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Freitag, 7. Juni 1935
Nr. 133
Dr. Benes nach Moskau abgereist Prag . Außenminister Dr. Eduard Benes ist am Donnerötag in Begleitung des Legationsrates Dr. Vladimir K u ö e r a und Dr. Hla- v n L c k s auf Einladung der sowjetrussischen Negierung nach Moskau abgereist.
Berlin stellt Bedingungen Auch Italien soll sich in Oesterreich nicht einmischen Rom . Wie verlautet, ist Deutschland geneigt, sich an einer eventuellen Donaukonferenz in Rom nur unter den nachfolgenden Bedingun- g. zu beteiligen: Die Verpflichtung der Nichteinmischung in die inneren österreichischen Angelegenheiten würde gleichermaßen für alle gelten. Diese Verpflichtung würde nicht durch zweiseitige Hilfeleistungspakte ergänzt werden.
Sektoren ein, unterwirft vor allem den Kredit und die Schlüsselindustrien der Herrschaft des Staates, bemächtigt sich also der Kommandohöhrn der gesamten Wirtschaft. Nach diesem Plan die Wirtschaft gestaltet, könnte, so verkündete de Man, binnen drei Jahren mindestens die Hälfte, in weiteren zwei Jahren die gesamte Arbeitslosigkeit in Belgien aufgesaugt, Wohlstand für alle dauernd begründet werden. Darum„Der Plan, der ganze Plan, nichts als der Planl" Die Idee ergriff die Massen. Sie setzte nicht allein die Arbeiterklasse, darüber hinaus auch breite Schichten des Mittel- standes in Bewegung. Der Zusammenbruch des Bürgerblockshstems wäre der natürliche Augenblick für Neuwahlen gewesen. Aber es war keine Zeit zu verlieren. Der belgische Franc glitt ab, es war zu befürchten, daß er ins bodenlose abstürze und ein Run die Wirtschaft des Landes unter seiner Papierflut begrabe. So entschloß sich die Partei, nicht ohne strengste Gewissensprüfunq das Opfer einer Regierungsbeteiligung mit bürgerlichen Parteien auf sich zu nehmen. Während aber die sozialdemokratische Partei in ihrer Organisation und im Parlament ihre Geschlossenheit bewahrte, spalteten sich die Katholiken und Liberalen bei der'Abstimmung, es stimmten für die neue Regierung nur die Angehörigen ihres linken Flügels, bei den Katholiken die Arbeitervertreter, bei den Liberalen die Vertreter der Angestellten. Der konservative, dem Fascismus zuneigende Flügel beider Parteien blieb in Opposition. Diese Spaltung herbeizuführen hatten sich die Sozialisten als strategische Aufgabe gestellt, sie war gelungen-. Die Regierung Belgiens kann,, trenn man will, als eine Gesamtvertretürtg de» arbeitenden Volkes Belgiens in ihren drei weltanschaulichen Richtungen angesehen werden. An der Spitze der Regierung der nationalen Union, gebildet von sechs Katholiken, fünf Sozialisten und vier Liberalen steht der frühere Bizegouverneur der belgischen Nationalbank Van Zeeland, ein Kriegsgefangenenkamerad seines Ministerkollegen de Man, wie jener ein Vierziger, also ein„Junger". Die Regierung übernahm natürlich nicht den ganzen Plan, denn sie bleibt, trotz der sozialdemokratischen Minister, eine bürgerliche Regierung, aber doch Teile des Plans. Es wurde ein„Amt für den wirtschaftlichen Wiederaufbau" geschaffen, in dessen Leitung de Man berufen wurde. Dieses Amt, dem vorläufig eine Milliarde zur Verfügung gestellt ist, soll ein großes Programm öffentlicher
