«r. 114 Donnerstag, 16. Mai 1935 Seit« 7 Zigeuner in Bukarest Von Bruno Vogel Wenn man von der bescheidenen Repräsenta- tionsstraße Bukarests , der Calea Victoriei, süd- t»ärts geht, durch die Rahova- und Sabinerinnen- gaffe so nett hat man die Straßen hier getauft: Skulpturstrage, Ringelspielgasse, Hundefänger­und Droschkenkutscherstratze, Echoweg also von der Strada Sabinelor an hört das unzulängliche Pflaster überhaupt auf, und die anspruchslosen Häuschen werden mehr und mehr verdrängt von elend-romantischen Hütten. Nur selten mag ein Auto das dreiste Hühner- und Gänsegesindel aus­einanderstieben oder die behaglich im dicken Staub der Straße schlummernden Hunde und Esel aus ihren Träumen stören. Schlietzlich kommt man in die Strada Lau­tiri, die Geigenspielergasse, das Zentrum des Zi­geunerlebens. Tagsüber findet man fast nur kleine braune Jungens und Mädchen und etliche grotesk ver­schrumpelte alte Weibchen auf der Stratze und den derwahrlosten, schmutzigen Höfen hinter den kläg­lichen Zaunruinen. Dort rippeln ein paar lustige Kerle Mais, da faulenzt eine Rotte Phäakenknirpse um einen bro­delnden Kessel, zornig kreischt irgendwo eine mehr bejahrte denn würdige Matrone, und ein Schöpf­löffel schmettert blechern hinter dem gutmütig-fre­chen Lachen eines Zigeunersptösslings her. Ein Paar Fünfjährige zanken sich laut um eine Schach- tkl Zigaretten, ein Ferkel überquert quiekend die Stratze. Und überall klingen Geige und Zymbal: Schon vom vierten, fünften Jahr an müssen die Kleinen die Kunst der Väter üben, in der sie der- einft Meister werden sollen. L Musternde, misstrauische Neugier schaut dem fremden Wanderer nach, und bald ist man um« lärmt von einer Horde bettelnder Burschen. Zu­dringlich und herzzerreitzend schildern diese gebo­renen Schauspieler, welchem grauenvollen Hunger­tod sie entgegengehen, wenn man ihnen nicht ein Paar Lei schenkt. Nur durch geduldig immer wie­derholtesN'am nici un bau"(Ich habe absolut lein Geld), erreicht man schlietzlich, datz sie mit Mienen unsäglicher Verachtung von einem ab­lassen. . Das Zigeunerviertel erweckt am Tage den Eindruck eines aussterbendcn Dorfes. Aber es sst in Wirklichkeit fürchterlich übervölkert, denn Eeburtenregulierung ist hier tatsächlich, nicht »ur vergeblich, ein unbekannter Begriff. Die Alten gehen in der Stadt und ihrer Um« »chung den verschiedenartigsten Berufen nach, Be« rufen freilich, die sich nicht immer des Wohlge­fallens der Behörden erfreuen. Als Limonadeverkäufer ziehen sie durch die wnnemüden Stratzen, auf dem Rücken eine riesige, K türkischen Münzen verzierte MessinMnne, uttt die nervöse Lichtreflexe flimmern. Sie handeln in allen Gassen mit Holzkohle und erbost gackernden Hühnern, mit Teppichen, Bratwürsten, von denen das Fett zischend auf den Rost spritzt, und Sticke­reien. Geröstete Maiskolben kann man bei ihnen laufen, falsche und echte Schmuckstücke, obszöne Photographier», alte und neue Schuhe, verdächtige «undermedikament« in bunten Flaschen und schachteln, Seidenstrümpfe, allerlei Literatur- rrzeugniffe, bragä(ein herrlich kühles Getränk, aus gegorener Hirse hergestellt), Schlipse,Schreib­papier ach, alles nur Erdenkliche, wofür sich Käufer finden. ,, Dort an der Brücke über die graubraune, mibe DLmboviha bietet ein