9t. 14t Sonntag, 23. Juni 1935 Sette 5 Eine späte Entdeckung Wenige Monate vor den Wahlen entdeckten die getarnten Helfer der Kapitalisten plötzlich, daß in unserem Staate hunderttausende Menschen in großer Not leben. Zeitungen brachten lange Schil­derungen über die furchtbaren Folgen der Arbeitslosigkeit und über das grauenhafte Elend, das ganze Gebiete der Tschechoslowakischen Repu­blik heimsucht. Mit großer Reklame wurde die Sudetendeutsche Volkshilfe aufgezogen, um den von arger Not Betroffenen zu helfen. Das plötzliche Erwachen des Gewissens mußte überraschen. Denn als es kam, schrie die Schtoere und der Umfang der Not schon fett Jahren zum Himmel. Schon seit Jahren hatten die Gewerkschaften mit Unterstützungen eingegrif- fcn, die viele Dutzende Millionen Kronen kosteten^ Schon seit Jahren haben ihre Blätter und die sozialdemokratischen Zeitungen umfasiende Hilfe gefordert und ihre Vertreter haben sie in den Parlamenten durchzusetzen sich bemüht. Aber Jahre hindurch haben die getarnten Freunde des Unternehmertums, die sich als Sudetendeutschc Partei das Vertrauen der Opfer erschlichen, diese Not nicht nur völlig ignoriert, sondern haben die Hilfsmaßnahmen und die Bekämpfung ihrer Ursachen hintertrieben. Sie waren für die fort­gesetzten Lohnkürzungen der beschäftigten Arbei­ter und Angestellten. Sie waren gegen die Erwei­terung der Arbeitslosenunterstützungsaktion. Sie waren gegen die gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit. Und sie kümmerte nicht die unsoziale Gesinnung kaltherziger Bureaukraten, die tau­sende Hilfsbedürftige von der staatlichen Unter­stützungsaktion ausschloß. Erst unmittelbar vor den Wahlen erwachte ihr Interesse. Skrupellos wurde die Massennot zu einem grandiosen polttischen Geschäft ausgenutzt. Die Demagogie hat Erfolg gehabt. Eilten der­artigen Erfolg, daß diejenigen, die ihn mit ihrem Stimmzettel hcrbciführen halfen, ein Recht dar­auf haben, zu verlangen, daß die Versprechungen eingehalten werden. Sie ahnten ja nicht, daß die Entdeckung der schweren Notlage breiter Volks­massen nur für die Wahlzeit gemacht worden war. Sie wußten auch nicht, daß für die Volksgemein- schaftsdcmagogen die Hilfe für die Bedürftigen hinter der Wahrnehmung der Interessen des kapi­ talistischen Unternehmertums zurückzustehen habe. Und sie haben nicht geglaubt, daß sie von denen, die ihr Elend mitverschuldet haben, als Opfer eines frivolen Betrugs auSerfehen waren. Und so warten sie nun darauf, daß alles anders wird. Die hunderttausenden stummen Mahner eines gegebenen Versprechens macht die Schüler deS reichsdeutschen Fascismus nervös. Denn als sie das Versprechen gaben, waren sie im gleichen Augenblick entschlossen, es zu brechen. Nicht eineii Moment lang hatten sie den Willen, ihr« Kraft einzusetzen für die Eindämmung des Elends, für Maßnahmen des Staates, die Schutz und Hilfe für die Schwergeprüften bringen konnten. Ihr größtes Interesse ist jetzt, die Enttäu­schung unter den Massen der Henleinwähler zu verzögern, das Erwachen der betrogenen Opfer hinauszuschieben. Sie sind dabei auf den Trick verfallt, weiter über die Not zu reden und zu schreiben. Nicht, um zu helfen, sondern um die Aufmerksamkeit von dem Kampf für wirksame Maßnahmen gegen die Maffenarbeitslosigkett und für den Schuh der in Not geratenen Bevölkerung abzulenken. Diese Absicht wird ganz deutlich, wenn die Henlein ergebenen Zeitungen in ihren Spalten Reiseberichterstatter durch die Notstands­gebiete zum Worte kommen lassen. Dieselben Zei­tungen, die all die Jahre hindurch vorbehaltlos für die Unternehmerinteressen eingetreten sind und die die Forderungen der Arbeiter für unbe- rechtigt ausgcgeben haben. DieDeutsche Zeitung Bohemia" war darin seit jeher führend und