Arbeiten, das dtz Man entipirft, durchführen. Statt Abbau wurde Kreditausweitung zum Regierungsprogramm, durch Regierungseinwirkung, soll der Kredit der Banken planmäßig in die Wirtschaft einströmen. Eine Reihe von Steuererleichterungen sollen die Selbstkosten senken und eine Marktkontrolle ein Emporschnellen der Preise hemmen. Das Auftreten der neuen Regierung hatte zunächst eine überraschend gute Wirkung. Die verzweifelte Stimmung schlug in Zuversicht um. Das ins Ausland geflüchtete Kapital kehrt zurück, rund 150 Millionen Francs in jeder der vergangenen Wochen. Die Abwertung des Francs um 28 Prozent senkte sofort in Weibselwirkung mit dieser optimistischen Stimmung die Zahl der Arbeitslosen. Man kauft wieder, vor allem Möbeln und Textilien, die Lager leeren sich, Arbeitslose werden eingestellt. Die Regierung behauptet, daß schon im ersten Monat der neuen Regierung die Arbeitslosigkeit um 14.77 Prozent gefallen sei. In Ver- viers, dem Zentrum der Textilindustrie, ist die Zahl der Arbeitslosen von 9000 auf 5000 zurückgegangen. Die.General-Motors ", die in Antwerpen eine Fabrik betreibt, hat ihre Autoproduktion um mehr als fünfzig Prozent erhöht. Noch
ist vorläufig die Preissteigerung infolge der Francentwertung minimal: sie beträgt im ersten Monqt 1.27 Prozent. In dieser günstigen Stimmung soll im Herbst mit großen öffentlichen Arbeiten eingesetzt werden, um von der Staatsseite aus den Prozeß des Wiederaufbaus der Wirtschaft zu beschleunigen. Es ist im Augenblick nicht abzusehen, ob es den Sozialisten gelingen wird, ihre bürgerlichen Regierungsteilnehmer zu durchgreifender Planordnung der Wirtschaft zu bewegen. Denn jeder Schritt auf dem Wege zur Ersiillung des Plans verletzt natürlich kapitalistische Interessen. Die. Partei erflärte, den Kampf um„den Plan, den vollen Plan, nichts als den Planl" jetzt erst recht fortzuführen, um den Druck der Sozialisten in der Regierung durch den Druck der Massen auf der Straße zu verstärken. Noch steht die überwältigende Mehrheit der sozialistischen Partei hinter dieser Taktik, noch wird sie getragen von der optimistischen Stimmung des Landes. Die Bürger- blockregierungcn„bauten ab", ließen die Dinge ihren Lauf, die sozialistische Koalitionsregierung handelt— und die Tat ist es, die Tat schlechtweg, die Enthusiasmus erweckt.
Der erste Ministerrat Bechynö wieder Stellvertreter des Ministerpräsidenten Prag . Amtlich wird gemeldet: In der konstituierenden Sitzung des Ministerrates, die am Donnerstag vormittags stattfand, wurde nach der Eröffnungsrede des Vorsitzenden der Regierung, der die Mitglieder zur gemeinsamen Arbeit begrüßte, auf Grund der Bestimmungen des§ 71 der Berfassungsurkunde zum stellvertretenden Vorsitzenden der Regierung Eisenbahnminister Rudolf B e ch h n e gewählt. Zur Kenntnis genommen wurden die Vereinbarungen der Mitglieder der Regierung über die gegenseitige Vertretung und die Zusammensetzung der üblichen interministeriellen Komites sür die Vorbereitung der Arbeiten in den einzelnen Zweigen der Regierungstätigkeit festgesetzt. Beschlossen wurde ähnlich wie im Jahres 1934 aus dem Erträgnis der Rundfunkgebühren einen entsprechenden Betrag zur Unterstützung der ständigen nichtstaatlichen Theater zu widmen. Schließlich wurden die laufenden Verwal- tungs-, Wirtschafts- und personalen Angelegenheiten erledigt. Sh « Die drei Mimsterkomitees(politisches, wirtschaftliches und Personalkomitee), in denen die einzelnen Koalitionsparteien durch je einen Minister vertreten sind, haben dieselbe Zusammensetzung wie unter der alten Regierung, nyr daß in jedem Komitee nun auch die Gewerbepartei durch Minister-N a j m a n vertreten ist. Für unsere Partei ist Genosse Dr. Czech Mitglied aller drei Komitees. Für Freitag sind die politischen Minister (Dr. E e r n h, B eH y n i, Dr. Franke, Dr. Srämek, Najman, Dr. C z e ch und Dr. Spina) zur ersten Sitzung berufen. In dieser Sitzung wird wahrscheinlich die Frage geklärt werden, welcher Termin im Einvernehmen mit den Kammerpräsidien dem Präsidenten der Republik für die Einberufung der neuen Kammern vorgeschlagen werden soll. Wie wir bereits meldeten, gilt als wahrscheinlicher Termin nach wie vor der 18. Juni.
