15. Jahrgang
Donnerstag, 13. Juni 1935
Nr..137
Brotaktion bis Ende Juli verlängert Wie das„Prävo L i d u" meldet, hat der neue Minister für soziale Fürsorge Genosse Jng. N e L a s im Ministerrat durch gesetzt, daß die Brotaktion für Arbeitslose auch für die Monat» Juni und Juli verlängert werde. Der Ministerrat hat den diesbezüglichen Beschluß bereits gefaßt. Bei der Berteilung soll namentlich auf die ausgesprochenen Notstandsbezirke Rücksicht genommen werden. In dieser Richtung hat der Fürsorgeminister bereits die entsprechenden Maßnahmen getroffen.
friede in Südamerika Buenos Aires. (Reuter.) Mittwoch wurde das Waffenstillstandsabkommen im Konflikt um den Gran C h a e o unterzeichnet, wonach die Feindfeiigketten binnen 48 Stunden, das ist Freitag vormittags, eingestellt werden. Die Frist erwies sich als notwendig, um alle Abschnitte der 60V Kilometer langen Kampffront verständigen zu können. Eine internattonale MUttär» Kommission wird sich im Flugzeug ins Kampfgebiet begeben, um die Durchführung der Waffenstillstandsbedingun- gen zu überwache».
Arbeitskonferenz für 40-Stunden-Woche Genf.(Tsch. P.-B.) Die Internationale Arbeitskonferenz eröffnete Mittwoch die allgemeine Debatte über den Bericht des Direktors des Internationalen Arbeitsamtes Butler betreffend die Tätigkeit dieses Amtes im verflossenen Jahre. In der Debatte, an der sich viele Delegierte beteiligten, konzentrierte sich das größte Interesse auf die Planwirts chaft und auf die praktischen Erfahrungen mit der Arbeitszeitverkürzung. Der Vertreter der Arbeitgeber der Vereinigten Staaten von Nordamerika Lewis- Ham legte des längeren den Standpunkt der amerikanischen Arbeitgeber zur Frage der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit dar und führt« u. a. aus, daß in den Vereinigten Staaten zwar keine einheitliche Ansicht bestehe, daß aber die fertigen Tatsachen der akademischen Diskussion Einhalt taten.— Der australische Vertreter Steward erklärte u. a„ die Lage in Austra lien sei derart, daß di« Regierungsdelegierten auf der Arbeitskonferenz die Arbeitnehmer- und Arbeitgebergruppe vertreten könnten.— Der belgische Vertreter Delattre befaßte sich hauptsächlich mit der Frage der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen und führte u. a. an, daß die belgische Regierung einen kühnen Plan zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und zur wirtschaftlichen Gesundung des Staates habe. Dieser Plan sei bereits in Wirksamkeit getreten und die Arbeitslosigkeit in Belgien habe tatsächlich sogleich abgenommen. Die belgische Regierung wende für öffentliche Arbeiten fast zwei Milliarden Franken auf. Am Nachmittag nahm die Arbeitskonferenz nach kurzer Debatte einen von der Arbeitnehmergruppe eingebrachten Resolutionsentwurf an, nach welchem die Konferenz der Ansicht ist, daß es notwendig ist, ein auf dem Grundsatz der 40- stündigen Arbeitswoche und auf dem Grundsatz der Auftechterhaltung des Lebensniveaus der Arbeiter gegründetes allgemeines Abkommen anzunehmen. Dieses Abkommen soll den Rahmen bilden, in den die verschiedenen Industriezweige werden ausgenommen werden. Die Konferenz eröffnete außerdem die Aussprache über den Antrag des ftanzösischen Regierungsdelegierten Senator Godart, der dahin geht, daß über den Vorschlag des Internationalen Arbeitsamtes, betreffend die Verkürzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden in fünf Industriezweigen, die Konferenz selbst in einer Plenarsitzung verhandle. Ueber den Antrag wird Donnerstag entschieden werden.
