Stift 2
TounerStag, 20. Sftmt 1035
Nr. 143
zu ziehen, er wird auch die Waffen für die weiteren Kämpfe zu schmiedeif und zu schärfen haben. Wir haben den Mut, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen und die Schwere ter erlittenen Wahlschlappe zu erkennen. Aber so wie wir uns niemals, auch in den Epochen unseres sieghaften Vordringens nicht einem rosigen Optimismus hinge» geben haben, so wissen wir, das; eS töricht wäre, erner Panikstimmung zu verfallen. Wieviel an Mitläufern auch untreu geworden sein mögen, es ist dreierlei geblieben, was sede Kleinmütigkeit ausschließt: die Kaders der Partei sind unversehrt geblieben, ideologisch brauchen wir nichts zu revidieren oder über Bord zu werfen und schließlich sind alle Voraussetzungen, die über alle gelegentlichen Rückschläge hinweg den schließlichen Sieg deS Sozialismus verbürgen, bestehen geblieben. Der sudetendeutsche FasciSmus konnte mit schwindelhaften Verheißungen die Wankelmütigen und Verwirrten einfangcn, dem von ihm verursachten Rausch wird bald das katzenjämmerliche Erwachen folgen. Die Logik der Entwicklung ist trotz allem unüberwindlich und unerbittlich. So wie sie über den politischen und wirtschaftlichen Schwindel des
Henleinrummels Hinwegbrausen wird, so auch über das Einzelschicksal der Vielen, die heute noch diesen Schwindel glauben. Die Zeit der durch keinerlei kapitalistische Maßnahmen dauernd zu bannende Wirtschaftskrise mit ihrer Gefolgschaft an Not und Elend mag sich vorübergehend reaktionär auswirken, in ihrer Endwirkung macht sie doch die Welt für den Sozialismus reif. Darum darf die Ueberzeugung ausgesprochen werden, daß der Parteitag von nichts weiter entfernt sein wird, als von lähmendem Pessimismus und kleinlichem Gezänk und daß er im Bewußtsein der gewaltigen Aufgaben, die unser in der Zukunft harren, den Beweis erbringen wird, daß das Gefüge der Bewegung keinerlei Lockerung aufweist und daß trotz mancher Meinungsverschiedenheiten in Einzelheiten der Geist der Einigkeit, der Kameradschaftlichkeit und der Kampffreudigkeit ungebrochen geblieben ist. In diesemVertrauen grüßen w i r d i e Delegierten des Parteitages und wünschen ihrenBera- tungen von ganzem Herzenbesten Erfolg!
vcr Brünner Parteitag von MS Eine der denkwürdigsten Tagungen der österreichischen Sozialdemokratie
Der heute in Brünn zusammentretende Parteitag der deutschen Sozialdemokratie in der Tschechoslowakei ruft lebhaft die Erinnerung wach an einen Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie, der vom 24. bis 29. September 1899 in Brünn abgehalten wurde und der in der politischen Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, ja in der politischen Geschichte Oesterreichs überhaupt einen denkwürdigen Platz einnimmt und auf dem einer der bedeutendsten Beschlüsse der österreichischen Sozialdemokratie gefaßt wurde, das Brünner Nationalitäten p r o g r a m m. Der Parteitag vom Jahre 1899 im Brünner Arbeiterheim wurde am 24. September 1899 um %10 Uhr vormittags von Skaret deutsch und von K r a p k a tschechisch eröffnet. Schon in Krap- kas Rede wird die Hauptaufgabe des Parteitages angedeutet.„Um uns wütet der nationale Kampf", so sagte der Redner,„demgegenüber unsere Einheitlichkeit und Solidarität, die Solidarität der Interessen des Proletariats, so deutlich als nur möglich hervortreten werden." Dann wurde das Präsidium gewählt, deutscher Vorsitzender war Julius Popp, tschechischer Anton N i m e c und es folgten die Begrüßungen durch den Vertreter der reichsdeutschen und ungarischen 'Sozialdemokrätis und' schließlich d'ürch Dr.' Ludwig C z e ch, der namens der Brünner Lokalorganisation den Parteitag willkommen hieß„auf dem Brünner Boden, auf dem das Banner der Sozialdemokratie aufgepflanzt ist." Namens der tschechischen Organisation Brünns rief Gustav Habrman den Delegierten ein herzliches Willkommen zu. Sodann wurde in. die Tagesordnung eingegangen. Den Bericht der Gesamtpartei erstattete S k a r e t, den Kassabericht Dr. E l l e n b o g.e n, den Parlamentsbericht Abgeordneter Rieger. Am Nachmittag des ersten Tages hielt Victor A d l e r ein noch heute lesenswertes Referat über die politische Lage und die Taktik der Partei. Adler gab in seiner geistvollen, zugleich tiefgrün
