sich auch nicht, an den Abtransport erinnerte er sich; auch Kudrna roch sehr intensiv nach Alkohol. Der Vormittag war der Einvernahme der Zeugen und der Angeklagten gewidmet. Den Nachmittag füllten die Gutachten der Sachverständigen und die Plädoyers des Verteidigers und des Militäranwaltes aus. Als erster Sachverständiger sprach Doz. Dr. S t a r k e n st e i n; er nahm die Sache vom pharmakologischen Standpunkte auf, besprach die Wirkung des Alkohols, seine lähmende und gelegentlich auch reizende Wirkung und schloß damit, daß wir in beiden Fällen die typis che Wirkung schwe rer Trunke n h e it vor uns haben; wie genau das Gutachten war, ist daraus zu ersehen, daß sein Vortrag eine halbe Stunde dauerte. Dann kam mein Gutachten an die Reihe; für mich war es klar, daß juridisch alle Angeklagten unschuldig waren, daß von einer Meuterei im Sinne der Anklage keine Rede sein konnte, respektive daß keinem der Angeklagten etwas Derartiges bewiesen worden tvar. V o m psychiatrischen Standpunkte war die Sacke deS Korporals recht einfach. Es war feststehend— und alle Zeugen gaben das zu— daß er betrunken war; er selbst behauptete, sich an nichts zu erinnern; damit war der Schluß gegeben, daß sich der Mgnn im Zustande der Bolltrunkenheit befunden hatte und deshalb im Sinne des Gesetzes sich seiner Handlung nicht bewußt war. sckwierÄer war. es'bei Kudrng,£eh RWerik oas Pathologische des Falles klar en' machen. Kudrna war schwerbetrunken; das erhellte aus den Aussagen der Zeugen- unnamentlich aus dem Umstande, daß er sich, trotz der Aufregung, in der er sich beim Arretieren befunden haben mußte, im Arrestlokal sofort niederwarf und fest einschlief. Wenn er nun einfach ausgesagt hätte, er wisse sich an gar nichts zu erinnern, so wäre die Tatsache der einfachen Volltrunkenheit gegeben gewesen. Nun gab aber Kudrna an, daß er sich nur an einen Teil des Geschehens erinnern könne, wogegen ihm für einen Teil die Erinnerung fehlte. Damit war der Fall eines sogenannten pathologischen Rauschzustandes gegeben, in dem die Betrunkenen nicht einmal den Eindruck der Volltrunkenheit machen müssen, doch übt dabei der Alkohol trotzdem eine weitaus größere Wirkung auf das Gehirn aus, in dem sich die Betroffenen ganz geistesabwesend benehmen; als charakteristisch für diese Zustände gilt der teilweise oder vollständige Erinnerungsdesekt. Der Umstand, daß Kudrna behauptete, nur für ein
zelnes den Erinnerungsdesekt zu haben, sprach eindeutig gegen eine Simulatton. Das Gutachten schloß aber damit, daß sich der Korporal im Zustande der Volltrunkenheit, Kudrna im Zustande eines sogenannten pathologischen Rausches befand und also beide zur Zeit der Tat des Gebrauches der Vernunft beraubt waren. Dann sprach der Militäranwalt kurz, geschäftlich und auffällig gefühllos; für ihn existierte keine Volltrunkenheit und kein pathologischer Rauschzustand, beide Soldaten waren schuldig, was bei einem Kriegsgericht den Tod durch Erschießen bedeutet. Darauf folgte die Rede des Verteidigers; er hielt sich zuerst an den Tatbestand, er betonte, daß den Angeklagten außer der Trunkenheit nichts bewiesen wurde, da die vorgeschrittene Dämmerung jede genaue Beobachtung der Vorgänge ausschloß; schließlich wies er auf die ärztlichen Gutachten hin, denen die wichtigste Rolle beim Fällen des Urteiles zukomme. Dann zog sich der Gerichtshof zurück; nach der Beratung des Gerichtshofes, die etwa eine halbe Stunde dauerte, wurde verkündet, daß das Urteil erst morgen um 8 Uhr früh verlesen werden würde. Traurig gingen wir nach Hause, denn das bedeutete einen traurigen Ausgang. Inzwischen bekam das Marschbataillon von Beneschau den Befehl, sofort in voller Marschadju- stierung nach Prag aüzumarschieren. Um 8 Uhr morgens wurde das Urteil verlesen; der erste Soldat und der Korporal wurden freigesprochen, Kudrna zum Tode durch Erschießen verurteilt, und das Urteil solle sofort vollstreckt werden, d. b. es lvar schon vorher bestätigt worden. Alles war schon dazu vorbereitet: inmitten eines großen Kordons wurde der Delinquent zu Fuß vom Hradschin zum Exerzierplatz in M o t o l geführt und hinter dem Kordon fuhr gleichzeitig der militärische Leichenwagen. Vor den Augen des Bataillons, das die ganze Nacht marschieren mußte, um der Hinrichtung beizuwohnen, wurde