Zigeunerjunge Obst ml. Schön wie ein junger Griechengott liegt er aus dem heissen Pflaster neben einigen Melonen Und Weintrauben. Ein Gürtel und etliche Fetzen, die von einer Hose übriggeblieben sind, versuchen, lkines Körpers bronzene Pracht zu verhüllen. Es langweilt ihn offensichtlich, datz sich niemand für mne vitaminhaltigen Herrlichkeiten interessiert. Plötzlich steht er auf. flucht laut und inhaltreich Und wirft seine ganze Obsthandlung in den Flutz. ^ann schlendert er pfeifend von dannen. Fragte man die Händler freilich, woher ihre "aren stammen, erhielte man durchaus nicht unmer wahrheitsgetreue Auskunft. In Sieben- dürgen, wo neben dem rumänischen Hauptteil der Bevölkerung deutsch - und ungarischsprechende Mi- uaritäten und Zigeuner wohnen, kann man fol- llendes Märchen hören: .. Ein kleiner Königssohn oder so etwas ähn­liches war einmal wer weiss warum aus Wner Wiege vom Teufel entführt worden. Es herrschte selbstverständlich im ganzen Lande die Ziemende Trauer darüber, und als in jenen ^agen vier Untertane des betreffenden Königs, Rumäne, ein Zigeuner, ein Deutscher und ein Kngar, bei einer Flasche Pflaumenschnaps beisam- Ulensatzen, schlug der Ungar vor, sie sollten etwas llsternehmen, um den Abhandengekommenen wie- W herbeizuschaffen. Aber wie? Der Deutsche Mug vor, man möge eine Eingabe an den Teufel Erfassen, in der auf das Unrechtmässige seiner Handlungsweise hingewiesen würde. Der Ungar W, nur Waffengewalt könne da helfen, und er Mt eine lange und berauschend schöne Rede zum Preise der heldenhaften ungarischen Nation, dann sprach ex über die Frauen und die Freuden der ^>ebe und zum Schluss vom Baron Mikos. Der Rumäne, der ein Bauer war, meinte zögernd, ^nn sein Sohn vom Teufel geholt worden wäre, Mrde sich der König wahrscheinlich weiter keine pesonderen Sorgen darum machen. Und ausserdem: Menn sie ja den Königssohn zurückbrächten^ so p>ürde ein riesiges Freudenfest in allen Städten und Dörfern des Reiches veranstaltet werden, und Mterhsr gäbe es eine neue Steuer für die Payern, um damit das Freudenfest zu bezahlen. Als man schliesslich den Zigeuner um seine Mei­nung fragen wollte, war der verschwunden. Die drei aber debattierten weiter. Sie waren in ihren Erörterungen bis zur vierten Flasche Sliwo­witz gekommen, da erschien der Zigeuner in der Tür auf dem Arm das Königsbaby. Und auf die Fragen, wie er das gemacht habe ohne Waffengewalt und ohne schriftliche Eingabel antwortete er schlicht:Ich habe den Fratz ge­stohlen." Vielleicht ist diese Geschichte nicht wahr, dann ist sie aber gut erfunden: Es kann kaum geleugnet werden, dass sich unter diesem Nomadenvolk(und sie bleiben Nomaden, auch wenn sie jahrelang in einer Lehm- oder Ziegelhütte schlafen) viele ge­schickte Diebe und gerissene Betrüger finden. Nicht wenige der Waren, die sie feilbieten, werden irgendwo schmerzlich vermisst. Und dass im Rumä­nischen der Mond den Beinamensoarele iigani- lor", Zigeunersonne, führt, dürfte daher kommen, dass die Zigeuner viele ihrer Geschäfte lieber von dem diskreten Mond als von der Sonne bescheinen lassen.. Sie bestehlen sich übrigens nur sehr selten untereinander, sondern fast nur dieFremden". Selbstverständlich halten sie sich auch für ein auserwähltes Volk warum sollten gerade sie eine Ausnahme