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Sonntag, 12. Mai 1838

Nr. 111

Ein Fehlschuß und ein Schufi aus der Verleumderkanone Die Rote Wehr organisiert den Bürger­krieg!" NiHt zum erstenmale versucht die Nazi- Heimat-Partei unsere Republikanische Wehr zu denunzieren, nicht etwa nur bei leichtgläubigen Spießern, denen das Gruseln vor den roten Pe« trvlards beigebracht werden soll, sondern auch und vor allem bei den Behörden. Jetzt aber schoß die Henleinsche Verleumderkanone besonders kräftig, feuerte jetzt eine Stinkpombe größten Kalibers ab. In balkendicken Lettern erzählt ein Naziflug­blatt, die Rote Wehr organisiere den Bürgerkrieg unter Anleitung reichsdeutscher und österreichischer Emigranten (die werden besonders gern denunziert), treffe im geheimen militärische Kampfvorbereitungen, und bei einer Scharfschießübung, wie solche seit langem an bestimmten Tagen unter Aus­schluß der Oeffentlichkeit im Wigstadtler Arbei­terheim stattfinden, sei unser Wigstadt­ler Parteisekretär verwundet worden. Der Beweis für die roten Rüstungen ist er­bracht l Und nun müssen doch die Behörden ein­schreiten! Nicht gegen die Nazi, die sich hier so offensichtlich als Staatsretter zeigen, sondern gegen die roten Umstürzler. Die Behörden haben sich um die Sache ge­kümmert, selbstverständlich. Und sie haben festge­stellt, was jeder wahrheitsliebende Journalist, wenn es in Henleins Gefolge einen gäbe, un­schwer von ihnen erfahren könnten daß unser Wigstadtler Parteisekretär einen Waffenpaß be­sitzt, ausgestellt am 6. Oktober 1933 in Trop- pau. von der dortigen Bezirksbehörde, und daß er eine Waffe benötigt, weil er auch Kassier der Union der Textilarbeiter ist und manchmal grö­ßere/ Summen in Verwahrung hat, außerdem aber auch, weil er wiederholt von politischen Gegnern Drohbriefe erhielt, anonyme selbstverständlich, denn andere schreibt ein Nazi-Held nicht. Ain 5. Mai hatte unser Genoffe den ganzen Tag im Parteisekre­tariat, das im Arbeiterheim untergebracht ist, ge- arheitet. Als er eben nachhause gehen wollte, klopfte ein Besucher an die Tür. Unser Genoffe griff nach dem Revolver, um ihn in der rechten Hosentasche zu bergen. Dabei entlud sich die Waffe. Er erlitt eine harmlose Fleischwunde. Zeugen: der erwähnte Be­sucher und die Erhebungen der Gendarmerie, welche ebenso wie der ärztliche Befund über Ein­schuß und Verlauf des Schußkanals die Richtig­keit unserer Darstellung bestätigen/. Das ist alles, was von derSensation" des Henlein -Flugblattes übrig bleibt. Es genügt, um daraus eine gigantische Ver­leumdung zu konstruieren. Und wer die Henlein-Methoden desritterlichen" Kampfes kennt, weiß, daß dieser schmutzige De­nunziationsversuch nicht gutgemacht werden, daß die Lüge nicht widerrufen werden wird! Denn man erfindet doch Lügen zu dem Zwecke, daß sie wirken! Ritterliche" Kampfesweise? Ach, man weiß doch, wie gegen Ende des ritterlichen Zeitalters das Rittertum eütärtete, wie aus den Rittern Raubtiere wurden, Wegelagerer, die im Hinterhalte lauer­ten! klebrig blieb nur das Gerede von derRit­terlichkeit" jeder Buschklepper, jeder Strauch­ritter gebärdete sich alsRitter ". Nur mit jenem Buschkleppertum haben dieRitter" von heute einen geistigen Zusammenhang und Ge­meinschaft des Charakters. Aber so wie die Strauchritter nur eine gewiffe Zeit lang ihr Unwesen treiben konnten, die anständigen Men­schen schließlich ihrer Herr wurden, so werden die Arbeiter der modrrnn Wegelagerer trotz ihrer Verleumdungskanonen Herr werden!