Wer Henlein schädigt, schädigt Hitler-Deutschland! Der„Manchester Guardian" hat die recht bemerkenswerte Tatsache enthüllt, daß der reichsdeutschen Presse strenge Anweisungen des Reichspropagandaministeriums über die journalistische Behandlung der Partei des, Herrn H en.l ei n. zugegangen Lod... Danach ist es oer deutsches Presse strikt untersagt, auf„das Gemeinsame"' zwischen der reichsdeutschen Diktaturpartei mW ihrer sudetendeutschen Filiale hinzuweisen, weil .solche Hinweise die Sudetendeutsche Partei nur schädigen und in ihrer politischen Wirksamkeit beeinträchtigen könnten". Eine Anordnung, die wirklich Bände spricht. Aber es kommt noch schöner—1 Wir können dazu ergänzend mitteilen, daß Herr Goebbels den Chefredakteuren der Berliner Presse noch eine w e i« tere„vertrauliche Information" zukommen ließ, in der er das„Herausarbeiten des Gemeinsamen" zwischen Hitlerfiliale und Hitlerzentrale als„für die Interessen des neuen Deutschland direkt schädlich" hjnstellte,
Genf . Die Internationale Arveitskonferenz schritt am DonnerStag zur Debatte über das Problem der Arbeitslosigkeit der Jugend. Ans der allgemeinen Debatte geht hervor, daß die Arbei- trrgruppen wünschen, daß eine Empfehlung angenommen werde, in der den Regierungen der Mitgliederstaaten angrdeutet werden soll, auf welche Art eS möglich wäre, der Arbeitslosigkeit der Jugend entgegen zu arbeite«. Einige Regierungsdelegierte unterstützen den Wunsch der Arbeiterschaft, daß die Empfehlung noch in der gegenwärtigen Sitzung der Konferenz ausgrgeben werde. Demgegenüber schlagen die Vertreter der Arbeitgeber eine Verschleppungstaktik ein. Sie find der Anficht, daß die Frage der Arbeitslosigkeit der Jugend viel zu kompliziert sei und es daher notwendig sei, an die Regierungen in Form von Fragebögen heranzutreten und alle zur Lösung deS Problems notwendigen detaillierten Informationen einzuholen. Für die Arbeitgebergruppe sprach in diesem Sinn der Vertreter der Schweiz Kuntschen, der betonte, daß eine zu übereilte Lösung für Fragen von solcher Wichtigkeit nicht angenommen werden dürfe. Der Regierungsdelegierte Bulgariens , d r Minister'für Volkswirtschaft Muschänvw, verteidigte die Art! mit der Bulgarien das Problem der arbeitslosen Jugend löse. In Bulgarien wurde ein durch das Gesetz fundierter Fonds geschaffen, dem die Einnahmen der Anwärter, die in den verschiedenen Unternehmungen untergebracht wurden, entnommen werden. Bulgarien beschäftige auf diese Art und Weise 20.000 junge Leute jährlich. Der amerikanisch « Delegierte Fräulein Abott legte die Mäßnahmen dar, die die Regierung der Bereinigten Staaten getroffen hat, um die nichtarbeitend« Jugend zu beschäftigen. In den Vereinigten Staaten gebe er keine Jugend im Alter von 16 bis 18 Jabren, die nicht beschäftigt wäre. Für die Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren wurde ein besonderer Plan ausgearbeitet, durch den die Zahl der beschäftigten Jugendlichen von 300,000 auf 600.000 erhöht wer
den soll. Der belgische Delegierte der Arbeiterschaft Mertens hat nach einer kurzen Erklärung den Vorschlag einer Resolution eingebracht, demzufolge mit Rücksicht der Dringlichkeit der Lösung des Problemes der arbeitslosen Jugend die Arbeitskonferenz noch in dieser Tagung die Empfehlung auf Grund des Berichtes des Internationalen Arbeitsamtes annehmen möge. Ein Großteil der Delegierten stimmt mit dem Vorschlag der Arbeitnehmergruppe, daß noch in dieser Konferenztagung die Empfehlung betreffend die Arbeitslosigkeit der Jugend angenommen werde, nicht überein. Die Resolution wurde mit 97 gegen 17 Stimmen angenommen, worauf die Konferenz zur allgemeinen Aussprache über das Problem der Herabsetzung der Arbeitszeit schritt. Diese Frage wurde nicht nur vom grundsätzlichen Gesichtspunkt, sondern auch mit Rücksicht auf den Standpunkt der Arbeitgebergruppe behandelt, welche eine Beteiligung an den Arbeiten der Kommission für die- Verkürzung der Arbeitszeit ablehnt. Für die dänischen Arbeitgeber hielt der Delegierte O e r st e d eine längere Rede, in der er die Nützlichkeit eines internationalen Abkommens über die Verkürzung der Arbeitszeit.widerlegte und die Entscheidung, der vegrundete, sich'än deü''Arss^--'' ten der Kommission für die 40stündige Arbeitswoche nicht zu beteiligen. Der belgische Regie- rungsdelegierte Mahaim kritisierte die Ansichten der Arbeitgeber und forderte ihre Vertreter auf, der Arbeit in der Kommission für die Verkürzung der Arbeitszeit nicht auszuweichen. Der französische Regierungsdelegierte Godart lehnte die Ansichten der Arbeitgebergruppe ebenfalls ab und machte auf die Verantwortung aufmerksam, die sich für sie aus einer eventuellen Sabotage der Konserenzarbeiten ergibt. Der tschechoslowakische Regierungsdelegierte Dr. Leo Winter wurde zum Vorsitzenden der Kommission für die Erhaltung der Sozialversicherungsrechte der Arbeiter, die ihre Wirkungsstätte ändern, gewählt.