machen? und da sie nicht über die erforderlichen Beziehungen zur Rüstungsindu­strie verfügen, um andere Völker in grossem Stil mit Hilfe von Tanks, Flugzeugen und, Giftgasen zu bestehlen, sind sie auf bescheidenere individuelle Aktionen angewiesen. Das hat übrigens einen Vorzug: es gibt da nicht gleich ein paar Mil­lionen Tote. Schmuggel, Handel mit falschen Pässen und echten Valuten, dunkle Pferdegeschäfte und zwei­felhaftes Kartenspiel sind ebenfalls Erwerbs­zweige, die sie gern ergreifen. Die Frauen, solange sie jung und hübsch sind, verdienen Geld mit der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, sind sie alt und hässlich, dann verlegen sie sich aufs Wahr­sagen. Es gibt, besonders in den früher zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie ge­hörenden Gebieten Rumäniens , gar nicht selten Zigeunersiedlungen, in denen 90 und mehr Pro­zent der gesamten Bewohner syphilftisch infiziert sind, Kinder eingerechnet. Solche Zahlen sind nicht nur durch das erstaunliche erotische Temperament der Zigeuner bedingt, sondern auch durch deren Abneigung gegen selbst die allerprimitivsteHygicne in jeder Hinsicht. Glauben und Aberglauben schätzen sie wesentlich höher als Sauberkeit. Drei Dinge hasst der Zigeuner grenzenlos; seinen jeweiligen Nebenbuhler, die Polizei.und die Arbeit. Arbeiten müssen und der Akzent liegt viel­leicht mehr aufmüssen" als aufarbeiten" das ist für diese nach dem Norden verschlagenen Söhn« Indiens etwas Entwürdigendes, ein Fluch. Sie. verabscheuen die Arbeit nicht etwa, weil sie so schrecklich träge sind, sondern weil sie eine bon unserer grundverschiedene Auffassung vom Sinn des Lebens haben. Warum soll man einen langen» herrlichen Tag damit vergeuden, ein Paar alberne Schuhe zusammenzubauen, wo man doch die kost­bare Zeit viel nützlicher verbringen kann mit Lie­ben, Träumen, Musizieren, und Gott, der«auch seine braunen Kinder nicht vergisst", es in seiner Klugheit und Güte doch so eingerichtet hat, dass so Köchin, Näherin oder Friseurin? Welche Brant ist rentabler? Prag . Der 88jährige Friseur Anton R., der vor dem Einzelrichter GR. Dr. N o s e k angeklagt war, zwei Frauen unter Eheversprechungen materiell geschädigt zu haben, erwies sich im Verlauf der Ver­handlung nicht so sehr als Heiratsschwindler im ge­wöhnlichen Sinn des Wortes, als vielmehr als ein Mann von weitem Gewissen, der die Gelegenheit zu nicht ganz einwandfreier Bereicherung auSzunühen weiß und auch vor der Ausnützung weiblicher Schwäche nicht zurückschreckt. Zur Einrichtung seines Friseurgeschäftes brauchte er Geld. Da er seit dreieinhalb Jahren eine Be­kanntschaft mit der Köchin Marie S. hatte, er­achtete er sich für befugt. 600, die ihm seine Freundin anvertraut hatte, für eigene Zwecke zu ver­wenden. Die Freundin verzieh ihm, denn sie hoffte fest, daß er sie heiraten würde. Die gleiche Hoffnung hegte aber auch die Nä­herin Anna Z., mit der er zu gleicher Zeit eine Bekanntschaft unterhielt und der er 8400 KC her- auSlockte. Diese Anna Z. zog schließlich zu ihm und büßte bei diesem Zusammenüben eine Bettdecke ein, an deren Stelle ihr der zärtliche Liebhaber, als sie beim AuSeinandergehen ihr Eigentum zurückfordert«, nur einen Versatzzettel ausfolgte. Vorweg aber sei bemerkt, daß die beiden