5HF*Reklame in den Schichtwerken! Von einem Gewerbetreibenden erhalten wir nachstehende intereffante Mitteilung:. Als ich am vergangenen Donnerstag am Schreckensteiner Bahnhof stand und auf den Zug wartete, machte mich ein Kollege auf die Schicht- Werke aufmerksam, an denen ich aber nichts Un­gewöhnliches bemerkte. Ein Fingerzeig des Kolle­gen aber in der Richtung des Kesselhauses be­lehrte mich einer befferen, denn dort war ganz deutlich ein SHF-Wappen kunstgerecht in die Mauer«ingemeißelt,«ine Arbeit, die sicherlich einige Stunden in Anspruch nahm. Anscheinend hatten die dort beschäftigten Maurer unter Dul­dung der Aufsichtsorganes dies« Reklame für Hen­ lein besorgt. Interessant ist, daß solche Dinge aus­gerechnet bei der Firma Schicht geschehen, die durch die Hilfe der sozialdemokratischen Partei eine für sie äußerst günstige Zuteilung der Margarine­kontingents erreichten. Es bewahrheitet sich, so schreibt der Gewährsmann unter anderem weiter, auch bei Euper Partei in diesem Falle das Sprich­wort:.Indank ist der Wetten Lohn"! Da gar kein Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung unseres Gewährsmannes besteht, muffen wir schon bemerken, daß es sicher im In­teresse der Firma Schicht liegt, wenn sie Vor­sorge trifft, daß die politisch anders eingestellten Verbraucher nicht zu der Auffassung gelangen, im Betriebe werde die Züchtung der SHF geduldet.

Volksentscheid I Offizielle Wahlparole der Sudetendeutschen Partei I

Die raffiniertesten Lügen und die pathetische­sten Lonnlitätsdctrnrrnngcu können de« wirklichen Charakter der Henlein -Bewegung nicht mehr ver­bergen. Was den deutschen Arbeitern vom ersten Tag der Existenz der SHF klar war, wird der breiteste« Oeffentlichkeit im Verlaufe des Wahl- kampfes deutlich vor Augen geführt. Die Partei Henleins läßt die Maske fallen. Vor«ns liegt ein Flugblatt, welches im Selbstverlag der Hauptstelle der Sudetrndeutsche« Partei, Eger , Bahnhofstraße, hrrausgegeben wurde und zeigt, wie sich die Agitation Henleins

entwickelt. Sett Wochen wird in der Provinz den Wählern eingehämmert, daß die kommenden Wah­len für die Deutschen iu der Tschechoslowakei die-1 selbe Bedeutung haben werden wie die Abstim-1 mung an der Saar . Die WorteVolksentscheid",! Plebiszit",Eingreifen des Völkerbundes" wur­den erst leise und vorsichtig, dann immer lauter und sicherer von Mnnd zu Mund, von Versamm­lung zu Versammlung getragen. Jetzt wagt man sich auch nach Prag damit. In dem Flugblatt, wel­ches Samstag auf derDeutschenUni- versität«erteilt wurde, heißt es schon unver­hohlen:

Das Sudetendeutschtum tritt diesmal nicht zu Wahle« im getvöhn» lichen Sinne an. Es geht nicht um die Erringung von ein paar Man­daten mehr oder weniger, es geht um die Zukunft unserer Heimat! Darum wird der 19. Mai für dasSudetendeutschtum zu einem Volks­entscheid."

Es ist nicht das erstemal, das gewissenlose Verbrecher große Teile der deutschen Bevölkerung in Abenteuer hineinhetzen, welche für die Leicht­gläubigen verhängnisvolle Folgen hatten. Nie­mals haben diese Demagogen die Verantwortung für ihr Tun übernommen, schmählich haben sic stets die von ihnen Verführten im Stich gelassen und sich selbst in Sicherheit gebracht. D i e P o- litik derVolksentscheide" und Plebiszite" treibt demselben Ende zu. Niemals wird die Henleinbewrgung stark genug sein können, um nnr ein Tausendstel dessen zu erfüllen, was sie heute verspricht. In der

Nationalversammlung wird sie ein Grüppchen bil­den, welches nicht mehr bedeuten wird als ehe­dem die kommunistische Partei auf dem Gipfel ihrer Macht. Ihren Anhängern aber, welchen vor­gegaukelt wird, der Staat zittere vor ihnen, wer­den die Augen übergehen, wenn es auf die Probe ankommen wird. Die Verantwortung dafür werden Henlein und sein Stab tragen, sie tragen auch die Verantwortung dafür, daß das Deutschtum in der Tschechoslowakei in eine Sackgasse getrieben wird, anS welcher es nur mit schwere« Opfern heraus­kommen könnte.