digen und witzigen Art eine glänzende Analyse des verrotteten und versumpften Oesterreich und erkannte, daß„die politische Zukunft dieses Landes ein Fragezeichen ist." Er führte aus, das; der Staat von den Kämpfen der Völker vollkommen zerrissen ist. Wenn die Völker einen gemeinsamen Gedanken haben in Oesterreich , wenn sogar die offiziellen Parteien, die ihren Patriotismus am meisten rühmen, eines gemeinsam haben, so ist es, daß sie dieses Oesterreich nicht wollen.">An das Referat Adlers schloß sich eine große Debatte an, in der als erster Dr. Morgenstern aus Sternberg sprach, dann Abgeordneter Berner, Schuh meier, H a- n u s ch, damals der Vertreter von Sternberg , Nemec aus Prag , Schrammel aus Aussig , Dasczynski und Seliger. Die Debatte und das Schlußwort Adlers nahmen den ganzen nächsten Tag in Anspruch. Am dritten Tag des Parteitages referierte zunächst K r a p k a über Organisationsfragen, woran sich gleichfalls eine große Debatte anschloß. Zum Hauptpunkt seiner Tagesordnung gelangte der Parteitag erst am vierten Tage, am 27. September. Worauf sich damals alles politische Interesse konzentrierte, war der Nationalitätenkampf inOe st er reich und die Stellung der Sozialdemokratie dazu. Es war die Zeit der Sprachenverordnungen, der nationalen Krawalle auf den Straßen Wiens und Prags , des Standrechtes, der Arbeitsunfähigkeit des Parlaments und die Sozialdemokraten empfanden schon lange die Notwendigkeit — obzwar sie zu allen auftauchenden nationalen Fragen im Parlament Stellung genommen hatten— zur nationalen Frage eine grundsätzliche Stellung zu nehmen und sich ein nationales Programm zu geben. Das geschah eben auf dem Parteitag in Brünn 1899. Mit dem Referat über den wichtigsten Punkt der Tagesordnung hatte man von deutscher Seite den damals noch nicht dreißigjährigen Re
dakteur der Teplitzer„Freiheit" Josef Seliger betraut. Seliger ging mit Recht davon aus, daß die'Kosten, des Nationalitätenkampfes die Arbeiterschaft zu befahlen habe, weil dieser Nationalitätenstreit den Kampf um die s o z i a l e n Interessen des Proletariats in den Hintergrund drängt. So stärkt der nationale Kampf die Reaktion. Deshalb kann sich die Lösung der Nationalitätenfrage nur in der Richtung der Demokratie bewegen. Um die nationalen Gegensätze... zu beseitigen, ist eS vor allem anderen notwendig, den Nationen volle Selbständigkeit der Verwaltung ihrer nationalen Angelegenheiten und so eine freie Bahn für ihre Entwicklung zu schaffen... Die Nationen müssen... ihr vollstes Selbstbestimmungsrecht erhalten, derart, daß Oesterreich in nationale Selbstverwaltungsgebiete geteilt wird, die ihre nationalen Angelegenheiten selbständig besorgen... Den nationalen Minderheften muß jener Schutz gewährt werden, der zur Entwicklung ihrer nationalen Eigenart notwendig ist." Der tschechische Referent N i m 11 hatte einige Bedenken gegen den vorgelegten Programmentwurf, er war gegen eine Teilung Böhmens in ein deutsches und tschechisches Verwaltungsgebiet. An die Reden der beiden Referenten schloß sich eine große Debatte an, in der u. a. auch Victor Adler sprach. Auch diese Rede, die Adler gehalten hat, ist nicht nur für den politischen Historiker, sondern auch für den Politiker der Gegenwart von gro- ßem Interesse.„Wir wollen aus diesen zusammengewürfelten und zusammeneroberten Provinzen", so rief Adler aus,„selbständige Körper machen." Für Adler stand nicht das Interesse Oester-, reichs, sondern das Interesse seiner Völker im Vordergrund.„Wir haben nicht zu sagen", so sprach er,„wie aus diesem Oesterreich, sondern wie aus den Völkern, die Oesterreich bewohnen, etwas werden kann." Adler war sich der historischen Bedeutung der Stunde bewußt:„Es ist kein Zweifel", so sagte er»„daß das, was wir Ihnen hier Vorschlägen, eine revolutionäre Tat ist... Das, was wir Ihnen hier Vorschlägen, schlägt dem heutigen Oesterreich in allen seinen Teilen ins Gesicht. Dieser Vorschlag auf Trennung nach Nationen, diese Zerschlagung der Provinzen, dieser nationale Föderalismus trifft die alte Staatsform ins Herz und tötet den Wiener und tötet den, Prager Zentralismus." Nach Adler sprach in der Debatte von Deutschen P e r n e r st o rfer, Ellenbogen und