sie möchte es auch heute fein. Sie rühmt sich damit, eine Denkschrift über die Notlage ausgearbeitet Freund oder Nebenbuhler? Bon Hella Rohm. Vater", fragt der kleine Kurt,was sind Konkurrenten?"Wenn du und dein Freund Paul denselben Apfel wollt, seid ihr Konkurren­ten."Und wer von zwei Konkurrenten be­hält recht?Natürlich immer der Stärkere." Kurts Vater ist überzeugter Pazifist, der jeden Krieg verabscheut und die Gewalt verur­teilt. Daß seine Worte in grellem Gegensatz zu dieser Weltanschauung stehen, ist ihm gar nicht klar, das Recht ist immer mit dem Stärkeren, das hat er tausendmal erfahren und erlebt. Ist solche Ideologie geeignet, den Krieg auszurot­ten? Kann sie je zu anderer.Argumentation füh­ren, als:Krieg hat es immer gegeben, folglich sind sie unvermeidlich?" CZ ist die Frage, ob es wirklich keine ande­ren Methoden gibt, sich durchzusehen, ob die Ge­walt für alle Zeiten siegen muß, ob alles andere graue Theorie, durch Brauch und Leben wider­legbar ist. Und ob der starke Sieger wirklich siegt. Er mag den Apfel triumphierend heimtragen. Aber das letzte Wort ist damit nicht gesprochen. Niemand kann zweifeln, daß der Unterlegene sich nicht zu­frieden geben, daß nun er trachten wird, das heißbegehrte Gut an sich zu bringen. Er wird den Sieger offen oder aus dem Hinterhalt bedrohen, und wenn es diesem selbst gelingt, den Gegner eia für allemal aus dem Felde zu schlagen Kleine Wochenschau Der Hakenkreuzeid der Henlein - Englands Friedensengel auf der demokraten Geschäftsreise Onkel Sam kämpft gegen den KapI- Der Parteitag in Brünn die alte talismus Sturmfahne steht zu haben, die sich besonders mit den Verhält­nissen im GraSIiher Gebiet beschäftigt. Eine Denk­schrift, die für die Präsidentin des Roten Kreu­zes bestimmt ist und die in der Forderung nach Brot-, Kartoffel- und Kohlenzulveisungen für die arme Bevölkerung gipfelt. Das Rote Kreuz hat in unserem Lande sicher schon viel Anerkennenswertes geleistet. Aber es kann die Folgen der Wirtschaftskrise nicht besei­tigen, und ebensowenig kann es ihren Massen­opfern eine dauernde misreichende Hilfe bringen. Dennoch geschieht die Ablenkung auf diese private Hilfsorganisation durch dieBohemia" ganz ziel­bewußt. ES soll damit der Sudetendeutschen Par­tei der Rückzug im Parlament erleichtert werden. Sie wollte ja die Hilfe bringen, sie wollte durch ihx,. Eingreue.» in Hi? poWschen Uu^rinänder- fetzungen alles zum besten wenden. Und sie kann einen geringen Teil des Versprochenen nur dann einlösen, wenn sic in dem Parlament wirtlich den Kampf für großzügige soziale Maßnahmen des Staates aufnchmen würde. So wie es um ihre eigene Volkshilfe still geworden ist, ebensowenig denkt die Sudeten­ deutsche Partei an ein ernstes Eintreten für die notleidenden Massen. DieBohemia" und die ganzen sudetendeutschen Zettungen bereiten dar­auf vor. Aber nicht nur darauf. Denn es ist gleich- zeittg ihre Aufgabe, zu verhindern, daß die Ge­täuschten wieder Kraft gewinnen, daß inihnen die Erkenntnis wieder durchbricht, daß sie nur wirkliche Hilfe aus dem engen Zusammenschluß aller arbeitenden und notleidenden Menschen zu erhoffen haben. Dies und nichts anderes ist der Sinn der wirkungslosen Denkschriften und ähn­licher Aktionen, Ivie sie jetzt von Henlein und sei­nen Helfern in die Oeffentlichkett lanciert werden. Daß die Sudentendeutsche Partei diesen Zweck nicht erreicht, dafür wollen wir sorgen. Sie wird im Parlament zu ihren eigenen Ver­sprechungen eine klare Stellung cinnchmen müs­sen. Die Sozialdemokraten und die Gewerk­schaften werden ihre Anträge für Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise und für den weitest­gehenden Schutz der Arbeitslosen und der übri­gen Hilfsbedürftigen mit allem Nachdruck ver­treten. Sie