Heimatfronten sehen dich an... Ein Bericht vonFührern** und Geführten

Von Alexander Brunner Henlein spricht:Die Sudetendeutsche Hel» matfront ist eine vollkommen neu« Bewegung, sie hat nicht- mit irgendeiner Partei der Ver­gangenheit zu tun. Die Einigkeit aller Su­detendeutschen, der Arbeiter, Bauern, Unter­nehmer, in unserer Heimatfront wird die Er­lösung des sudetendeutschen Bottes bringen." Eine vollkommen neue Sache? Wir ver­öffentlichen hier ein paar außerordentlich zeit­gemäße Berichte über»Heimatfronten", die es vor seit zwei Menschenaltern gegeben hat, die sich alle alsvollkommen neue Ideen" bezeich­neten, die alle der Sudetendeutschen Heimat­front glichen wie ein Hähnlein dem anderen und die alle in Schmutz, Verrat und Korrup­tion zusammenbrachcn. Der Leser, wird rasck> merken, wie wenig sich dieIde« über uaL" des Turnlehrers Henlein von den»Ideen" unterscheidet, mit denen geriebene politische Geschäftemacher schon unsere Großväter hin­einzulegen versuchten. Ein Führer geht verloren ein Führer wird verkauft Am Stammtisch der Studentenverbindung Orion" gings um das 67igcr Jahr des vorigen Jahrhunderts hoch politisch zu. Die blutig Schlappe, die Oesterreich gegen Preußen im Jahr zuvor erlitten hatte, war noch nicht überwunden, Oesterreich war aus dem großen Deutschen Bund ausgeschieden, in den Köpfen aller Deutschen der Habsburger Monarchie herrschte vollkommene Ziel­losigkeit und Verwirrung, niemand wußte, was werden, was geschehen sollte. Es war also wirklich gar nicht verwunderlich, daß die Frage des Schicksals der österreichischen Deutschen nebst zahllosen anderen Stammtischen auch den der deutschen Verbindimg in Graz er­hitzte. Und doch sollte gerade dieser, der Geburts­ort eines Schlagwortes werden, unter dessen Klang seither immer und immer wieder Deutsche r moch­ten sie wohnen wo immer betrogen und genas- führt wurden. ES war einalter Herr" der Studentenver­bindungOrion", Emil Strohall, der das Wort von der Gründung derDeutschen Volks­gemeinschaft" unter seine Jünger warf. Das Wort kam in Schwang, wurde nicht nur in d(n alten Gebieten, sondern auch in Deutschböhmen ausgenommen. Das Schlagwort von der neb-l- hasten, nicht weiter erklärtenVottsgemeinschaft", hinter 1>er angeblich alle Klassengegensätze, jeder Unterschied zwischen Not und Ueberfluß auf ge­heimnisvolle Zauberarbeit verschwindet, war ge­heimnisvolle Zauberart verschwindet, war ge­baren. Eine ernstliche Vorstellung verband wohl sein Entdecker damit genau so wenig, wie seine heutigen Nachbeter, aber das tat auch damals schon nichts zur Sache. Zu einer richtigen Volksgemeinschaft gehört aber ein richtigerFührer". Dar stand für die Stamm tischler der 60iger Jahre nicht weniger fest, als für die heutigen. Wer sollte zum Füh­rer geeigneter sein, als der Entdecker des Schlag­wortes? Und so wurde bald in ganz Oesterreich die Trommel für denFührer der Deutschen Vottsgemeinschaft" gerührt, den Grazer Rechts­lehrer Emil Strohall.(Heutzutage ist man be­scheidener worden heute tutS zur Not auch schon«in Turnlehrer.) DaS Trommeln gelang prächtig: in Massen strömten politisch interessierte Deutsche dem neuenFührer" zu. Bald hatte er in Graz sein eigenes Blatt, denTelegraf ", bald fanden sich auch in den übrigen Kronländcrn Blät­ter, die eifrig für ihn und die von ihm entdeckte