Nanking.(Reuter.) Die chinesisch-japanische Spannung hat offensichtlich eine Verschärfung erfahren, da der chinesische Kriegs» Minister Hojinschin die Absendung der von Japan verlangten schriftlichen Antwort auf die japanischen Forderungen abgelehnt hat. Die Frist für die Absendung der Antwort endet Mittwoch Mitternacht. Man befürchtet, daß bereits Donnerstag die Kampfhandlungen in Nordchina beginnen, falls die japanischen Behörden auf der Erfüllung ihrer Forderung beharren. Nach der letzten Reutermeldung verstärkt sie' allgemein die Üeberzrugung, daß die chinesischen Regierungsbehörden die neuen japanischen Forderungen ablehnen werden. Obzwar Mitternacht bereits lange verstrichen ist, find noch kein« Anzeichen vorhanden, daß die Japaner irgendwelche Vorkehrungen treffen würden, von denen im Ultimatum die Rede ist. Es heißt» daß die Japaner die Absicht haben, am Donnerstag über Pciping eine Fliegerdemonstration durchzuführen. Wie Reuter weiter a«S Pciping(Peking ) meldet, konferierten die chinesischen Politiker vor Ablauf des Ultimatums den ganzen Tag über die Lage. Die einen sprachen sich für d i e A n- gliederung an dieSowjetunion aus, während andere der Ansicht find, daß man den neuen japanischen Forderungen, mögen sie «och so unvernünftig sein, nachgehen müsse. Inzwischen hat sich daS chinesische Heer bereits in südlicher Richtung, also auS dem strittigen Gebiet in Bewegung gesetzt. Fast alle Züge wurden für de« Transport der Truppen requiriert und die Landstraßen in der ganzen Provinz Hopaj find fast ausschließlich der Armee Vorbehalten. * Daß Japan mit aller Macht auf die Erweiterung MandschukuoS oder auf die Bildung eines
Mülhausen.(Tsch. P.-B.) Auf dem soziali stischen Kongreß erregte die Rede des Vorsitzenden des sozialisttschen Klubs, Leon Blum , große Aufmerksamkeit. Er verteidigte bei einer Kritik der Tätigkeit des sozialistischen Deputiertenklubs dessen. Tätigkeit und Handlungsweise. Bei der Abstimmung über die passive Verteidigung des Staates enthielten sich die Sozialisten der Abstimmung. Sie ließen— rief Leon Blum aus— nicht zu, daß die Kredite für die passive Verteidigung mit den milftärischen Ausgaben vermengt werden. Der sozialistische Klub hat, wenn er in die Regierung nicht eingetreten ist, dem Beschlüsse des letzten Parteikongresses in Toulouse gemäß gehandelt. Wenn wir in die Regierung eingetreten wären, so wären wir genötigt gewesen, schwerwie- gende Entscheidungen in finanziellen und Währungs-Angelegenheiten auf uns zu nehmen. Wie ist aber euer Urteil über diese Angelegenheit? rief Blum aus. Ihr werdet dem Klub einen großen Dienst erweisen, wenn Ihr ihm den Standpunkt, welchen er einnehmen soll, festlegen würdet. Vertritt zum Beispiel der Kongreß die Ansicht, welche ich persönlich teile, fuhr Blum fort, daß wir den französisch-sowjetrussischen Beistandspakt bMgen müssen? Welche Entscheidung wird der Parteikongreß darüber treffen? Blum ist der Anschauung, daß die Sozialisten alle positiven Bemühungen für die Erhaltung des Friedens aufwenden müssen. Wenn wir der Drohung Aug in Aug, gegenüberstehen, welche z. B. Hitlers Aufrüstung darstellt, auf welchen Text sollen wir uns da berufen? Was sollen wir machen, faUs cs zu einem äußeren Angriffe oder zum U«verfall staatlichen Bodens kommt? Redner glaubt, die Theorie des revolutionären Defaitismus'höre in dem Augenblicke auf, in welchem die Frage der Verantwortlichkeit auf internationalem Forum zur Verhandlung gelangt. Redner bespricht sodann die jüngste Erklärung