Winarsky, von Tschechen K r e j e 1(Pilsen ) und V a n t l, von Polen Dasczynski und Dr. Liebermann, von den Ruthenen Han- k i e w i c z und von Slowenen Etbin K r i st a n. Die Debatteredner brachten verschiedene Einwände gegen den vorliegenden Entwurf vor, so daß eine Kommission gewählt werden mußte, welche den Programmvorschlag umarbeiten sollte. Dieser Kommission gelang es die verschiedenen Anschauungen in wenigen Stunden unter einen Hut zu bringen, so daß der Parteitag zu dem glänzenden Abschluß der e i n stimmt g e n Annahme eines Programms gelangen konnte. D e u t s che und tschechische, polnische und rukthenische, slowenische und italienische So- zialdemokraten einigten sich über die Grundsätze einer Lösung der nationalen Frage, während sich die Bourgeoisie dieser Nationen wegen derselben Frage bis aufs Messer bekämpfte. In den entscheidenden Stellen des zur Annahme gelangten Programms wurde verlangt, daß Oesterreich in einen demokratischen Na- tionalitäten-Bundesstaat umzu-
Ermächtigungsgesetz eingebracht In der Dienstagsitzung des Parlamentes brachte die Regierung dir Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes um ein I a h r, d. i. bis Ende Juni 1938 ein. Gleichzeitig wird die Ermächtigung ausgedehnt„auf Maßnahmen zur Organisierung der Polizeiverwaltung und des Polizridienstes". Im Motwenbericht wird erklärt, daß in den außerordentlichen wirtschaftlichen Verhlätnissen, di; Anlaß zu den früheren Ermächtigungsgesetzen gaben, noch kein« derartig« Besserung eingetreten fei, daß man begründet annehmen könnte, daß künftighin schon keine Eingriffe der Regierung auf Grund der im Gesetz 109/84 niedergelegten außerordentlichen Ermächtigung notwendig sein würden. Daher legt die Regierung den Antrag auf Verlängerung dieser Ermächtigung vor. Die Erweiterung soll im Interesse der öffentlichen Ordnung und zur zweckmäßigen Regelung dieses Zweiges der öffentlichen Verwaltung geschehen. Der Entwurf wurde dem Verfassungsausschuß mit Frist bis Montag mittags zugewiesen.
bilden sei, daß anstelle der historischen Kronländcr national äbgetrennte Selbst- verwaltungskürper gebildet werden, deren Gesetzgebung und Verwaltung durch nationale Kammern,, gewählt auf Grund des gleichen Wahlrechtes, besorgt werden. DaS Programm übertraf an«Großzügigkeit und Einsicht alle anderen Lösungsversuche des nationalstaatlichen Problenrs, welche von 1867 bis 1914 im alten Oesterreich vorgeschlagen wurden. Das Brünner Programm war ein Wegweiser, welches die Sozialdemokratie für die österreichische Politik aufgestellt hatte. Die Sozialdemokratie war nicht schuld daran, daß die Staatsmänner des alten Oesterreich diesen Wegweiser nicht sahen und den Weg gingen, der in den Abgrund führte. Am letzten Tag des Parteftages hielt dann noch H a n n i ch ein Referat über Arbeiterschutz, Adler sprach über die Stellung zu den Konsumvereinen und Adelheid Popp berichtete über die Aufgaben der Frauen in der Partei. In seinem Schlußwort gedachte der Vorsitzende Julius Popp vor allem des Hauptergebnisses dieses Parteitages und sagte mit Recht:„Wir haben auf Brünner Boden eine Arbeit geleistet, die gewiß eine historische Arbeit genannt werden kann... Geschichtsschreiber werden den Wert dieser Arbeit erst würdigen können." Die Nachwelt hat diese Worte Julius Popps bestätigt, die Entwicklung hat den Hauptrednern der Brünner Tagung Recht gegeben. Wohl hat die Weltgeschichte zu einer anderen Lösung des nationalen Problems in Mittel europa geführt, als wie es sich die Sozialdemokratie auf dem Brünner Parteitag im Jahre 1899 gedacht hatte. Das vollkommene Unverständnis der Dynastie, des Hofes und des deutschen Bürgertums gegenüber den demokratischen und nationalen Entwicklungskräften, die zu Ende deS 19. und zu Beginn des 26. Jahrhunderts nach Geltung rangen, hat zu der großen Katastrophe geführt, die 1914 bis 1918 Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Wäre man den Weg gegangen, den die Sozialdemokratie 1899 gewiesen hatte, die Nationen Mitteleuropas hätten Freiheit und Demokratie nicht mit Millionen von Menschenleben bezahlt, sondern wären auf fried- lichem Wege zu einem vernünftigen von Freiheit und Selbstbestimmung erfüllten Zusammenleben I gekommen.