werden fordern, daß, wie in anderen Staaten, auch in unserem Lande das Unterneh­mertum seinen Teil zur Fürsorge für die Opfer ihres Systems beisteuert. Und hierbei werden die letzten Illusionen über die Sudetendeutsche Partei in den Massen zerplatzen. Die Erkenntnis wird siegen, daß nicht Volksgemeinschaft not tut, son­dern Zusammenschluß aller Ausgebeuteten und Kampf gegen die kapitalistische Interessen­herrschaft. .Wiffenschaft" im Dienste der Ausbeutung Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und welche lukrativen Mög­lichkeiten sich einem von Skrupeln nicht geplagten Experten der Wissenschaft bieten, hat einewissen­schaftliche Kapazität" in den Südstaaten soeben entdeckt. In einem umfangreichen Expose, her­gestellt im Auftrage irgend einer Industriellen­vereinigung, hat der objektive Forscherbewie­sen", daß es uns noch viel zu gut geht! Wir leben zu üppig, die Schlemmer-Menüs der Arbeitslosen sind schuld an der Weltwirtschaftskrise! Mit der Hälfte unseres Nahrungsquantums so sagt der gemütvolle Herr mit dem Scheck der Industriellen in der Tasche kämen wir aus, ohne zu verhungern! Halbierte Löhne, verdoppelte Dividenden das Rezept ist nicht neu; seiner Durchführung wegen wurde schließlich die Henlein -Partei ins Leben gerufen. Aber originell ist eineWissen­schaft", bei der man solcheErkenntnisse" nach Maß und zu kulanten Preisen be st eilen kann! ganz froh wird er seines Triumphes doch nicht werden. Denn die Methode der Gewalt kehrt sich auch gegen ihn, das Mittel, dessen er sich bedient, wird auch von anderen angewandt, und es gibt immer welche, die noch stärker sind. Man muß vor ihnen auf der Hut sein. Man muß um seine Beute zittern, muß sie nicht nur vor Rückeroberung durch den Besiegten, man muß sie auch vor neuem Angriff schützen, daS Recht, das man sich nahm, nimmt sich der andere auch. So kommt man nie zur Ruhe, muß wert­volle Kräfte, die man zu neuem Aufbau nutzen könnte, auf Absperrung und Schutzmaßnahmen konzentrieren und kommt dabei aus Unruhe und Unsicherheit nicht heraus. Man bleibt sein Leben lang ein gehetzter Mensch, voller Angst um sich, voller Mißtrauen gegen die anderen und kommt zum Bollgenuß des Lebens nicht. Man könnte also Kurt erklären, daß die Methode der Gewalt, der Sieg des Stärkeren, vielleicht der rascheste, doch keineStv^gS der sicherste und beste ist. Fragt sich nur, ob eS auch andere gibt. Man könnte ja z. B. den Apfel auch teilen; dann aller­dings müßte sich nach Adam Riese jeder mit der Hälfte begnügen. Diese Hälfte aber wäre einem sicher, was man bei einem Kampfe bekanntlich nie im voraus wissen kann. Auch hätte man nicht zu unterschätzender Vorteil im Bedarfs­fall« auf Hilfeleistung und Unterstützung des jet­zigen Gegners zu rechnen. Ein Freund statt eines Feindes wäre das nicht einen halben Apfel wert? Die Rechnung scheint zu einfach, um so einfach zu sein, so einleuchtend, daß man ande­res dahinter vermuten mutz, wenn die Menschen bi- heute nicht dahinter gekommen sind, daß eS für alle Teile vorteilhafter ist, sich zu einigen, als sich die Köpfe gegenseitig einzuschlagen. Das Recht des Stärkeren, die Politik der Gewalt, sie beinhalten denn auch einen nicht ge­ring zu schätzender Faktor: man will recht behal­ten. In unserer auf Erfolg eingestellten Gesell­schaft wird es als Sieg gewertet und als Tri­umph erlebt, den anderen in die Knie gezwungen zu haben, und man berauscht sich so am Augenblick des Sieges, empfindet ihn so überwältigend, daß man Zukunft und Lebensglück und Sicherheit um seinetwillen preisgibt. Daß man sich nicht klar ist, daß es sich nicht um Ueberlegungen, sondern um gestaltlose Empfindungen handelt, erhöht de­ren Gefahr. Der Sieg über den Schwächeren, den Konkurrenten scheint