zweiten Vasallenstaates hinarbeitet, der auch Peking , den Mittelpunkt des alten chinesischen Kaiserreiches umfassen würde, ist klar erwiesen. Gerüchtweise verlautet in der Auslandspresse, daß der Kaiser von Mandschukuo, der bekanntlich als Kind der letzte Kaiser des alten China war, bereits in den allernächsten Tagen in Peking , der alten Residenz seiner Ahnen, eintreffen werde. Der Sprecher des Tokioter Außenamtes erklärte diese Meldungen allerdings noch als„böswillige und tendenziöse" Berichte. Seine wettere Erklärung, daß Japan mit der Administrative des komm en den Nordchina nichts Gemeinsames haben werde, bestätigt nur, daß dieser zweite Vasallenstaat bereits beschlossene Sach« ist. Offiziell werden eben gewisse chinesische, von Japan gekaufte Kreise in Peking eine unabhängige Regierung ausrufen. Man bringt mit dieser Absicht den früheren Ministerpräsidenten von Mandschukuo, Sjä-Sche-Schi, in Verbindung, der noch diese Woche plötzlich in Peking zu dauerndem Aufenthalt eintreffen will. England gibt sich zufrieden? Londo n. Die Entwicklung in Nordchina wird, wie der diplomatische Mitarbeiter der„Mor. ning Post" meldet, von der englischen Regierung mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Man gebe sich in London über die Absicht Japans keine« Illi», sionen hi«»nd sei der Meinung, daß die Aufrichtung eines japanischen Proftektorates über die Provinz Tschili und das südlich von ihr gelegene Gebiet bis zum Hwangho-Fluß in vollem Gange sei. Die Tatsache, daß sich die chinesische Zentral- regierung mit der Uebernahme des Gebietes a b- gesunden habe, schließe jede Intervention der Mächte auS. Man rechne durchaus damit, daß Pe king «nd Tientsin in aller Bälde der japanischen Kontrolle völlig unterstellt werden.
Stalins anläßlich des Besuches des französischen Außenministers Laval in Moskau und legt ihr große Bedeutung bei. Ich glaube tatsächlich, sagt Leon Blum , daß sich im Falle eines Angriffs französischen Staatsgebiets durch Hitler-Deutschland alle Proletarier dieses Landes gemeinsam gegen den Feind erheben würden. Beim gegenwärtigen Stande der Dinge ist es unmöglich, zu begreifen, daß es zu einer Niederlage Frankreichs durch Hitler kommen würde, da Frankreich So- wjetrußland hinter sich hätte. Die Kommunisten und Sozialisten sind gegenwärtig in der Anschauung über die nationale Verteidigung nicht mehr gespalten und die Ausarbeitung einer gemeinsamen Formel ist künftighin möglich. Am Schluffe erörterte Löon Blum noch die Bedingungen einer Fortsetzung der gemeinsamen Front der Sozialisten mit den Kommunisten, hauptsächlich im Kampfe gegen die Reaktion. Die Rede Leon Blums wurde vom Kongreß mit großen Ovationen ausgenommen. Sodann wurde die Tätigkeit des sozialistischen Parlamentsklubs mit 2762 Stimmen genehmigt, 178 derselben waren unter Vorbehalten abgegeben worden. 427 Stimmen waren dagegen. Am Mittwoch nahm der sozialistische Kongreß mit großer Mehrheit einen Antrag an, in dem der Wille ausgesprochen wird» einer Lösung der Lage durch irgend ein revolutionäres Abenteuer oder durch eine reformistische Zersplitterung der Kräfte zwecks Erlangung der Regierungsgewalt auszuwei» ch e n. Die sozialistische Partei werde nur dann berechtigt sein, eine dirette Mion einzulriten, wenn die Fasristen einen Umsturz versuchen sollten. Der Antrag empfiehlt den Arbefterföderatto- nen, die Verteidigung der präzisen programmatischen Forderungen behufS einer großen Bewegung zugunsten einer organischen Einheit zu organisieren und empfiehlt ferner Einigkeit«nd Disziplin.