49 Roman von x Emil Vnrh«k \_ Deutsch von Anna AurednKek
„Stehlen und stehlen ist zweierlei, Herr Beinsteller. Wer mit Ihnen einmal arbeiten durfte, wird an sein Lebensende nicht an Sie vergessen." Seltsamerweise schien Beinsteller dieses Lob gar keine Freude zu bereiten. Seine Miene verdüsterte sich und er sagte verdrießlich:„Schwatz' keinen Unsinn, du Naseweis. Hol' lieber die Buben, damit ich's mir abtun kann." Sie kamen nach einer Weile angerückt: d;r Cherub Karl, dessen Bruder Pepi und der jüngste Kadett, der Franzi. Beinsteller erwartete sie. Er empfing sic freundlich:„Ihr seid alle drei auserlesene Bäl- gcrl" sagte er und sperrte hinter ihnen die Tür zu.„Jetzt erzählt, was Ihr ohne mich getrieben habt." „Wir haben getan, was wir konnten, Herr Beinsteller", gestand der Cherub Pepi.„Aber es war traurig ohne Sie." „Ihr habt getan, was ihr konntet", wiederholte der Meister und lachte so merktvürdig, daß es Karl kalt über den Rücken lief. Am Ende weiß er etwas, dachte Karl und sah dabei die verhängnisvolle Handtasche vor sich. „Und es war traurig ohne mich", fuhr Beinsteller fort. „Und wie!" bestätigte Franzi. „Würdet ihr die Sache aufgeben, wenn ich nicht wäre?" fragte Beinsteller eifrig. „Hahaha", lachten die Buben im Chor, und Karl sagte: ,/Aber, Herr Beinstcller, wie könnten
wir es denn lassen, wir können doch nichts andres." Beinsteller blickte Karl lange und bittend an und fragte:»Habt Ihr jemals daran gedacht, Buben, was in ein paar Jahren aus euch werden soll?" „In ein paar Jahren werden wir richtige Diebe sein", deklamierte Cherub Franzi. „Ihr scheint stolz darauf zu sein?" sagte Beinsteller gedrückt. Cherub Pepi verzog den Mund zu einem breiten Lächeln, aber Karl, dem der Meister nicht ganz geheuer schien, erschrak vor der ungewohnten Betonung in Beinstellers Worten so sehr, daß er, ohne zu antworten, der Tür näher rückte. Der ahnungslose Franzi aber jubelte freudig:„Wenn wir nur schon so weit wären, Herr Beinstcller!" „Nur schön bei der Wahrheit bleiben. Jungens", meinte Beinsteller.„Was möchtet ihr zu dem Vorschlag sagen: die Beschäftigung aufzugeben, fremde Taschen in Ruhe zu lassen, in die Schule zu gehen und, wie eS sich für Kinder geziemt, bei der Mutter zu bleiben?" Der Franzi setzte sich gleich zur Wehr: „Schule? Keine Ahnung, Herr Beinsteller!" Beinsteller entgegnete mit gcdämpftcr Stimme:„Keine Ahnung, du Rotzbub? Ich sage dir: Ab heute ist Schluß, häng dich an MuttcrZ Schürze und geh wie andre Kinder in die Schule!" Dabei juckten ihm die Hände, daß er einige Schritte von den Kindern zurückwich und sich sagte:„Dir solltest du ein paar herunterhauen, nicht den Kindern... Dieses Sodom hast du auf dem Gewissen." Unglücklicherweise lachte der Junge über den vermeintlichen Scherz und Pepi sekundierte aus vollem Halse. Da konnte sich Beinsteller nicht mehr beherrschen und brüllte:„Du wirst zur Mutter gehen, du wirst in die Schule gehen und wirst einen Einser aus Sitten heimbringen! Lach nicht, Rotzbubl Entweder du parierst und wirst ein anständiger Junge oder ich prügle dich, daß dir