so erstrebenswert, daß er den Sinn benebelt und verdeckt, daß man sich zu­letzt ins eigene Fleisch schneidet. Wie sonst wären Kriege möglich, die auch dem Sieger fürchterliche Wunden hinterlassen, wie könnte man sich selbst der menschlichen Gemeinschaft berauben, die man so dringend braucht, wie Gegner, Nebenbuhler, Minderwert in Rassen und in Völkern sehen, statt Freunden, Mitarbeitern, Genossen mit glei­chen Zielen und Nöten? Es macht den geheimen Zauber von autori­tären Parteien, kriegslüsternen Patrioten, phra­sendreschenden Nationalisten aus, daß man dies noch zu wenig erkannt. Kriege hat es soweit unsere kurze menschliche Erinnerung reicht immer gegeben; es wird sie geben, bis man er­kennt, daß man, statt um Aepfel zu stretten, ge­meinsam neue Aepfel pflanzen kann. FREIHEIT InformationsdienstKreisturnfest Rote Fahnen nach Aussig ! Vereinsleitungen, sorgt dafür, daß alle Sturmfahnen, alle Vereinsfah­nen. sowie Kinderfahncn zum Kreisturnfest mitge- bracht werden. Jeder Verein bestimmt den verant­wortlichen Fahnenträger, welcher zur Äbendfeier um 7 Uhr abends für den Fahnenaufmarsch gestellt ist. Fußball. Die Fußbällwettkämpfe der Bezirks« auSwahlmanmchaften beginnen Samstag nachmit­tags 3 Uhr. ES spielen die Städte: Aussig gegen Bodenbach(Anstoß 3 Uhr) und Teplitz gegen Dux (Anstoß halb 5 Uhr) am Sportplatz in KIeische. Zur selben Zeit finden gleichzeitig Spiele der Be« zirkSauSwahlmannschaften unserer Schüler am Sportplatz in P r e d l i tz statt. Alle übrigen Freundschaftsspiele werden am Sportplatz inLerchanfeld ausgetragen. Wir appellieren an alle Fußballer, Sonntag, vormittags 9 Uhr, am Sadion'gestellt zu sein, wo die Hauptprobe für die Freiübungen mit Musik zur Durchführung gelangt. Turnspiele. Die Wettkämpfe, der Turnspieler finden Samstag nachmittags am oberen Platze des Stadions statt. Es werden durchgeführt: Handball-, Fausthall- und Raffballspicl«. Die MaNnschaftsfüh« rer werden aufgefordert, die Stellzeiten pünktlich ein­zuhalten.(Stellzeiten im Festführer, welcher den Vereinen zugeschickt wird.) Kinderturntvarte.- Wir machen die Kinderturn­warte aufmerksam, däß Sonntag früh m den Schulen (zirka halb 10 bis 10 Uhr) für die Kinder eine kräf­tige Suppe ausgegeben wird. Für die Suppe ist 1 lii zu entrichten. Wir empfehlen allen Turn­warten und Eltern, den Kindern 1 Ki für die Suppe mitzugeben, da diese nach dem Festzuge sofort zu den allgemeinen Freiübungen antreten. * Musik-Programm für die Abend-Feier Samstag, de« 20. Juni 1935 im Warmbad Kleische: Märsche:Triumphmarsch" ausAida" von Verdi,Freier Turnermarsch" von P e r- n e r,Sozialistenmarsch" von Gramm, Einzug der Gladiatoren" von F u L i k. Konzert:Libusa "--Vorspiel von Smetana , Streifzug durch alle K ä l m ä n- Operetten, Fackeltanz Nr. 1 von Meherbeer. Programm-Musik:Sirenenzauber" von Waldteufel(zum Atus-Fackelschwimmen), Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust" von Josef Strauß (zum Turnen der Musterriegen am Barren und Hochreck),Auitras Tanz" aus der Peer-Ghnt"»Suite von Edvard G r i e g(zum Tanz der Turnerinnen),In lauschiger Nacht" von Ziehrer (zum Masien-Feuerkeulen« schwingen),Wie's daheim war..." von Wohlgemuth,Brüder, zur Sonne...", russische Weise,Wacht auf. Verdammte..." von D e g a Y t e r(zu den Bttdern aus dem Leben). Ts spielt das Orchester des Auffiger StadüheaterS. Dirigent: Gustav Wies«. Beginn: 8 Uhr.. Eintritt KC 8., Dauerkarten frei! Abschluß: Fackelzug zum Marktplatz. Vlktor-Hugo-Feler der Einheits­front verboten Paris . Die Regierung hat die Abhaltung einer von der sozialistisch-kommunistischen E i n- h e i t s f r o n t für Sonntag anberaumten Kund­gebung aus Anlaß der Gedenkfeiern für B i c t o r Hugo im Pariser Studentenviertcl unter­lagt.