Volksgemeinschaft warben. Wer je weiter sich die Volksgemeinschaft vom Stammtisch wegln- wegte und sich in der wirklichen Politik bewähren wollte, desto merkwürdigere Erfahrungen machte man mit ihr. Aus der politischen Bühne zeigte eS sich bald, daß hinter dem Schlagwort der Volks­gemeinschaft weder eine vernünftige Idee, noch ein Programm steckte, daß aber die Zahl der Unter» fiihrer, die hofften, mit Hilfe der Volksgemein­schaft eine auskömmliche politische Karriere zu machen, von Tag zu Tag wuchs. Die Zahl der Deutschen Vottsgemeinschafter", die sich gegen­seitig wie Hund und Katz besetzten, wuchs beäng- gigend. Besonders schlimm war es in Deutsch­böhmen, wo die Volksgemeinschaft derAfter." unter dem'Führer Dr. Herb st und die BöM- gemcinschaft derJungen" unter Führung der Strohallschüler Knoll und P i ck e r t einander in der wüstesten Art beschimpften. All das war um so verhängnisvoller, als in diesen Jahren wie auch öfters nachher die kaiserliche Regierung nationale deutsche Bewegun­gen so ungern sah und es ihr deshalb bloß w ll» kommen sein konnte, wenn die verschiedenen VottSbewegungen" einander den Boden abgru­ben. Ein Versuch, die diversen deutschen, natio­nalen Parteien wenigstens zu einem Parlamenta­schen Verband zusammenzustrflen, scheiterte an der Frage, ob dieser VerbandDeutscher Klub" oderDeutschösterreichischer Klub" heißen sollte. Als aber schließlich doch das politische EhaoS über die deutsche Partei hereinzubrechen drohte, ent­schloß man sich es war am 21. Juni 1885, zu einer gemeinsamen Parteienversammlung, um zu leimen, was noch zu leimen war. lind in die­ser Parteienversammlung war eS, daß immer lauter der Rus nach dem gemeinsamen rettenden Führer" laut wurde. Nun, wer sollte zur Kit- tung der jämmerlich zerbrochenen Volksbewegung geeigneter sein, als ihr Erfinder und ärgster Trommler Emil Strohall, von dem man allerdings merkwürdiger Weise schon seit Jahren nichts mehr in der Politik gehört hatte. Eine Delegation wurde ausgesandt, den erlösenden Führer einzu­holen. Wer siehe da: der zierte sich und lehnte bescheiden ab, mft dem Hinweis darauf, daß er sich seit estrigen Jahren von der Politik zurückge­zogen habe. Als man aber weiter und weiter in ihn drang, blieb ihm schließlich nichts übrig, als sein lange gehütetes Geheimnis preiszugeben. Er hatte aus Anlaß seiner Ernennung zum Univer- sitätSprofcffor dem Unterrichtsminister Stremayr die Erklärung abgegeben, daß er seine Gesinnung geändert und alle nationalen Bestrebungen voll­ständig ausgegeben hatte. Die ersteVolksgemeinschaft" war damit unter Schimpf und Schande aufgeflogen, der erste Führer" hatte sich ein mustergültiges Bei­spiel für sein« Nachfolger>. um einen Posten verkauft... Von Schönerer zum Hakenkreuz Ein Führer war futsch, aber der nächste stand schon hinter der Tür« Bon der hochtrabenden Parteiversammlung zur Reparatur der VottSge- meinschast, die in Stank aufgeflogen war, al» mau erfuhr, daß der Führer heimlich zur Krippe defer- tiert war, hatte sich ein Mann kerne gehalten, der Jahrzehnte lang von größter Bedeutung für die deutsche Politik in Oesterreich sein sollte Georg von Schönerer . Unter all denFührern", die bei den Deut­ schen der verschiedenen Staaten Verwirrung und Unheil angerichtet haben, ist er zweifellos der merkwürdigste. Als er 1873 während schon

Der Henlein-Terror Bei einer Propagandakundgebung der so» zialdemokrattschen Partei auf dem Ringplatz in Trautenau am Samstag vormittag kam es zwischen den Sozialdemokraten, die dort versam­melt waren, und Henleinleuten zu heftigen Aus­einandersetzungen, die hart daran waren, in eine offene Schlägerei auszuarten, deren Ausbruch aber durch das Einschreiten der Gendarmerie ver­hindert wurde. Die Genossen Schäfer und Krejki intervenierten sofort bei der Bezirkshauptmann« schäft in Trautenau gegen den maßlosen Terror, den die Henleinfascisten in den Straßen von Trautenau ständig entfallen, und verlangten A b- Hilfe.