Bräute" ihren berechnenden Liebhaber bei der Ge­richtsverhandlung weitgehend entlasteten. Ins rich­tige Licht rückte diesen Fall aber das Verhör eines Freundes des Angeklagten, der dem Richter schil­derte, wie der Angeklagte ihn um Rat anging, ob er die Köchin oder die Näherin heiraten solle. Der Zeuge beriet den Freund dahin, daß er als Friseur doch lieber eine Friseuse heiraten solle. Dar­auf erwiderte der Angeklagte: Eine solche hab ich auch auf Lager, aber fie kostet mich zu viel Geld." Der Verteidiger bemerkte in seiner Rede, daßin der heutigen unmoralischen Z't ein Verhältnis mit zwei Frauen nichts ungewöhnliches sei" und darir noch kein Betrugsmanöver erblickt werden könne, um so mehr, als die Geschädigten selbst den Angeklagten entlasteten. DaS Gericht würdigte indessen die viele, viele Stiefel überall in der Welt ünbeobach- tet herumstehen, von denen man bequem ein Paar in wenigen Sekunden stehlen kann? Ein äusserst intelligenter Zigeunerjunge, mit dem ich mich öfter unterhielt, fasste seine Ansicht über dieses Problem in den kategorischen Indika­tiv zusammen:Nur ein dummer Mensch ar­beitet". Wie in anderen Staaten, hat man auch hier versucht, die Zigeuner zunützlichen Gliedern der Gesellschaft" zu machen. Der Erfolg entsprach ziemlich genau dem Mangel an psychologischem Verständnis, der diese Bemühungen auszeichnete. Am Abend sind die Zigeuner Bukarests Musik. 'In den luxuriösen Hotels und Cafts des Zentrums spielen berühmte, vielbegehrte Kapellen klassische Melodien und die letzten Schlager West­ europas mit jener eigentümlichen Interpretation, die Zigeunermusik von jeder anderen unterscheidet. Arrogant herablassend dankt der Dirigent dem da- capo-heischenden Beifall, und knittert gleichgültig in die Taschen seines eleganten Frackanzugs 500- und 1000-Lei-Scheine, die der Kellner auf silber­nem Tablett zugleich mit Wunschzetteln der Gäste überreicht. Und zerlumpte, schmierige Zigeuner kämpfen in armseligen Vorstadtspelunken mit Geige und morschem Zymbal gegen das laute Lachen und Schwatzen Trunkener. Haben sie eine Weile kon­zertiert, gehen sie von Tisch zu Tisch und betteln um ein Glas Schnaps und etliche Scheidemünzen. Wenn der Wirt gute Laune hat, bekommen sie ein Stück Brot, etwas Speck und einige Paprikaschoten dazu oder vielleicht sogar ein Gulasch. Wenn in den Dörfern die rumänischen Knechte und Mägde Hora und Särbü tanzen(oder hin und wieder Csardas und Foxtrott), wenn zwei bekannte Boxer sich gegenseitig windelweich prü­geln, wenn die Soldaten durch die Stadt mar­schieren: das begleitende Orchester besteht immer aus Zigeunern. Sie spielen auf Taufen und Hoch­zeiten und Begräbnissen, im Radio, auf den Donaudampfern und in Kirchen. Aber echte Zigeunermusik, die hort man nur bei den Gigant de satrü, den Wunderzigeunern, die, unstet und flüchtig, mit ihren Pferden von Dorf zu Dorf, von Land zu Land ziehen. Draussen in der Pusta. Am Abend. Langsam wächst aus dem Osten die Nacht den roten Wolken des Sonnenuntergangs entgegen. Gespenstisch schwarz ragen ins Zwielicht die Galgen der Ziehbrunnen, leise schreien sie beim Wasserschöpfen. Aus einer Hütte quillt Rauch schräg empor und verflattert. Heller und heller lodert drüben am anderen Ufer des Flusses ein Lagerfeuer von Zigeunern. Fern» irgendwo