der Infanterist Kudrna erschossen. Dieser Ausgang hat mich natürlicher Weise sehr ergriffen; ich dachte, daß ich im Gutachten alles aufgewandt habe, um die Richter von dem krankhaften Geisteszustände zu überzeugen, und doch geschah es anders. Ein anderes, ordentliches Gericht hätte nichts anderes tun können, als einen Freispruch zu fällen, hier sprach alles dafür, daß es nicht die Justitia war» die das Urteil fällte, sondern eine andere, höhere Macht. Etwa eine Woche später traf ich Oberstabsarzt Dr. Peöirka; selbstverständlich kam die Rede auf das Kriegsgericht und ich verhehlte nicht meine Betrübnis über den Ausgang. Da sagte Peöirka:„Ich habe dir ja gesagt, daß du schwere Arbeit haben wirst; wir haben ja gewußt, daß man den Fall> exemplarisch behandeln und erledigen will; ich sage ja nicht. Laß da ein Befehl existierte, vielleicht war es nur ein W u n s ch, aber du weißt doch, daß es Situationen und Zeiten gibt, wo ein Wunsch mehr ist als ein Befehl. Deshalb habe ich doch gleich den Pharmakologen dazukommandiert, man mußte alles versuchen. Uebrigens kann ich dir ettvas Interessantes verraten: einer der Richter erzählte mir den Hergang des Prozesses und zum Schluß setzte er hinzu:„In diesem Prozeß haben wir zwei Verteidigungsreden gehört, die des Verteidigers und die des psychiatrischen Sachverständigen." Damit kannst du also zufrieden sein!" Das ist die Geschichte eines Kriegsgerichtes, über welches- keine Detailakten existieren, denn über die Verhandlung eines Kriegsgerichtes werden keine Detailakten geführt» einer Tragödie eines armen, unschuldigen Opfers, eines einfachen Soldaten, der zweimal schon an der Front gewesen war und im Begriffe war, das drittemal in die Feuerlinie abtransportiert zu werden.
Del den fort Doll Indianern T. S. Wo der weiße Mann in der Welt vor- d.rang, bedeutete es Grausamkeit und Brutalität Kegen den Eingeborenen. Eines der traurigsten Kapitel weißer Grausamkeit bildet die Behandlung der Eingeborenen des nordamerikanischen Kontinents, der Rothäute. Und man kann sich heute stets eines Lächelns nicht erwehren, wenn man von ameri- kansschen Nationalisten— die gibt es natürlich hier auch!•.— mit Stolz die Berufung auf ihr hundertprozentiges Amerikanertum hört! Hundertprozentig amerikanisch find natürlich nur die Indianer, die Ureinwohner, die die Weißen bei ihrer Eroberung dörfänden. Die Indianer, die die Einwanderer zunächst freundlich aufnahmen, mutzten bald die aller- fchwersten Kämpfe mit ihren Gästen bestehen, Kämpfe, die nicht etwa nur ganz in der Anfangszeit ssattfanden, sondern sich ausdehnten bis in die zweite Hälfte deS letzten Jahrhunderts. ES interessierte mich darum, nachdem ich bereits in einer meiner Versammlungen einen Indianer-Häuptling in Originaltracht als aufmerksamen Zuhörer hatte, meinen kurzen Aufenthalt im Staate Idaho dazu auszunutzen, um die dort gelegene Reservation der Fort Hall Indianer aufzusuchen. Ein Professor, der llniver- fität. Idaho , der sich speziell mit dem Problem der Indianer befaßt, erklärte sich bereit, mir den Zutritt zu verschaffen und mich zu begleiten. Da Idaho zu den dünnst bevölkerten Staaten gehört, ist es ein weites Gelände, das den Indianern sur Verfügung gestellt wurde. Schon auf dem Wege »ur Reservatton begegnen wir jungen, stolzen In
dianerinnen, hoch zu Rotz, Pferdegespannen mit Jndianerfarmern in ihrer primitiven,' doch malerischen Tracht. In der Reservatio« werden wir im Schulhaus vvn dem Superintendenten und dem Schulleiter empfangen, Regierungsbeamten, denen die Fürsorge für die Reservation obliegt. Einige junge Indianer, die gut englisch sprechen, stellen sich zu unserer Verfügung, um alle unsere Neugierde zu befriedigen. Dabei fällt uns da» außerordentlich taktvolle Verhalten der Indianer auf. Niemals, unterbrechen sie die Rede eines anderen. Dabei fällt mir ein, daß mir mein Begleiter schon vorher die außerordentliche Diskretion der Indianer gerühmt hatte. Geschwätz und Klatsch ist ihnen vollkommen fremd. Auch die besondere Art, wie der weiße Mensch den Begriff des Eigentums auffaßt. Kommt ein hungriger Indianer an einer Hütte vorbei, wo er Nahrung vorfindet, nimmt er sich davon; er findet eS ebenso natürlich, daß ein hungriger Weitzer auch von seiner Nahrung nimmt. Und doch ist mancher Konflikt