der Postenkrieg zwst'chen den verschiedenen Stro- hallschen Volksgemeinschaften tobte ins Parla­ment gewählt wurde und sich dort dem Fortschritts­klub anschloß, ahnte noch kein Mensch etwa» von der stürmisch bewegten Lmifbahn, die diesem jüngsten Parlamentsmitglied bevorstand. Seine engeren Parlamentskollegcn nannten ihn dcn streitbaren Georg", weil es im Klub mit ihm ständig Krach gab und er allzu oft die Parteidiszi- plin bei Abstimmungen brach. Wer eigentlich ernst wurde er in den ersten Jahren seiner Polsti­schen Tätigkeit kaum genommen. Richtig aus­merksam auf ihn wurde die Oeffentlichkeit erst, als er sich mft der Förtschrstts- und nachher mft der Berfaffungspartei endgültig zerscklagen hatte und dann zwei Jahre ehe der Skandal des Füh­rers Sttohall aufflog seine eigene Botts-.- meinschaft gründete und sich gleich selbst zu ihrem Führer ernannt«. War die studentische Grazer Tafelrunde der Geburtsort des Schlagwortes derNationalen Vottsgemeinschaft" und ihresFührers", so kan» man mit mancherlei Einschränkung freilich den 1. Dezember 1882 als den Geburtstag des Nationalsozialismus bezeichnen. An diesem Tag wurde das später berühmt gewordeneLinzer P r o g r a m m" der Deutschnationalen Vottspar« tei Schönerers, die sich später Alldeutsche Partei nannte, veröffentlicht. Es war das erste Mal, daß in einem nationalen Parteipro­gramm von Arbeiterfragen die Rede war, das erst« Mal, daß in einem solchen Programm soziale Reformen gefordert wurden. Daß gerade dieser soziale Teil-eS Programmes mit wirtticbem Ernst und ttefem Verständnis für die Arbeiterschaft aus­gearbeitet war, ist nicht verwunderlich, war doch der Verfasser gerade dieses Programmteiles m-.- mand anderer als Dr. Viktor Adler . Um diese seltsame Arbeitsgemeinschaft zu ver­stehen, muß man sich daran erinnern, daß es zu dieser Zeit in Oesterreich noch keine sozialdemokra­tische Partei gab.,.(Diese wurde erst sieben Iah« später voii Vlsior Adler und seinen'GesmnungS- genossen gegründet.) Viktor Adler , um die Zeit des Linzer Programms noch ohne jede organi­sierte Arbeiterpartei hinter sich, aber schon erfüllt von dem brennenden Wunsch nach der Befreiung der Arbeiterklasse, hoffte in der neuen Parier Schönerers, der in dieser Zeit noch ein unbeschrie­benes politisches Blatt war, einen Kampfbode» für sein großes Zukunftsziel zu gewinnen,.vj Wer die Erwartungen Viktor Adlers und seiner Genossen wurden bald bitter enttäuschst Immer deutlicher trat zutage, daß die Parier Schönerers den sozialen Inhalt des Programm^ nur als Aushängeschild zur Heranlockung von Ar­beitermassen verwenden wollte und denSozia­lismus" ganz nach dem Vorbild ihrer haken- kreuzlerischen Itachfolger nur brauchte, um Anhänger für ihreVottsgemeinschaft" und de» Führer" Schönerer zu gewinnen, denen beide» in Wahrhett das Schicksal der Arbeiter recht gleich­gültig war. Als Viktor Adler das erkanvte- wandte er sich selbstverständlich mit allen, die de» Sozialismus ehrlich meinten, von dieserVolts­gemeinschaft" ab und trat der sozialdemokratische» Arbeiterpartei in Oesterreich bei. Nun erst konnte sich die BöttSbewegung des streitbaren Georg" richtig auStoben, nun erst­unbehindert von der Konttolle wirklicher Soziali­sten, konnte sie ihr wahres Gesicht zeigen, ein Ge­sicht, das schon deutlich den Stempel des Haken­kreuzes trug, daß vor wenigen der sudetendein- sche Patentnaziführer Rudolf Jung schreibe» konnte: Die Forderungen Schönerers haben eine Heimstätte in unserer Bewegung(der seither auf­gelösten sudetendeutschen Hakenkreuzpattei) ge­funden, deren ehemals österreichischer Zweig seine unmittelbare Hettunft von Schönerer herleite» kann... man dachte sich die Sache als getrennte Ettaffung der dreiStände", Arbeiter, Bauer» und Bürger, und deren Zusammenfassung zu einer BöttSbewegung." Herr Jung, der Platzhalter des Herrn Hi»- lem. welch letzterer von Schönerer nicht nur das Hakenkreuzlertum, sondern sogar das ständische Ideal übernommen hat, hatte recht. Wahrschew- lich viel mehr recht, als ihm und seinem Nachfolge Henlein lieb sein dürfte. Er hat es leider unter­lassen, seinen Lesern auch mitzuteilen, welch»»* denkliches Unglück dieBöttSbewegung", der-» Abkömmling zu sein er sich rühmt, über daS deut­ sche Voll Oesterreichs gebracht hat, er hat es unter­lassen mttzuteilen, wie bitter heute noch, da» sudetendeutsche Bott unter der Politik dieser Volks­gemeinschaft Schönerer - zu leiden hat, er hat unterlassen mitzuteilen, wie die Volksgemeinschaft Schönerers, gleich ihren Vorgängern und Nach­folgern in Schmutz. Korruption und Skandal zu­grunde gegangen ist.