Hören und Sehen vergeht. Dann wirst du gelernt haben, zu folgen." „Hehehe, hahaha," war alles, was Franzi antwortete. Mit einem Male beruhigte sich Beinsteller. So wird es nicht mit ihnen gehen, dachte er, ich werde sie zum Heil ihrer Seelen tüchtig durchprügeln müssen. Laut aber sagte er dann: „Das alles hab' ich vorausgesehen, ihr Rotznasen. Ich wußte, daß ihr glauben werdet, ich treibe Scherz mit euch. Darum hab' ich euch alle drei herzitiert. Jetzt werd' ich euch so lange prügeln, bis ihr mir versprecht, dieses Diebsleben aufzugeben. Ich habe es euch angewöhnt und muß es euch wieder abgewühnen." Und da es galt, ihre Seelen zu retten, nahm Beinsteller keine Rücksicht auf ihr Geschrei. Es wäre ihnen noch schlimmer ergangen, hätte das Gebrüll der gemaßregelten Kadetten nicht die Loisis aus dem Schlaf geweckt. Ihre Neugierde war stärker als ihre Verschlafenheit. Sie stand auf, guckte durchs Fenster und rief:„Kannst du die Bälger nicht erziehen, Ferdi, wenn anständige Leute schon wach sind?" Beinsteller brummte nur etwas und legte dabei den Cherub Karl überS Knie. Bisher war es dem Jungen geglückt, immer wieder den Händen der Gerechtigkeit zu entwischen. Beim Anblick von Franzis gerötetem Hinterteil stieß Loisis einen Seufzer aus und sagte:„Ich will mich nicht in deine Angelegenheiten mischen, Ferdi, aber du könntest mir vielleicht doch sagen, was die Buben überhaupt angestellt haben." Beinsteller beantwortete auch diesen Versuch mit leisem Brummen. Es war ihm gerade gelungen, Karis habhaft zu werden, er zog ihm geschickt die Hose aus, und schlug mit besonderem Eifer darauf los. Doch Karl dachte mehr an seinen Schmerz als an sein Heil und brüllte wie auf dem Spieß. „Ich sage ja nichts," fuhr Loisis fort,«der Bub ist ein Galgenstrick, und Haue werden ihm nicht schaden. Ich möchte aber gern wissen, warum das alles ist."
Pepi erklärte bereitwilligst:„Herr Beinsteller ist verrückt geworden, Fräulein Loisis." „Ist schon gut, Pepi," sagte Beinsteller, über den Bruder Karl geneigt,„wenn du dieser Ansicht bist, will ich gleich wieder zu dir kommen. Ich sehe, daß du noch nicht genügend Haue bekommen hast." „Red' keinen Unsinn, Pepi, der Ferdl spricht ganz vernünftig," beruhigte Loisis. „Sie halten es für vernünftig, wenn xr uns in die Schule schickt?" entgegnete Pepi u::cr- schrocken. „Das will er von euch?" fragte Loisis entsetzt. „Ja, ich will, daß sie wie rechte Kinder sind, und will, daß sie das Stehlen lassen," erklärte Beinsteller, wobei er Karl auf die andre Seite umlegte, um seinen Rücken bearbeiten zu können. Jetzt aber wurde Loisis wild:„Wirst du den Karl sofort in Ruhe lassen! Quälst unschuldige Kinder, weil du verrückt geworden bist! Sie haben mehr Verstand als du!" Es gelang Loisis, die Cherubinen zu befreien, aber der Erfolg machte ihr keine Freude. Die Episode schloß mit einem großen Streit der beiden alten Freunde und war für Beinstellers Ruf nicht von Vorteil. Teils waren es die Cherubinen, teils Loisis, die überall die Nachricht verbreiteten, Beinsteller habe im Kriminal den Verstand verloren. Anfangs wollten eS die Leute nicht glauben. Aber als Beinsteller von den verwaisten Cherubinen nichts mehr wissen wollte» sie aber trotz einer guten Abfindungssumme keiner bewährten Firma überließ, waren alle darüber einig, daß mit Beinsteller im Gefängnis eine Veränderung borgegangen war. Dazu kam noch, daß Beinsteller sich eine neue Lebensweise zurechtgelegt hatte. Er unternahm keine Expeditionen und wich allen alten Freunden der DiebSzunft ängstlich auS. Vergebens lockten ihn die Be- kannten in das Stammlokal„Zur allen Hundshütte". .(Fortsetzung folgt.),.