Etathntis 70 Heüu (•ImcMIeeilck I H«I1m Fort«) SSSZIÄLDEMOKRATISCHEH ARBEITERPARTEI IN PER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag nu fochova«r. teihon no/7. HERAUSGEBER, SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR « WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEURi DR. EMIL STRAUSS, FRAG. 15. Jahrgang Freitag, 31. Mai 1935 Nr. 127 Vor einer Wende in der Schweiz Lostas am 2. Juni Zum erstenmal in der helvetischen Geschichte: Kampfbündnis zwischen Arbeitern, Bauern und städtischem Mittelstand. Von Julius Braun thal Beratunsen im Weißen Haus Washington . Präsident Roosevelt hatte im Weißen Hanse eine Beratung mit Richberg und anderen Funktionären der NRA. Rach dieser Äon» serenz wurde erklärt, daß der Präsident bereits in den allernächsten Tagen mit einer Aktion beginnen werde, die die Aufrechterhaltung der Löhne und der Arbeitszeit, wie sie durch die Jndustrieeodes festgesetzt wurde, bezweckt. Präsident Roosevelt zeigte Journalisten gegenüber auf einen StoßvonResolutio- n e n auf seinen Tisch, die von verschiedenen Industriezweigen stammen, die sich verpflichten, die Bestimmungen über die Arbeitszeit und Lohnverordnungen(Codes) in Geltung zu belasten. Allerdings könne von dieser überwiegenden Mehrheit nichts unternommen werden, wenn der eine oder der andere Industriezweig sich entschließt, die Preise herabzusetzen. Wir werden sehen, erklärte Roosevelt , was geschieht, wenn die Industrie zu 90 Prozent sich loyal verhalten wird, während 10 Prozent das Gegenteil tun. Millionen von Arbeitern schöpften, wie Reuter meldet, Beruhigung und Genugtuung auS dem AuSspruch deS Präsidenten Roosevelt , daß die freiwillige Einhaltung der Grundsätze der NRA empfehlenswert sei, sowie aus der Erklärung Johnsons, daß neue legislative Maßnahmen in Vorbereitung stehen, die Vesser sein werden als diejenigen, welch, für verfassungswidrig erklärt wnrdm. Als der Präsident der amerikani schen Arbcitsfödcratimr Green erfuhr, daß in einigen Industriezweigen die Löhne bereit- herab- gesetzt wurden, gab er den Gewerkschaftsorgani- sationcn die Weisung, weiterhin unerschütterlich auf der Forderung zu beharren, daß keine Lohnkürzungen vorgenomme» werde«. Luftpakt-Entwürfe dem englischen Außenminister vorseiest London . Die deutsche Regierung beauftragte ihre« Botschafter in London , dem britischen Außenminister den Vorschlag einer Flugkonvention. wie sie Deutschland wünscht» zu unterbreiten. Einzelheiten dieses deutschen Planes sind öffentlich noch nicht bekannt. Minister Simon bekam auch einen von Frankreich ausgearbeiteten Flugplan- tzorschlag in die Hände. Auch Italien und Belgien arbeiten gegenwärtig ähnliche Projekte auS. Es wird die Möglichkeit einer Konferenz der fünf Mächte erwogen. Vorverhandlungen werden allerdings als erforderlich angesehen. Japan setzt seine Erpressertaktik fort Tokio . Die japanische Presse veröffentlicht auS Peiping einen Bericht über die Forderungen, die der japanische Militärattachee in Peiping den chinesischen Regierungsstellen vorgelegt hat. Japan fordert u. a., daß im Norden Chinas unverzüglich jedwede antijapanifche und antimandschurisch eKampagne aufhöre, weiter, daß alle Organ« der geheimen Vereinigungen aufgehoben werden, die den Terrorismus unterstützen. In dem japanischen Dokument.heißt es dann noch: Wenn die Lage unverändert bleibt, werden di« japanischen Truppen gezwun- g e n(1) sein, die Große Mauer zu überschreiten. Oürlng In Bulgarien abgeblitzt? Sofia . Ministerpräsident Tosev hat die im Zusammenhang mit dem Besuch des preußischen Ministerpräsidenten G ö r i n g in Sofia verbreiteten Nachrichten dementiert und in diesem Zusammenhang erklärt: Die Politik Bulgariens ist