aus diesem natürlichen Verhalten des Indianers entstanden! Doch wir lassen unS erst von unseren jungen Indianern von ihrem Leben und ihren Wünschen erzählen. Sie treten uns ohne Feindschaft und ohne Bitterkeit gegenüber. Auch hier hat der Indianer eine UeberlegeNheit gegenüber unS. Er verallgemeinert nicht, läßt nicht die Gesamtheit der Weißen dar entgelten, was andere ihm und seiner Rasse angetan. Er unterscheidet ganz einfach zwischen dem guten und dem bösen Individuum. Und so erzählen sie un» von dem recht ärmliche« Leben der zirka 2000 Indianer der Reservation. Doch laßt unS erst klarstellen, was diese Reservation eigentlich ist.. Nachdem die Weißen in jahrzehntelangem Kampfe die Indianer immer wieder aus ihren Posi
tionen verdrängt, ihnen Land abgenommen und tausende und abertausende ermordet hatten— weil auf dem betreffenden Boden Oel , Gold, Erze oder andere Schätze entdeckt wurden— hat endlich das Gewissen der amerikanischen Regierung geschlagen. Schien es doch, als sollten die Ureinwohner des Landes, de Rothäute, vollkommen aussterben. Und dabei zeigen die Forschungen, daß die Indianer schon etwa seit fünfundzwanzigtausend Jahren auf dem nord- amerikayischen Kontinent lebten! Als die Weißen Amerika eroberten, lebten annähernd eine Million Indianer dort; im Jahre 1920 aber war ihre Zahl zurückgegangen auf 24s.000! Schon in einer früheren Periode, vor etwa fünfzig Jahren, hatte man den Indianern bestimmte Gebiete Landes zugewiesen; aber dennoch bedeutete das für die Indianer keine Sicherheit. So geschah eS beispielsweise, datz man, als im Staate Oklahoma Pettoleum auf dem Territorium der Reservatton gefunden wurde, den Rothäuten einfach den Boden wegnahm und ihnen zum Ersatz recht armes Land dafür anbot. Jetzt endlich scheint man den Verfolgten Ruhe lassen zu wollen. Sie haben in verschiedenen Staaten Amerikas ein bestimmtes Gebiet Land zugewtesen, wo sie leben dürfen und meist primitive Landwirtschaft treiben. Mit Vorliebe Viehzucht. Die Regierung Hilst daneben noch au» durch Unterstützungen und besonders durch Lieferungen in Naturalien. Wie unS unsere jungen Indianer erzählen, versteht die ältere Generation der Indianer nicht die Art, in der die Weißen arbeiten- Aber dennoch widersetzen sie sich nicht dem Bemühen, die Kinder in die Schule der Reservatton zu hicken. Der weiße Schulleiter erzählt, datz, wenn auch praktisch kein Druck auf die Eltern ausgeübt wird» eS doch gelungen sei, bis auf zwei Familien alle von -er Nützlichkeit des Schulunterrichtes zu überzeugen.
Die Resultate scheinen ganz befriedigend. Die Intelligenz des Indianers ist von der der Weitzen verschieden— sie sind auch nicht so ehrgeizig wie wir. Wenn auch in der Familie die Sprache des Stammes weiter gesprochen wird, können doch sehr viele bereits gut englisch, besonders die ju«ge Generation- Aber noch heute bestehen unter den amerikanischen Indianern mehr als 50 verschiedene Sprachfamilien! Und nicht alle Indianer der verschiedenen Sprachgruppen können einander verstehen. Dafür haben sie aber eine Zeichensprache, die zur gegenseitigen Verständigung dient. Die jungen Indianer klagen uns sehr darüber, wie auherordentlich schwer es für die junge Generation der Indianer sei, zu einer leitenden Tätigkeit in der Gemeinschaft zu kommen. Wir konnten sie mit der Feststellung trösten, daß dieser Kampf der Generationen nicht nur in den indianischen Reservation» geführt werden müsse! Die Jungen wollen natürlich eine Reihe von Reformen herbeiführen, insbesondere, um die soziale Lage der Indianer zu verbessern. Sie leben in dieser Reservatton meist in ärmlichen Einfamilienhäusern, mehr Hütten zu nennen. Denkbar dürftig auSgestat- tet. Meist nicht einmal Betten— man schläft mit Decken auf dem Fußboden. Die Reinlichkeit läßt oft zu wünschen übrig— bei der großen Armut nicht verwunderlich. Viele» auS den alten Sitten ist noch beibehalten— so lebt auch noch der Medizinmann. Seine Heilmethode ist verbunden mit einem kultischen Aft; darum geht der Behandlung eine» Kranken eine recht feierliche Zeremonie voran»— und die wichtigste Heilmethode ist da» sogenannte„Schwitzhaus". Die Hitze wird erzeugt durch das Erhitzen der Steine im Feuer und die ganze Prodezur wird mit Gebeten begleitet. Dabei ist aber ein grundsätzlicher Unter-