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Aber die Polizei hatte in diesem Fall ausgesprochenes Pech. Von dem verhafteten Bäcker wurde festgestellt, daß er ein ganz unpolitischer Mensch war, dessen politische Interessen in dem Wunsche gipfeln, daß sämtliche Steuern aufgehoben, Schulen, soziale Anstalten und ähnliche überflüssige Unternehmungen gesperrt werden. Er kümmerte sich nicht um militärische Dinge, denn er belieferte keine Kaserne. Seine einzige Leidenschaft war das Kartenspiel. Schließlich konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Behörden auf den Rechnungsrottmeister vom Fliegerkorps. Sein Tisch und seine Bücher wurden gründlich durchsucht, dabei gewisse unvermeidliche Malversationen konstatiert, aber nichts gefunden, was Spionage bewiesen hätte. Etwa nach einer Woche wurde der Bäcker ent- flassen. Als ordentlicher und nützlicher Mensch war er als erster von den dreien an die Reihe gekommen. Ihm folgte nach einer Zeit der unglückliche Buchhalter, der betrugshalber degradiert und zu den Fliegern in die Slowakei versetzt wurde. In der Untersuchungshaft blieb nur noch Loisis, da der Untersuchungsbeamte eine fleinwinzige Spur entdeckte. Aber auch Loisis wurde endlich entlassen. Ein Klügerer hatte den Untersuchungsrichter beraten. Man hoffte, wenn sie freigelassen würde, gleich auf ihre Schliche zu kommen. So kehrte denn eines schönen Tages Loisis in die Hühnersteige zurück. Sie ahnte nicht, daß ihr ein Geheimpolizist folgte« der sie Tag und
Nacht bewachen sollte. Eine unangenehme Aufgabe für einen Menschen, der gewöhnt ist, bei Nacht und nicht bei Tag zu schlafen. Loisis war an Leib und Seele gebrochen. Die Schwarze Kathi, die erste, die ihr begegnete, hatte den Eindruck, Loisis sei übergeschnappt und habe ein Radl zu viel. Sie sprach nur von Verfolgung, äußerte die Absicht, zu übersiedeln und forschte ununterbrochen nach demjenigen, der ihr das verhängnisvolle Dokument unterschoben hatte, um sie völlig zu vernichten. Obwcchl sie sich in der ersten Zeit nach ihrer Verhaftung an gar nichts erinnern konnte, begann es, als die Angst vor den Behörden geschwunden war, in ihrem Kopf zu hämmern. Sie entsann sich, irgendwo und irgendwann das unglückselige Dokument in Händen gehabt zu haben, konnte sich aber nicht besinnen, unter welchen Umständen es gewesen war. Zu Hause angelangt, versicherte sie, die ganze Begebenheit erstehe allmählich vor ihren Augen. Das unselige Papier hatte sie aus Ferdls Wohnung gebracht! Eine Menge solcher Papiexe waren in seiner Stube am Boden verstreut gewesen, sie hatte sie in de^ Tischlade geschlichtet und in eines davon die Flasche mit dem restlichen Eierkognak gepackt.„Der Ferdl macht feine Sachen, wer hätte das von ihm gedacht!" sagte sie. „Nach alldem, tvas ich gehört habe, muh ihm die Sache ein schönes Stück Geld eingetragen haben. Deshalb hat er in letzter Zeit gar nicht gearbeitet, hat wie ein Herr gelebt, die Buben heimlich abgerichtet und Gastmähler veranstaltet." Es konnte ihr niemand Übelnehmen, wenn sie für die erduldeten Leiden einen Teil von Bein, stellers Reichtum verlangte.„Eines ist gewiß: Der bucklige Lausbub muß jetzt, da ich ihn mit dieser Enthüllung in der Hand habe, stante pede heiraten. Es genügt, daß ich mich erinnere, wo ich den Fetzen hergenommen habe, damit er zehn Jahre in Karthaus sitzt." Währen- sich Loisis ungeduldig auf Beinstel- lerS Rückkehr freute, gingen in der Mitte und auf dem rechten Flügel der Hühnertzeige interessante