brüllen satte Tiere dumpfe Zufriedenheit. Maulbeerbäume füllen den Wind mit Streifen süsslichen Dufts. Und nun singt eine Geige ihre Sehnsucht dem schweigenden Dunkel./ EjpsgM,.txapryschwkre'Melodien, geboren in de» verlorenen Heimat, an den Ufern'des heiligen Ganges , auch wenn sie erst im Augenblick impro­visiert werden einsame, traumschwere Melo­dien erzählen von den tausend Leiden des Parias und verlocken dennoch zu jenem Leben in der gro­ssen Freiheit, die keine Gesetze kennt. Das Geheimnis der Steppe spielt der Zigeu­ner, die fremden, nie bewussten Tiefen der Men­schenseele werden Musik. Unternehmungen des Angeklagten vom Standpui.kt des Gesetzes und verurteilte ihn zu zwei Mona­ten Kerker, bedingt auf drei Jahre. rb. Wenn sich ein Boxer betrinkt Prag . Der 21jährige Karl M. aus Hlouböiin ist als tüchtiger Amateurboxer bekannt. In dr: Nacht auf den 24. Feber absolvierte er indessen ein Boxmatschfreien Stils", das ihm nicht gut bekam. Sein Gegner war der Polizeiinspektor Kkrj und der Schauplatz des Kampfes die Podkbraser Straße. Es begann damit, daß ihn der Polizist um 8 Uhr früh ermahnte, nicht die Nachtruhe zu stören. Das Polizeiorgan mochte Grund dazu Haven, denn Karl M., sonst bekannt als friedliebender und mäßiger Mann, hatte sich an diesem Abend in fröh­licher Gesellschaft verleiten lassen, allzu tief ins Glas zu gucken. Nun torkelte er singend in der Fahr­bahn umher, was auf dieser stark frequentierten Straße auch zur Nachtzeit ein lebensgefährliches Unternehmen ist. Zunächst fügt« er sich aber den Anordnungen der Polizei, wenn auch mit einigen saftigen Kraftausdrücken. Kaum in eine Seitengasse eingeschwenkt, begann er aber seine Zechkumpane herauszufordern und«S entspann sich eine Schlägerei, die den Inspektor Ktij zu neuerlichem Einschreiten veranlaßte. Der Boxer bearbeitete indessen den Polizisten derart, daß die'er bald hilflos auf der Erde lag. Der Sieger wurde freilich dieses Knockouts nicht froh, denn auf den Alarmpfiff d«S Polizisten eilte Verstärkung herbei und gegen Gummiknüttel hilft keine Baukunst. Karl M. wurde der öffentlichen Ge­walttätigkeit angeklagt und verantwortete sich mit völliger Trunkenheit. Der Gerichtshof des Gill. Dr. Krhstufek konnte dieser Verteidigung in An­betracht der trefflichen Boxleistung des Angeklagten nicht stattgeben, nahm aber doch Rücksicht auf dessen stark alkoholisierten Zustand und verurteilte den An­geklagten zu vier MonatenKerker, aber b e- dingt auf trei Jahre. rb. verlange! überall Dnlhszünder! Wynne Gibson als Mädchen aus einer Hafenkneipe in dem ameri­ kanischen FilmWenn ich eine Million hätte". Arbeiter-«nd bürgerlicher Sport Eine zeitgemäße Betrachtung Der Arbeitersport wurde von den bürgerlichen Sportorganisattonen, solang« er unbedeutend war, totgeschwiegen. Man nahm von seiner Existenz überhaupt keine Notiz. Aber als immer mehr und mehr Anhänger und Verfechter des Arbeitssports in Erscheinung traten, da hat man versucht, die Bestre­bungen des Arbeitersports als falsch hinzustellen. Eines der häufigsten und gebräuchlichsten Argumente war der Borwurf der Politisierung des Sports durch den Arbeitersport. Daß der Sport rein technisch be- tachtet kein Politikum darstelle, haben die Arbeiter­sportler nie bestritten. Es komme aber auf die