klar und einheitlich: sie verfolgt nur ein Ziel) nämlich die Annäherung an Jugoslawien und die Freundschaft mit den übrigen Nachbarn. Auch Kanada devalvlert? Ottawa . Di« Regierung hat einen Plan zur Erhöhung des Goldwertes als vorbereitende Maßnahme vor den internationalen Verhandlungen betreffend die Stabilisierung der Devisen ausgearbeitet. Wie es scheint, bereitet die Regierung so die offizielle DevalvationderWährung vor, deren Wert im gleichen Grade herabgesetzt wird^ wie der amerikanische Dollar. Waffenstillstand im Gran Chaco für die Dauer von 30 Tagen Buenos Aires . Die Friedensverhandlungen der großen südamerikanischen Staaten über die Beilegung des bewaffneten Konfliktes betreffend das Chaco-Gebiet Hecken einen großen Erfolg zu verzeichnen:' Die paraguayanische Regierung hat den Vorschlag eines dreißigtägigen vorläufigen Waffenstillstandes angenommen, um über die Lösung des Konfliktes weiter verhandeln zu können. Der paraguahanische Außenminister erklärte, daß Paraguay auf Grund der Positionen, die die Truppen im Augenblick, der Unterzeichnung der Vereinbarung besetzt halten, und unter gewissen Bedingungen geneigt sei, die Feindseligkeiten einzustellen. Rach einer kurzen Rede deS Hauptberichterstat- terS des Finanzausschusses Bareth, der, wiewohl er selbst tags vorher zusannnen mit dem Ausschußpräsidenten Mawy für den Regierungsgesetzentwurs gestimmt hatte, den ablehnenden Standpunkt des Finanzausschusses zu der Vorlage darlegte, sprach der Deputierte der unabhängigen Linken. Fernand Laurent, der nicht einsieht.' warum der Regierung Flandin eine beinahe diktatorische Vollmacht erteilt werden solle. Der ehemalige Finanzminister im Kabinett Tardicu, Paul Rehnaud, ist persönlich ein Anhänger der Devalvation. Auch der neosozialistische Deputierte D e a t spricht sich gegen die Erteilung der Vollmacht an die Regierung aus. Nach der Rede des soziali stischen Deputierten Moch, der gleichfalls die Vollmacht für die Regierung ablehnte, kündigte der Präsident der Kammer an, daß der Ministerpräsident das Wort ergreifen werde. Die ganze Kammer von der Rechten bis zu den Sozialisten begrüßt mit stürmischem Beifall den Ministerpräsidenten Flandin , der, von einrnr Arzt gestützt, die Rednertribüne besteigt. Angegriffen, jedoch physisch frisch trotz Anzeichen wachsender Ermüdung, die linke Hand in einem Gipsvrrband und mit über den Verband übergeworfenem Rock sprach Flandin frei, bloß mit Notizen vor sich. Seine Rede dauerte eine ganz« Stunde. Der Ministerpräsident führte eingangs aus: „Heute handelt es sich weniger daraum, zu svrechen, vielmehr ist es notwendig zu handeln, worauf er sofort zur Sache überging. Die Gründe der Offensive gegen den Franc müßten nicht' bloß außerhalb der Grenzen Frankreichs gesucht werden, sondern leider auch daheim in Frankreich , unter ge- weicksmäßigen Spekulanten. Die Devalvation ist zwar eine annehmbare Lösung, opportun, aber es ist eine bequeme Lösung. Die Regierung hat eine solche Lösung abgelehnt. Der Minister stellte sodann die Devalvationskampagne an den Pranger. Die ganze Kammer klatschte einmütig den Worten deS Ministerpräsidenten Beifall, als er diese Kampagne verurteilte., Der Ministerpräsident machte sodann nachdrücklich auf einige amerikanische ' Presseagenturen aufmerksam, die nach den Gemeindewahlen in Frankreich der Welt verkündeten, daß di« Kommunisten binnen kurzem' Herren Frankreichs sein werden. Diese Kampagne sowie auch die systematische Herabsetzung des französischen Parlamentarismus gaben sich in dem Mißtrauen in den franzö sischen Fran-c kund. Die gegenwärtige Lage kann aber den Franc in nichts bedrohen. „Der Fran« wird nicht fallen, fügte Flandin hin»«, solange ihn