Dinge vor. Als erste kam das stille Mariechen Maschin an die Reihe. Einige Tage nach der Verhandlung mit Beinsteller besuchte sie ein elegant gefleideter Herr, der sie vorwurfsvoll ansah, seinen Zylinder lüftete und sagte:„Du erkennst mich nicht mehr, Mariechen?" In diesem Augenblick erkannte sie ihn, wurde purpurrot und flüsterte:„Du meine Güte, Sie sind es, Herr Aschner?" „Berge kommen nicht zueinander, Menschen aber begegnen einander, namentlich wenn sie die Gelegenheit suchen." Hierauf errötete Mariechen von neuem und piepste:„Wer hätte das gesagt?" „Du forderst mich gar nicht auf, bei dir einzutreten?" fragte Aschner vorwurfsvoll. „Aber ich, Herr Aschner... Natürlich... Seien Sie, bitte, nicht böse, ich habe aber noch nicht aufgeräumt." „Das ist egal", sagte Herr Aschner.„Was liegt denn an einer solchen Kleinigkeit, wenn man feine erste Liebe nach fünfzehn Jahren wieder- fieht." Es folgte eine Pause und beide dachten an vergangene Zeiten. Herr Aschner hatte sich vor fünfzehn Jahren flüchtig in Mariechen verliebt und sie ebenso leicht verlassen wie die zahlreichen Frauen, die er vorher und nachher gekannt hatte. Er dachte an die Reihe seltsamer Zufälle, die ihm den Schatten seiner vermeintlichen ersten Liebe unaufhörlich in den Weg führten. Er erinnerte sich der schmutzigen Etappe in Galizien , wo er mit dem widerwärtigen Kerl, dem Maschin, Menagedienst versah. Dieser Maschin, der sich allabendlich wegstahl, um Mädchen zu vergewaltigen und mit gefälligen russischen Soldaten zu lumpen. Sie bestahlen gemeinsam die Division und teilten den Raub, den Maschin an die Mädchen verteilte, Herr Aschner aber versilberte, um für die Zeit des Friedens ein Betriebskapital zu ersparen. Eines Tages bekam Maschin eine Lebens- miüelfendung aus der Heimat Seine Fxau« der.
er nie etwas schickte, sparte sich den Bissen vom Munde, in der Meinung, er entbehre so wie die anderen Soldaten. DaS hatte allgemeines Gelächter zur Folge und alle Kameraden wollten die Photographie der ausgezeichneten Frau sehen, die den verftessenen Regimentskameraden ausfüttern wollte. Herrn Aschner verging das Lachen, als er auf dem Bild sein Mariechen erkannte. DaS war das Schicksal dieser Frau... Seitdem sah Aschner stets das schlanke Mariechen vor sich, wenn Maschin zu den Mädeln eilte. Eines Tages fragte er ihn:„Wie bist du eigentlich zu deiner Frau gekommen?" Maschin erzählte nun bereitwillig und zynisch, wie er einmal in der Sommerftische die spindeldürre Lehrerin verführt hatte und sie auf Geheiß seines Chefs dann heiraten mußte.„Sie hat jetzt erreicht, waS sie wollte. Ich habe sie in der Nachbarschaft von Dieben und Huren untergebracht und tue mein Möglichstes, daß sie ständig in andern Umständen ist. Auf dies« Wesse hoffe ich, sie doch einmal loszuwerden, trotzdem sie unglaublich zäh ist." »Ich hätte nie vorausgesetzt, daß du so ein Schwein bist," antwortete Herr Aschner,„und habe große Lust, dich windelweich zu prügeln." Nach dieser Episode schickte Aschner Frau Maschin regelmäßig Nahrungsmittelpakete, auf deren Begleitadresse er den Namen ihres Mannes unterschrieb. Herr Aschner verliebte sich von neuem in Mariechen. Nach einiger Zeit wurde die Abteilung der beiden aufgelöst, und die zwei Köche wanderten jeder nach einer anderen Richtung. Herr Aschner schickte seine Pakete so lange nach Zijkov, bis er sich an der italienischen Grenze in eine Slowenin verliebte. Er heiratete sie nach dem Krieg, aber sie starb nach drei Jahren. Aschner fühlte sich sehr vereinsamt. Zu jener Zeit wurde er Reisender in einer Schokolade- und Zuckerwarenfabrik. .(Jortfeung folgt?