Trä­ger der Bewegung und di« geistige Einstellung an. Es hat zu allen Zeiten und in allen Staaten nie einen wahrhaft neutralen Sport gegeben, denn die ausgesprochene Neutralität der bürgerlichen Sport­organisationen war immer nur der Deckmantel, um Arbeiter und Angestellte in ihre Reihen zu locken. In Wahrheit ist die reaktionäre Tendenz der bürger­lichen Sportorganisationen immer, wenn auch in dem einen Verein mehr und in dem anderen weni­ger, hevorgetreten. Im entscheidenden Moment Haden sich die bürgerlichen Sportorganisationen immer anf di« Seite der Kapitalisten«nd Reaktionäre gestellt, wie das wieder mit aller Deutlichkeit in Deutschland «nd in Oesterreich z« sehen ist. Die Arbeiter und Angestellten, die ihrer Klas­senlage nach zur sozialistischen Arbeiterbewegung ge­hören^ und in bürgerlichen Sporwereinen Mitglieder sind oder die schwindelhafte Neutralität der bürger­lichen Sportorganisationen mitmachen, sind durch Täuschungsmanöver Gefangen« des Klassengegners geworden. Die nationale und klerikale Sport- und Turn­bewegung hat gleich der Arbeitersportbewegung mit aller Offenheit immer den Standpunkt vertreten, daß die Turn» und Sportbewegung mit einer geistigen Zielsetzung verbunden sein müsse, wenn die Sport­bewegung nicht bloß als wertlose Zeitvergeudung be­trachtet werden wolle- Ueber den physiologischen Wert und die Vorzüge der Leibesübungen an und für sich hinaus müsse die Sportbewegung geistigen Zielen dienen, um für das Volk erst die ttefe und ethisch« Bedeutung zu erlangen. Es ist selbstver­ständlich, daß die Sportverbände, die sich weltar« schaulich verbunden gefühlt haben, diesen Stans - Punkt vertreten haben, und daß daneben die soge­nanntenneutralen" Sportorganisationen nur ven Individualismus im Sport gefördert haben, der naturgemäß zum Professionalsport führen mußte.. Nach dem Aufstiege der Arbeiterklasse haben die bürgerlichen Kreise versucht, die Arbeiterschaft von der Besitznahme der Sportbewegung abzulenken durch die sogenannten neutralen Sportorganisationen. Di« Tatsache, daß auch viele Sozialisten in bürgerlichen oder sogenannten neutralen Sportorganisattonen Mitglieder waren und noch sind, beweist nicht das Gegenteil d«» Gesagten; es beweist nur, daß diese Betreffenden die Gefangenen ihrer Klassengegner auf dem Gebiete des Sports geworden sind. Im Dritten Reich gibt e8 keinen neutralen Sport mehr. Alles mutz sich jetzt zum polittschen Sport bekennen und die sogenannten neutralen Sportorganisationen waren die ersten, die sich freiwillig gleichgeschaltet Haven. Fm Deutschen Reich wird den Sportvereinen die Er« ziehungsarbeit im nationalen Sinne diktiert und jede freie Regung unterdrückt. Kann es nun jemand noch glaubhaft gemacht werden, daß es einen neutralen Sport gibt? Man wird es immer wieder versuchen. Im Kampf gegen seinen Kkass«ngegner versucht das Bürgertum immer wieder jedes Mittel, selbstver­ständlich a«ch das Tarn«ngSmanövrr mit dem ner»- tralen Sport. Die Gleichschaltung der Sportorganisationen in allen Ländern der Diktatur zeigt deutlicher als sonst die Phrase der Neutralität im Sport. Wer dies noch nicht erkannt hat, sollte es jetzt erkennen und als Kämpfer für«ine bessere Zukunft auch auf sport­lichem Gebiete und für den sozialistischen Arbeiter­sport eintreten.