Frankreich selbst nicht anfgibt! Zürich , Ende Mai 1035. Das ruhige Schweizer Volk ist in tiefer Erregung. Es rüstet zu einer Entscheidung am 2. Juni von allergrößter wirtschaftlich und politischer Tragweite. Länger als die meisten Staaten der Erde hat die Schweiz . der Wirtschaftskrise standgehalten. Fast sechs Jahrzehnte lang, von 1873 an, konnte sich die schweizer Volkswirtschaft ungestört von den Krisenstürmen rings um seinen Grenzen entwik- keln, konnte Reichtümer ansammeln, wurde zum Eine Devalvation würde der Spekulation in Frankreich und im AnSlande zum Vorteil gereichen, würde aber dir französischen Sparer ar» machen." Die erweiterten Vollmachten, um die die Rigierung ersucht, sind dazu bestimmt, der Panik und der Spekulation Einhalt zu gebieten, das Budget auszugleichen, die Wirtschaftslage zu bessern und das Vertrauen wiederherzustellen. Es sind neue Ersparungen notwendig. Flandin kündigte bei dieser Gelegenheit die Demission des Finanzministers an und zollt« seiner Finanzpolitik Dank und Anerkennung. Die Kammer nahm diese Worte mit gemischten Gefühlen, mit Beifall»nd mit Gemurmel, auf. Der Ministerpräsident versicherte, daß die Regierung die Vollmachten nicht zu diktatorischen Verfügungen benützen wolle. Die Regierung werde das Parlament und die demokratischen Traditionen respektieren, wenn ihr die erweiterten finanziellen Vollmachten erteilt würden. Zum Schluß appellierte der Ministerpräsident in beredten Worten an das Parlament, daß es an die kleinenSparer denken möge, die den Kern und Stolz Frankreichs bilden, und daß es nicht zulassen möge, daß Spekulanten sie um die Früchte ihrer Arbeit und die Ersparnisse ihres ganzen Lebens bringen. Das Volk würde eS nicht begreifen, wenn durch die Feigheit der Parlamentsmitglieder der Frank entwertet würde.(Murmeln auf der Linken.) Rettet Frankreich und schließt euch mit der Regierung im gemeinsamen Kampfe gegen die Spekulation zum Schutz der Arbeit und des Sparens zusammen! Die Kammer, die den Worten des Minister- präsidenten oftmals einmütig Beifall zollte, besonders als er die Spekulafion verurteilte, nahm seine Rede zum Schluß nur in der Mitte, teilweise auf der Rechten und nur spärlich auf der Linke» mit Beifall auf. Um 22 Uhr trat die Kammer zu einer Nachtsitzung zusammen. Im Laufe der weiteren Debatte hat sich die Stimmung der Kammer durch das energische Eintreten H e r r i o t S sür die Finonzvollmachten einigermaßen gebessert. Die Abstimmung dürfte gegen 2 Uhr früh erfolgen. Sollte Flandin gestürzt werden, so rechnet man noch im Laufe der Nacht mit der Bildung eines KonzrnwationskabinettS unter dem Lorfitz des Kammerpräsidenten Bouisson, dem die Kammer die Finanzvollmachtr« voraussichtlich bewilligen würde. relativ wohlhabendsten Land der Welt. Die Natur hat ans dem Füllhorn ihrer Gaben nur ihre Schönheiten über das Land ergossen, hat es mit gewaltigen Gebirgen und lieblichen Seen, mit majestätischen Gletschern und mit der bezaubernden südländischen Flora bedeckt. Mer sie hat dem Land den Reichtum von Naturschätzen, Kohle, Erze, versagt, spärlich ist nur der fruchtbare Weizenboden, hartem steinigem Grund muß der Bauer die Frucht abringen. Wer die besondere Qualität ihrer Jndustrieerzeugnisse und vor allem eine Politik konsequenter Neutralität hat den Goldstrom Europas in dieses Land gelenkt. Die Schweiz wurde zum Banksafes des Kontinents.. Dorthin flüchtete Kapital, wo immer es sich durch Völkerkrieg und Bürgerkrieg, durch Inflation und Devalvation bedroht fühlte. Der so reichlich mit Gold überdeckte Schwei zer Frank wurde aber zum Hemmschuh des Exports in eine Welt, die ihre eigenen Währungen abgewertet hat. Der Export sank.. 1929 verkaufte die Schweiz noch