Pfingstreden Während der Pfingstfeiertage haben drei hervorragende Politiker der tschechischen Agrarier Reden gehalten. Auf einer agrarischen Tagung in Sillein Minister Dr.H o d Z a, auf derTagung der tschechischen agrarischen Jugend Innenminister Dr« Cerny und der Vizevorsitzende der Partei Wbg. Beran. Naturgemäß befchäftigten sich diese Reden weniger mit dem Kommenden, denn das zeichnet sich heute mehr denn je durch Ungewißheit aus und ist von der nicht leicht berechenbaren innen- und außenpolitischen Entwicklung abhängig, die Reden waren vielmehr dem unmittelbar Vergangenen, das ist den Wahlen zugewandt. Nicht immer Neues, manch Richtiges und manch Schiefes wurde gesagt, immerhin war der Inhalt nicht ohne politische Bedeutung, Landwirtschaftsminister Dr. H o d I a sagte in seiner Silleiner Rede ganz richtig, die Wahlen seien eine harte Probe der Demokratie gewesen, denn da konnte die unkontrollierte anonyme Stimme des Volkes gehört werden. Es wurde schon wiederholt hervorgehoben, daß das tschechische Volk diese Probe ausgezeichnet bestanden hat. Ob freilich die Behauptung Dr. HodZas damit auch schon unanfechtbar ist, daß die Demokratie„gestärkt und unerschüttert" aus den Wahlen hervorging, darüber wird erst zu einem späteren Zeitpunkt ein abschließendes Urteil möglich sein. Für die nächste Zeit erscheint wohl durch die Unterlassung jedes Paftierens mit dem Henleinfafcismus dafür gesorgt, daß das Versagen des deutschen Sektors bei der Probe der Demokratie keine weiteren Folgen zeitige, aber darum wäre es doch sorglos gehandelt, hie jetzt dringender als je notwendige Wachsamkeit der Demokratie etwa mit der Feststellung» sie sei„gestärkt und unerschüttert", einzuschläfern. Am selben Tage, da Dr. HiHZa diese Rede hielt, bekannte der der Partei gleichfaUs angehörige Innenminister Dr. Cerny freimütig, daß seine Partei es gewesen sei» die gegen die Auflösung der Henleinbewegung war, es ist daher verständlich» wenn Dr. HodZa jenen, die über Henleins Wahlsieg verdutzt sind, Mut zuzusprechen sucht:„Ein Staat, der genügen- stark war, voUe 16 Jahre hindurch jeder Aktion der Deutschen entgegenzutreten, wird dies auch in der Zukunft können". Daß Henlein eine un mittelbare Gefahr für den Bestand des Staates bedeutet,'bat noch niemand behauptet, aber daß jene, die dem deutschen Nationalismus bereitwillig Gelegenheit gaben, unter der Fahne Henleins für die Sache Hitlers zu streiten, dem tschechoslowakischen Staate einen hervorragenden Dienst erwiesen haben, das wird man noch weniger zu behaupten wagen. Die beachtenswerteste Stelle in der Rede des Landwirtschaftsministers ist jene, in der er erklärt, der Hen« leinfche Totalismus habe auchbeidenTsche« chen das Bewußtsein der„Solida- rität unter allenllmständen" geweckt. Das heißt: worum sich der tschechische Nationalismus in den letzten Jahren vergeblich bemüht hat, bei allen tschechischen Gruppen„Solidarität unter allen Umständen" zu wecken, das ist Henlein gelungen. Seine Anhänger wiegen sich vielleicht noch jetzt in dem naiven Glauben, die Vereinigung von weit über einer Million deutscher Wählerstimmen auf die Henleinpartei habe die Position des Sudetendeutschtums ungeheuerlich gestärkt, die Ausführungen Dr. HodjaS könnten sie darüber belehren, daß das Gegenteil richtig ist, denn die tschechischen Parteien zu einer noch engeren Gemeinschaft zusammenzuschweißen, bedeutet am allerwenigsten, ihre Verhandlungsbereitschaft zu stärken und die Lage der Deutschen hier im Staate günstiger erscheinen zu lassen. Das bestätigen auch die Auslassungen tschechischer Blätter wie beispielsweise des„Eefle Slovo", das sich mit Rücksicht auf den Wahlerfolg dafür einsetzt, daß mehr denn bisher alle staatlichen und öffentlichen Aemter mit national verläßlichen Angestellten besetzt werden. Der durch Henleins Wahlerfolg erwartete Gewinn für das Sudetendeutschtum sieht schon jetzt höchst merkwürdig und fragwürdig ausk Aus der an sich wie immer korrekten Rede des Abg. Beran wäre nur die Ankündigung hervorzuheben, jede Han- werde niedergeschlagen werden, die nach der Diktatur greifen wollte,— nur eben, daß dies augenblicklich nicht das Thema des TageS ist. Etwas eingehendere Würdigung erfordert, was Innenminister Dr. Cernh über die Frag« der Auflösung bzw. Nichtauflösung der Henleinpartei geäußert hat. Er hat gemeint, wäre die Auflösung erfolät, so wäre dadurch die«nervolitilche Situar