um 2100 Millionen Gold-Franken Waren ins Ausland, 1934 nur mehr um. 742 Millionen, fast um zwei Drittel weniger! Die Zahl der Arbeitslosen stieg io. emeyl Lqnd pon nur 4.1 Millionen Einwohnern auf 110.000, bäS sind mehr als 17 Prozent artet in den Arbeitslosen- lassen registrierten Industriearbeiter.. In eine ebenso ernste Lage geriet die Landwirtschaft. Auf ihr lastet eine Schuld von fünf Milliarden Goldftankcn. Die Schuld vermehrt sich alle Jahre um 100 Millionen. Die Preise sanken, die Bauern hatten mit immer größeren Schwierigkeiten zu ringen, um ihre Zinsenverpflichtunz von 200 bis 220 Millionen im Jahr zu erfüllen. Zwanzigtausend Bauernfamilien stehen vor dem Ruin. An di« siebentausend Bauernsöhne verließen im letzten Jahrzehnt den Hof ihrer Väter, wanderten in die Städte, in fremde Länder. Die Parteien des hochkapitalistischen Bürgertums, die das Land beherrschen, fordern die Deflation, den Abbau der Löhne und der Preise. Sie fordern die Senkung der Produktionskosten der Industrie um 20 Prozent, da müßten, so erklären di« Gewerkschaften, die Lohne um ungefähr vierzig Prozent herabgedrückt werden. Würde die fo rapid« Senkung der Lebenshaltung breiter Massen die Krise nicht erst recht verschärfen? Was nützt die Deflation? Im benachbarten Oesterreich ist trotz konsequentester Deflation der Export von 1596 Millionen Goldftankcn im Jahre 1929 auf 444 Millionen im Jahre 1933 zurückgegangen— um 72.2 Prozent! Die Deflation hat die Massen verelendet, aber den Msturz des Exports nicht gehindert. Und dann: Wie vermag Deflation der überschuldeten Bauernschaft zu helfen? Werden die Preise der landwirtschaftlichen Produkte weiter gesenkt, dann wächst erst recht die Schuldenlast. Ist die Bauernschaft schon bei den heutigen Preisen kaum imstande, ihre Schuldenverpflichtungen zu erfüllen» wie erst, wenn der Geldertrag ihrer Arbeit infolge weiterer Preissenkungen zusammenschmilzt? Die Deflation soll di« Abwertung des Franken verhüten. Mer würde ein Zusammenbruch der Landwirtschaft unter ihrer riesenhaften Schuldenlast die Schweiger Hypothekarbanken und mit ihnen das ganze Schweizer Kreditgebäude nicht mstreißen, den Franken nicht erst recht erschüttern? Die Deflation, die ideenlose Politik des Abbaues, erschließt kernen Weg aus der Krise. Die sozialdemokratische Partei der Schweiz war in den letzten Jahren in die Verteidigung gedrängt worden. Ihre poliftsche Expansionskraft war zwar ungebrochen geblieben: Sie eroberte Zürich , eroberte Genf , eroberte die Mehrheit in Basel — fast alle größeren Städte der Schweiz werden von Sozialdemokraten regiert. Wer die bürgerlich- großkapitalistische Bundesregierung schleudert eine Angriffswelle nach der anderen gegen die soziale und politische Stellung der Arbeiterklasse. Die Partei mußte den Berteidigurigs« kampf führen gegen Dkassensteuern und Konsumsteuern, gegen Lohnabbau, gegen den Plan, die Bundesbahnen zu entstaatlichen, gegen Anschläge auf die Pressefreiheit, gegen den Abbäu der Demo- Dramatischer Kampf um die Finanzvollmachten Paris . Die entscheidende Schlacht«m die Finanzvollmachte« für die Re- gierung«nd damit«m den Fra «e selbst begannen Donnerstag nachmittags 3 Ahr. 22 Redner Mare« zu Wort gemeldet. Ministerpräsident Flandin hat, um die Lage der Regierung zu bessern, während seiner großen Rede in der Kammer die Demission des Finanzministers Germain- Ma r t i« beLanntgegeben, dessen geplante Sparmaßnahmen nicht gerade sehr populär find. Es ist aber noch sehr zweifelhaft, oh das Kabinett sich dadurch vor der drohende« Niederlage retten wird. Bei Blattschlutz war die Entscheidung»och nicht gefallen.
Ausgabe
15 (31.5.1935) 127
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